Mitteilung – zur Kenntnisnahme –
Arbeitsmarktsituation Berliner Ärzte
(Überstunden in den Berliner Krankenhäusern abbauen – Arbeitszeitgesetz einhalten!)
Drucksachen 15/676,
15/1354 und 15/1727 – Schlussbericht –
Der Senat legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor:
Das
Abgeordnetenhaus hat in seiner Sitzung am 13. März 2003 Folgendes beschlossen:
„Der
Senat wird aufgefordert, gemeinsam mit der Berliner Krankenhausgesellschaft und
dem Landesarbeitsamt zu prüfen, ob bzw. wie durch den Einsatz
arbeitsmarktpolitischer Instrumente der Bundesanstalt für Arbeit die
Einstellung arbeitslos gemeldeter Ärztinnen und Ärzte durch den Abbau von
Überstunden beim ärztlichen Dienst in den Krankenhäusern realisiert bzw.
unterstützt werden kann.
Der
Senat wird aufgefordert, dem Abgeordnetenhaus bis zum 31. Mai 2003 zu
berichten.“
Hierzu wird berichtet:
Die
Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz ist für die
Überwachung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes in allen Branchen, u.a.
auch in Krankenhäusern, zuständig. Gerade angesichts der öffentlichen Debatte
um die hohe Belastung von Ärzten durch Bereitschaftsdienstzeiten hat das
zuständige Landesamt in den letzten Jahren verstärkt Kontrollen zu dieser Problematik
durchgeführt. Die Arbeitsschutzbehörde kann dabei nur die Einhaltung
gesetzlicher Vorschriften kontrollieren.
Für die Einhaltung der
Arbeitsschutzgesetze ist in erster Linie der Arbeitgeber verantwortlich. Die
Behörde kann ihn dazu beraten; Konzepte für den Abbau von Überstunden in seinem
Unternehmen kann sie nicht erarbeiten.
Mehrere Krankenhausträger
haben neue Arbeitszeitmodelle eingeführt bzw. erproben solche. Inwiefern
dadurch neue Arbeitsplätze im ärztlichen Bereich geschaffen wurden bzw. werden
können, kann durch die Senatsgesundheitsverwaltung derzeit nicht eingeschätzt
werden.
A. Bestandsaufnahme:
Im Mai 2003 waren in Berlin
949 Arbeit suchende Ärzte gemeldet.
Circa 58% der gemeldeten
Ärzte sind weiblich.
In der Altersspanne bis 50
Jahre sind Frauen mit 61,5 % im Bestand der arbeitlosen Mediziner vertreten.
Lediglich bei älteren Fachärzten (über 50 Jahre) ist das Verhältnis zwischen
Frauen (44,6 %) und Männern (55,4 %) umgekehrt.
10,4 % der Arbeit suchenden
Mediziner sind unter 30 Jahre alt. 49,7 % sind zwischen 31 und 40 Jahre, 24,2 %
sind zwischen 41 und 50 Jahre und 15,6 % sind 51 Jahre und älter.
Nach Fachrichtungen aufgeschlüsselt ergibt sich für
Mai 2003 folgendes Bild:
|
Fachrichtung |
Anzahl
arbeitsloser Ärzte |
offene Stellen in
Berlin |
|
Praktische
Ärzte Zahnärzte Allgemeinmediziner Ärzte
im Praktikum andere
Fachärzte Chirurgen,
Orthopäden Frauenärzte Neurologen,
Psychiater Radiologen Augenärzte HNO-Ärzte Fachzahnärzte |
571 131 83 48 30 23 18 17 11 7 6 4 |
12 2 10 8 5 1 1 4 0 0 0 1 |
B. Gründe:
Der Hauptgrund für die hohe
Zahl an arbeitslosen Medizinern ist nach Ansicht des Landesarbeitsamtes
Berlin-Brandenburg das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in diesem Arbeitsmarktsegment.
Derzeit stehen den 949
arbeitslosen Ärzten lediglich 44 gemeldete Stellen in Berlin gegenüber.
Der massive Stellenabbau in
Berliner Kliniken führte zu einem bundesweit einzigartigen Anstieg des
Bestandes an arbeitslosen Medizinern im Bereich des Landesarbeitsamtes Berlin-
Brandenburg.
Der hohe Anteil arbeitsloser
Ärztinnen unter 50 Jahre ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich
vornehmlich Frauen mit der Betreuung von aufsichtsbedürftigen Kindern befassen
und dadurch in ihrer Tätigkeitsausübung beschränkt sind.
Fehlende Bereitschaft für
Nacht- und Wochenenddienste sind in Einzelfällen weitere Gründe für Arbeitslosigkeit.
Wegen persönlicher und
familiärer Hinderungsgründe fehlt häufig die Bereitschaft zur regionalen Mobilität.
Das Land Brandenburg hat Probleme, seine freien Stellen zu besetzen, während
Berlin die arbeitslosen Ärzte hat ( im Juli 2003 hatte Brandenburg 130
arbeitslose Ärzte, Berlin 936, dem standen insgesamt 160 gemeldete Stellen
gegenüber).
Die Arbeitsämter in Berlin
und Brandenburg sind bemüht, den Ausgleich zwischen Berlin und Brandenburg
zielgerichtet voranzutreiben.
C.
Instrumente der Arbeitsvermittlung:
1. Grundsätzlich stehen
Ärzten, die eine Beschäftigung suchen, alle arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente
des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) zur Verfügung. Natürlich bieten
sich einzelne Instrumente, wie betriebliche Trainingsmaßnahmen oder
langfristige Qualifizierungen nicht in allen Berufsbildern gleich gut an, die
Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt zu unterstützen.
Die Fördervoraussetzungen
sind jeweils am Einzelfall festzustellen.
Eine Aussage über
Grundvoraussetzungen kann daher an dieser Stelle nicht erfolgen. Über den Einsatz
bzw. die Gewährung von Förderinstrumenten entscheiden die örtlichen Arbeitsämter
in eigener Zuständigkeit.
In der Erarbeitung einer
gemeinsam abgestimmten Vermittlungsstrategie wird der Einsatz der effektivsten
Instrumente in einer Eingliederungsvereinbarung zwischen dem Arbeitsamt und dem
arbeitslosen Mediziner festgehalten. Über die Voraussetzungen und die Notwendigkeiten
einer Antragstellung informieren die einzelnen Vermittlungsfachkräfte der
Arbeitsämter.
2. Es fanden bereits zwei
Arbeitsmarktbörsen speziell für Mediziner statt, deren Ziel in der unbürokratischen
Zusammenführung von Kliniken und Medizinern aus Berlin und Brandenburg bestand.
Insbesondere die zweite Börse am 21.05.2003 in Bernau war ein voller Erfolg.
Zur Börse erschienen 66 % der
eingeladenen Bewerber. 20 Arbeitslose konnten für ihr Nichterscheinen keinen wichtigen Grund
im Sinne des §145 SGB III vorbringen; damit ruht bei diesen Leistungsbeziehern
der Anspruch auf Leistungszahlung für die Dauer der Säumniszeit.
Von den 70 eingeladenen
Arbeitgebern aus Berlin und Brandenburg nahmen 31 an der Börse teil – das waren
4 mal so viele Arbeitgeber wie bei der ersten Aktion.
Bis Ende Juni wurden als
direkte Erfolge der Vermittlungsbörse den Arbeitsämtern zahlreiche
Einstellungen, darunter auch Existenzgründungen, gemeldet. Viele arbeitslose
Mediziner nutzten das Angebot, zu potentiellen Arbeitgebern Kontakte zu
knüpften und in konkrete Einstellungsverhandlungen einzutreten, so dass von
weiteren Einstellungen auszugehen ist (ohne das konkrete Zahlen genannt werden
können).
Im Zusammenhang mit der Ärztebörse ergab sich in
nahezu allen Arbeitsämtern eine Senkung der Zahl arbeitsloser Mediziner. Dies
ist darauf zurückzuführen, dass viele eingeladene Arbeitslose mit einer
Abmeldung in Arbeit reagierten oder die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit
ankündigten. Ungenauigkeiten in der Darstellung des Arbeitsmarktes konnten
damit korrigiert werden.
Eine dritte Börse unter
Einbeziehung aller medizinischen und pflegerischen Berufe ist für das 4.
Quartal 2003 in Berlin geplant.
3. Da die Lage auf dem Arbeitsmarkt weiterhin angespannt ist, bedarf es zusätzlicher Unterstützung. Vermittlungsbörsen können zwar ein Portal für Anbieter und Nachfrager nach medizinischem Fachpersonal sein, sie können aber bei den tatsächlichen Ausgleichsbemühungen der örtlichen Arbeitsverwaltungen nur bedingt Hilfestellung leisten. Daher geht man dazu über, Dritte in die Arbeitsplatzvermittlung einzubeziehen.
Die Inanspruchnahme von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten zur Beauftragung Dritter mit der Vermittlung von Arbeitslosen hat in anderen Branchen bereits gezeigt, dass damit ein positiver Beitrag bei der beruflichen Eingliederung bestimmter Personengruppen und bei der Bestandssenkung geleistet werden kann. Daher wurde das Projekt „Aktiv-Medizin“ ins Leben gerufen, das auf diese Erfahrungen aufbauen soll.
Für
die in „Aktiv-Medizin“ zu betreuenden arbeitslosen Ärzte soll ein
Dritter/Träger gemäß den Rechtsbestimmungen des § 421i SGB III mit der
Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt beauftragt werden.
§
421i SGB III bietet den Arbeitsämtern die Möglichkeit, innerhalb des
Erprobungszeitraumes bis zum 31.12.2005 Maßnahmen zur erfolgreichen beruflichen
Eingliederung von Zielgruppen des Aus-bildungs- und Arbeitsmarktes an Dritte
bzw. Träger im Rahmen der freihändigen Vergabe mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb
zu vergeben. Für die inhaltliche und konzeptionelle Ausgestaltung zeichnet der
Dritte bzw. der Träger verantwortlich. Interessiert und als geeignet
eingestufte Dritte/Trä-ger werden nach Bekanntmachung zur Abgabe eines der
Leistungsbeschreibung entsprechenden Angebotes aufgefordert. Durch die
Festlegung von Zielvorgaben – hier: Eingliederungsquote - für die Zielgrup-pen
einschließlich einer Bonus-/Maluskomponente in der Leistungsbeschreibung wird konsequent
auf die Wirkung der Maßnahme abgestellt.
Zum Beginn der Maßnahme am 01.09.2003 wurden dem ausgewählten Dritten 200 arbeitslos gemeldete Mediziner aus dem Bestand aller Berliner Arbeitsämter zu besonderen Eingliederungsbemühungen übergeben. Eine Übergabe von weiteren 200 Teilnehmern erfolgt nach Ablauf von 6 Monaten.
Die anfänglich genannte Zahl von 949 gemeldeten Bewerbern im Berliner Bestand reduziert sich bei der Betrachtung in Frage kommender Teilnehmer der § 421i - Maßnahme aus folgenden Gründen. Ein großer Teil des hier genannten Personenkreises sind Bewerber nach Abschluss der fachtheoretischen Ausbildung, die einen sogenannten AiP-Platz (Arzt im Praktikum – fester Bestandteil der medizinischen Ausbildung) suchen. Hierbei sind Vermittlungsmöglichkeiten der Bundesanstalt nur in Einzelfällen angezeigt. Die Besetzung und das Angebot an AiP-Plätzen wird hauptsächlich auf informellen Ebenen entschieden. Die wenigen Fälle, die der Bundesanstalt gemeldet werden, werden schnellstmöglich durch die Arbeitsvermittlung besetzt.
Ein weiterer hoher Prozentsatz der gemeldeten Bewerber ist aufgrund bestehenden Einschränkungen (Suchtproblematik, Rehabilitation nach Krankheit etc.) nicht im originären Berufsfeld vermittelbar.
Unter Beachtung der Einschränkungen kann von 400 Bewerbern ausgegangen werden, die im Arbeitsmarkt Berlin vermittelbar erscheinen und bei denen Eingliederungsbemühungen als sinnvoll zu betrachten sind.
Für
die Zielgruppe der arbeitslosen Mediziner wird eine Eingliederungsquote von 60%
vorgegeben.
4. Die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) wird die in dem Beschluss des Abgeordnetenhauses formulierte Thematik im Rahmen der kommenden Vorstandsitzung beraten. Der Beschluss des Abgeordnetenhauses wurde ferner den Mitgliedsverbänden der BKG zugeleitet, verbunden mit der Bitte um Beratung mit den ihnen angeschlossenen Krankenhausträgern.
Die bei der Erstellung dieses
Berichtes durchgeführten Ermittlungen haben gezeigt, dass die zuständige Bundesanstalt
für Arbeit konsequent an der Lösung des Problems arbeitet. Das Landesarbeitsamt Berlin-
Brandenburg ist in beiden Regionen tätig und bemüht, einen Ausgleich zwischen
den beiden Ländern zu schaffen.
Der Senat sieht mangels
Zuständigkeit keine Möglichkeit, darüber hinaus selbst tätig zu werden.
Auswirkungen durch die
Vermittlungstätigkeit ergeben sich für die Finanzplanung der Bundesanstalt für
Arbeit. Auswirkungen auf die Finanzplanung von Berlin sind nicht erkennbar.
5. Der EuGH hat am 9.
September 2003 entschieden, dass Bereitschaftsdienst, den ein Arzt im Krankenhaus
in der Form persönlicher Anwesenheit leistet, in vollem Umfang Arbeitszeit im
Sinne der EG-Arbeitszeitrichtlinie ist. Die Bundesregierung hat angekündigt,
das deutsche Arbeitszeitgesetz schnell an diese neue Rechtslage anzupassen.
Eine solche neue Regelung
wird nicht ohne Auswirkung auf die Kostensituation und den Personalbedarf der
Krankenhäuser bleiben. Wie sich diese konkret gestalten, kann noch nicht
eingeschätzt werden.
Wir bitten, den Beschluss damit als erledigt anzusehen.
Berlin, den 23. September
2003
Der Senat von Berlin
Klaus Wowereit Dr.
Heidi Knake–Werner
Reg. Bürgermeister Senatorin für
Gesundheit, Soziales
und Verbraucherschutz
Ausschuss-Kennung
: ArbBFraugcxzqsq