Punkt 1 der Tagesordnung
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Aktuelle Viertelstunde |
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Siehe Inhaltsprotokoll.
Frau Vors. Weißbecker: Wir kommen zu
Punkt 2 der Tagesordnung
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Soll eine Wortprotokoll gefertigt werden? – Das ist der Fall. – Frau Dr. Klotz!
Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne): Ich schlage vor, das getrennt zu diskutieren, sonst mengen wir das durcheinander. Das Erste ist der Weiterbildungsteil, das Zweite sind die Eingliederungsvereinbarungen.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank für den Hinweis! – Die Anzuhörenden sind auch zu Punkt 2 a) der Tagesordnung geladen worden, und zwar Frau Haupt-Koopmann von der Regionaldirektion, Herr Nünke vom City-Seminar, Frau Faubel vom Frauencomputerzentrum und Frau Strehle und Herr Dr. Galwelat von der Akademie für digitale Medien. Herzlich willkommen! – Wird eine Begründung gewünscht? – Auf Antrag aller Fraktionen wird darauf verzichtet. – Wir haben vereinbart, dass wir den Anzuhörenden für ihr Eingangsstatement fünf Minuten Zeit geben. – Frau Haupt-Koopmann, bitte!
Frau Haupt-Koopmann (Regionaldirektion Berlin-Brandenburg – RD BB –): Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass zz. im Bereich FbW eine schwierige Gemengelage herrscht, nicht nur hier in Berlin-Brandenburg, sondern im gesamten Bundesgebiet. Gerade das Arbeitsmarktinstrument Förderung der beruflichen Weiterbildung wird noch nicht wieder so eingesetzt, wie es auch aus unserer Sicht erforderlich wäre. Deswegen will ich gleich am Anfang deutlich machen, dass ich hier auch für Berlin Handlungsbedarf sehe. Wir haben uns mehrfach auch in diesem Kreis darüber ausgetauscht, dass wir durch die Neuaufstellung der Arbeitsgemeinschaften und Agenturen in den ersten Monaten in einem recht schwierigen Fahrwasser waren und sich insbesondere die Arbeitsgemeinschaften sehr stark auf die Zahlung von Geldleistungen und die Beratung der Arbeitslosen zu ihren Anträgen konzentriert haben. Insofern sind wir auf Grund des Schulungsbedarfs der Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaften dabei – Sie wissen sicherlich, dass es sich bei der Förderung der beruflichen Weiterbildung nicht gerade um ein einfaches Arbeitsmarktinstrument handelt –, die Mitarbeiter so zu qualifizieren, damit jetzt losgelegt werden kann. So will ich es formulieren.
Aber man darf auch das Instrument Förderung der beruflichen Weiterbildung nicht isoliert betrachten. Ich möchte in diesem Zusammenhang erwähnen, dass wir über 60 Arbeitsmarktinstrumente haben. Förderung der beruflichen Weiterbildung ist und bleibt ein wichtiges Instrument, ist aber nicht das einzige. Sie wissen auch, dass spätestens seit der Neuausrichtung der Förderung der beruflichen Weiterbildung im Jahr 2003, auf den individuellen Handlungsbedarf abgestellt Arbeitsmarktinstrumente einzusetzen sind – auch bei der Förderung der beruflichen Weiterbildung.
Insgesamt haben wir – Agenturen und Arbeitsgemeinschaften – seit Beginn des Jahres 36 500 Arbeitslose mit Instrumenten des ersten Arbeitsmarktes gefördert. Wir haben 36 500 Arbeitslosen die Möglichkeit der Beteiligung an einem Arbeitsmarktinstrument des ersten Arbeitsmarktes gegeben. Das ist eine große Bandbreite – FbW, Eingliederungszuschüsse, Beauftragung Dritter –, also ein großes Feld. Bei den Job-Centern fördern wir mit diesen Arbeitsmarktinstrumenten zz. ein Drittel, also 14 600. Über den zweiten Arbeitsmarkt werden über 5 000 gefördert, d. h. die Job-Center sind schon dabei, Arbeitsmarktinstrumente einzusetzen, und zwar in den ersten drei Monaten in einem Umfang von 20 000 Eintritten. Aber der Umfang ist eben bei etlichen Arbeitsmarktinstrumenten – dazu zähle ich auch die Förderung der beruflichen Weiterbildung – viel zu gering. Wir haben – das sage ich ganz offen, die Zahl ist bekannt – Rückgänge bei den Eintritten gerade im Bereich FbW von 70 %.
Ich habe ja betont: Es ist ein bundesweites Thema. Der Vorstand, Herr Alt, der in der Bundesagentur für den operativen Bereich zuständig ist, hat alle Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaften bundesweit angeschrieben und noch einmal deutlich gemacht, dass wir jetzt, nachdem die Anfangsmonate des Aufbaus abgeschlossen sein müssen, zwingend in die Umsetzung der Arbeitsmarktinstrumente und auch so wichtiger Instrumente wie Förderung der beruflichen Weiterbildung eintreten müssen.
Es ist auch für Bildungsträger, gerade für unsere Partner – rechts neben mir sitzen bekannte Partner –, im Augenblick eine ganz schwierige Situation. Das verkenne ich überhaupt nicht. Ich gehe davon aus – wir haben die Ernsthaftigkeit dieser Thematik in der letzten Woche auch mit den Vorsitzenden der Geschäftsleitung besprochen –, dass wir durch die Weiterqualifizierung der Mitarbeiter jetzt auch ein Fundament geschaffen haben, um die Förderung der beruflichen Weiterbildung in den nächsten Monaten zielgerichtet, orientiert am Bedarf der Arbeitslosen, einzusetzen. Gelder stehen zur Verfügung, insofern knüpfe ich an das an, was Herr Wolf gesagt hat: Es mag auf den ersten Blick so wirken, als wenn Gelder gekürzt worden wären, wir können aber das volle Volumen abrufen, d. h. die Job-Center müssen ihre Planung nicht umstellen. Die Job-Center haben in diesem Jahr 12 000 Eintritte in die Förderung der beruflichen Weiterbildung geplant.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Herr Nünke, bitte!
Herr Nünke (City-Seminar): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Lernen ist eine lebenslange Aufgabe. Dies ist auch ein von Bildungspolitikern in Reden gern gebrauchtes und nicht in Frage zu stellendes Axiom, kann man doch, auf diesem Abstraktionsniveau verharrend, nichts falsch machen. Ziel dieser Anhörung soll sein, praktizierte Bildung in Bezug auf Weiterbildung nach Hartz IV auf ihre Tauglichkeit zur Bewältigung heutiger Probleme in Verbindung mit Zukunftssicherung – Bildung hat immer etwas mit Zukunftssicherung zu tun – zu untersuchen. Arbeitslosigkeit insgesamt ist ein gesellschaftliches Problem. Arbeitslosigkeit insgesamt ist aber auch die Summe von vielen Millionen Einzelschicksalen. Arbeitslose Jugendliche – wir hatten das vorhin angesprochen –, die keine oder nur eine ungenügende Bildung erfahren, fallen unwiderruflich zur Bewältigung künftiger gesellschaftlicher Aufgaben aus. Ältere Arbeitslose fallen in wenigen Jahren aus, ohne dass sie ihre Erfahrungen hätten weitergeben können. Der Großteil der heute arbeitslosen Menschen verliert mit jedem Jahr Arbeitslosigkeit ein Stück an Qualifikation und messbar auch an sozialer Kompetenz. Es steigen die individuellen sozialen Probleme. So sind nach Untersuchungen der Techniker-Krankenkasse die psychisch bedingten Krankschreibungen bei Arbeitslosen im Vergleich zu Berufstätigen drei Mal so hoch. In den letzten Jahren gab es einen Anstieg um 28 %. Auch hier entstehen m. E. durch Arbeitslosigkeit neue gesellschaftliche Problemfelder. Bildung wird unter diesen Gesichtspunkten ein gesellschaftlicher Wert an sich. Niemand, der im Zustand der Arbeitslosigkeit verharren muss, fühlt sich wohl. Es reicht schon der persönliche Eindruck, nicht mehr gebraucht zu werden, um Menschen nachhaltig psychisch zu schädigen. Physische Beeinträchtigungen sind die Folge. Deshalb möchte ich in den Mittelpunkt meiner Ausführungen kurz die Fragen stellen: Werden diese Menschen wirklich nicht mehr gebraucht? – Und: Sind gegenwärtige Weiterbildungsorientierungen darauf angelegt, arbeitslosen Menschen eine Perspektive zu geben?
Der aktuelle Arbeitsmarkt, in dem sich laufend Arbeitsprozesse verändern, neue Anforderungen an Mitarbeiter entstehen und gestellt werden, ist einer ständigen Fluktuation und Prozessen partieller Expansion unterworfen. Ein Arbeitsloser hat durchaus realistische Chancen, über eine exzellente Weiterbildung, den Ausgangspunkt seiner Qualifikation nutzend, erfolgreich auf den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen. Weiterbildung hat, diese Personengruppe betreffend, aber sehr komplexe Aufgabenstellungen. Sie muss nämlich über bloße Wissensvermittlung hinausgehen. Die Arbeit der Bildungsträger an der individuellen sozialen Kompetenz hat in diesem Zusammenhang viel mit Erhöhung von Selbstwertgefühl und mit Mut machen für neue Aufgaben, auch für die Selbstständigkeit, zu tun. Damit will ich andeuten, dass Arbeitslose sehr wohl gebraucht werden. Zugegeben werden muss aber auch, dass der aktuelle Arbeitsmarkt nicht in der Lage ist, fünf Millionen Arbeitslose aufzunehmen. Ich will jetzt nicht über die Zahlen streiten.
Kann es als Aufgabenstellung für Bildung allgemein und Weiterbildung im Besonderen angesichts dieser Gegenwart überhaupt eine Alternative zu verstärkter Anstrengung für und in die Zukunft geben? – Gerade in konjunkturschwachen Zeiten müssen Bildungsanstrengungen nicht vermindert, sondern sogar systematisch verstärkt werden. Unterschätzung von Weiterbildung bedeutet aktuell Vermittlung von Perspektivlosigkeit in jedem Betroffenen. Natürlich muss Bildung eine inhaltliche Richtung erfahren: Bildung wohin? – Als solches ist Weiterbildung zum Zwecke der Vermeidung von Arbeitslosigkeit und zur Herstellung von Arbeitsfähigkeit – was der derzeitigen Bildungszielplanung eher abgesprochen werden muss – eine richtige Orientierung. Bildung muss Gegenwart sichern und Zukunft vorbereiten. Weiterbildung kann dies, und zwar im Verhältnis zur Neuausbildung kostengünstiger, leisten. Damit will ich nicht sagen, dass Erstausbildung vernachlässigt werden kann. Ich mache nur auf das Potential aufmerksam.
Weiterbildung beginnt bei der durch Bildung möglichen und realisierbaren Zuversicht für jeden Arbeitslosen, er werde gebraucht – wenn nicht heute, dann aber in Zukunft. Verweigerung von Bildungsgutscheinen, wie wir sie massenhaft haben, erscheint dem Bildungswilligen als staatliche Resignation vor dem aktuellen Arbeitsmarkt und zudem als persönliche Negativeinstufung, überhaupt erfolgreich auf den ersten Arbeitsmarkt gelangen zu können. Es wird als eine weitere persönliche Niederlage neben seinen erfolglosen Bewerbungen empfunden. Dies geht weiter mit über die Weiterbildung realisierbaren, ständigen Konfrontationen mit neuen und modernen Arbeitsprozessen und -anforderungen und mit neuen Tätigkeitsfeldern und Herausforderungen – auch mit solchen Herausforderungen, die es vor wenigen Jahren noch gar nicht gegeben hat. Verweigerung von Bildungsgutscheinen verstärkt hier das individuelle Gefühl, auf Grund knapper Mittel – das ist ständige Argumentation – von der fortschreitenden und sich entwickelnden Arbeitswelt abgekoppelt zu werden. Resignation wird in diesem Gemenge das Grundgefühl der heutigen Arbeitslosenwelt.
Die Altersstruktur dieser Gesellschaft vor Augen ist es m. E. ein Gebot der Gegenwart, die heute in Arbeitslosigkeit Verharrenden für die Aufgaben der Zukunft nicht nur zu erhalten, sondern für ihre aktive Mitgestaltung und damit auch wieder für die Belebung des Arbeitsmarktes Sorge zu tragen. Versagung von Weiterbildung bedeutet, dass das heute noch qualifizierte Potential, das sich in der Arbeitslosigkeit befindet, für künftige Aufgaben, die an die Gesellschaft gestellt werden, messbar zunehmend ausfällt. Einerseits – so meine Überzeugung – werden absolut zu wenig Mittel für Weiterbildung bereitgestellt, z. T. hochqualifiziertes Potential droht zunehmend zu verkümmern, andererseits werden die bereitgestellten und äußerst begrenzt gehaltenen Mittel weitestgehend verschwendet, einmal durch ihren Einsatz in fachlich nicht begründeten Maßnahmen – Bildungszielplanung – und weiter durch Verweigerung des Einsatzes in zukunftsträchtigen Qualifizierungsmaßnahmen. Ich habe versucht, dies in meiner Vorlage – die Ihnen hoffentlich zugegangen ist – am Beispiel der Qualifizierung zum Energieberater darzustellen, einer volkswirtschaftlich dringend gebotenen Qualifizierung.
Sollte die derzeitige Praxis, die den meiner Meinung nach nachvollziehbaren und unterstützenswerten Grundgedanken des Hartz-Papiers nicht untersetzt, weitere Monate anhalten, werden weitere private Bildungseinrichtungen vom Bildungsmarkt verschwinden, und die kreative Bildungsanbieterlandschaft wird weiter ausgedünnt. Vorige Woche haben wir einen weiteren Bildungsanbieter begraben – Zwangsversteigerung –, der ist weg. – Ich danke!
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank, Herr Nünke! – Frau Faubel, bitte!
Frau Faubel (Frauencomputerzentrum Berlin): Guten Tag, meine Damen und Herren! Das Frauencomputerzentrum ist seit zwanzig Jahren in diesem Sektor tätig. Wir führen auch seit zwanzig Jahren Maßnahmen im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit durch – bislang mit großem Erfolg. Die Frauen sind nach Beendigung der Fortbildung zum großen Teil in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt worden. Aktuell ist es so – ich nenne jetzt ein konkretes Beispiel, das macht es vielleicht ein bisschen plastischer –, dass wir eine Fortbildung haben, die sich Bürokommunikation nennt. Sie ist modular aufgebaut, in vier Modulen. Der erste Durchgang lief mit acht Teilnehmerinnen, d. h., wir haben da viel Geld zugeschossen. Z. T. haben zwei Teilnehmerinnen ihre Fortbildung auch selbst finanziert, weil die Arbeitsagentur die Bildungsgutscheine verweigert hat. In der zweiten Runde, die stattfinden sollte, hatten wir zwei Teilnehmerinnen, die zwei Bildungsgutscheine bekommen hatten. Daraufhin haben wir die Maßnahme in Absprache mit der Bundesagentur um einen Monat verschoben. Nach Ablauf dieses Monats waren die zwei Teilnehmerinnen auch weg. Sie wurden in eine andere Maßnahme zwangsvermittelt. Die Interessentinnen, die wir für diese Fortbildung hatten – es waren ungefähr 25 bis 30, ich weiß es nicht genau –, wurden z. T. mit der Begründung abgewiesen, sie seien zu alt. Die jüngste Interessentin war 32 Jahre alt. Sie wurde mit der Begründung, sie sei zu alt für diese Maßnahme, abgewiesen. Es gab Teilnehmerinnen, denen gesagt wurde, sie müssten eine hundertprozentige Arbeitsplatzgarantie mitbringen, möglichst einen Arbeitsvertrag, dann würde ihnen evtl. der Bildungsgutschein ausgehändigt werden. Es gibt eine ganze Reihe von solchen Fällen. Ich kenne auch einen Bildungsträger, der acht feste Arbeitsplätze hatte und trotzdem keine Teilnehmer gefunden hat, die mit Hilfe des Bildungsgutscheins an diesen Maßnahmen teilnehmen konnten. Sie sehen, das sind Maßnahmen, die von Seiten der Träger angeboten werden, die auch gute Arbeitsplatzgarantien geboten haben. Die Fortbildung Bürokommunikation haben wir zuvor schon vier Mal durchgeführt. Wir wissen nicht mehr, was wir tun sollen, um diese Maßnahmen durchzuführen. Wenn das Frauencomputerzentrum von den Fortbildungen der Bundesagentur abhängig wäre, dann gäbe es uns auch nicht mehr – eindeutig.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank, Frau Faubel! – Herr Dr. Galwelat, bitte!
Dr. Galwelat (cimdata.de, Akademie für digitale Medien): Guten Tag, meine Damen und Herren! Mein Name ist Galwelat. Ich vertrete einmal cimdata, aber ich vertrete auch den Bundesverband der digitalen Wirtschaft. Ich bin dort Leiter des Arbeitskreises Arbeitsmarkt, habe also bundesweit mit sehr vielen Weiterbildungsträgern zu tun, und auch in Berlin habe ich mit sehr vielen Kontakt. – Ich habe ein umfangreiches Papier erarbeitet, das Ihnen zugegangen ist.
Zunächst einige Vorbemerkungen – die meisten wichtigen Dinge sind schon von meinen Vorrednern gesagt worden –: Wenn wir von Weiterbildung reden, dann reden wir von dem aktiven Arbeitslosen, von dem, der sich bemüht, der darum kämpft, von dem, wo es Sinn macht – nicht von dem, der vielleicht schon größere Probleme hat. Ich habe in meinen Anlagen eine kleine Rechnung aufgemacht: Wenn wir 67 % Verbleibsquote erreichen – das sind Zahlen, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit für 2004 veröffentlicht worden sind, bundesweit –, dann spart die Bundesagentur 300 000 €. Wenn wir nur 50 % erreichen, weil in Berlin die wirtschaftliche Lage vielleicht nicht ganz so gut ist, dann spart die Bundesagentur bei 100 Personen 140 000 €. – Das zur Frage der Wirtschaftlichkeit. Wir reden ja nicht von Weiterbildung nach dem Gießkannenprinzip. Wir reden von gezielter Weiterbildung, von den Fällen, wo es wirklich Sinn macht, wo Leute sich bemühen und alle Voraussetzungen erfüllt sind. Nur davon reden wir.
Der nächste Punkt, den ich vortragen möchte, ist: Was ist in den letzten zwei Jahren passiert? – Wir wissen: Vor ca. drei Jahren, 2002, war die Weiterbildung vielleicht auf einem zu hohen Niveau, da wurde vielleicht zu viel getan. Ab 2003 galt das Gesetz Hartz I, es wurden massive Einschränkungen vorgenommen, die Weiterbildung wurde bundesweit um 70 % abgebaut – auch in Berlin. Die Kursdauer wurde z. B. von im Schnitt neun Monaten auf vier Monate verringert. Es wurden Bildungsgutscheine eingeführt, es wurden Durchschnittskostensätze definiert, was in der Regel mit einer Absenkung der Kosten einherging. Es wurden regionale Bildungsziele vorgegeben. Am 1. 7. letzten Jahres ist die AZWV, also eine Verordnung zur Anerkennung von Weiterbildungsträgern, verabschiedet worden, die z. B. 32 Anforderungen an Träger und 12 an die Maßnahmen definiert – z. B. muss ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt werden, das die Weiterbildungsträger erhebliches Geld kostet –, um überhaupt noch im nächsten Jahr dabei sein zu dürfen. Im Ergebnis dieser Maßnahmen der letzten zwei Jahre ist die Verbleibsquote sechs Monate nach Ende einer Weiterbildungsmaßnahme von 60 auf 67 % gestiegen. Das sind Zahlen, die von der Bundesregierung offiziell jetzt im Dezember veröffentlicht worden sind.
Wie ist die Lage aktuell? – Frau Haupt-Koopmann hat eben schon einiges gesagt. Sie hat von 70 % Rückgang bei den Eintritten im ersten Quartal gesprochen. Ich möchte sie mit ihren eigenen Zahlen korrigieren: Wir haben bei den Eintritten in Weiterbildung einen Rückgang von 80 % im ersten Quartal. Das sind die offiziellen Zahlen der Arbeitsagentur, die im Netz nachzulesen sind. Wir haben die ersten Insolvenzen von Weiterbildungsträgern zu verzeichnen, und wir gehen davon aus, dass sich, wenn es so weitergeht, 80 bis 90 % aller Träger in den nächsten drei bis vier Monaten verabschieden werden müssen, weil es einfach wirtschaftlich nicht anders geht.
Wir haben jetzt alle Agenturen und alle Job-Center besucht. Wir haben intensiven Kontakt mit allen Agenturen. Wie sieht es in den Agenturen aus? – Die Agenturen haben ca. 10 % der Mittel vom Vorjahr zur Verfügung. Frau Haupt-Koopmann hat vorhin eine Zahl genannt: 12 000 geplante Weiterbildungsmaßnahmen für die Job-Center. Meine Frage an Sie ist: Was haben die Agenturen in diesem Jahr geplant? – Mir wird gesagt: Es stehen nur noch 10 % zur Verfügung. – Alle Kunden werden als Marktkunden eingestuft. Alle sollen sich selbst behelfen. Der Aussteuerbetrag von 9 900 € verhindert quasi die Ausgabe von Bildungsgutscheinen, die Kunden werden abgewimmelt – im wahrsten Sinn des Wortes –, sie werden vertröstet und mit absurden Begründungen abgewiesen. Was wir erleben, ist unglaublich. Nur noch 15 bis 20 % von den Personen, die zu uns kommen, sich beraten lassen, geprüft werden und aus unserer Sicht nachhaltig für eine Weiterbildung geeignet sind, bekommen noch einen Bildungsgutschein von den Agenturen. Uns wurde gesagt, dass die Agenturen jetzt großzügig seien und gestatten würden, dass Arbeitslose ihre Weiterbildung selbst bezahlen. Das wurde als Großzügigkeit herausgestellt.
Ich möchte noch anfügen, dass Trainingsmaßnahmen in keiner Weise mit Weiterbildung zu vergleichen sind. Trainingsmaßnahmen haben einen Sonderstatus. Sie sind nicht zielgerichtet und führen nicht direkt zur Arbeitsaufnahme. Sie sind anders zu bewerten. Ich möchte sie davon abkoppeln. Ich bitte Sie, nicht die Zahlen von Trainingsmaßnahmen mit Weiterbildungszahlen in einen Topf zu werfen.
Wie sieht es bei den Job-Centern aus? – Wir haben alle elf besucht – bis auf eines, das für Weiterbildungsträger nicht ansprechbar war. Wir haben mit Geschäftsführern auf allen Ebenen, Bereichsleitern, Teamleitern und mit Fallmanagern gesprochen. Uns wurde gesagt – das wurde hier auch bestätigt –, dass Mittel für Weiterbildung zur Verfügung stehen. Wir wissen, dass acht der zwölf Job-Center noch in diesem Quartal, im 2. Quartal, umziehen, also noch irgendwo provisorisch untergebracht sind. Wir wissen, dass die Mitarbeiter aktuell geschult werden – das wurde auch schon gesagt –, dass die Mitarbeiter von Bahn, Post und sonst wo her das Wort Weiterbildung z. T. noch nie gehört haben. Wir haben Fälle, wo ein Arbeitsloser zu uns kommt und uns erzählt, dass er nach Weiterbildung gefragt hat und die Dame gar nicht wusste, was er meinte. Aktuell werden die Mitarbeiter geschult, und man hat uns hinter vorgehaltener Hand gesagt: Ja, es geht bald los. Umzug, Ferien, wir rechnen mit September. – Wir wissen auch – das sagen uns hochrangige Mitarbeiter –, dass die Ziele für die Job-Center jetzt schon nicht mehr zu erreichen sind. Wie sollten sie auch? – In den ersten drei Monaten ist fast nichts passiert, vielleicht 20 %. Jetzt wird umgezogen. Was soll im ersten Halbjahr noch bewirkt werden?
Wir haben uns viele Gedanken gemacht: Wie kann man das ganze Dilemma lösen, wie kann man die Abschaffung von Weiterbildung – und sie wird abgeschafft, wenn es so weitergeht – verhindern? – Meine Bitte an die Regionaldirektion und die Bundesagentur ist, eine sofortige Übergangssituation zu schaffen. Es war ein hehres Ziel, Job-Center in Nullkommanichts, in wenigen Wochen aus dem Erdboden zu stampfen, aber es ist nun einmal nicht möglich. Man muss anerkennen, dass so ein großer Reformprozess einfach nicht in wenigen Monaten zu bewerkstelligen ist, dass er vielleicht ein ganzes Jahr braucht. Meine Bitte ist deshalb, eine Übergangssituation von einem Jahr zu schaffen – bis mindestens Ende 2005 –, um allen Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu sortieren und entsprechend die Arbeit vernünftig aufnehmen zu können. Für diese Übergangssituation müssen zum einen Maßnahmen in den Agenturen geschaffen werden. Mein Vorschlag ist, Mittel, die für Weiterbildung aufgewendet werden, anteilig auf den Aussteuerbetrag anzurechnen. Ich weiß, dass das einer Gesetzesänderung bedarf und nicht so einfach möglich sein wird. Ansonsten müssten anderweitig Mittel freigegeben werden.
Für die Job-Center bitte ich, ein vereinfachtes Verfahren einzuführen und bestimmte Personen zu befugen, Weiterbildung dann, wenn sie von Weiterbildungsträgern geprüft und als sinnvoll erachtet worden sind, in einem einfachen Verfahren dort abzusegnen, damit die Job-Center ihre Arbeit aufnehmen können. Es wäre ein Mittel, wenn es in jedem Job-Center ein Büro geben würde, wo Weiterbildung beantragt werden kann und jemand in der Lage ist zu unterschreiben. Dann könnte man anfangen. Dann müsste man nicht warten, bis irgendwann alle geschult sind. Ich bitte darum, dass man Maßnahmen einleitet. Wenn es so kommt, wie uns gesagt worden ist, dass es nach Umzug und Urlaub irgendwann im August/September losgeht, dann sehe ich schwarz, dann werden Millionenwerte vernichtet. Das sind Mittel, die ursprünglich von der Arbeitsagentur aufgebracht worden sind. Wenn wir verschwinden, werden Software und Konzepte vernichtet. Es wird unendlich viel vernichtet. Wir werden dann nicht mehr da sein, wenn man uns braucht. – Vielen Dank!
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank, Herr Galwelat! – Ich eröffne die Aussprache. – Herr Lehmann, bitte!
Abg. Lehmann (FDP): Danke, Frau Vorsitzende! – Danke an die betreffenden Damen und Herren, dass Sie die dramatische Situation noch einmal erläutert haben! Die Situation ist in der Tat dramatisch, und so muss man sie auch bewerten. Das Trägersterben hat ja schon begonnen. Gerade für diejenigen, die in den letzten Jahren immer auf den Bildungsträgern herumgehackt haben, muss man diese Situation klarstellen. – [Frau Abg. Grosse (SPD): Sie sind doch diejenigen gewesen, die gegen Weiterbildung waren!] – Vor einigen Jahren gab es sicherlich eine Beschulungsschwemme dahin gehend, dass man möglichst alle in Weiterbildung bringen wollte. Das ist schon lange nicht mehr so. Dementsprechend haben sich die Bildungsträger, die es noch gibt, auch darauf eingerichtet und bieten heutzutage sehr flexibel Maßnahmen an, und zwar auch das, was tatsächlich abgefragt wird und nicht umgekehrt, wie es in grauer Vorzeit teilweise war. – Das ist noch einmal die Situation, Frau Grosse, und der muss man sich auch stellen.
Eine Frage habe ich an Frau Haupt-Koopmann: Sie haben von 12 000 Weiterbildungsmaßnahmen gesprochen. In der letzten Ausschusssitzung waren es bei Ihrem Kollegen Gärtner noch 13 000. Ich möchte mich nicht um diese Zahl streiten, aber mich interessiert: Sind das generell die originären Weiterbildungsmaßnahmen, oder haben Sie da auch diese Trainingsmaßnahmen mit hineingerechnet? – Mich interessiert auch brennend die Frage: Wann geht es tatsächlich los? – Sicherlich ist es am Anfang erst einmal schwierig, wenn man etwas Neues aufbaut. Es müssen erst einmal alle ausgebildet und geschult werden. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber wir sind mittlerweile im Monat April, und die Frage ist: Wann geht es tatsächlich los? – Das ist auch die Frage, die für die Bildungsträger am drängendsten ist, die ja auch planen müssen, um zu überleben. Da ist diese Frage doch sehr exemplarisch.
Der nächste Punkt betrifft die Job-Center. Ich sagte eben schon: Natürlich müssen da auch erst einmal alle Mitarbeiter ausgebildet werden. Nach wie vor ist ein großes Manko dabei, dass keiner entscheiden will oder kann, denn sonst gäbe es dieses Hickhack nicht. Es muss einer da sein, der beispielsweise sagt: Jetzt werden diese Bildungsgutscheine ausgegeben. –, so dass nicht erst wieder rückgekoppelt werden muss. Nach wie vor habe ich den Satz im Ohr: Nürnberg sitzt mit am Tisch. – Vielleicht kann man hier doch mehr Flexibilität erreichen, damit vor Ort besser entschieden werden kann. Ich möchte von Ihnen wissen, ob das in nächster Zeit zu erwarten ist.
Das Problem mit den nicht ausgegebenen Bildungsgutscheinen ist nicht neu. Ich erinnere nur an unsere Arie, die wir schon einmal mit den Bildungsgutscheinen für alleinerziehende Mütter hatten. Das ist noch gar nicht so lange her – das war vor den Job-Centern –, als das auch schon nicht funktionierte. Jetzt haben wir die Job-Center, und es funktioniert immer noch nicht. Ich mahne an, dass man hier schneller und unbürokratischer entscheidet.
Eine Frage an den Senat, der sagen könnte: Wir halten uns ein bisschen zurück. – Trotzdem würde mich auch die Meinung des Senats interessieren: Wie stehen Sie zu der Zukunft der Bildungsträger? Wie bewerten Sie die jetzige Situation? – Sicherlich können Sie logischerweise der Bundesagentur hier keine Vorschriften machen. Aber wie bewerten Sie diese Situation im Allgemeinen? – Danke schön!
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Herr Kurth!
Abg. Kurth (CDU): Ich möchte mich zunächst dem Dank an die Angehörten anschließen. – Wir erleben ja im Grunde das zweite Mal einen massiven quantitativen Einbruch im Bereich der Fort- und Weiterbildungsaktivitäten. Wir haben im letzten Jahr über das Thema Verbleibequote und Förderung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen diskutiert und haben jetzt nach Inkrafttreten von Hartz IV den nächsten massiven flächendeckenden Einbruch, den ich in dieser Form überhaupt nicht für akzeptabel halte. Egal, ob man die Zahlen von Herrn Dr. Galwelat oder von Frau Haupt-Koopmann nimmt, die Aussage bleibt, dass wir einen bundesweiten Rückgang der Aktivitäten um fast 60 %, in den neuen Bundesländern von mehr als 65 % und in Berlin von 70 oder 80 % haben. D. h., das Instrument Fort- und Weiterbildung verschwindet de facto aus dem Instrumentarium aktiver Arbeitsmarktpolitik. Dieses ist nicht akzeptabel. Ich denke, da sind sich alle hier im Ausschuss einig. – Frau Grosse, wir sollten uns in diesem Punkt beim Austeilen etwas zurückhalten. – [Zuruf] – Moment! Wir haben immer gesagt, dass das Instrument Fort- und Weiterbildung wichtig ist, dass es früher sicherlich Fehlentwicklungen gegeben hat, die man in weiten Teilen unter der Überschrift „Gießkannenförderung“ begreifen kann. Aber was heute stattfindet, ist das Verschwinden dieses Instruments, und das geht nicht.
Wir brauchen in der Tat – insofern möchte ich den aus meiner Sicht wichtigsten Punkt aus den Vorträgen der Angehörten nach vorne ziehen – eine Verständigung darüber, wie im Übergang, solange die Job-Center nicht arbeitsfähig sind – aus welchen Gründen auch immer –, eine Praxis gewährleistet werden kann, die zumindest dafür Sorge trägt, dass die Landschaft der Weiterbildungsträger nicht verschwunden sein wird, wenn die Job-Center endlich arbeitsfähig sind. Das kann nicht sein. Es kann nicht sein, dass wir in der Presse die ersten Insolvenzen zur Kenntnis nehmen. Es kann nicht sein, dass wir von Aktivitäten hören wie vom Frauencomputerzentrum, wo Weiterbildungsaktivitäten nur noch dadurch zu halten sind, dass die Förderung nicht auf die Regionalagentur abgestellt werden muss und von ihr abhängig ist. Es kann nicht sein, dass die Weiterbildungsträger nur trotz der Aktivitäten der Arbeitsagentur überleben, bis die Job-Center endlich in die Gänge gekommen sind. Wir sollten diesen Appell aufgreifen und uns hier im Ausschuss darüber verständigen, welche Forderungen das Land Berlin – ich denke, der Senat wird sich dem anschließen – politisch erhebt, damit Fort- und Weiterbildung in Berlin noch stattfindet.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Frau Dr. Klotz, bitte!
Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne): Schönen Dank! – Ich möchte vorweg sagen, dass das Ziel, über das wir hier reden, nicht von Seiten der Träger und Weiterbildungsfirmen zu definieren ist. Das geht jetzt gar nicht an Sie, sondern an einige Vorredner. Ich glaube, dass wir das Maß – Quantität und Qualität – von Weiterbildung aus der Sicht der Erwerbslosen betrachten müssen, und was ihnen nutzt, um wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Das will ich vorweg sagen, weil es so einen Zungenschlag in einigen Redebeiträgen vorher gab.
Zweitens – wir haben schon oft darüber geredet –: Berlin hat nicht nur ein Arbeitslosen-, sondern auch ein Bildungsproblem. Der Zusammenhang zwischen sehr hoher Erwerbslosigkeit und fehlenden Schulabschlüssen sowie nicht vorhandener Berufsausbildung ist unverkennbar und völlig klar. Insofern brauchen wir mehr Bildung in allen Bereichen – ich glaube, da gibt es auch einen Konsens – von der schulischen Bildung über die Berufsausbildung bis zur betrieblichen Weiterbildung. Sie fängt ja nicht erst in dem Moment an, wo Leute erwerbslos sind, sondern schon vorher, aber auch bei der Qualifizierung und Weiterbildung von Erwerbslosen. Das ist ein wichtiger Teil, wie ich finde.
Es gab natürlich eine „Marktbereinigung“ – wie es immer so schön heißt – im Jahr 2003. Aber ich halte mehr Wettbewerb im Weiterbildungsbereich für einen richtigen Ansatz – und daran halte ich auch fest –, weil ich aus der Vergangenheit auch weiß, dass die Art und Weise, wie Weiterbildung vermittelt wurde, wie Maßnahmen kreiert und Teilnehmerinnen und Teilnehmer vermittelt wurden, nicht immer wirklich geholfen hat. Wir erinnern uns an die vielen Blumenbinderinnen. In ostdeutschen Kommunen mit 700 Einwohnern gab es eine Maßnahme mit 20 Blumenbinderinnen. Ob das nun wirklich hilft, auf dem Arbeitsmarkt unterzukommen, und ob das ein sinnvoller Einsatz von beruflichen Weiterbildungsmitteln war, daran habe ich meine Zweifel. Insofern finde ich grundsätzlich die Einführung der Bildungsgutscheine richtig, und ich finde zum Zweiten auch den Ansatz richtig, dass diejenigen, die vorher als Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger überhaupt keine Zugangsmöglichkeiten zu Weiterbildung hatten, sie jetzt nach Hartz IV oder SGB II grundsätzlich haben. Das halte ich für eine richtige Entscheidung und eine richtige gesetzliche Weichenstellung.
Jetzt komme ich zur realen Situation, denn es besteht schon ein Widerspruch zwischen dem, was der Gesetzgeber wollte, und dem, was wir real beobachten: Die quantitative Entwicklung ist ziemlich heftig, das ist vorgetragen worden. Es gibt bei der beruflichen Weiterbildung nicht nur einen Rückgang von 70 %, Frau Haupt-Koopmann, sondern – das entnehmen wir heute der „Berliner Zeitung“ – von 80 %. Die Frage von Herrn Lehmann habe ich auch: Was zählt als berufliche Weiterbildung? Sind die Trainingsmaßnahmen in den im Alg-II-Bereich 387 existierenden FbW-Maßnahmen und den 7 320 Personen, die im SGB-III-Bereich in beruflicher Weiterbildung sind, mit dabei?
Neben der Quantität interessiert mich aber auch das ein bisschen zu kurz gekommene Thema Bildungsziele. Diese Bildungsziele legen Sie für Berlin fest. Da kann jetzt niemand sagen: Dafür bin ich nicht zuständig. – Es gibt in diesem Ausschuss immer das beliebte Spiel, dass sich alle wechselseitig erklären, dass sie nicht zuständig seien. – Ich nehme mir einmal die Bildungszielplanung 2005, die sich unter www.arbeitsagentur.de im Internet finden lässt. Darin steht, dass es Bildungsziele in folgenden Bereichen gibt: sozialpflegerischer und Gesundheitsbereich, gewerblich-technischer Bereich, kaufmännisch-verwaltender Bereich, IT-Bereich/Medien und Sonstiges. Das sind die Bildungsziele, die ich aus dem Internet herunterladen kann. Ich nehme mir einmal Herrn Nünke als Beispiel, was Sie jetzt nicht verwundern wird, weil es um das Thema Energieeinsparung geht, an dem ich hänge. Herr Nünke hatte in der Vergangenheit bei seinen Weiterbildungsmaßnahmen – so habe ich es der Vorbereitung entnommen – im Jahr 2003 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem Lehrgang zur Energieberaterin und zum Energieberater. Von diesen 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmern befinden sich mittlerweile vier in einer abhängigen Beschäftigung und 11 sind selbständig, sprich: zugelassene Energieberaterinnen und -berater. Und Herrn Nünkes Anträge auf Weiterbildung werden heute abgelehnt, weil gesagt wird: „Das entspricht nicht unseren Bildungszielen.“ – Das, Frau Haupt-Koopmann, verstehe ich neben den Quantitäten, die ich auch nicht verstehe, nicht, wenn einerseits gesagt wird: „Wir haben Geld.“, und andererseits keine Bildungsgutscheine ausgegeben werden. Für Ihren Bereich ließen sich sicherlich Beispiele finden, die ich auch aus dem Frauencomputerzentrum kenne. Diese Frauen kommen teilweise zu uns und sagen, dass sie dort keine Weiterbildung bekommen. Ich verstehe nicht, warum nachgewiesenermaßen sinnvolle Weiterbildungen nicht bewilligt werden und Sie somit Leuten die Chance verwehren, einen Job zu bekommen – nicht Sie persönlich, sondern die Regionaldirektion –, mit dem Hinweis: „Das entspricht nicht unseren Bildungszielen.“
Dann wüsste ich noch gerne, welche Rolle der Aussteuerungsbetrag spielt – das ist auch so ein Thema. Ich habe dazu meine eigene Theorie, aber vielleicht können Sie uns einmal erklären, wie der Mechanismus des Aussteuerungsbetrags funktioniert. Denn die These lautet: Die Tatsache, dass ein Aussteuerungsbetrag existiert, verhindert, dass Sie Ihre finanziellen Mittel in sinnvolle berufliche Weiterbildung stecken.
Zum Schluss: Lieber Herr Kurth, Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze, aber das geht jetzt zu weit. Ich finde das auch ein Stück weit nicht ehrlich. Sie bringen hier an einem und demselben Tag einen Antrag ein und wollen ihn noch auf die Tagesordnung setzen lassen – Sie alle können ihn nachlesen. Darin steht, dass die CDU eine Kürzung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung möchte. Diese Kürzung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung wollen Sie gern haben, weil Sie eine Senkung der Lohnnebenkosten wollen. Wir alle sind uns darüber einig und finden das auch schön, aber haben leider das Problem: Wie soll das finanziert werden? Sie müssen konsequenterweise sagen, wenn Sie die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung weiter reduzieren wollen, dass das dazu führt, dass wir weniger aktive Arbeitsmarktpolitik und weniger berufliche Fort- und Weiterbildung haben werden und dass dieser gesamte Bereich weiter gekürzt wird. – Das ist die andere Seite der Wahrheit. – Man kann auf der einen Seite nicht sagen, man will die Kürzung der Zuschüsse oder Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, und auf der anderen Seite mehr berufliche Weiterbildung wollen. Das funktioniert nicht! Da müssen Sie sich schon mal entscheiden, was im Übrigen für die FDP genauso gilt. Sie haben auf Bundesebene beantragt, die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik und Weiterbildung zu kürzen, aber hier sagen Sie, dass Sie mehr davon wollen. Das passt nicht, und das finde ich auch nicht ehrlich.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Herr Jahnke, bitte!
Abg. Jahnke (SPD): Danke, Frau Vorsitzende! – Mir kommt unsere heutige Debatte ein bisschen wie ein Rollenspiel mit verkehrten Rollen vor. Während Herr Lehmann und Herr Kurth mit einer Träne im Knopfloch das Bildungsträgersterben beklagen, hat Frau Klotz völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht das Interesse der Träger im Mittelpunkt steht, sondern das der fortzubildenden Menschen, die wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden sollen. In diesem Zusammenhang kann die Arbeitslosigkeit nicht dadurch bekämpft werden, dass möglichst viele Leute bei den Träger beschäftigt werden, sondern das Ziel ist, dass Arbeitslose in den Maßnahmen qualifiziert werden. Herr Lehmann, ich muss einmal daran erinnern, dass nassforsche FDP-Politiker von einer „Arbeitslosenindustrie“ gesprochen haben. Dieser Begriff wurde nicht nur von denen benutzt, sondern zum Teil sogar auch von den Betroffenen aufgegriffen. Es wurde gesagt, dass es ein unbefriedigender Zustand sei, dass wir über ein milliardenschweres Umverteilungsinstrument der Bundesagentur Träger am Leben erhalten werden, die es auf Grund ihrer Qualität vielleicht nicht unbedingt verdient haben. Wir alle waren uns darüber einig, dass wir eine stärkere Bewertung vornehmen wollten.
Mich würde interessieren, Frau Haupt-Koopmann, ob denn nun die Zertifizierung der Träger – in Hartz II war eine Zertifizierungsstelle vorgesehen – vorankommt, denn – da gebe ich Herrn Kurth Recht – das Austrittskriterium eines Trägers aus dem Markt muss nicht unbedingt dessen wirtschaftlicher Atem sein. Wenn ihm auf Grund der Zustände, die zu Recht kritisiert werden, das Geld ausgeht, muss er irgendwann dichtmachen, und dann gibt es ihn nicht mehr am Markt. Das muss nicht unbedingt etwas mit der Qualität der Weiterbildung zu tun haben. Frau Haupt-Koopmann, können wir für diesen Übergangszustand erreichen, dass niemand aus diesem Grund ausscheidet, sondern dass wir anhand von Bildungszielen zu einer Evaluierung kommen, wie auch Frau Klotz richtig sagte, so dass wir damit die Träger übrig behalten, die tatsächlich einen Nutzen für die Teilnehmer bringen.
Letzte Frage: Wovon hängt es denn nun ab, dass Sie diese Bildungsgutscheine gewähren oder nicht? Es ist klar zu hören, dass Sie das in der letzten Zeit sehr sparsam handhaben.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Frau Holzheuer-Rothensteiner, bitte!
Frau Abg. Holzheuer-Rothensteiner (PDS): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! – Wir haben vorhin von den Anzuhörenden eine Menge Dinge gehört, die meiner Ansicht nach auch große Widersprüche aufwiesen. Zum einen ging es um die Nachfrage nach Weiterbildung und zum anderen um deren Ablehnung – auch in den Bereichen, die gute Chancen für die Arbeitslosen bieten würden, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Ich habe Frau Haupt-Koopmann so verstanden, dass Sie sagte, das liege unter anderem auch daran, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Agenturen und Job-Centern erst noch entsprechend geschult werden müssten. Das geht bei einem Rückgang von 70 % und mehr bei den Weiterbildungsgenehmigungen erst einmal auf Kosten derjenigen, die im Augenblick eine Weiterbildung benötigen würden, und natürlich auch auf Kosten der Träger. Wir haben von der Befürchtung des großen Trägersterbens gehört und die Entwicklung, die sich schon in drei, vier Monaten abzeichnen könnte, dargelegt bekommen.
Frau Haupt-Koopmann, wenn Sie sagen, es gebe 60 Instrumente und nicht nur eines, nämlich die Weiterbildung, und wir alle wollen, dass Arbeitssuchende individuell besser betreut werden, dann bedeutet das natürlich auch, dass es nicht mehr diese Koppelung von Weiterbildungsmaßnahmen – eine schließt sich der anderen an – geben wird, sondern dass die sich massiv reduzieren werden. Wenn die BA bisher der größte Weiterbildungsanbieter und -nachfrager war, dann hat das drastische Auswirkungen auf die Träger. – Ich denke, dass das klar ist.
Meiner Ansicht nach brauchen wir die Schuldfrage jetzt nicht mehr hin- und herzuschieben. Es gibt große Umgestaltungen in den Ämtern. Da stellt sich an Frau Haupt-Koopmann die Frage: Warum ist in der BA, in der Organisation, eine so große Deregulierung an den Mitarbeitern vorgenommen worden, dass heute kaum noch jemand mit dem zu tun hat, womit er vorher zu hatte, so dass es von da her auch an der Qualifizierung mangelt? – Das verstehe ich nicht.
Mir ist auch nicht klar – vielleicht können Sie das noch einmal erläutern –, wenn es in dem Artikel der „Berliner Zeitung“ darum geht, dass sich beispielsweise auch hochqualifizierte Architekten im Bereich der EDV nicht weiterbilden können, weil das abgelehnt wird, was denn die Weiterbildungsziele sind. Ihr Ziel ist doch eigentlich, Menschen relativ schnell wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren und dafür dann auch eine Weiterbildung bereitzustellen. Offensichtlich sieht es aber anders aus, nämlich dass die Betreffenden erst einmal relativ lange arbeitslos sein müssen, um dann eine Weiterbildung zu kommen, ein bestimmtes Alter nicht haben dürfen und schon eine Qualifikation haben sollen oder nicht haben sollen. Das ist mir völlig unklar. Wenn es den Arbeitsmarkt nicht gibt, also wenn eine Weiterbildung möglicherweise auch weiterhin ein Stück weit den Sinn hat, die Qualifikation der Menschen am Leben zu erhalten, aber die Wirtschaft bestimmte Dinge nicht nachfragt, dann ist mir auch nicht klar, wie denn eine Weiterbildung abgelehnt werden kann und woran sich Ziele orientieren. Gibt es Behördenziele? Was fragt die Wirtschaft nach? – Sie fragt zurzeit nicht nach. – Für mich ist das eine große Unbekannte. Ich würde gern von Ihnen hören, ob auch daran gedacht wird, Bildungsziele regional anders und unterschiedlich zu definieren – das Verhältnis liegt bei 25 % bis 75 %. Werden sich dort in Zukunft auch noch andere Möglichkeiten ergeben?
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Bitte, Frau Bluhm!
Frau Abg. Bluhm (PDS): Ich befinde mich bei diesem Problem noch in der Vorstufe des Verständnisses und verstehe es auch arbeitsorganisatorisch nicht. Wo sind denn die Arbeitsberater, Arbeitsvermittler, die bis Dezember des letzten Jahres die Bildungsgutscheine qualifiziert ausgegeben haben? Wohin sind die denn in den ersten drei Monaten gegangen? Sind die jetzt alle in der Leistungsabteilung und berechnen das Geld?
Meine zweite Frage ist eine schlicht betriebswirtschaftliche: Wenn eine solche Verbleibsquote, also eine Einmündungsquote in den ersten Arbeitsmarkt, von 76 % verlangt wird, dann müsste es doch ein starkes betriebswirtschaftliches Interesse daran geben, möglichst viele Leute in diese Maßnahmen zu bringen, um den Aussteuerungsbetrag nicht zahlen zu müssen. Sie haben das selbstkritisch als Prozess beschrieben und gesagt, dass in diesem Jahr noch alles passieren wird – wahrscheinlich durch verstärkte Eintritte.
Ich stelle fest, dass die Vorbereitungszeit insofern nicht sinnvoll genutzt werden konnte, als dass die ersten drei Monate die Kernaufgabe, nämlich die Einmündung in den ersten Arbeitsmarkt, für die Arbeitslosengeld-I-Empfangenden nicht realisiert werden konnte. Denn wenn – wie gesagt – Fördervoraussetzung ist, dass 76 % in den ersten Arbeitsmarkt einmünden, dann ist offensichtlich dieser Teil der Kernaufgabe nicht umgesetzt worden.
Dann interessieren mich noch die Voraussetzungen und Kriterien. Wer hat denn im ersten Vierteljahr trotzdem einen Bildungsgutschein erhalten? Was waren die Kriterien dafür? War es die Ausgangsqualifikation? War es das Alter? War es die angestrebte Qualifizierung oder die für den Betroffenen vorgesehene Qualifizierung? Bei einer derartig drastischen Reduzierung stellt sich die Frage: Welche Bildungsgutscheine sind an wen ausgegeben worden?
Ich möchte nur noch einmal an den Konsens erinnern, den wir in Berlin hatten, dass wir immer gesagt haben: Man kann das Problem der fehlenden Arbeitsplätze nicht einfach an die Träger weitergeben, indem man sagt, ihr müsst diese Einmündungsquote realisieren. Wenn diese Arbeitsplätze nicht vorhanden sind, dann kann zwar die Qualifizierung gut sein, aber sie führt dann trotzdem nicht in einem überproportional hohen Maß zu einem Platz auf dem ersten Arbeitsmarkt. Da bestand eigentlich immer Konsens unter uns, dass wir gesagt haben, dass man das auch ins Verhältnis zu den objektiven Möglichkeiten setzen muss, nämlich vorhandene
Arbeitsplätze durch eine zielgerichtete Qualifizierung zu besetzen.
Was ich seit Jahren immer in diesem Ausschuss gesagt habe, das ist, dass das auch mögliche Umstrukturierungen und Besonderheiten von Berlin und Brandenburg sind. Am Wochenende gab es auch noch die Pressemeldung, dass die PSA gescheitert seien, dass sie insbesondere, am allerstärksten und im allergrößten Maß in Berlin und Brandenburg gescheitert seien, wo die Quoten besonders schlecht sind. Da stellt sich noch einmal die Frage nach den sinnhaften Umstrukturierungen. Diese hätte man zwar bereits vor eineinhalb Jahren machen müssen, aber die Frage ist, ob man weiterhin in ein Instrument investiert, das offensichtlich nicht funktioniert.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Herr Kurth, bitte!
Abg. Kurth (CDU): Ich möchte kurz Frau Dr. Klotz antworten, nicht weil ich Sie nicht auch oftmals schätze, sondern weil hier möglicherweise ein falscher Zungenschlag entstehen könnten: Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Entstehen und dem Verschwinden von Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt und der Frage, wie man diese Arbeitsverhältnisse mit dem gesamten Thema Sozialversicherungsbeiträge belastet. Diese Erkenntnis beschränkt sich keinesfalls auf CDU und FDP, sondern ist inzwischen über diese beiden Parteien hinausgedrungen. Da gibt es Versuche, die man bewerten kann wie immer man es will, ob sie nun hin- und ausreichend sind oder nicht im Bereich der Rente, der Gesundheit usw. Ich warne davor, den Bereich der Arbeitslosenversicherung von dieser Diskussion völlig abzukoppeln.
Zweitens: Daraus jetzt zu machen, Frau Dr. Klotz, dass man das Instrumentarium Fort- und Weiterbildung und die aktive Arbeitsmarktpolitik verschwinden lassen möchte, ist nicht besonders redlich, ist jedenfalls auch nicht überzeugend. Ich möchte jetzt gleichwohl nicht der Versuchung erliegen, dass wir diese Diskussion flugs auf ein bundespolitische Niveau heben und dann völlig im Unverbindlichen verschwinden lassen, sondern ich möchte noch auf einen Punkt eingehen: Wir erleben bei dieser Diskussion das zweite Mal, dass Berlin einen Spitzenplatz einnimmt. Dass das bei der Senatsverwaltung und bei der Regionalagentur nicht zu etwas mehr Unruhe und Aktivität führt, verstehe ich nicht.
Frau Haupt-Koopmann, wenn die Zahl richtig ist, dass der Rückgang bundesweit bei knapp 60 % liegt und in Berlin bei 80 %, wie erklären Sie das? Was ist denn Ihre Vorstellung, wie man diesem Trend und diesem Spitzenplatz entgegenwirkt? Es kann doch nicht sein, dass jede Partei immer wieder feststellt, dass Fort- und Weiterbildung angesichts der Berliner Struktur und auch der Arbeitslosen eine besondere Rolle spielen muss, wir dann aber das zweite Mal feststellen, dass offensichtlich die neuen Bundesländer und Berlin an der Spitze einbrechen – weit über dem Bundesdurchschnitt hinaus. Das ist der Punkt, mit dem wir uns beschäftigen sollten und wo wir ansetzen müssen.
Ich kann viele Fragen, die gestellt worden sind, nachvollziehen. Es ist fast so, dass wir fragen müssten: Wer und nach welchen Kriterien hat denn in Berlin überhaupt noch einen Bildungsgutschein bekommen? Wir fragen gar nicht mehr, wem es versagt wurde, sondern wer es denn geschafft hat, angesichts des erfreulichen Umstands, dass Geld vorhanden zu sein scheint und dass die Leute – ich schließe mich Ihren Fragen an –, die das im letzten Jahr gemacht haben, nicht einfach verschwunden sind. Die müssen doch irgendwo im Job-Center sein, es sind doch nicht alle mit dem Umzug beschäftigt. Das ist der unbefriedigende Punkt, mit dem es sich einige ein bisschen zu leicht machen, wenn sie sagen: „Ah, Ihr ward ja immer schon gegen die Fort- und Weiterbildung.“ – Das stimmt nicht! Wir waren für einen Wettbewerb zwischen den Trägern. Wir sind nicht die Bestandsgaranten für jeden einzelnen Träger, den es gibt, aber es ist doch offensichtlich der Punkt erreicht, dass wir sagen: Es wird bald nicht mehr viele geben, die das Angebot in Berlin überhaupt noch darstellen, wenn sich diese Entwicklung ungebremst fortsetzt. Und diese Entwicklung zu bremsen, das ist das, worum es uns heute in diesem Ausschuss gehen sollte.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Das Wort hat nun Herr Senator Wolf. – Bitte sehr!
Bm Wolf (WiArbFrau): Besten Dank! – Herr Kurth, dass wir das zum zweiten Mal diskutieren, hat unterschiedliche Gründe. Die Diskussion im letzten Jahr lag im Wesentlichen an den neuen Modalitäten, an der Geschäftsanweisung und an der Verbleibsquote. In Berlin und in den neuen Bundesländern war dann die dramatische Arbeitsmarktsituation und damit die Schwierigkeit, eine entsprechende Verbleibsquote zu erreichen, wesentlich größer, so dass es notwendig wurde, auch eine Flexibilisierung der Praxis bei der Regionaldirektion zu bekommen. Das ist teilweise gelungen, aber auf der anderen Seite hat es durch die Geschäftsanweisung auch Einschränkungen gegeben.
Das Problem, weshalb wir uns jetzt wieder in einer so dramatischen Situation befinden, lässt sich teilweise damit erklären, dass die Umstellungsprobleme, die in Berlin und in den neuen Bundesländern existieren, auf Grund der Arbeitsmarktsituation sowie des hohen Anteils der Langzeitarbeitslosen und Arbeitslosengeld-II-Empfänger wesentlich größer ist. Wenn ich mir allein angucke, wie viele zusätzliche Bedarfsgemeinschaften in den letzten drei Monaten, seit dem 1. Januar, in den Zuständigkeitsbereich des SGB II gekommen sind, dann macht das deutlich, welche dramatischen, organisatorischen Entwicklungen das Ganze im Zusammenhang mit der Umstellung, der Organisation der Umzüge usw. genommen hat. Das ist ein Faktor, der das zwar erklärt, aber das kann kein Anlass dafür sein, zu sagen: Das ist so, und das war es dann. Vielmehr halte auch ich diesen Zustand für unbefriedigend – ich schließe mich Ihren Worten an –, für nicht akzeptabel und in der Tat für dramatisch.
Allerdings haben wir eine ähnlich besorgniserregende Situation wie bei der Fort- und Weiterbildung, was das Thema Eingliederungsvereinbarung angeht, die wir im zweiten Punkt besprechen werden. Das heißt, dass wir in Berlin und wahrscheinlich auch eine Reihe anderer Bundesländern noch nicht in der Situation sind, dass das, was mit Hartz IV angestrebt worden ist, nämlich zu einer besseren Betreuung zu kommen, das Schwergewicht auf die Vermittlungstätigkeit zu legen, noch nicht erreicht worden ist, sondern das Schwergewicht liegt im Moment immer noch auf der organisatorischen Umsetzung und der Selbstorganisation. Wenn Sie sich angucken, welche Stellungnahmen und Presseerklärungen wir jetzt zu 100 Tage Hartz hatten – sowohl vom Bundesarbeitsministerium als auch von der Bundesagentur –, dann endete das alles mit dem Verweis: Na ja, wir können jetzt langsam anfangen, und nicht, wie am 1. Januar noch gesagt wurde, welche Leistungen gerade für die unter 25-Jährigen im I. Quartal erbracht werden sollen.
Noch eine Anmerkung zum Thema Träger und dass das eigentlich Wichtige doch die Fortbildung für die Erwerbslosen ist: Das ist vom Grundsatz her richtig. Das Problem scheint mir im Moment nur zu sein, dass wir aufpassen müssen, dass wir nicht solche Schäden an der Trägerlandschaft anrichten, dass eine gute Infrastruktur zerstört wird und damit nicht nur die infrastrukturellen Voraussetzungen für eine gute und qualifizierte Fort- und Weiterbildung gefährdet sind, wenn die Maschinerie wieder einigermaßen rund läuft und dann auch wieder Bildungsgutscheine in ausreichender Menge ausgegeben werden.
Ich halte es auch für notwendig – vielleicht kann Frau Haupt-Koopmann noch etwas dazu sagen –, dass Regelungen getroffen werden, mit denen versucht wird, diesen dramatischen Einbruch aufzufangen. Ich habe Ihren Ausführungen zwei wesentliche Punkte entnommen: Erstens, dass in den Job-Centern die qualifizierten Ansprechpartner häufig nicht auffindbar sind. Da muss eine Regelung getroffen werden. Ich habe ein großes Verständnis dafür, dass im Moment an vielen Stellen ein organisatorisches Durcheinander herrscht und dass damit auch Probleme für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbunden sind. Auf der anderen müssen wir aber auch sehen, dass hier kein Stillstand der Rechtspflege eintritt und Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen nicht bewilligt werden, weil die entsprechende Qualifikation bzw. der Ansprechpartner nicht da ist. Ich kann dazu jetzt keine organisatorischen Vorschläge machen, aber dort eine Anlaufstelle, eine Task Force oder etwas Ähnliches einzurichten, wo die Kompetenz dieses Themas für die Übergangszeit gebündelt wird, das wäre vielleicht eine Variante.
Der zweite Punkt, den ich diesem Zusammenhang ansprechen wollte, betrifft die Bildungszielplanung. Die Beispiele, die mir jetzt genannt worden sind, machen mir deutlich, dass wir auf der einen Seite beklagen, dass nicht genügend FbW-Maßnahmen stattfinden und nicht genügend Bildungsgutscheine ausgegeben werden, aber dass es offensichtlich auf der anderen Seite die Verweigerung der Annahme dieser Bildungsgutscheine gibt, und zwar an Punkten, bei denen es nicht darum geht, dass gesagt wird, hier soll sinnlos qualifiziert werden, sondern dort, wo das tatsächlich Sinn macht und wir bewährte Träger haben und die Erfahrung gemacht wurde, dass die Maßnahme Sinn macht. Da müsste man sehen, ob diese Bildungszielplanung noch entsprechend angepasst oder flexibilisiert werden muss, damit sie Fort- und Weiterbildung möglich und nicht unmöglich macht. Ich habe das immer so verstanden, dass es darum geht, es zielgerichteter zu machen, aber nicht, dass es darum gehen soll, Maßnahmen zu verhindern.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank, Herr Senator! – Wir kommen nun zur Beantwortung der Fragen. Das Wort hat Frau Strehle. – Bitte sehr!
Frau Strehle (cimdata.de, Akademie für digitale Medien): Ich weiß jetzt nicht, welche Frage speziell an mich als Vertreterin von cimdata gestellt worden ist. Die Fragen, die ich hörte, waren alle an Frau Haupt-Koopmann gerichtet. Ich muss gestehen, dass ich jetzt etwas überfordert bin. – Aber was ich vielleicht noch erläuternd zu dem, was in den Statements von Herrn Jahnke und Frau Dr. Klotz angeklungen ist, hinzufügen kann: Natürlich müssen wir vom Kunden, vom Arbeitslosen her denken, so sehen wir das auch. Nur, wir haben das Phänomen, dass bei uns pro Monat 200 Bildungsinteressierte erscheinen, die nicht geschickt werden, sondern auf eigene Initiative kommen. Sie fragen nach Bildung und wollen Bildungsgutscheine, aber bekommen keine. Das ist das Problem. Es geht nicht darum, dass wir unsere Klassen auffüllen wollen, sondern wir haben Bildungsinteressierte in allen Bereichen, die auf Grund der Politik der Bundesagentur und der Job-Center nicht in die Lage versetzt werden, Bildung anzugehen und wieder eine Perspektive zur Reintegration in den Arbeitsmarkt zu finden.
Ich möchte noch anfügen, dass wir nicht nur in den Job-Centern, sondern auch in den Agenturen das massive Problem haben, dass die Mittel nicht vorhanden sind, um Bildung in Form von Bildungsgutscheinen an Interessierte auszugeben. Nur 10 % der im letzten Jahr vorhandenen Mittel können dieses Jahr für das Instrument Weiterbildung eingesetzt werden. Bei einer Quote von 67 % Verbleib im ersten Arbeitsmarkt im letzten Jahr ist es schon sehr bedenklich, dass nur noch 10 % derjenigen, die im letzten Jahr gefördert werden konnten, in diesem Jahr gefördert werden.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank, Frau Strehle! – Bitte, Herr Dr. Galwelat!
Dr. Galwelat (cimdata.de, Akademie für digitale Medien): Ich kann Ihnen sagen, wer denn von den 20 % überhaupt noch einen solchen Bildungsgutschein bekommen hat: Das waren die mit dem größten Selbstbewusstsein, die gedroht haben, drei Etagen weitergelaufen sind und geklagt haben. Die haben einen Bildungsgutschein bekommen, und die vielen, die sich nicht trauten und Ängste hatten, haben keinen bekommen.
Ich weise noch einmal auf die unterschiedlichen Gegebenheiten hin: Das Job-Center ist die eine Sache. Die sind gutwillig und wollen und sollen, das ist alles wunderbar, aber die Agenturen sagen: Nein, wir machen nichts! Ihr seid alle Marktkunden. Wir wissen, dass ein Ingenieur, der zum Beispiel bestimmte Catia-Kenntnisse hat, um eine Software zu konstruieren, gesucht wird. Bei Airbus in Rostock und überall – wir haben dort unseren Arbeitsvermittlungsbereich – sind Arbeitsstellen frei. Wenn Ingenieure den Anforderungen entsprechen, dann können sie auch Arbeit finden. Sie bekommen keine Bildungsgutscheine. Wenn jedoch ein Architekt oder Bauzeichner arbeitslos wird und über bestimmte Kenntnisse nicht verfügt, dann findet er auf dem Arbeitsmarkt keinen Platz mehr und geht in Hartz IV über. Er wandert dann erst dorthin und bekommt irgendwann einmal Hilfe. – So verhalten sich die Agenturen; sie sind zurzeit das größte Übel.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank, Herr Dr. Galwelat! – Frau Faubel, bitte!
Frau Faubel (Frauencomputerzentrum Berlin): Ich kann zum Thema, wer Bildungsgutscheine bekommen hat, noch etwas ergänzen. Diese Erfahrung haben wir auch gemacht. Wir müssten unsere Teilnehmerinnen oder Interessentinnen nicht mit dem Lasso einfangen. Sie stehen vor der Tür und wollen gern. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass z. B. Bildungsgutscheine für Maßnahmen, die ESF-gefördert sind, die die Arbeitsagentur weniger Geld kosten, gegeben werden. Wir haben z. B. schon seit 20 Jahren eine Fortbildung für Berufsrückkehrerinnen, die vom Senat finanziert wird, ESF-gefördert ist und für vier Monate nur 100 € kostet. Dafür gibt es ab und zu einmal einen Bildungsgutschein von Seiten der Arbeitsagentur. Da stellt sich die Frage, ob das sinnvoll oder statthaft ist. – Danke!
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank, Frau Faubel! – Herr Nünke!
Herr Nünke (City-Seminar): Zur Ergänzung des eben Gesagten möchte ich noch einmal – weil es auch im Raum stehen blieb – auf die Bildungszielplanung zurückkommen. Die Bildungszielplanung – die ausgewiesenen Bildungsziele – ist das Ergebnis der Vorstellungen der örtlichen Arbeitsämter von vor einem Jahr: Was wird denn an Qualifizierung in der Wirtschaft Berlins gebraucht? – Wie weit die Kollegen, die dort die Köpfe zusammengesteckt haben, überhaupt einen Überblick über den tatsächlichen Bedarf haben, ist die erste Frage, und zudem ist der Bedarf schon ein Jahr alt. Dann müssen wir die Erwerbslosen auch ein wenig unterscheiden. Ich habe versucht, das am Beispiel „Buchhalter in einem Monat“ darzustellen. Einen Alg-II-Empfänger kann ich fachlich nicht in einem Monat – selbst wenn er einmal Buchhaltung gelernt hat – zu einem Buchhalter machen, der arbeitsmarktfähig wäre. Das geht nicht. Ich habe für meine Bildungsgänge auch Zugänge aus dem Alg-II-Bereich, und deshalb sind die Job-Center meines Erachtens auf die ausgeschriebenen Bildungsmaßnahmen angewiesen – sie haben keine eigenen Bildungsmaßnahmen –, die sich an dem Bildungsbedarf der Alg-I-Empfänger orientieren. Hier sollten in den Job-Centern spezielle Maßnahmen entwickelt werden – wie das an anderer Stelle auch schon angesprochen wurde – in enger Verbindung mit den Bildungsträgern. Sie haben viel mehr Möglichkeiten und Maßnahmen zu Verfügung, aber wenn sich der Bildungsbedarf der Alg-II-Empfänger an dem Bildungsbedarf von Alg-I-Empfängern ankoppelt, ist das fachlich falsch, dann geht es schief.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank, Herr Nünke! – Frau Haupt-Koopmann, bitte!
Frau Haupt-Koopmann (Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit – RD BB –): Am liebsten möchten Sie wahrscheinlich jetzt alle hier auf meinem Platz sitzen und diese vielfältigen Fragen beantworten! – Ich versuche, eine gewisse Systematik zu entwickeln und hoffe, dass wir mit einem konstruktiven Ergebnis auseinander gehen können.
Sowohl die Arbeitsagenturen als auch die Job-Center sind dem Grundsatz der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit verpflichtet. D. h., Arbeitsmarktinstrumente sind dann einzusetzen, wenn der Vermittler oder Fallmanager – im Job-Center – es für erforderlich hält, für eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Ich spreche jetzt nur für den ersten Arbeitsmarkt. Wenn ein Vermittler die Eingliederung über ein Arbeitsmarktinstrument für erforderlich hält, hat er zwingend zu prüfen, was die wirtschaftlichste Eingliederung ist, um jemanden so zeitnah wie möglich wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen. Das war in der Vergangenheit sicherlich nicht immer richtig, aber seit rund einem Jahr arbeiten die Agenturen so, dass Arbeitsmarktinstrumente so zeitnah wie möglich eingesetzt werden und nicht erst ein halbes Jahr gewartet wird, bis die Entscheidung getroffen wird, ob eine berufliche Weiterbildung in Betracht kommt oder nicht. Deswegen sind alle gehalten, von Beginn der Arbeitslosigkeit an ganz intensiv ein Profiling durchzuführen, um Stärken und Schwächen zu analysieren, um dann auf dieser Grundlage zu entscheiden, was das Zielführende ist unter dem Aspekt der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit.
Wir sollten jetzt auch so ehrlich miteinander sein, dass wir nicht immer nur über Verbleibsquoten reden, die im Bereich FbW hier in Berlin zurzeit bei 63 % liegen, sondern auch über Eingliederungsquoten. Die aktuellste Eingliederungsquote ist von Mitte 2003. Das liegt an den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, aus denen sie dann rückgerechnet wird. Die Eingliederungsquote liegt bei 26,3 %. D. h., jede vierte Eingliederung auf Grund einer von der Arbeitsagentur geförderten beruflichen Weiterbildung war hier in Berlin erfolgreich. Wenn Sie das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilen und bewerten, dann werden Sie feststellen, dass vielleicht – differenziert betrachtet auf die Erforderlichkeiten des einzelnen Arbeitslosen, um eingegliedert zu werden – zielführendere Instrumente erforderlich sind. Das muss eben der Vermittler im Einzelfall abwägen. Auch bei Ingenieuren, Architekten usw. muss er zwingend prüfen, ob z. B. eine betriebliche Einarbeitung zielführender und wirtschaftlicher ist. Das kann man über betriebliche Trainingsmaßnahmen, aber auch über betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen machen. Es ist nicht nur so, dass Weiterbildung über Träger stattfindet, sondern auch in Betrieben. Auch Umschulungen können in Betrieben stattfinden. Es gibt auch einzelbetriebliche Umschulungen – das ist unbestritten –, aber es gibt eben auch andere Instrumente wie betriebliche Trainingsmaßnahmen.
Es gibt auch Eingliederungszuschüssen. Ich weiß nicht, wer von Ihnen länger dabei ist. Früher gab es den Einarbeitungszuschuss, der zwingend Einarbeitung in Form einer Qualifizierung in Betrieben vorgesehen hat, und der jetzt unter dem globalen Begriff „Eingliederungszuschuss“ nach wie vor förderbar ist. Da kann Vermittler jederzeit sagen: Das ist für uns das Wirtschaftlichere und Zielführendere. – Wir bezuschussen ein halbes Jahr 50 % – oder 30 %, je nachdem – der Lohnkosten. Der Vermittler ist ganz flexibel im Einsatz der Arbeitsmarktinstrumente. Das möchte ich als Grundsatz vorab stellen. Man sollte auch nicht so tun, als ob Qualifizierung nur unter dem Aspekt Förderung der beruflichen Weiterbildung stattfindet. Ich habe hier zwei weitere Instrumente genannt, und wir wissen alle – und dafür haben wir uns in Berlin insbesondere eingesetzt –, dass wir auch Arbeitsgelegenheiten, insbesondere für Jugendliche, zwingend mit Qualifizierungsbausteinen durchführen. Ein Aspekt, der hier noch keine Rolle spielte, ist, was wir auch im Bereich der Behinderten an beruflicher Weiterbildung machen. Das sind enorme Volumina, und ich denke, man sollte fairerweise den Gesamtkanon sehen.
Was die Zahlen anbelangt – ob es 70 oder 80 % sind: Nach meiner Statistik sind es 73,8 %. Entscheidend ist, dass wir einen großen Rückgang bei den Eintritten in die berufliche Weiterbildung haben.
Was die Bildungszielplanung anbelangt, darf man sinnhafterweise die Frage stellen – auch auf Grund meiner Ausführungen –: Brauchen wir überhaupt eine Bildungszielplanung? – Wenn der Einsatz eines Arbeitsmarktinstruments am individuellen Bedarf des Arbeitslosen ausgerichtet ist, muss zwingend – vorausgesetzt, der Vermittler trifft die Entscheidung für eine Weiterbildung – die Weiterbildung gefördert werden, die erforderlich ist, um diesen Arbeitslosen wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen, ob sie in der Bildungszielplanung steht oder nicht. Das haben wir mit den Agenturen besprochen. Die Bildungszielplanung soll den Weiterbildungsträgern eine grobe Richtung vorgeben, auch in welchem Umfang wir Bedarfe sehen. Das heißt aber nicht, dass es ein Ausschlusstatbestand ist. Deswegen bitte ich die Träger zu seiner rechten Seite: Wenn eine Maßnahme abgelehnt wurde, nur weil sie nicht in der Bildungszielplanung stand, ist es sicherlich zu kurz gesprungen. Aber es kann durchaus sein, dass die Agentur – das weiß ich nicht, und ich biete an, dass wir die Fälle noch einmal bilateral besprechen –, nicht in dem Umfang Bedarf gesehen hat. D. h. aber nicht, dass im Einzelfall nicht eine Förderung zielgerichtet auf so ein Bildungsziel erfolgen kann und auch sollte. Es soll ja individuell eingesetzt werden. Wie gesagt, ich kann das in diesem Zusammenhang nur anbieten.
In den Zusammenhang wurde auch das Thema „Aussteuerungsbetrag“ angesprochen. Ich weiß es nicht nur aus Ihrer Runde, ich habe es auch gehört, und wir sind dem – sofern wir das dingfest machen konnten – auch nachgegangen, dass Vermittler Bildungsgutscheine nicht ausgegeben haben sollten nach dem Motto: Da fällt der Aussteuerungsbetrag an. – Das ist ungut, und dem gehen wir auch sofort nach. Das ist nicht Sinn und Zweck. Natürlich zahlen wir einen Aussteuerungsbetrag – das ist unbestritten, das wissen Sie auch – von knapp 10 000 € bei jedem Übertritt von SGB III auf SGB II, aber ich sage es einmal so, und so ist es auch mit unseren Fachkräften besprochen: Wenn wir in der Eingliederung erfolgreich sind – und das ist die Zielsetzung, der Vermittler versucht auf Grund der Struktur des Arbeitslosen auch eine zielgerichtete Prognose abzugeben –, dann werden wir auch keinen Aussteuerungsbetrag zahlen, weil wir direkt nach der Weiterbildung den Arbeitslosen eingliedern. Deswegen machen wir ja die Weiterbildung. Da ist ein noch engeres Zusammenwirken – das mag mit Ihnen schon erfolgen, aber wir haben ja eine Vielzahl von Bildungsträgern – zwischen Agenturen, aber auch Job-Center und Trägern erforderlich, weil die Anstrengungsbereitschaft gemeinsam da sein muss, jemanden einzugliedern. Der Fehler, der möglicherweise auch in der Vergangenheit gemacht worden sein könnte, ist, dass man zu lange gewartet hat, bis dann auch eine Maßnahme abgeschlossen ist, und dann hat man sich überlegt: Was machen wir jetzt? – Es muss zeitnah zum erfolgreichen Absolvieren der Weiterbildung gemeinsam überlegt werden, wie man den Weitergebildeten danach wieder eingliedern kann. Die Vermittlungsbemühungen müssen sehr viel frühzeitiger einsetzen. Das ist aber alles mit unseren Fachkräften besprochen worden.
Das Thema Bildungsgutschein wurde verschiedentlich angesprochen. Wenn auf Grund sachfremder Erwägungen – und es ist für mich eine sachfremde Erwägung – ein Bildungsgutschein verweigert wurde, nicht aus fachlichen Gründen, weil man sagt, ein anderes Instrument ist zielführender, sondern weil ein Aussteuerungsbetrag anfällt, bitte ich Sie mir die Fälle zu nennen, und ich werden ihnen sofort nachgehen, denn das ist überhaupt nicht zu akzeptieren.
Dann gab es verschiedene Zahlen. 12 000 Eintritte. Wir können es auch noch einmal genauer beleuchten. Es waren 1 264 Eintritte – FbW – bei Jugendlichen bis 25 und 10 870, die für Erwachsene geplant waren. Es stimmt auch nicht, dass kein Geld für Weiterbildung zur Verfügung gestellt ist. Ich habe mir die Zahlen angeguckt. Das, was in diesem Jahr hier in Berlin investiert werden soll, sind Planungen, die ständig angepasst werden müssen, je nachdem, welchen Zugang wir an Arbeitslosen haben und wie die Struktur ist, gar keine Frage. Aber 63 Millionen € sind keine Peanuts. Das ist ein erhebliches Mittelvolumen, und das nur für FbW. Die Zahlen, die ich genannt habe, waren auch nur für FbW. Darin sind keine Trainingsmaßnahmen enthalten. Das war auch noch eine Frage.
Was Herr Galwelat als Zwischenlösung vorgeschlagen hat, würde bedeuten, dass wir das Gesetz aushebeln, auf das Frau Dr. Klotz dankenswerterweise auch eingegangen ist. Der Gesetzgeber will den Wettbewerb unter den Bildungsträgern, und er will auch nicht, dass die Bildungsträger uns sagen, wer weitergebildet werden soll. Die Entscheidung trifft die Fachkraft, und der Arbeitslose kann sich auf Grund des ausgegebenen Bildungsgutscheins selbst den Träger auswählen. Das ist vom Gesetzgeber so gewollt, und wir können es nicht konterkarieren, aus welchen Gründen auch immer, indem wir diese Systematik umdrehen. – [Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne): Aber einen Bildungsgutschein muss er kriegen?] – Ja! Das ist richtig. Aber es kann nicht sein, dass er jetzt auf einem anderen Weg zugeführt wird.
Zu dem Aspekt, den Sie auch angesprochen haben, dass Weiterbildung privat gefördert wird: Es gibt seit zwei Jahren eine gesetzliche Regelung. Wenn ein Vermittler sagt, die zielführende Maßnahme ist diese, um so zeitnah und so wirtschaftlich wie möglich eingegliedert zu werden, und der Arbeitslose sagt, ich will aber trotzdem etwas anderes – meinetwegen keine betriebliche Maßnahme –, ich will die und die Weiterbildung, dann steht es dem Arbeitslosen frei, diese Weiterbildung selbst zu finanzieren. Der Gesetzgeber sagt auch, dass ihm während dieses Zeitraums – das auch etwas sehr Wichtiges – die Verfügbarkeit nicht aberkannt wird, denn ansonsten muss er sich ja ständig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung halten.
Nach wie vor – das war auch eine Frage – befinden sich die Arbeitsberater in den Agenturen. Sie sind auch für die Einsetzung sämtlicher Arbeitsmarktinstrumente qualifiziert. Wir haben uns mehrfach über den Personalaufbau in den Arbeitsgemeinschaften, den Job-Centern in Berlin unterhalten. Es gibt auch Arbeitsberater, genauso wie Berufsberater, die in die Job-Center gewechselt haben, aber sie müssen auch in der Qualifizierung ein hohes Maß an Kompetenz erwerben, um alle Arbeitsmarktinstrumente so einzusetzen, dass es zielführend ist. Wir haben eine Vielzahl von Weiterbildungen mit unseren Fachleuten in den Arbeitsgemeinschaften durchgeführt. Das wird auch fortgesetzt. Wir haben auch so eine Lösung, wie von Ihnen angesprochen, Herr Wolf, schon in vielen Job-Centern realisiert, dass Kompetenzen gebündelt werden, um die Dinge zu befördern. Das kann man sicherlich noch weiter ausbauen, denn es ist aus meiner Sicht ein hervorzuhebender Ansatz. Das, was wir an fachlicher Unterstützung leisten können, tun wir. Ich bin davon überzeugt – nicht, was hier gesagt wurde, dass erst im August, September irgendwelche Zeichen gesetzt werden –, dass die Dinge jetzt zielführend umgesetzt werden. Dass das nicht nur ein Berliner Thema ist, habe ich an dem Schreiben unseres Vorstands an alle Geschäftsführer aller Arbeitsgemeinschaften bundesweit deutlich gemacht. Es ist nicht nur ein Berliner Thema. Ich habe Ihnen vorhin auch Zahlen genannt. Das mag aus Ihrer Sicht unter dem Begriff Weiterbildung befremdlich sein. Ich habe ja auch gesagt, dass es da Handlungsbedarf gibt. Insgesamt haben die Job-Center seit Jahresbeginn 20 000 Eintritte einschließlich des zweiten Arbeitsmarkts in einem Umfang von rund 5 000 umgesetzt, d. h., sie haben Arbeitsmarktinstrumente eingesetzt, auch auf Grund des zuvor durchgeführten Profilings. Das darf man nicht außer acht lassen.
Was die Träger anbelangt, haben wir seit der Umbruchsituation mit der Neuausrichtung der beruflichen Weiterbildung zu Beginn des Jahres 2003 eine Anpassung der Trägerstrukturen bundesweit erreicht. Es gab viel Wildwuchs, das wird hier auch keiner bestreiten. Die qualitativ guten Träger – sicherlich auch die zu meiner rechten Seite – sind weiterhin dabei, aber das ist etwas, was ich seit Jahren sage und nicht erst seit der Neuausrichtung FbW: Es ist wichtig, dass Träger mehrere Standbeine haben. Das beziehe ich auch auf Weiterentwicklungen in der Arbeitsmarktpolitik. Weiter Standbeine heißt nicht nur Bundesagentur und Arbeitsgemeinschaften, aber auch in der Weiterentwicklung der Arbeitsmarktpolitik. Wir haben verschiedene Gespräche auch schon bilateral geführt. Es ist nicht so, dass wir uns hier das erste Mal treffen. Ich habe deutlich gesagt, dass es Chancen für Träger bei neuen Instrumenten gibt: Förderung der Eingliederung nach § 421 i SGB III oder Unterstützung bei der Vermittlung in vielfältigster Art und Weise. Sie wissen, dass wir insbesondere das Fallmanagement fördern, ein Instrument, das von den Job-Centern umfassend umgesetzt wird. Nicht zuletzt haben wir empfohlen – weil wir insbesondere bei Jugendlichen sehr stark Qualifizierungsanteile bei Arbeitsgelegenheiten fördern wollen –, dass hier Kooperationen zwischen Trägern, die Arbeitsgelegenheiten umsetzen, und Weiterbildungsträgern forciert werden. D. h., auch hier müssen wir uns gemeinsam einen Schritt weiterentwickeln. – Jetzt hoffe ich, dass ich die meisten Aspekte angesprochen haben, ansonsten bitte ich um Ihre Rückmeldung.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank, Frau Haupt-Koopmann! – Ich bedanke mich bei den Anzuhörenden sehr, dass sie uns heute zur Verfügung gestanden haben, und hoffe, dass uns Frau Haupt-Koopmann noch für den Punkt „Eingliederungsvereinbarungen“ zur Verfügung steht. – Herr Kurth, bitte!
Abg. Kurth (CDU): Frau Haupt-Koopmann hat um eine Rückmeldung gebeten. Ich hatte Sie eingangs so verstanden, dass Sie am Ende Ihrer Ausführungen einen Vorschlag für das weitere Verfahren machen würden. War das ein Missverständnis?
Frau Haupt-Koopmann (Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit – RD BB –): Ich habe das mit verpackt in das, was ich eben gesagt habe. Das ist einmal das, was Herr Wolf als Anregung gegeben hat und wo ich gesagt habe, dass erste Schritte in den Job-Centern entwickelt wurden, also die Bündelung der Kompetenz, des Know-hows derer, die FbW einsetzen können. Das werden wir jetzt forcieren.
Bezogen auf die Qualifizierung der Mitarbeiter habe ich gesagt, dass ein großer Teil getan ist, und wir werden das auch noch einmal intensivieren. Das sind für mich Hauptansätze. Ich habe gesagt, dass wir in den letzen Woche dieses Thema intensiv mit unseren Vorsitzenden der Geschäftsleitungen besprochen haben. Ich habe in meinem Eingangsstatement gesagt, dass das mit den Geschäftsführern der Arbeitsgemeinschaften und über die Trägervertretung noch einmal intensiv erörtert wird und man auch hier in die Umsetzung der Arbeitsmarktinstrumente – dazu zähle ich nicht nur FbW, es gibt eine Vielzahl anderer – eintritt.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Frau Dr. Klotz!
Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne): Ich will nicht noch einmal inhaltlich einsteigen, aber ich empfinde den Ausgang als sehr unbefriedigend, nach dem Motto: Jetzt haben wir einmal darüber geredet. Es reicht nicht in so einem Ausschuss, dass man sich gegen- und wechselseitig die Positionen und Einschätzungen darstellt. Deswegen rege ich in jedem Fall an, dass wir nachher in der Sprecherrunde noch einmal darüber reden, wie wir damit umgehen, aber zumindest das Thema nicht für erledigt erklären, sondern uns vorbehalten, es noch einmal zu thematisieren, in welcher Form auch immer.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! Wir haben uns auch vorgenommen, dass die Zusammenarbeit mit der Regionaldirektion noch einmal in der Sprecherrunde besprochen wird. Herr Seutemann hatte angeboten, ein Gespräch mit mir zu führen. Darüber werden wir in der Sprecherrunde noch einmal sprechen. – Vielen Dank noch einmal an die Anzuhörenden, dass sie uns heute zur Verfügung gestanden haben.
Wir kommen dann zum Punkt 2 b) – den Eingliederungsmaßnahmen. Frau Haupt-Koopmann steht uns auch bei diesem Punkt zur Verfügung. Dafür danken wir sehr. Ich eröffne die Aussprache. – Frau Dr. Klotz!
Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne): Auf Grund der fortgeschrittenen Zeit bitte ich im Interesse aller darum, dass Sie uns den jetzigen Stand der Eingliederungsvereinbarung darstellen, z. B. die Zahl der abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarungen und wie es weitergehen soll. Und wir überlegen dann, wie wir damit umgehen. Aber wir sollten jetzt keine langen Aussprachen zum Thema Eingliederungsvereinbarung machen.
Frau Vors. Weißbecker: Frau Haupt-Koopmann, sind Sie damit einverstanden? – Es wäre es schön, wenn Sie uns etwas dazu sagen könnten.
Frau Haupt-Koopmann (Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit – RD BB –): Frau Dr. Klotz! Meine Damen und Herren! Ich kann verstehen, dass Sie jetzt von mir Zahlen hören wollen, die ich Ihnen aber nicht liefern kann. Ich habe schon beim letzten Mal ausgeführt, dass das auch nichts berlinspezifisches ist. Darauf lege ich Wert. Wir werden bundesweit valide Zahlen voraussichtlich erst im Sommer vorliegen haben. D. h. aber nicht, dass wir hier untätig sind. Es werden zurzeit die jugendlichen Arbeitslosen eingeladen. Darauf sind wir auch beim letzten Mal sehr intensiv eingegangen. Der Betreuungsschlüssel von 1:75 wird bis Ende der Woche auch in den fünf Job-Centern realisiert sein, wo er noch etwas über 1:75 hinausging. Auch die Erwachsenen werden jetzt sukzessive eingeladen, um dann die weiteren Integrationsschritte zu besprechen. Ich bitte zu bedenken, dass uns Qualität vor Quantität geht. Ich hatte den Eindruck, dass Sie das befürwortet haben. Sie werden mit einer Vielzahl von Arbeitslosen nicht im Erstgespräch eine Eingliederungsvereinbarung abschließen können. Im Erstgespräch wird erst einmal ein Profiling vorgenommen, und es wird dezidiert und verstärkt analysiert, wo die Fähigkeiten und Fertigkeiten sind. Dann erst kann der Vermittler bzw. Fallmanager ansetzen und weitere Schritte entwickeln. Ich habe aktuell eine Vielzahl von Gesprächen mit Fallmanagern geführt, die mir gesagt haben, dass es eine Vielzahl von Kunden gibt, wo sie ein Zweit- und Drittgespräch führen müssen, wenn sie es qualitativ gut machen wollen – und das ist in unserem Sinne –, und erst nach einem Zweit- oder Drittgespräch können wir auch dieser Grundlage eine Eingliederungsvereinbarung abschließen.
Unabhängig davon wird nicht in jedem Einzelfall – das habe ich beim letzten Mal nicht erwähnt – eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen, nämlich dann, wenn der Fallmanager sofort erkennt: Ich muss in diesem Fall erst einmal – weil gesundheitliche Einschränkungen deutlich gemacht werden – den ärztlichen Dienst bzw. – weil psychische Beeinträchtigungen da sind – den psychologischen Dienst einschalten. – Wir haben auch eine Vielzahl von Arbeitslosen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Mit denen können erst einmal keine Eingliederungsvereinbarung abschließen, sondern es muss erst einmal eine Sprachförderung erfolgten, die unmittelbar und sofort eingesetzt wird. – [Zuruf: Ist das keine Eingliederungsvereinbarung?] – Darüber kann mich trefflich unterhalten. Es ist auch eine Frage der Qualität. Dann haben in der Eingliederungsvereinbarung ein Kreuz, nämlich: Einleitung der Sprachförderungsmaßnahme. Die Eingliederungsvereinbarung, die die Förderaspekte, aber auch die Förderaspekte des Arbeitslosen genau beschreiben soll, sollte etwas gehaltvoller sein. Wenn Sie so wollen, könnte es auch die erste Stufe einer Eingliederungsvereinbarung sein, die aber nach der Sprachförderung fundiert untersetzt werden soll. – Oder diese Fälle haben wir auch: Es ist ja auch so, dass die Job-Center in den ersten Monaten schon viele Eingliederungen in den Arbeitsmarkt vorgenommen haben. Natürlich ist es in Ordnung, wenn jemand sagt, dass er eine Arbeit in Aussicht hat. Dann soll er in den Arbeitsmarkt gehen und wir schließen dann keine Eingliederungsvereinbarung ab. Entscheidend ist aber – ich habe mit einer Vielzahl von Fallmanagern gesprochen und bei dem Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen hospitiert –, dass diese Schritte jetzt entwickelt werden und die Arbeitslosen eingeladen werden. Ich gehe davon aus, dass ich Ihnen im Sommer valide Zahlen nennen kann.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Herr Kurth!
Abg. Kurth (CDU): Ich habe mir gerade noch einmal das Wortprotokoll der letzten Sitzung angesehen. Da hat es in der letzten Sitzung bereits geheißen: „Wir haben aktuell den Betreuungsschlüssel 1:75 im Schnitt in allen Job-Centern in Berlin realisiert.“ – Das haben Sie jetzt noch einmal mit dem einen, der noch fehlt, bestätigt.
Zu dem Thema Eingliederungsvereinbarung. Es ging um Folgendes bei dem Punkt, und ich habe auch in der Plenarsitzung nachgefragt: Es gibt eine Ankündigung der Bundesregierung, dass bis zum 31. März jeder Jugendliche eine Eingliederungsvereinbarung hat. Ich habe es in der Sitzung am 17. März bezweifelt, dass wir das schaffen. Sie haben gesagt, Sie versuchten das bis Ende März, wenn es nicht Ende März werde, werde es eben Ende April. Ich habe Sie jetzt so verstanden: Zahlen darüber kriegen wir im Sommer und vorher nicht. Ist das richtig?
Frau Haupt-Koopmann (Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit – RD BB –): Ich habe von validen Zahlen gesprochen. Das ist eine bundesweite Statistik, die ab Sommer zur Verfügung steht. Ich sage ja: Die Statistik ist das eine, und wie wir arbeiten, ist das andere.
Ich komme noch einmal zur Relation. Das ist richtig. Im Schnitt haben wir sogar 1:70, aber ich habe auch beim letzten Mal gesagt, dass es das eine oder andere Job-Center gibt, dass noch etwas darüber liegt. Das wird bis Ende der Woche realisiert auf 1:75. Wir haben Job-Center, bei denen der Betreuungsschlüssel bei 1:40 liegt und bei anderen liegt er bei 1:100. Aber im Schnitt ist es richtig – 1:70 –, wie beim letzten Mal gesagt, und bis Ende der Woche wird 1:75 in jedem Job-Center austariert. Und bei der Aussage bleibe ich auch. Wenn wir so einen Betreuungsschlüssel haben, gehe ich davon aus, dass die Job-Center das bis Ende des Monats – Ausnahmen habe ich angesprochen – realisieren können. Bei 1:75 sollte es leistbar sein, das sollte das Ziel sein.
Frau Vors. Weißbecker: Frau Grosse, bitte!
Frau Abg. Grosse (SPD): Danke schön, Frau Vorsitzende! – Frau Haupt-Koopmann, die Ausführungen zu der Eingliederung und wie Sie damit umgehen, das ist für mich noch etwas unbefriedigend. Ich habe das anders verstanden bei Hartz IV, nämlich, dass man eine Eingliederungsvereinbarung schließt, in der all diese Punkte enthalten sind wie z. B. Suchtberatung und Sprachförderung, aber das die Eingliederungsbilanz die anderen Stufen schon enthält. Ich habe Sie jetzt so verstanden, dass jetzt in so einem Fall ein Kreuz oder nicht gemacht wird bei der Eingliederung Suchtberatung, und wenn er das absolviert hat, wird er wieder hinbestellt und dann werden die nächsten – – Das kann nicht der richtig Weg sein, denn der Langzeitarbeitslose – und um den handelt es sich meistens – muss jetzt einen Weg aufgezeigt bekommen, und zwar ganz praktisch, wie er dann eventuell in eine Arbeitsmaßnahme oder auf den ersten Arbeitsmarkt eingeführt werden kann. Aber mit dem was Sie sagen, wie vorgegangen wird, kann ich mich nicht zufrieden geben.
Frau Vors. Weißbecker: Herr Kurth, bitte!
Abg. Kurth (CDU): Ich finde Ihren Satz „Die Statistik ist das eine, und wie wir arbeiten das andere.“ okay. Das hoffe ich auch manchmal. Ich frage trotzdem noch einmal nach. Es geht hier um die Jugendlichen unter 25 Jahren. Das ist eine der prioritären Zielgruppen, für die wir den besonderen Betreuungsschlüssel haben. Ich möchte gern ein stärkeres Gefühl dafür bekommen, wo wir denn nun in Berlin stehen. Wir haben 12 Arbeitsgemeinschaften. Sie haben dieses Thema in der letzten Sitzung als ein prioritäres erkannt. Können wir denn jetzt einmal hören, wie viele dieser Eingliederungsvereinbarungen in Berlin geschlossen worden sind, und wenn nein, warum es nicht geht?
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Frau Holzheuer-Rothensteiner!
Frau Abg. Holzheuer-Rothensteiner (PDS): Herr Kurth, nachdem ich vor zwei Tagen auf einer von der PDS organisierten Veranstaltung zur Jugendberufshilfe war und vom Job-Center Friedrichshain-Kreuzberg hörte, dass es dort wohl 30 % Eingliederungsvereinbarungen gibt, worüber wir alle entsetzt waren und noch einmal darauf hingewiesen wurden, was eigentlich dazu gehört, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, wenn die Suchtberatung, die dann nicht originär Regionalagenturaufgabe, also Arbeitsamtaufgabe ist, wo dann die Jugendhilfe oder vor allem auch das Sozialamt dabei sein muss, also dass man auch lernen muss, wie man zusammenarbeitet, was eine Zeit dauert. Dazu habe ich ein etwas anderes Verhältnis bekommen, weil die Frage immer lautet: An wen gibt man denn die Schuldfrage weiter?
Etwas anderes ist für mich – das ist eine Frage an Sie, Frau Haupt-Koopmann, weil das auch die Arbeit der BA angeht: Ist es richtig – offensichtlich ist das so –, dass Jugendliche, die zur Agentur kommen, ein Profiling erhalten und gefragt werden, ob sie in einer Bedarfsgemeinschaft leben, dass dann zwischen SGB II – dafür ist das Job-Center zuständig – oder der Regionalagenturzuständigkeit unterteilt wird? Das sind dann andere Berater, Betreuer und Beurteilungen. Ist das so? Und wenn ja: Warum ist das so? Denn es ging durch die Presse, dass das so etwas wie eine Auslese ist: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. – Das würde mich einmal interessieren.
Was die Anzahl der Eingliederungsverfahren gerade bei den Jugendlichen betrifft, wird es ein relativ langer Prozess sein, wenn alle Institutionen, die sich dem anschließen sollen und von denen wir wollen, dass sie zusammenarbeiten, dieses dann auch tun, also die verschiedenen Ämter, die auch mit verschiedenen Zielen arbeiten und verschiedenen Strukturen unterliegen. Ich hätte gern von Ihnen beantwortet, was denn eigentlich die BA-Aufgabe ist.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Bitte, Frau Haupt-Koopmann!
Frau Haupt-Koopmann (RD BB): Die Eingliederungsvereinbarung ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, nämlich zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Das hat Herr Clement in seinem Schreiben, dass er kürzlich an die Job-Center geschickt hat, unter dem Aspekt „Initiative zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit“ auch noch einmal deutlich gemacht. Denn das Ziel ist nicht, möglichst viele Eingliederungsvereinbarungen abzuschließen, sondern das Hauptziel ist, die Jugendarbeitslosigkeit abzubauen. Dazu hat er ein Ziel gesetzt, das Sie möglicherweise kennen: Bis Ende des Jahres soll kein Jugendlicher länger als drei Monate arbeitslos sein. Das ist ein hehres Ziel, an dem nicht nur Job-Center – um auf diesen Punkt einzu-gehen –, sondern auch die Agenturen arbeiten, denn anderenfalls hätten wir eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Es kann nicht heißen, meine arbeitslosen Jugendlichen, und deine arbeitslosen Jugendlichen, sondern hier sind – sowohl als auch – Strategien zu entwickeln, wenngleich wir uns nichts vormachen sollten. Es gibt natürlich nach dem SGB II Arbeitsmarktinstrumente, die es nach dem SGB III nicht gibt, aber das Ziel ist der Abbau der Jugendarbeitslosigkeit. Niemand soll am Ende des Jahres länger als drei Monate arbeitslos sein. Da sind jetzt vielfältige Strategien gefordert. Dass die Vorstufe, um jemanden erfolgreich einzugliedern, in der Regel die Eingliederungsvereinbarung ist, das ist unbestritten. Wie Herr Clement dann ausführt, ist diese Eingliederungsvereinbarung vor dem persönlichen und sozialen Hintergrund zu schließen, nämlich dann, wenn sowohl aus der persönlichen als auch aus der sozialen Situation diese Eingliederungsvereinbarung erforderlich erscheint. Deshalb habe ich zwar eben Ausnahmetatbestände genannt, aber die Regel ist eine Eingliederungsvereinbarung, ansonsten wäre ich missverstanden worden.
Wie schon gesagt wurde: Man kann sich trefflich darüber unterhalten. Wenn ich jetzt einen Vorschritt einschalte – zum Beispiel ein ärztliches Gutachten: Ist das die erste Stufe der Eingliederungsvereinbarung, oder warte ich? Ist der denn tatsächlich erwerbsfähig? Gehört er überhaupt zu meinem Kundenkreis? Danach setze ich dann die weiteren Schritte. Darüber können wir uns trefflich unterhalten, denn wir stehen noch am Anfang und müssen es auch bewerten.
Der andere Punkt – noch einmal zu Herrn Kurth: Ich kann verstehen, dass Herr Kurth gern Zahlen hören möchte, aber ich werde keine nennen. Ich kann Ihnen Zahlen nennen, aber diese sind – wie ich bereits sagte – nicht valide. Sie müssen mir zugestehen: Wir legen im Augenblick darauf Wert, dass die Arbeit fachlich geleistet wird. Die Systeme sind gerade bei der Dokumentation der Eingliederungsvereinbarung recht schwierig. – Ich habe mir das selbst noch einmal angeguckt. – Wenn Sie dann vergessen, an eine bestimmte Stelle einen Haken zu machen, dann haben Sie zwar faktisch die Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen, sie ist auch dokumentiert, und der Jugendliche oder Erwachsene weiß, was vereinbart wurde, aber sie ist statistisch nicht erfasst. Das ist im Augenblick ein gewisses Dilemma, in dem wir uns befinden. Ich habe gesagt, die fachliche Schulung geht vor, und in einem zweiten Schritt müssen wir sehen, dass wir bei den Eingliederungsvereinbarungen auch die Dokumentationen sauber abbilden. – Wie gesagt: Das ist kein Berliner Problem, sondern ein bundesweites Problem, an dem wir arbeiten.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Bitte, Frau Breitenbach!
Frau Abg. Breitenbach (PDS): Was die Zahlen betrifft, geht es mir ein bisschen wie Herrn Kurth. Ich habe sogar in Erinnerung, dass uns irgendwann einmal Zahlen genannt wurden, aber da ich sie gerade nicht finde, muss ich noch einmal nachschauen. – [Abg. Kurth (CDU): Das hat System!] – Sie meinen, meine Unordnung hat System? – [Zuruf: Immer!] – Ich sehe noch ein anderes Problem bei den Eingliederungsvereinbarungen und finde es richtig, dass die in einer bestimmten Qualität, auf einem bestimmten Niveau erstellt werden sollen. Dabei lässt sich trefflich darüber streiten, was die Kompetenz der jeweiligen Fallmanager und Fallmanagerinnen angeht.
Ein weiteres Problem ist – ich bin keine Juristin, vielleicht können Sie mir das erklären: Wenn es keine abgeschlossene Eingliederungsvereinbarung gibt, auf welcher Grundlage werden die Betroffenen dann eigentlich in irgendwelche Eingliederungsmaßnahmen geschickt? Denn das findet statt, und offensichtlich gibt es – auch wenn es immer noch zu wenig Eingliederungsmaßnahmen gibt – mehr Eingliederungsmaßnahmen als Eingliederungsvereinbarungen.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Frau Holzheuer-Rothensteiner, bitte!
Frau Abg. Holzheuer-Rothensteiner (PDS): Ich habe auch das hehre Ziel von Herrn Clement vernommen, dass bis Ende 2005 alle Jugendlichen um 25 Jahre innerhalb von drei Monaten in Arbeit, Qualifizierung usw. integriert sein sollen. Ich frage mich: Wie soll das zu Stande kommen? – Ich habe dazu etwas Interessantes gehört, nämlich, dass es in Berlin für Abiturienten MAEs geben soll, die im Herbst ihr Studium beginnen werden. Die bekommen dann zum Beispiel eine solche MAE, und dann stimmt die Statistik. Es hat mich erstaunt, warum derartig hochqualifizierte Jugendlichen eine MAE bekommen.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank! – Abschließend hat Frau Haupt-Koopmann das Wort. – Bitte sehr!
Frau Haupt-Koopmann (RDBB): Wenn Sie mir diesen Fall bitte einmal mitgeben würden? Damit machen Sie mich auch sprachlos. Das kann sicherlich nicht der Ansatz sein, und das müssen wir auch nicht ausdiskutieren.
Jetzt zu Ihrer Frage, Frau Breitenbach: Auf welcher Grundlage werden die betreffenden Personen in Maßnahmen geschickt? – Die Grundlage sollte in der Regel natürlich die Eingliederungsvereinbarung sein. Diese wurde früher nicht schriftlich fixiert, sondern mündlich besprochen. Sie wissen auch, dass die Eingliederungsvereinbarung, wenn sie schriftlich fixiert und von beiden Seiten unterschrieben ist, ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist, der sogar zu Schadensersatzverpflichtungen führen kann, wenn zum Beispiel FbW – um das noch einmal aufzunehmen – vereinbart wird und ein Arbeitsloser unbegründet die Weiterbildungsmaßnahme abbricht, muss er künftig Schadensersatz zahlen. Auch das steht dann in der Eingliederungsvereinbarung. Ich gehe davon aus, dass – wenn nicht schriftlich, dann mündlich – eine Vereinbarung getroffen wurde, warum eine Eingliederung in eine bestimmte Maßnahme erfolgt, aber diese sollte – wie gesagt – in der Regel schriftlich erfolgen.
Frau Vors. Weißbecker: Vielen Dank, Frau Haupt-Koopmann, dass Sie uns heute noch einmal zur Verfügung gestanden haben. – Damit erkläre ich diesen Tagesordnungspunkt für erledigt.
Punkt
3 der Tagesordnung
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Antrag der Fraktion der FDP Boys' Day für Berlin Drs 15/3340 |
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Siehe Inhaltsprotokoll.
Punkt 4 der Tagesordnung
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a) Besprechung gemäß § 21 Abs. 3 GO Abghs Die Reform des Berufsbildungsgesetzes – was ändert sich und welche Auswirkungen hat die Reform für das Land Berlin? (auf Antrag der Fraktion der FDP) b) Besprechung gem. § 21 Abs. 3 GO Abghs Auswirkungen der Reform des Berufsbildungsgesetzes auf Berlin und daraus resultierender Handlungsbedarf (auf Antrag der Fraktion der Grünen) |
0265 0267 |
Vertagt.
Punkt 5 der Tagesordnung
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Mitteilung - zur Kenntnisnahme - a) Gender Mainstreaming: Verankerung der
Chancengleichheit in
allen Politikfeldern
(1) Umsetzung in Politik und Verwaltung b) Finanzpolitische Instrumente des
Gender-Mainstreaming (Gender-Budget) Drs 15/3136 (auf Antrag der Fraktion der Grünen, der Fraktion der PDS und der Fraktion der SPD) |
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Vertagt.
Punkt 6 der Tagesordnung
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Verschiedenes |
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Siehe Beschlussprotokoll.
Ausschuss-Kennung : ArbBFraugcxzqsq