Zweiter
Bericht über Gender Mainstreaming
(einschließlich Gender Budgeting) in der
Berliner
Politik und Verwaltung
(Pilotphase April 2003 bis
März 2004)
0 Vorbemerkung
Die Einführung und Umsetzung von Gender
Mainstreaming/Gender Budgeting in der Berliner Verwaltungspraxis haben Senat
und Abgeordnetenhaus 2002 beschlossen (Drs. 15/190, 15/397, 15/1503, 15/415 und
15/601). Dazu gehört auch, jährlich Bilanz zu ziehen und über die Ergebnisse
zielorientiert zu berichten.
Der Erste Bericht
über die Umsetzung von Gender Mainstreaming in der Berliner Verwaltung wurde im
Juli 2003 vorgelegt und vom Senat beschlossen. Mit dem nun hier vorgelegten
Zweiten Bericht wird auf den Erstbericht aufgebaut und ein aktualisierter Gesamtüberblick
über die Aktivitäten und Ergebnisse der einjährigen Pilotphase[1]
seit April 2003 gegeben. Erstmals wird auch über Gender Budgeting berichtet.
Insgesamt kann festgestellt werden, dass
Gender Mainstreaming/Gender Budgeting in zahlreichen Projekten auf Senats- und
Bezirksebene erprobt wurde und sich der Umgang mit dieser Strategie positiv
verändert hat. Darüber hinaus sind eine Vielzahl anderer struktureller
Maßnahmen eingeleitet worden, die als Voraussetzung für erfolgreiches Gender
Mainstreaming unabdingbar sind: Dazu gehören die Landeskommission, die Geschäftsstelle
Gender Mainstreaming, die Herstellung von Genderkompetenz durch Fort- und
Weiterbildung, die ressortübergreifende AG „Gender Budget“ sowie die AG „Geschlechterdifferenzierte
Statistik und Daten“, die externe Organisationsberatung für Projekte „vor Ort“
und die zahlreichen Lenkungsgremien in den Pilotverwaltungen auf Senats- und Bezirksebene.
Deutlich
wurde, dass die Prozesse insgesamt sehr unterschiedlich und diskontinuierlich
verlaufen sind. Nach den aktuellen Berliner Erfahrungen ist erneut
festzustellen, dass eine so komplexe Strategie wie die des Gender Mainstreaming/Gender
Budgeting nicht kurzfristig zu realisieren ist. Soll sie dauerhaft und
nachhaltig etabliert werden – und zwar sowohl als Organisationsentwicklungs-
und Veränderungs- als auch als Wissens- und Kommunikationsprozess – , so kann
es sich hierbei um ein nur langfristig zu erreichendes Ziel handeln.
In der Regel
waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Thematik Gender Mainstreaming/Gender
Budgeting nicht vertraut. Sie mussten sich in die Perspektive von Gender
Mainstreaming neu einarbeiten und die besonderen Methoden der Projektarbeit
erlernen und oft erstmals anwenden. Für die meisten Mitwirkenden bedeutete die
Arbeit in einem Pilotprojekt eine zusätzliche Arbeitsbelastung, da sie ihre
„regulären“ Aufgaben weiterhin zu erledigen hatten. An dieser Stelle ist
ausdrücklich auf die hohe Motivation, die Hartnäckigkeit und die Mühe aller in
den Pilotprojekten Mitwirkenden hinzuweisen und Dank für ihren Einsatz auszusprechen.
Gender Mainstreaming in Berlin – Umsetzungs-
strategie und Ziele
Die Berliner
Umsetzungsstrategie sieht vor, Gender Mainstreaming/Gender Budgeting als
einen in sukzessiven Phasen sich vollziehenden Prozess zu etablieren. Diese
sind:
§
Zunächst eine einjährige
Pilotphase. In ausgewählten Verwaltungs-bereichen wird Gender Mainstreaming/Gender
Budgeting auf Senats- und Bezirksebene exemplarisch erprobt (Stufe I ab April
bzw. Herbst 2003). Danach wird die Pilotphase ausgewertet und eine politische
Entscheidung über die weitere Implementierung getroffen.
§
Anschließend eine zweijährige
Hauptphase unter Einbeziehung aller Senats- und Bezirksverwaltungen.
Gender Mainstreaming soll in re-präsentativen und relevanten
Organisationsbereichen (Abteilungen/ LuV’s/Referate) umgesetzt werden.
Gleichzeitig wird Gender Bud-geting auf Senatsebene anhand der
Haupttitelgruppen 6 und 8[2] und auf Bezirksebene anhand ausgewählter Produkte
flächendeckend eingeführt (Stufe II ab Herbst 2004). Anhand der gewonnenen
Erkenntnisse und Erfahrungen wird politisch erneut über das weitere Umsetzungsverfahren
entschieden.
§
Die flächendeckende
Einführung und Umsetzung von Gender Mainstreaming/Gender Budgeting (Stufe III)
als langfristiger Organisationsentwicklungs- und Veränderungsprozess beginnt im
Herbst 2006. Dieser Prozess ist kontinuierlich zu koordinieren und durch ein
ausdifferenziertes systematisches Gender-Controlling nachhaltig (d.h. qualitätsorientiert,
bürgerinnen- und bürgerorientiert und dauerhaft) im Sinne der Verwaltungsreform
abzusichern.
Damit
einhergehende Ziele sind auf die Erreichung qualitativer Standards fokussiert:
1.
Gender
Mainstreaming/Gender Budgeting als Top-Down-Strategie
institutionalisieren
2.
Gender Mainstreaming/Gender
Budgeting exemplarisch erproben (Pilotprojekte)
3.
Gender
Mainstreaming erfolgreich durch den Einsatz spezifischer
Verfahren (Instrumente) umsetzen
(Bildungsinstrumente, Analytische Instrumente,
Konsultationsinstrumente)
1. Gender Budgeting in Pilotprojekten
Gender Budgeting gilt als neues und wirkungsvolles
Konzept, um Geschlechtergerechtigkeit auch über eine veränderte Haushalts- und
Finanzpolitik herzustellen. Sollen wirtschaftliche und gesellschaftliche
Zielsetzungen der Haushaltspolitik wirkungsvoll umgesetzt werden, bedarf es der
Berücksichtigung[3] von
Geschlechterverhältnissen, d.h. der systematischen Implementierung von Gender
Budgets. Vorteile, positive Effekte und Nutzen lassen sich bereits auf den
ersten Blick wie folgt beschreiben: 1. Gender Budgeting schafft
geschlechterdifferenzierte Kostentransparenz. 2. Die Haushaltsplanung wird
zielgerichteter. 3. Die Geschlechtergerechtigkeit wird erhöht. 4. Dadurch
können Folgekosten vermieden werden (denn Geschlechterungleichheit ist
ökonomisch ineffizient). 5. Die Situation von Familien kann verbessert werden
beispielsweise durch veränderte Rahmenbedingungen für Kindererziehung und Bildung
durch Ganztagsschulen.
Das Berliner Abgeordnetenhaus hat am 26.
Juni 2002 mit Beschluss (Drs. Nrn. 15/415, 15/601 und 15/503) über „Finanzpolitische
Instrumente des Gender Main-streaming (Gender Budget)“ den Senat aufgefordert,
„(…) in
dieser Legislaturperiode die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass bei der Vorlage
der Haushaltspläne künftig die Gesamtbreite der jeweiligen Haushaltsansätze
Gegenstand einer gendersensiblen Analyse und Berichterstattung gegenüber dem
Hauptausschuss wird. Die Implementierung dieses Gender Budget Ansatzes verlangt
ein stufenweises Vorgehen. Die Senatsverwaltungen werden deswegen beauftragt,
Pilotbereiche von fachlicher und finanzieller Relevanz zu definieren, in denen
die gendersensible Betrachtung der veranschlagten bzw. verausgabten
Haushaltsmittel in einem ersten Schritt umgesetzt wird (…)“.
Der
Beschluss beinhaltet auch die Berichterstattung darüber, wie entsprechende
Kompetenzen in die Steuerung und Koordinierung der Gender Mainstreaming Prozesse
einbezogen werden können bzw. ob eine senatsübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet
wird.
Gemäß
dieser politischen Vorgabe (s.o.) hat sich die Landeskommission bereits in
ihrer konstituierenden Sitzung am 22. Mai 2003 entschieden, dem Themenkomplex
Gender Budget hohe Priorität einzuräumen. Die praktische Einführung und Umsetzung
von Gender Budgets sollte durch eine ressort- und verwaltungsübergreifende
Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz der Senatsverwaltung für Finanzen in Zusammenarbeit
mit der Geschäftsstelle Gender Mainstreaming konzeptionell vorbereitet und
organisiert werden. Die im Sommer 2003 eingerichtete Arbeitsgruppe „Gender
Budget“ wurde beauftragt, ein entsprechendes Konzept bzw. eine praxisnahe
Umsetzungsstrategie zu entwickeln und der Landeskommission gegenüber regelmäßig
zu berichten.
Die AG hat bisher zwölfmal getagt. Bis
auf wenige Abweichungen haben die beteiligten Häuser feste Vertreter und
Vertreterinnen in die Sitzungen der AG entsandt. Dazu gehören auch leitende
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Haushaltsbereiche und der Fachabteilungen.
Die dem NGO-Bereich zuzuordnende „Initiative für eine geschlechtergerechte Haushaltsführung
in Berlin“ war von Anfang an explizit eingebunden. Ebenso arbeiten zwei Mitglieder
des Abgeordnetenhauses in der AG mit.
Die Mitglieder repräsentieren folgende Verwaltungs-
und Politikbereiche:



Abbildung
1: Zusammensetzung der AG Gender Budget
Konstatiert
werden kann, dass sich die AG in ihrer ressort- und verwaltungsübergreifenden
Zusammensetzung und Arbeitsweise als effektiv erwiesen hat: Die Zusammenarbeit
zwischen Verwaltungen, Politik und anderen Fachleuten war kooperativ, ziel- und
ergebnisorientiert; die Arbeitsteilung zwischen der Senatsverwaltung für Finanzen
und der Gender Mainstreaming Geschäftsstelle hat sich bewährt. Der Vorsitz der
Arbeitsgruppe unter dem für Finanzen zuständigen Fachressort ist als effektiv
zu bewerten; er hat zur höheren Akzeptanz bei der praktischen Einführung der
gender-orientierten Budget Analyse in der Berliner Verwaltung geführt.
Die
im September 2003 von der AG vorgelegte Gender Budgeting Einführungsstrategie
sah vor, dass Verwaltungen benannt werden, die in einem ersten Schritt relevante
Haushaltstitel und Produkte unter Gender Budget Gesichtspunkten definieren.
Sukzessive sollten zu den zunächst mitwirkenden vier Verwaltungen weitere auf Senats-
und Bezirksebene hinzukommen.
Das vorgeschlagene Vorgehen war stark praxisorientiert und
sollte insofern zunächst nur eine geschlechtersensible
Nutzenanalyse anhand ausgewählter Haushaltstitel und Produkte beinhalten.
Dabei werden die geschlechtsspezifischen Anteile etwa einer primär
personenbezogenen Fördermaßnahme, Beratung oder Unterbringung oder jene von
Nutzerinnen und Nutzern öffentlicher Einrichtungen quantifiziert und die
geschlechtsspezifische (finanzielle) Ressourcenverteilung dargestellt. Dieses
Verfahren ist nur eines der in der
Fachliteratur immer wieder beschriebenen und empfohlenen Beispiele für geschlechtsspezifische
Haushaltsanalysen.
Auf Grundlage der
Einführungsstrategie wurden Verwaltungen des Landes Berlin gesucht, die bereit
waren, sich an der Pilotphase zum Gender Budgeting zu beteiligen. Drei
Bezirksämter und eine Senatsverwaltung zeigten Interesse, den Prozess der
Einführung des Gender Budgeting im Land Berlin zu begleiten: Bezirksamt
Lichtenberg; Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf; Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg;
Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen.
Die Implementierung des Gender Budgeting
ist für einen Landeshaushalt in Deutschland absolutes Neuland. Bisher wurden
geschlechterdifferenzierte Daten nicht in der Haushaltsplanaufstellung
berücksichtigt. Besonderer Charakter des Projektes ist es daher, nicht auf
schon erprobte Verfahren und Vorgehensweisen zurückgreifen zu können.
Die Pilotphase startete damit, dass die
drei Bezirkverwaltungen eine produktbezogene Gender Analyse durchführten. Die
Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen hat anhand des kameralen
Haushalts bei repräsentativen Titeln der Hauptgruppen 6 und 8 die
geschlechterspezifische Ressourcenverteilung im Sinne einer Nutzenanalyse untersucht.
Für die Berücksichtigung geschlechtssensibler Informationen im Rahmen des
Haushaltsaufstellungsverfahrens haben also die Bezirke und die
Senatverwaltungen zwei unterschiedliche Vorgehensweisen gewählt, die der vorhandenen
Logik der Haushaltswirtschaft entsprechen. Den Bezirken stehen auf Basis der Kosten-
und Leistungsrechnung und der weitgehenden Einführung der output-orientierten
Budgetierung die Produkte zur Verfügung. Diese werden bereits weitgehend zu
Steuerungszwecken genutzt. Die Hauptverwaltung orientiert sich an den kameralen
Titeln. Somit testen die Bezirke das Gender Budgeting auf Produktebene und die
Hauptverwaltung im kameralen System.
Abbildung 2:
Geschlechterdifferenzierte Nutzenanalyse
|
Produkt- nummer |
Produkt-bezeichnung
|
Budgetwirksame 2003 € |
Budgetwirksame Produktkosten 2004 € |
Budget- verteilung weiblich |
Budget-verteilung männlich |
|
75476 |
Entleihung |
1.765.561 |
1.345.000 |
1.050.509 59,5% |
715.052 40,5% |
|
60970 |
Vermittlung
Medienkompetenz |
52.693 |
87.000 |
44.511.44 51,4%[4] |
42.140.56 48,6%
[5]
|
|
76843 |
Lehrveranstaltung
VHS |
1.927.677 |
1.306.000 |
1.401.421 72,7% |
526.256 27,3% |
|
77673 78422 |
Bereitstellung
von Sportanlagen Bereitstellung
von Sportanlagen auf Schulstandorten |
2.006.559 2.124.958 4.131.517 |
1.921.000 1.183.000 3.104.000 |
1.582.371 38,3%[6] |
2.548.747 61,7% |
|
78387 |
Allgemeine Kinder- und
Jugendarbeit |
4.992.085 |
3.232.000 |
2.136.612 42,8% |
2.855.473 57.2% |
|
|
Gesamtbudget |
12.869.533 |
9.074.000 |
|
|
In der Pilotphase hat sich gezeigt, dass schon wenige
zusätzliche Informationen, die mit dem Gender Budgeting einhergehen, zu einer
deutlichen Verbesserung des Informationsgehalts der Haushaltspläne führen
können. Um diesen Erkenntnissen gerecht zu werden und einen vertretbaren
Aufwand bei der Aufstellung des Haushalts bei gleichzeitiger Transparenz
Rechnung zu tragen, wird angeregt, geschlechtersensible Informationen sowohl zu
den Produkten der Bezirke als auch zu den Titeln der Hauptverwaltung als Anhang
zum Haushaltsplan zu entwickeln.[7]
Von großer Bedeutung ist die von der
Arbeitsgruppe Gender Budget konkretisierte, d.h. erweiterte Gender Budgeting
Einführungsstrategie für die Berliner Verwaltung. Diese wurde der
Landeskommission zu ihrer Sitzung im Februar 2004 präsentiert und ist
anschließend beschlossen worden. Strategisch ist nunmehr intendiert, das
weitere Umsetzungsverfahren auf alle
Senats- und Bezirksverwaltungen ab Sommer/Herbst 2004 auszudehnen. Die
Bezirksverwaltungen sollen im Rahmen der produktorientierten Herangehensweise
Produkte (die Summe aller Produktbudgets soll ca. 8-10% des
Produktsummenbudgets umfassen) untersuchen. Alle Senatsverwaltungen sollen die
Titel der Hauptgruppen 6 und 8 ihrer jeweiligen Einzelpläne im Zuge einer
kameralen Herangehensweise gendersensibel analysieren.
Zentrale Empfehlungen der Arbeitsgruppe
sind:
1.
Jede Verwaltung muss für
ihren eigenen Bereich die Umsetzung von Gender Budgeting (zunächst als Nutzenanalyse)
organisieren. Primär verantwortlich sind die jeweiligen
LuV-/Abteilungsleitungen.
2.
Für eine effektive
Arbeit ist die Unterstützung durch die politische und administrative
Führungsebene der einzelnen Häuser unabdingbar. Dies beginnt bei der regelmäßigen
Information und Kommunikation und setzt sich fort über Schulungen bis zur verantwortungsvollen
Steuerung des Personaleinsatzes bei der Umsetzung von Gender Budgeting
(Top-Down-Prinzip).
3.
Bei der flächendeckenden
Einführung von Gender Budgeting in der Berliner Verwaltung müssen die Leitungen
der Personal- und Finanzservicebereiche sowie die Leitungen aller
Fachabteilungen eine zentrale Verantwortung für die Koordinierung der
hausinternen Steuerungsprozesse übernehmen. Während der mehrmonatigen Testphase
mit Gender Budgets in vier Berliner Verwaltungsbereichen (s.o.) hat sich
herausgestellt, dass die Prozesse effektiver organisiert werden konnten, wenn
Leitungskräfte im Rahmen ihrer primären Fachzuständigkeit und
Führungsverantwortung aktiv geworden sind.
4.
Im Sinne einer
erfolgreichen praktischen Einführung von Gender Budgeting wird empfohlen, dass
die neu hinzukommenden Senats- und Bezirksverwaltungen zunächst repräsentative
Titel der Hauptgruppen 6 und 8 bzw. Produkte identifizieren. Hierbei sollen
nicht nur aussagekräftige Titel und Produkte ausgewählt werden, sondern auch
solche (z.B. zunächst primär personenbezogene Fördermittel oder
identifizierbare Zielgruppen), bei denen ohne großen Aufwand entsprechende
(verfügbare) Statistiken herangezogen werden können.
1. Gender Mainstreaming in
Pilotprojekten
Ziel der einjährigen Pilotphase von April 2003 bis
März 2004 war es, in ausgewählten Senats- und Bezirksverwaltungen Bereiche zu
definieren, in denen Gender Main-streaming exemplarisch erprobt werden sollte.
Aus den dabei gewonnenen Ergebnissen in Bezug auf gendersensible
Qualitätssteigerung, Prozessgestaltung und Wissenserweiterung sollten
verallgemeinerbare Erfahrungen abgeleitet werden, um die praktischen
Umsetzungsprozesse bei allen Senats- und Bezirksverwaltungen in der anschließenden
zweijährigen Hauptphase effektiver und effizienter gestalten zu können. Zu
konstatieren sind folgende Handlungs- und Organisationsfelder, in denen Gender
Mainstreaming Projekte durchgeführt wurden bzw. noch werden:
|
Pilotverwaltungen |
Pilotprojekte/ Bezeichnung |
Handlungs-/
Organisationsfelder |
|
Senatsverwaltung für
Justiz |
Diensteinteilung und
Personaleinsatz unter Gender Aspekten |
Justizvollzugsanstalt Düppel Jugendarrestanstalt Berlin |
|
Senatsverwaltung
für
Stadtentwicklung |
Entwicklung eines Gender-Arbeitsforums am Beispiel
der Entwicklung der Innenstadt Berlins als Lebenswelt von Frauen und Männern |
Abteilung
II (Städtebau/Projekte) |
|
Senatsverwaltung
für Gesundheit,
Soziales und Verbraucherschutz |
Gender Mainstreaming in der Krebsvorsorge |
Abteilung Gesundheit und Verbraucherschutz |
|
Senatsverwaltung
für Wirtschaft, Arbeit und Frauen |
Umsetzung von Gender Mainstreaming im Wirtschafts-
und Arbeitsmarktbericht 2004 |
Abteilungsübergreifend. Federführung Abteilung II
(Wirtschafts- u. Tech-nologiepolitik, Wirtschaftsordnung) |
|
Bezirksamt Lichtenberg |
Gender Mainstreaming im Handbuch „Qualitätsmanagement
der Berliner Jugendfreizeitstätten“ Gender Mainstreaming in der Stadtplanung (Beirat Stadtumbau Ost) |
LuV Jugend/AG Evaluation Fachbereich Stadtplanung |
|
Bezirksamt Mitte |
Gender Mainstreaming in der
Jugendförderung Gleichberechtigung und Islam Gender Mainstreaming im
öffentlichen Gesundheitsdienst/ (Gesundheitsbe-richterstattung) |
Abteilung Jugendförderung Integrationsreferent/ Gleichstellungsbeauftragte Plan- und Leitstelle Gesundheit |
|
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg |
Geschlechtergerechte
Zugangsbedingungen zu öffentlich geförderten Sportanlagen Einblicke in „vergeschlechtlichte“ Strukturen im
Bezirksamt |
Abteilung Jugend, Familie und Sport (Sportförderung) Bereich Bauaufsichtsamt |
|
Bezirksamt
Neukölln |
Gender Mainstreaming im Standesamt Neukölln Gender Mainstreaming in der Stadtbibliothek |
Standesamt Stadtbibliothek |
|
Bezirksamt
Marzahn- Hellersdorf |
Gender Mainstreaming in der Sozialberichterstattung
Gender Mainstreaming im
Jahreswirtschaftsbericht Berücksichtigung der Geschlechter als Anliegen der
Jugendbehörde |
Ressortübergreifende Arbeitsgruppe LuV Wirtschaft und Beschäftigungsförderung Abteilung Jugend |
|
Bezirksamt
Pankow |
Psychiatrische Pflichtversorgungsangebote (Psychiatrie
und Sucht) unter Berücksichti-gung von Gender Mainstreaming Gender Mainstreaming in der Wirtschaftsförderung |
Abteilung Gesundheit und Soziales (Plan- und Leitstelle) Büro für Wirtschaftsförderung |
|
Bezirksamt
Tempelhof- Schöneberg |
Gender Mainstreaming Projekt zur Standortanalyse
und -entwicklung im Bereich Wirtschaftsförderung |
Wirtschaftsförderung |
|
Bezirksamt
Treptow- Köpenick |
Gender Mainstreaming im Bereich der Kindertagesstätten |
Drei Kindertagesstätten sowie Bereich
Kindertagesbetreuung |
Abbildung
3: Gender Mainstreaming Pilotprojekte in der Berliner Verwaltung
Bei verschiedenen Berliner Pilotprojekten
lässt sich bereits ein Nutzen nachvollziehen und auf andere Maßnahmen/Verwaltungsbereiche
übertragen: Insbesondere die datengestützten Berichte und Analysen
(Sozialberichterstattung, Wirtschafts- und Ar-beitsmarktbericht,
Krebsvorsorgeuntersuchungen, geschlechterdifferenzierte Stadtteilporträts,
Gesundheitsberichterstattung, psychiatrische Pflichtversorgung, geschlechtsspezifische
Wirtschaftsberatung; Wirtschaftsförderung etc.) haben zu einer sichtbaren
Optimierung der geschlechterdifferenzierten Datenbasis geführt. Aufgrund der
jeweils gewonnenen „neuen“ Erkenntnisse könnten diese jetzt unmittelbar einfließen
in die operative Arbeit.
So
hat beispielsweise die Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz
ein Pilotprojekt zum Thema Krebsvorsorge durchgeführt. Obwohl Krebs die
zweithöchste Todesursache in Berlin ist, nutzen nur 56,7% der anspruchsberechtigten
Berlinerinnen die Möglichkeit der Krebsvorsorge durch Teilnahme an
Krebsfrüherkennungsuntersuchungen. Geschlechtsspezifisch aufschlussreich ist
die Tatsache, dass Männer die Krebsvorsorge aber nur zu 20,1 % der
Anspruchsberechtigten nutzen. Eine Arbeitsgruppe untersuchte Hintergründe für
dieses gesundheitsriskante Verhalten und entwickelte Möglichkeiten für bessere
Angebote zur Prävention. Die Arbeitsgruppe kam zum Ergebnis, dass einerseits weitere
Studien zu den Gründen für das konstatierte Verhalten notwendig sind, dass aber
andererseits eine auf Männer bzw. Frauen spezifisch abgestimmte
Aufklärungskampagne die Akzeptanz von Frühuntersuchungen erhöhen könnte.
In
verschiedenen anderen Pilotbereichen liegen ebenfalls konkrete Ergebnisse vor,
deren Nutzen und Übertragbarkeit hervorzuheben ist. Beispielhaft ist auf die im
Bezirksamt Neukölln im Standesamt und Bibliotheksbereich durchgeführten Gender
Projekte hinzuweisen. In der Stadtteilbibliothek belegten Genderanalysen ein
geschlechtsspezifisch unterschiedliches Ausleih- und Leseverhalten bei den Nutzerinnen
und Nutzern. Daraufhin entwickelte Maßnahmen sind in der Realität bereits umgesetzt
worden. Die Akteurinnen und Akteure dieses Gender Mainstreaming Projektes gehen
von einer Verallgemeinerbarkeit[8]
der gewonnenen Erkenntnisse aus und empfehlen daher, entsprechende Maßnahmen
auch in anderen städtischen Bibliotheken umzusetzen. Für die erarbeiteten
Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der geschlechtergerechten Behandlung der
Beschäftigten und Bürgerinnen/Bürgern im Bereich Standesamt gilt ähnliches.
Aufgrund
der vielfältigen Analysen und Erfahrungen werden als Ergebnis der einjährigen
Pilotphase folgende Empfehlungen für die weitere effektive Umsetzung von Gender
Mainstreaming in der Hauptphase vorgeschlagen:
8.
In der
Einführungsphase von Gender Mainstreaming/Gender Budgeting ist die externe
Unterstützung und wissenschaftliche Beratung von Projekten in den meisten
Fällen unabdingbar, weil sowohl Genderwissen als auch die methodischen
Kenntnisse und die entsprechenden Verfahren zur praktischen Umsetzung in den
Projekten bzw. den Handlungsfeldern noch nicht genügend verankert sind.
2. Externe
Organisationsberatung
Der Staatssekretärausschuss für Verwaltungsmodernisierung
hat am 12. Mai 2003 das von der Geschäftsstelle Gender Mainstreaming beantragte
Reformprojekt „Implementierung von Gender Mainstreaming in den Pilotprojekten
der Senats- und Bezirksverwaltungen“ positiv beschieden. Die zur Verfügung
gestellten Mittel sollen für die externe Gender- und Prozessberatung der
Projekte vor Ort verwendet werden.
Im
September 2003 erfolgte der Vertragsabschluss mit vier Beratungsunternehmen. Die Auftragsvergabe an
die Unternehmen war so konzipiert, dass jedes Unternehmen eine bzw. mehrere
Pilotverwaltung(en) insgesamt betreut hat, unabhängig von der Anzahl der
einzelnen GM-Projekte vor Ort. Die externen Unternehmen waren in den meisten
Pilotverwaltungen rund ein halbes Jahr (September 2003 – März 2004) (vor Ort)
tätig.
In den Verträgen wurde für die einzelnen
Leistungsbereiche ein Rahmen vorgegeben, der aber je nach Bedarf vor Ort mit
Zustimmung der Geschäftsstelle abgewandelt werden konnte:
·
Allgemeine Einführung in
Gender Mainstreaming (4 Stunden)
·
Entwicklung von
persönlicher und fachspezifischer Genderkompetenz durch vertiefendes Gendertraining
(16 Stunden)
·
Fachliche Begleitung der
Implementationsprozesse (18 Stunden)
·
Unterstützung der
Erfolgskontrolle und Evaluation einschließlich Berichterstattung
(8 Stunden)
Auf der Grundlage der Abschlussberichte
der Beratungsunternehmen und auch der Rückmeldungen aus den Pilotverwaltungen
kann festgestellt werden, dass die Arbeitsfähigkeit und eine
ergebnisorientierte Prozessgestaltung in den meisten Pilotprojekten durch die
Beratungsunternehmen mit ihrer Expertenkompetenz zu Gender Wissen,
Prozessberatung und Projektmanagement entscheidend gefördert wurde.
3. Lenkungs- und Steuerungsgremien
3.1 Gender
Mainstreaming Geschäftsstelle
Die bei der Senatsverwaltung für
Wirtschaft, Arbeit und Frauen als Stabsstelle angesiedelte Gender Mainstreaming
Geschäftsstelle ist im Januar 2003 auf drei Jahre befristet eingerichtet
worden. Sie ist ministerielle Schnittstelle für die Einführung von Gender
Mainstreaming/Gender Budgeting als Querschnittsaufgabe in allen Berliner
Verwaltungen. Ihre Personalausstattung verteilt sich auf vier Mitarbeiterinnen
(von denen zwei teilzeitbeschäftigt sind) und einen Mitarbeiter. Bei der
landesweiten Einführung und Umsetzung von Gender Mainstreaming/Gender Budgeting
handelt es sich insgesamt um einen komplexen und langfristigen Veränderungsprozess,
der primär durch die Gender Mainstreaming Geschäftsstelle initiiert,
koordiniert, gesteuert und fachlich begleitet wird.
3.2 Landeskommission Gender Mainstreaming
Die Landeskommission ist mit Beschluss des Senats
vom 4. März 2003 eingesetzt worden. Seither hat sie viermal getagt. Das Gremium
setzt sich seiner Bedeutung entsprechend aus Staatssekretärinnen und
Staatssekretären verschiedener Ressorts, durch den Rat der Bürgermeister
benannte Vertreterinnen dreier Bezirke sowie Vertreterinnen und Vertreter
verschiedener anderer Bereiche aus Verwaltung, Wissenschaft und Nichtregierungsorganisationen
(NGO’s) zusammen.


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llkkkkk
Abbildung
4: Zusammensetzung der Landeskommission
In ihrer vierten Sitzung (15. Juli 2004)
hat die Landeskommission den von der Gender Mainstreaming Geschäftsstelle im Entwurf
vorgelegten „Zweiten Bericht über Gender Mainstreaming (einschließlich Gender
Budgeting)“ – umfassend diskutiert und u.a. folgende Empfehlungen im Hinblick
auf die Hauptphase beschlossen:
·
Gender
Mainstreaming soll in relevanten und repräsentativen Organisationsbereichen
aller Fach- und Bezirksverwaltungen umgesetzt werden
·
Gender Budgeting (geschlechtergerechte
Haushaltspolitik) soll in ausgewählten Haushaltsbereichen aller Fach- und Bezirksverwaltungen
eingeführt werden – vorbereitend für die Haushaltsaufstellung 2006
·
Es soll ressortübergreifend ein Verfahren
entwickelt werden, das einen routinemäßigen Gender-Check (prüfen der Berücksichtigung
beider Geschlechter) bei Senatsvorlagen ermöglicht.
3.3 Bezirkliches
Steuerungsgremium
Das bezirkliche Steuerungsgremium GM hat
seit seiner konstituierenden Sitzung im April 2003 weitere viermal getagt. Zum
Abschluss der Pilotphase – im April 2004 – fand die letzte Sitzung dieses
Gremiums in der bisherigen Form statt. Anstelle des bezirklichen Steuerungsgremiums
soll künftig – während der zweijährigen Hauptphase – die Koordination und Unterstützung
der bezirklichen GM/GB-Prozesse neben der Landeskommission durch den Rat der
Bürgermeister (RdB) erfolgen.
4. Herstellung von Genderkompetenz
Entsprechend dem Berliner
Umsetzungskonzept, Gender Mainstreamig „top-down“ voranzubringen und zunächst
die politisch Verantwortlichen und obersten Führungskräfte zu qualifizieren, wurden
2003/2004 Schulungen bzw. Beratungen durchgeführt.
Diese Fortbildungen stellen
einen wichtigen Beitrag zur Vermittlung von Genderwissen dar. Sie müssen
zukünftig konzeptionell ausgebaut und insbesondere auch von den neu hinzukommenden
Verwaltungen genutzt werden. Außerdem müssen für andere Zielgruppen der Verwaltung spezifische Fortbildungsangebote
zum Erwerb von Genderkompetenz gemacht werden.
5. Geschlechterdifferenzierte
Statistiken und Daten
Die Landeskommission GM beschloss im Februar
2004 die Einrichtung einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Geschlechterdifferenzierte
Statistiken und Daten“. Ziel der AG ist es, die Statistiken und Datenerhebungen
in der Verwaltung entsprechend den Erfordernissen von Gender Mainstreaming zu
qualifizieren und auf eine geschlechterdifferenzierte Datenbasis in allen
Verwaltungsbereichen hinzuwirken.
Die Geschäftsstelle hat an zahlreichen
Veranstaltungen in den Bereichen Verwaltung, Politik und Wissenschaft
mitgewirkt, um die Strategie des Gender Mainstreaming bekannt zumachen und die
Erfolge der Berliner Prozesse zu präsentieren. Die Gender Mainstreaming
Präsentation Berlins befindet sich auf den Internetseiten unter www.berlin.de/gendermainstreaming.
Konzipiert wird derzeit eine Konferenz zu Gender Mainstreaming/Gender
Budgeting, die 2005 durchgeführt werden soll.
Ausschuss-Kennung
: ArbBFraugcxzqsq
[1] An der einjährigen Pilotphase (April 2003 bis März 2004) haben sich zwölf Verwaltungen (vier Senats- und acht Bezirksverwaltungen) mit insgesamt einundzwanzig Gender Mainstreaming Projekten beteiligt. Im Winter 2003/2004 kamen vier Gender Budgeting Pilotprojekte hinzu, die in drei Bezirken und in einer Senatsverwaltung durchgeführt wurden.
[2] Hauptgruppe 6 umfasst Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse mit Ausnahme für Investitionen. Hauptgruppe 8 umfasst Sonstige Investitionsausgaben und Ausgaben zur Investitionsförderung.
[3] Ein Budget, das Geschlechterverhältnisse berücksichtige, so international anerkannte Ökonominnen, sei deshalb sinnvoll, weil es damit wirksamer zur ökonomischen und sozialen Entwicklung eingesetzt werden könne (Elson/Young 2002).
[4] Die Zahlen beziehen sich auf 2004.
[5] Haushaltsjahr 2004.
[6] Die Nutzungsstunden von Frauen liegen mit 38,3% noch unter ihrem Anteil an den Vereinsmitgliedern (40,4%).
[7] Im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg bestand indes die Überlegung, diese Daten ggf. in die Erläuterung zu den Titeln hinzuzunehmen.
[8] Die im Übrigen auch schon durch die Gender Budget Analyse des Bezirksamtes Lichtenberg anhand es Produktes „Entleihung“ bestätigt wurde.