Der Senat wird aufgefordert, eine Bundesratsinitiative zu initiieren, mit dem Ziel, nach dem Vorbild des alten Bundessozialhilfegesetzes (§ 18 BSHG) eine Experimentierklausel in das SGB II einzufügen, wodurch den Kommunen und Stadtstaaten es ermöglicht werden soll,

 

·         die nach § 30 SGB II benannten Freibeträge durch ein Einstiegsgeld zu erhöhen. Durch das Einstiegsgeld soll den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein zeitlich befristeter Zuschuss anhand einer prozentualen Anrechnung auf das Arbeitslosengeld II gewährleistet werden. Derjenige, der sich selbständig auf dem ersten Arbeitsmarkt  selbständig eine Arbeit sucht, soll durch einen höheren Freibetrag belohnt werden.

·         das Arbeitslosengeld II für erwerbsfähige Hilfebedürftige bis zu einem Drittel unter den in § 20 Abs. 2 aufgeführten Regelsätzen absenken zu können, wenn  Arbeitsgelegenheiten für die Betroffenen geschaffen werden. Im Gegenzug soll es dem Hilfebedürftigen erlaubt sein, weit mehr als die bisherigen 1,50 Euro pro Stunde durch Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung hinzuzuverdienen, so dass eine adäquate Kompensation der Kürzung gegeben ist.

 


Begründung:

 

Neben der Tatsache, dass die arbeitsmarktpolitischen Reformen der Bundesregierung keine neuen Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt schaffen, ist ein weiterer negativer Aspekt aufgetreten, der Teilweise durch § 18 BSHG umgangen werden konnte: die bundesdeutsche Arbeitsmarktpolitik ist de facto trotz des Optionsgesetzes zentralisiert worden. Freiräume für Kommunen und Stadtstaaten, neue Wege in Bezug auf Anreizsysteme in der Arbeitsmarktpolitik zu gehen, existieren de facto nicht. Mit dieser Zentralisierung verbleibt die Arbeitsvermittlung und Organisation  zu großen Teilen in den Händen der Bundesagentur für Arbeit.

 

Für viele der zukünftigen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die ALG II ab diesem Jahr beziehen, lohnt es sich nicht, eine Arbeit anzunehmen. Gerade bei niedrigem Einkommen ist der Lohnabstand zu gering: Während das durchschnittlich verfügbare Monatseinkommen eines Paares mit einem Alleinverdiener bzw. einer Alleinverdienerin und zwei Kindern einschließlich Kindergeld rund 1.600 Euro beträgt, liegt ab nächstem Jahr das Transfer-Einkommen einer ALG-Familie mit rund 1400 Euro nur rund 200 Euro darunter.

 

Zwar wurden nach § 30 SGB II die Freibeträge bei Erwerbstätigkeit im Vergleich zur Sozialhilfe erhöht. Die Gefahr besteht allerdings weiterhin, dass die so genannte „Sozialhilfefalle“ zur „ArbeitslosengeldIIhilfefalle“ wird und somit dauerhaft Schwarzarbeit begünstigt.  Sie nimmt dem Einzelnen mit zunehmender Verweildauer in der Arbeitslosigkeit jede Chance und Motivation, jemals wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die öffentlichen Kassen von Bund, Ländern und Kommunen werden weiterhin schwer belastet. Dies ist weder im Interesse der erwerbsfähigen Hilfeempfänger, die so zu einem Leben in Hilfsbedürftigkeit bestimmt werden, noch im Interesse einer freiheitlichen Gesellschaft, die für die Eröffnung von Chancen und Teilhabe steht.

 

Die wesentlichen Elemente eines Einstiegsgeldes sind:

 

·           Als Zielgruppe dienen erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger im Land Berlin

·           Als Anrechnungssatz werden 50 Prozent des Nettoeinkommens vorgeschlagen. Zur Vermeidung von Mitnahmeeffekten werden lediglich Arbeitsverhältnisse durch das Einstiegsgeld gefördert, deren Nettoeinkommen nicht signifikant über den Anspruch auf Arbeitslosengeld II liegt. Darüber hinaus gehende Einkommen führen zum Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II.

·       Die Hilfeempfänger müssen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen

·       Förderfähig soll ein Beschäftigungsverhältnis auf dem ersten Arbeitsmarkt sein.

·       Zur Verhinderung von Mitnahmeeffekten sollte die Förderperiode auf 12 Monate befristet werden. Alleinerziehende, die in der Regel auf Teilzeitstellen angewiesen sind, fallen nicht unter die Zeitspanne.

 

Die Kommunen und Stadtstaaten sollen selbst entscheiden wie hoch der Regelsatz des Arbeitslosengeldes II bzw. des Sozialgeldes im Rahmen der im Antragstext vorgegebenen Spannbreite ist. Werden diese  Parameter wie im SGB II vorgeschrieben zentral festgelegt, haben Geringqualifizierte auf lokalen Arbeitsmärkten mit hohen Arbeitslosenquoten schlechte oder gar keine Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten.

 

Im Gegenzug soll es den Kommunen und Stadtstaaten erlaubt werden, die Entgelte für die so genannten Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigungen zu erhöhen, damit eine Kompensation zur Absenkung der Regelleistung gegeben ist. Der Hilfebedürftige erhält somit einen ähnlichen Betrag an staatlicher Leistung, ist aber gezwungen sich durch Arbeit einzubringen. Außerdem wird dadurch der Anreiz verstärkt, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu suchen.

 

Berlin, den 15. März 2005

 

 

Dr. Lindner           Lehmann

und die übrigen Mitglieder der Fraktion der FDP

 

Ausschuss-Kennung : ArbBFraugcxzqsq