Vorlage – zur Kenntnisnahme –
Berliner Aktionsplan zur Bekämpfung von häuslicher
Gewalt
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Zwischenbericht: Stand der Umsetzung März 2002 - Juli 2004 -
Der Senat legt nachstehende Vorlage dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor:
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung S. 3 – S. 4
1. Gesetzliche Rahmenbedingungen
1.1. Polizeirecht S. 4
1.2. Zivilrecht S. 4 – S. 5
1.3. Strafrecht S. 5
2. Datenerhebung/Statistik
2.1. Polizei S. 5
2.2. Amts- und Staatsanwaltschaft S. 5 – S. 6
2.3. Anti-Gewaltprojekte S. 6 – S. 7
2.4. Jugendämter, Jugendnotdienst, Kindernotdienst S. 7 – S. 8
3. Aus- und Fortbildung
3.1. Polizei S. 8
3.2. Straf- und Zivilrecht S. 8
3.3. Jugend und Schule S. 8 – S. 9
3.4. Ausländerbehörde S. 9
3.5. Hilfeeinrichtungen S. 9
4. Informations- und Öffentlichkeitsarbeit
4.1. Anti-Gewaltbereich S. 9 – S. 10
4.2. Gesundheitsbereich S. 10
4.3. Bezirkliche Öffentlichkeitsarbeit S. 10
5. Präventive Ansätze auf bezirklicher Ebene S. 10 – S. 11
6. Täterarbeit S. 11 – S. 12
7. Kinder – und Jugendarbeit S. 12 – S. 13
8. Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung S. 13 - S. 14
9. Migrantinnen S. 14
10. Weiterentwicklung von Hilfeangeboten S. 14 – S. 15
Zusammenfassung
Am 5. März 2002 hat der Senat den Berliner Aktionsplan zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt für den Zeitraum 2002 – 2006 verabschiedet. Mit Drs. Nr. 15/305 wurde das Abgeordnetenhaus hiervon unterrichtet.
Bestandteil des Aktionsplans sind Maßnahmen bzw. Arbeitsschwerpunkte in zehn Interventionsbereichen, die in zeitlicher Abstufung bis zum Jahr 2006 umgesetzt werden sollen. Seit der Verabschiedung des Aktionsplans konnten in nahezu allen Interventionsbereichen entscheidende Maßnahmen eingeleitet und umgesetzt werden.
Hervorzuheben
sind zunächst die Maßnahmen im
polizeilichen Bereich. Am 15. Februar 2003 ist die geplante Änderung des
Berliner Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) mit der
Möglichkeit der polizeilichen Wegweisung eines Täters aus der Wohnung in Kraft
getreten. Mit dieser Gesetzesänderung konnte eine zentrale Schutzlücke zwischen
Straftat und zivilrechtlichem Rechtsschutz geschlossen werden, die die
Sicherheit der betroffenen Frauen und Kinder nachhaltig erhöht. Durch die
gesetzlich vorgesehene zeitliche Frist von 14 Tagen im Rahmen eines
polizeilichen Betretungsverbots erhalten die Opfer die Möglichkeit, unabhängig
vom Täter in den eigenen Räumen die erforderlichen Schritte bei der Planung
einer gewaltfreien Lebensperspektive einzuleiten. In diesem Zusammenhang wurde
beim Lagezentrum der Polizei in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Justiz
eine zentrale Faxnummer eingerichtet, an die die Zivilgerichte ablehnende
Entscheidungen von beantragten Schutzanordnungen senden können. Damit wird der
gesetzlichen Vorgabe aus § 29a ASOG Rechnung getragen und dem Bedürfnis nach
beschleunigtem Informationsfluss zwischen Gerichten und Polizei
entsprochen, denn in der Praxis hatte
sich gezeigt, dass die gerichtlichen Meldungen bei der Polizei oft nicht
zugeordnet werden konnten. Der Informationsfluss zwischen Gerichten und Polizei
trägt auch dazu bei, den auf den Polizeiabschnitten tätigen Beamtinnen und
Beamten Hilfestellung bei der Einschätzung
einer möglichen neuen Gefährdungssituation durch die Beendigung des polizeilichen Betretungsverbots zu geben.
Zusätzlich wurde von der Polizei in Kooperation mit der Berliner
Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt (BIG) und der Senatsverwaltung für
Bildung, Jugend und Sport ein neues Formblatt zur Information über polizeiliche
Einsätze an die Jugendämter entwickelt, das seit dem IV. Quartal 2004 angewendet wird. Um die Einsätze in Fällen
häuslicher Gewalt zu optimieren, werden
darüber hinaus Qualitätsstandards erarbeitet. Die Internetseite „häusliche
Gewalt“ der Berliner Polizei steht vor der Veröffentlichung.
Auch im Bereich der Justiz
wurden wichtige Maßnahmen zur Sicherstellung des gerichtlichen Rechtsschutzes
im Rahmen der Anwendung des Ge-waltschutzgesetzes (GewSchG) in die Wege
gelei-tet. So konnte durch die Benennung von Ansprechpartnerinnen bei den Familiengerichten
eine bundesweit einmalige Möglichkeit geschaffen werden, Fragestellungen und
Probleme zu bündeln, um schnell auf Lücken reagieren zu können und konkrete Maßnahmen
oder Arbeitshilfen zu entwickeln. Der
bei den allgemeinen Zivilgerichten im Frühjahr 2003 eingeführten neue
Vordruck ZP 125, der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach dem
GewSchG verwendet werden soll, dient der Arbeitserleichterung für die Richter
und Richterinnen. Bereits im August 2002 wurde eine Zentralisierung der
Bearbeitungszuständigkeit von Verstößen nach § 4 GewSchG bei der Amtsanwaltschaft
eingeführt. Diese Zentralisierung steigert die Effektivität der Strafverfolgung
im Rahmen der neuen Gesetzgebung und trägt ebenfalls zur Verbesserung des gerichtlichen
Rechtsschutzes bei.
Die umgesetzten
rechtlichen und organisatorischen Änderungen bei der Polizei und im Bereich der
Justiz tragen wesentlich zum verbesserten Schutz der Betroffenen bei. Dem Ziel,
„das Opfer kann bleiben, der Täter muss gehen“, wurde damit erheblich näher
gekommen.
Die im Berichtszeitraum
erfolgte Weiterführung
und feste Etablierung der Erhebung von Daten zu Fällen häuslicher Gewalt in den
einzelnen Bereichen (Polizeiliche Kriminalstatistik, Erhebungen bei der Amts-
und Staatsanwaltschaft, den Hilfeangeboten, den Jugendämtern) ist positiv zu
bewerten. Als besonders wichtiger Erfolg ist die Einführung von Datenerhebungen
bei den Jugendämtern (Ergänzung des Hilfeplanstatistikbogens um die Kategorie
„häusliche Gewalt“ ) zu nennen. Voraussichtlich ab Januar 2005 werden für
Berlin erstmals aussagekräftige Daten zur Mitbetroffenheit von Kindern und
Jugendlichen, die Hilfe zur Erziehung erhalten, vorliegen.
Die in allen Bereichen
erhobenen Daten sind auch langfristig unverzichtbare Instrumente zur Einschätzung
der Entwicklungen im Problemfeld, der Wirksamkeit von Interventionen und dem
sich daraus ergebenden Veränderungsbedarf in Berlin.
Im Bereich der
Aus- und Fortbildung konnte das
bestehende Angebot aufrechterhalten werden. Dies gilt insbesondere für die
Schulungen bei der Polizei . Als sehr erfolgreich kann die Umsetzung der
Fortbildungen für Fachkräfte aus dem Jugendhilfebereich und der Allgemeinen
Sozialen Dienste bilanziert werden. Sie werden mit guter Resonanz in den
Bezirken durchgeführt. Erweitert wurde der Fortbildungsbereich durch ein
spezielles Angebot der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen zum
Gewaltschutzgesetz für die Projektmitarbeiterinnen aus dem Anti-Gewaltbereich.
Darüber hinaus wurde Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ausländerbehörde
eine Fortbildungsveranstaltung zur spezifischen Situation gewaltbetroffener
Migrantinnen angeboten, die von der Polizei und der Senatsverwaltung für Wirtschaft,
Arbeit und Frauen gemeinsam konzipiert und durchgeführt wurde.
Die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit zur Sensibilisierung der Fachöffentlichkeit wurde im Berichtszeitraum durch Veranstaltungen zum Thema gesundheitlicher Versorgung sowie Öffentlichkeitskampagnen im Bereich der Anti-Gewaltprojekte erweitert. Die im Aktionsplan vorgesehene Fachtagung zur Arbeit von Interventionszentralen in Europa im Kontext des Aufbaus der Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt fand am 25.11.2003 statt. Sie diente der Reflexion und Bilanzierung von Interventionsstrategien zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt auf europäischer Ebene. Der internationale Erfahrungsaustausch ist für die Weiterentwicklung im Anti-Gewaltbereich von besonderer Bedeutung und muss weitergeführt werden.
Zwei weitere Bereiche sind im Rückblick auf den Berichtszeitraum gesondert hervorzuheben: die Fortführung der präventiven Arbeit in den Bezirken und die Maßnahmen zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung.
Durch die von der Landeskommission „Berlin gegen Gewalt“ in Auftrag gegebene Recherche zu den bezirklichen Angeboten zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt ist es erstmals gelungen, einen Überblick über Maßnahmen und Kooperationen in den Bezirken zu erhalten. Damit wird es möglich, aus den Erfahrungen anderer Bezirke zu lernen, Engpässe aufzudecken und Kooperationsstrukturen auszubauen. Die in vielen Bezirken entwickelten regionalen Aktionspläne machen eindrucksvoll deutlich, dass sich die Bezirke ressortübergreifend aktiv mit dem Thema häusliche Gewalt befassen.
Die Anstrengungen, die von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in erfolgreicher Kooperation mit der Senatsverwaltung Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz sowie den anderen Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern wie der AOK – Die Gesundheitskasse Berlin, dem Netzwerk Frauengesundheit Berlin und S.I.G.N.A.L. e. V. unternommen worden sind, haben dazu geführt, dass strukturelle Veränderungen zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung der Zielgruppe eingeleitet werden konnten. Die angestrebte Berücksichtigung der Belange gewaltbetroffener Frauen bei der Neuorientierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes im Rahmen der Neuordnungsagenda 2006 und die Einrichtung eines Arbeitskreises beim Landespsychiatriebeauftragten zur Etablierung eines verbesserten Angebotes, das auf die Situation gewaltbetroffener Frauen zugeschnitten sein soll, dokumentieren deutlich einen qualitativen Wandel.
Die Hilfeangebote im Anti-Gewaltbereich konnten trotz knapper Ressourcen aufrechterhalten werden. Der Aufbau der Berliner Interventionszentrale ist abgeschlossen. Sie hat sich zusammen mit der BIG-HOTLINE fest etabliert. Zur Verbesserung der Beratung von Migrantinnen wurde ein Wegweiser fertiggestellt und eine von BIG erarbeitete Broschüre „Ihr Recht bei häuslicher Gewalt“ in zehn Sprachen bei den Projekten und der Polizei ausgelegt.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich der Opferschutz in Berlin im Berichtszeitraum nachhaltig verbessert hat. Es besteht jedoch weiterhin die Notwendigkeit, vorhandene Schutzlücken zu schließen, Maßnahmen zu prüfen und weiterzuentwickeln.
Zu
den Ergebnissen im Berichtszeitraum im Einzelnen
1.
Gesetzliche Rahmenbedingungen
1.1. Polizeirecht
Mit der Änderung des ASOG
(§ 29 a), die eine polizeiliche Wegweisung eines Täters aus der Wohnung und ein
Betretungsverbot bis zu 14 Tagen ermöglicht, ist die im Aktionsplan geforderte
Ausweitung des Platzverweises auf das gesamte Stadtgebiet erfolgt. Seitdem ergingen
durch die Polizei insgesamt 1.564 Platzverweise (1.036 im Jahr 2003; 528 im
ersten Halbjahr 2004). Zur Umsetzung der Wegweisung wurde von der Polizei ein
neuer Vordruck entwickelt, der ein einheitliches Vorgehen der Beamtinnen und
Beamten vor Ort erleichtert. Der Vordruck ist seit dem 10.09.2003 bei allen
Polizeidienststellen im Einsatz. Die von der Senatsverwaltung für Justiz, der
Polizei und den Amtsgerichten eingerichtete Faxnummer zur Mitteilung von ablehnenden
Entscheidungen der Berliner Amtsgerichte in Gewaltschutzsachen gem. § 29 a Abs.
3 Satz 2 ASOG wurde gut aufgenommen. Eine ablehnende Entscheidung hat es nach
jetzigem Kenntnisstand bisher nicht gegeben. Zur Information der Jugendämter
über polizeiliche Einsätze wurde ein neues Formblatt entwickelt, das im IV. Quartal
2004 in die Dienstorganisation gegangen ist. In Zusammenhang mit der Evaluierung der polizeilichen Leitlinien „Polizeiliches
Handeln in Fällen häuslicher Gewalt“ durch die Wissenschaftliche Begleitung der
Interventionsprojekte gegen häusliche Gewalt (WIBIG) werden zur Zeit
Qualitätsstandards zur Optimierung der polizeilichen Einsätze entwickelt.
Im Bereich der Polizei wurden
nicht nur durch die Gesetzesänderung wesentliche Verbesserungen erzielt. Auch
die gelungene Eingliederung der Koordinatoren und Koordinatorinnen „häusliche
Gewalt“ in die Allgemeine Aufbauorganisation der Polizei verdeutlicht die
strukturelle Verankerung des Themas häusliche Gewalt über den Aktionsplan
hinaus.
1.2. Zivilrecht
Als
unterstützendes Moment zur Gewährleistung der organisatorischen Voraussetzungen
bei der Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes sind bei den Familiengerichten
Tempelhof/Kreuzberg und Pankow/Weißensee Ansprechpartnerinnen benannt worden.
Die Fragestellungen und Probleme, die sich aus der
Praxis ergeben, werden im Rahmen von Arbeitstreffen mit BIG ausgetauscht und
erörtert. Die entwickelten Anregungen dienen der Optimierung struktureller und
organisatorischer Maßnahmen auf der Justizverwaltungsebene. Nach dem Ausscheiden
der beiden ursprünglichen Ansprechpartnerinnen und nach Abarbeitung einer
Vielzahl der ursprünglichen Fragestellungen steht derzeit eine Ansprechpartnerin
für BIG zur Verfügung.
Zur weiteren
Effektivierung der Umsetzung zivilrichterlicher Anordnungen nach §§ 1 und 2
GewSchG hat die Senatsverwaltung für Justiz die Zivilgerichte darauf
hingewiesen, dass die Amtsanwaltschaft Straftaten nach § 4 GewSchG (Zuwiderhandlung
gegen eine vollstreckbare Anordnung) einstellen muss, wenn die Anordnung keinen
Hinweis auf die Strafbarkeit des Verstoßes gem. § 4 GewSchG enthält. Ferner
wurde den Berliner Amtsgerichten (siehe 1.1.) eine zentrale Telefaxnummer des
Polizeipräsidenten in Berlin mitgeteilt, über die sie ihre Entscheidungen in
Gewaltschutzsachen gemäß § 29 a Abs. 3 Satz 2 ASOG der Polizei bekannt geben können.
Berlin ist in die vom
Bundesministerium für Justiz (BMJ) in Kooperation mit dem Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Auftrag gegebene
rechtstatsächliche Untersuchung des Bundes zu Umsetzung und Wirkung des
Gewaltschutzgesetzes mit einbezogen. Durch eine qualitative Aktenanalyse, die
Befragung von Expertinnen und Experten
und Interviews mit Opfern war geplant, bis zum Ende des Jahres 2004
qualifizierte Aussagen über die Sicherstellung des gerichtlichen Rechtsschutzes
auch für Berlin vorzulegen. Der offizielle Abschlussbericht steht noch aus.
Die Vordrucke zur Beantragung von Schutzanordnungen und
Wohnungszuweisungen wurden von BIG aktualisiert und flächendeckend bei den
Hilfeeinrichtungen für Opfer und teilweise bei Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen in Berlin verteilt.
1.3. Strafrecht
Die Zentralisierung der
Bearbeitungszuständigkeit für Verstöße gem. § 4 GewSchG beim Sonderdezernat
„Häusliche Gewalt“ der Amtsanwaltschaft hat sich bewährt.
Die Richtlinie zum
Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) sowie die Richtlinie zur ausnahmsweisen Durchführung
des TOA in Fällen häuslicher Gewalt liegen vor und werden angewandt. Im Jahr
2003 kam es in 27 Fällen zu deren Anwendung. Im ersten Halbjahr 2004 haben die
Staatsanwaltschaft und die Amtsanwaltschaft in neun Verfahren wegen häuslicher
Gewalt von der Möglichkeit des TOA Gebrauch gemacht. Die relativ kleinen Zahlen
belegen, dass der TOA in Fällen häuslicher Gewalt in der Regel nicht als
geeignetes Verfahren angesehen wird. Die entwickelten Kriterien tragen aber
offenbar dazu bei, geeignete Fälle herauszufiltern. In den meisten Fällen
verlief der TOA nach Aktenlage erfolgreich.
Die im Aktionsplan im Bereich
der gesetzlichen Rahmenbedingungen geplanten Änderungen sind umgesetzt worden. Gleichzeitig hat sich aber in der Praxis gezeigt, dass
noch viel Detailarbeit geleistet werden muss.
2.
Datenerhebung/Statistik
2.1. Polizei
Die Gewinnung
detaillierter Erkenntnisse über das Ausmaß häuslicher Gewalt, soweit es zu
polizeilichen Einsätzen in Berlin kommt, erfolgt wie vorgesehen weiterhin durch
die jährliche Auswertung der polizeilichen Kriminalstatistik zu häuslicher
Gewalt (seit 2001 verbessert über eine spezielle Kennzeichnung der Fälle zu häuslicher Gewalt im internen Datenerfassungssystem der
Polizei). Damit ist Berlin im Bundesgebiet nach wie vor wegweisend bei der
Erfassung von Daten zu Straftaten in diesem Deliktbereich.
Im Jahr 2003 wurden bei
der Polizei 10.371 Fälle häuslicher Gewalt und 622 Verstöße gegen das GewSchG
registriert. Von der Möglichkeit des polizeilichen Platzverweises wurde im Jahr
2003 im 1.036 Fällen Gebrauch gemacht.
Im 1. Halbjahr
2004 gab es 5.109 Fälle häuslicher Gewalt mit 528 Wegweisungen gemäß § 29 a ASOG.
Im gleichen Zeitraum wurden 402 Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz
registriert – von der Tendenz her ähnliche Ergebnisse wie im Jahr 2003.
Beginnend ab
dem Jahr 2005 wurde ein Kriminalitätslagebild „häusliche Gewalt“ installiert.
Das Kriminalitätslagebild soll eine umfassendere Datenerhebung und -auswertung
garantieren. Damit sollen Führungskräfte in die Lage versetzt werden, auf
Schwerpunkte zeitnah zu reagieren. Mit dem Kriminalitätslagebild erhalten sie
zudem aussagekräftige und differenzierte Daten zu ihren Verantwortungsbereichen.
Insgesamt ist
- ausgehend vom Jahr 2001 - eine Steigerung der Anzeigen von über 50% (2001:
4.166; 2002: 7.552) zu verzeichnen. Dies
deutet - vorsichtig interpretiert - darauf hin, dass es mit der Umsetzung des
Gewaltschutzgesetzes, des polizeilichen Platzverweises und nicht zuletzt durch
die Arbeit von BIG gelungen ist, das
Dunkelfeld bei häuslicher Gewalt deutlich zu erhellen. Mehr betroffene Frauen
haben Vertrauen in ein funktionierendes Interventionssystem, die Anzeigenbereitschaft
steigt.
2.2. Amts- und
Staatsanwaltschaft
Im Bereich der
Amts- und Staatsanwaltschaft Berlin werden
die halbjährlichen Eingangszahlen, Verfahrensabschlüsse sowie offene Ermittlungsverfahren
für Fälle häuslicher Gewalt gesondert erhoben. Darüber hinaus werden die Fälle
häuslicher Gewalt erfasst, bei denen es zu einer Anwendung des TOA kommt. Die
Ergebnisse der Datenerhebungen (Polizeiliche Kriminalstatistik und die Daten
der Amts- und Staatsanwaltschaft) werden im Experten- und Expertinnengremium
bei der Berliner Interventionszentrale in regelmäßigen Abständen ausgewertet
und auf einen erforderlichen Veränderungsbedarf hin überprüft.
Für das Jahr
2003 ergibt sich folgendes Zahlenbild:
Staatsanwaltschaft
:
·
Es
wurden 448 Ermittlungsverfahren eingeleitet, davon wurden 420 Verfahren (auch
Eingänge aus dem Vorjahr) abgeschlossen.
·
230
Verfahren wurden eingestellt: davon 165 Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO, davon wiederum zehn Verfahren unter
Verweisung auf den Privatklageweg und 51 wegen Verfahrenshindernisses. In 22
Fällen wurde das Verfahren gem. § 153 Abs. 1 StPO (Absehen von der Verfolgung
wegen Geringfügigkeit ) abgeschlossen.
·
In
102 Fällen wurde Anklage zum Amtsgericht erhoben, 25 Fälle gelangten zur
Anklage beim Landgericht. In 22 Fällen erfolgten Anträge auf Erlass eines
Strafbefehls. Es wurde ein Antrag auf Durchführung des Sicherungsverfahrens gestellt.
·
145
Verfahren waren offen.
·
Es
wurde ein Vollstreckungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz
geführt.
Amtsanwaltschaft:
·
Von
Januar bis Dezember 2003 wurden 10.523 Ermittlungsverfahren eingeleitet.
·
7.430
Verfahren (davon 216 wegen Verstoßes gegen § 4 Gewaltschutzgesetz) wurden eingestellt,
davon 5.998 Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO, davon wiederum 115 Verfahren unter Verweisung auf den Privatklageweg und
500 wegen Verfahrenshindernissen. In 850 Verfahren erfolgte die Einstellung
nach §§ 153, 153 a StPO.
·
Erhebung
von Anklagen vor dem Amtsgericht erfolgte in 970 Fällen. In 1.468 Fällen wurde
ein Strafbefehl beantragt. In 28 Fällen wurde ein beschleunigtes Verfahren nach
§ 417 StPO durchgeführt.
·
Offene
Verfahren: 2.238.
Im
ersten Halbjahr 2004 stellt sich die Lage wie folgt dar:
Staatsanwaltschaft:
·
Es
wurden 229 Ermittlungsverfahren eingeleitet. 245 Verfahren (auch Eingänge aus
dem Vorjahr) wurden abgeschlossen (leichter Abfall der Eingangszahlen, aber
Anstieg der Erledigungszahlen im Vergleich zum ersten Halbjahr 2003: 244 zu 189
Verfahren).
·
125
Verfahren wurden eingestellt, davon 90 Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO, davon
wiederum vier Verfahren unter Verweis auf den Privatklageweg und 36 Verfahren
wegen Verfahrenshindernissen. In fünf Fällen wurde das Verfahren nach § 153
Abs. 1 StPO (geringe Schuld des Täters, kein öffentliches Interesse) eingestellt.
·
In
55 Fällen wurde Anklage beim Amtsgericht erhoben. Vier Fälle gelangten zur
Anklage beim Landgericht. Es wurde ein Antrag auf Durchführung des
Sicherungsverfahrens gestellt. In elf Fällen wurden Strafbefehle beantragt.
·
58
Verfahren waren offen.
·
Es wurde ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das GewSchG
geführt. Das Verfahren führte zu einer Verurteilung.
Amtsanwaltschaft:
·
Es
wurden 5298 Ermittlungsverfahren eingeleitet. 5547 Verfahren (auch Eingänge aus
dem Vorjahr) wurden abgeschlossen (Anstieg im Vergleich zum ersten Halbjahr
2003: 4944 zu 5351 Verfahren).
·
3995
Verfahren (davon 90 wegen Verstoßes gegen § 4 GewSchG) wurden eingestellt,
davon 3499 Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO, davon wiederum 83 Verfahren unter
Verweis auf den Privatklageweg und 474 Verfahren wegen Verfahrenshindernissen.
In 221 Fällen wurde das Verfahren nach den §§ 153 und 153 a StPO abgeschlossen.
·
Anklageerhebung
beim Amtsgericht erfolgte in 424 Fällen (davon 28 Verfahren gem. § 4 GewSchG).
In 719 Fällen (davon 24 Fälle gem. § 4 GewSchG) wurde jeweils ein Strafbefehl
beantragt. In 15 Fällen wurde ein beschleunigtes Verfahren nach § 417 StPO
durchgeführt.
·
Offene
Verfahren: 1089.
Die
relativ hohe Zahl der Einstellungen ist nach wie vor unbefriedigend. Nach den
Erfahrungen der Senatsverwaltung für Justiz reicht die Beweislage für eine
Anklageerhebung oft nicht aus. Dies liegt zum Teil auch daran, dass die
Betroffenen in einer für sie schwierigen Situation nicht aussagen können oder
wollen und häufig auch das Vertrauen in einen positiven Ausgang des Verfahrens
fehlt. An dieser Stelle wird einmal mehr deutlich, wie wichtig Information und
Beratung der Gewaltopfer über das gerichtliche Verfahren und die Bedeutung
ihrer Aussage sind.
2.3. Anti-Gewaltprojekte
Zur
Wirksamkeit und Zielerreichung der Hilfeangebote werden in den Projekten
regelmäßig Daten zur Anzahl hilfesuchender Frauen ausgewertet. Die 326
Frauenhausplätze sowie die Plätze für Frauen in den 40 Zufluchtswohnungen (115
Plätze) werden nach wie vor in hohem Maß in Anspruch genommen. 1.376 Frauen und
1.340 Kinder haben im Jahr 2003 die Frauenhäuser aufgesucht (insg. 2.716 Personen).
Bis Ende Juni 2004 waren es bereits 769 Frauen und 707 Kinder (also 1.476
Personen).
Trotz
erweiterter rechtlicher Möglichkeiten ist die Bereitstellung vorübergehender
Schutzunter-künfte unabdingbar.
Zu
den konkreten Auswirkungen des GewSchG auf die Arbeit der Hilfeeinrichtungen
bezüglich der Angemessenheit der Hilfeangebote und veränderter Schwerpunkte
ergab eine vorläufige Auswertung bei den Frauenhäusern, Zufluchtswohnungen und
der BIG-HOTLINE neben der gleichmäßig hohen Auslastung eine erhöhte Nachfrage
der Hilfesuchenden zur rechtlichen Situation, zur Wohnungszuweisung, zur
Wegweisung des Täters sowie zu den Schutzeinrichtungen.
Die
Zielgruppe insbesondere in den Frauenhäusern hat sich verändert. Es kommen mehr
junge Frauen, Sozialhilfeempfängerinnen sowie Betroffene mit
Abhängigkeitserkrankungen und psychischen Problemlagen. Außerdem hat sich
gezeigt, dass Migrantinnen in diesem Zusammenhang besondere Beratung und
Unterstützung benötigen. Insgesamt machen noch zu wenig betroffene Frauen vom
GewSchG Gebrauch, z.T. wegen des hohen Aufwands, des gerichtlichen Verfahrens
und auch aus Gründen mangelnden Vertrauens in einen positiven Ausgang des Verfahrens. Eine Rückkehr in die gemeinsame
Wohnung wird oft ausgeschlossen, da befürchtet wird, dass der Täter sich nicht
an die richterlichen Anordnungen hält. Mit dem Bezug einer neuen Wohnung wird
eher ein Neuanfang verbunden. Abschließend bleibt festzuhalten, dass sich die
Betroffenen bewusst für einen Aufenthalt in den Schutzeinrichtungen entscheiden.
Die
Auswirkungen des GewSchG werden weiter fachlich und in Kooperation mit der
Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen begleitet und geprüft. Die
Auswertung der Arbeit hierzu in den Beratungsstellen wird voraussichtlich im
Frühjahr 2005 vorliegen, da die entsprechenden Daten erst ab 2004 erhoben
worden sind.
2.4. Jugendämter,
Jugendnotdienst, Kindernotdienst
Zur
Gewinnung eines umfassenden Überblicks über die Mitbetroffenheit von Kindern
war im Aktionsplan die Erweiterung des Hilfeplanstatistikbogens, der im Bereich
„Hilfe zur Erziehung“ (§ 27 ff SGB VIII) der Jugendämter angewandt wird, vorgesehen.
Diese Erweiterung ist unter dem Titel „Für die Hilfeplanung relevante
Lebensumstände der Eltern“ erfolgt und wird unter der Kategorie „Misshandlung
der Mutter durch den Lebenspartner“ oder „Misshandlung durch die
Lebenspartnerin“ (in Hinblick auf Gewalterfahrungen zwischen den Eltern) seit
Januar 2003 abgefragt. Unter „Problemdefinition nach Hilfeplan“ wird die
zusätzliche Kategorie „Betroffenheit des Kindes/Jugendlichen von häuslicher
Gewalt“ erhoben. Die Möglichkeit der Bereitstellung gezielter Hilfeangebote für
Kinder und Mütter wird damit verbessert. Die im Rahmen des Hilfeplanstatistikbogens
abgefragten Daten können allerdings erst im Jahr 2005 zuverlässig ausgewertet
werden, da die Datenerfassung bedingt durch einen Softwarewechsel erstmalig ab
1.01.2004 möglich war.
Seit
Mitte 2003 werden Daten zu häuslicher Gewalt im Rahmen des begleiteten Umgangs
(§ 18 Abs. 3 SGB VIII) bei den Jugendämtern und den Trägern der Jugendhilfe
erhoben. Die Evaluationsbögen wurden in Kooperation des Landesjugendamtes mit
den Jugendämtern und freien Trägern entwickelt. Die Ergebnisse werden
voraussichtlich im Frühjahr 2005 vorliegen.
Die
explizite statistische Erfassung von häuslicher Gewalt erfolgte im
Jugendnotdienst erst gegen Ende 2003, so dass Zahlenmaterial nur für das erste
Halbjahr 2004 vorliegt. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2004 wurden im
Jugendnotdienst von 1.074 Interventionsfällen insgesamt 15 Fälle dokumentiert,
in denen Jugendliche angaben, dass es in ihrer Familie zu häuslicher Gewalt
gekommen sei. Darüber hinaus gaben zehn Jugendliche an, dass der Grund für ihr
Weglaufen in massiven partnerschaftlichen Konflikten der Eltern liege.
Erfahrungsgemäß
muss davon ausgegangen werden, dass die tatsächlichen Zahlen häuslicher Gewalt
höher liegen. Dies ist einerseits damit zu erklären, dass Jugendliche über Gewalt
zwischen ihren Eltern wenig erzählen, da sie die Folgen nicht einschätzen
können. Andererseits werden Jugendliche häufig selbst Opfer von Gewalt, wenn
sie im elterlichen Streit Partei ergreifen. Die akute Misshandlung der Jugendlichen
rückt mit dem entsprechenden Handlungsdruck für die Jugendbehörden - und damit
auch für den Jugendnotdienst - in den Vordergrund, so dass mögliche Gewalt
zwischen den Eltern nicht benannt, erfragt oder registriert wird.
Eine
zweite Zielgruppe, die mit häuslicher Gewalt zu tun hat, besteht aus den
Jugendlichen, die mit ihren Müttern in Frauenhäuser geflohen sind und dort
nicht bleiben können oder wollen. Dies betrifft insbesondere Jungen, die
altersbedingt (meist ab 14 Jahren) nicht in Frauenhäusern bleiben können. Es
kommen aber auch Mädchen, die sich weigern, gemeinsam mit ihren Müttern in den
familiären Haushalt zurückzukehren. Diese sind zahlenmäßig nicht erfasst.
Darüber
hinaus hat der Jugendnotdienst vermehrt mit einer Gruppe von Jugendlichen zu
tun, die aufgrund von Gewaltanwendung gegenüber Eltern und/oder anderen
Angehörigen nicht mehr in die familiäre Wohnung gelassen werden. Im ersten
Halbjahr 2004 wurden im Jugendnotdienst 9 Fälle massiver Gewaltanwendung gegen
Eltern durch Jugendliche registriert. Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass
betroffene Eltern die Angst vor ihren eigenen Kindern und deren Gewaltanwendung
nur sehr zögerlich benennen. Auch hier ist von einer weitaus höheren
Dunkelziffer auszugehen.
In
mehreren Fällen ist es im Rahmen von Gewaltanwendung Jugendlicher gegen ihre
Eltern zu einem Verweis der
Jugendlichen aus der elterlichen Wohnung durch die Polizei gekommen. Die Jugendlichen wurden von der Polizei in den Jugendnotdienst gebracht
und unter dessen Aufsicht gestellt. Die Jugendlichen erhielten einen
schriftlichen Bescheid, dass sie sich der Wohnung in einem bestimmten
Zeitrahmen nicht mehr nähern dürfen.
Bei
den im Kindernotdienst erhobenen Zahlen zur häuslichen Gewalt handelt es sich
überwiegend um körperliche Angriffe eines Lebenspartners gegen die Mutter.
Mit
dem primären Aufnahmegrund „häusliche Gewalt“ fanden im Kindernotdienst im
Zeitraum vom 1.1. - 31.7.2004 insgesamt 39 Aufnahmen von Müttern und Kindern
(die nicht in einem Frauenhaus unterkommen konnten) sowie 16 telefonische Beratungen
mit dem Schwerpunktthema häusliche Gewalt statt. Davon wurde den Mitarbeitern
und Mitarbeiterinnen in 19 Fällen geschildert, dass die Gewalt durch einen
Lebenspartner gegen die Mutter gerichtet worden ist, in vier Fällen wurde von
häuslicher Gewalt gegen den Vater und in drei Fällen von wechselseitigen
tätlichen Angriffen berichtet.
Die
vorliegenden Daten beziehen sich auf die von den Müttern geschilderten
körperlichen Angriffe sowie Bedrohungssituationen durch den Lebenspartner. Auch
wenn überwiegend Frauen von körperlicher häuslicher Gewalt durch ihre
gewalttätigen Partner oder Ex-Partner betroffen sind, so zeigen die Erfahrungen
des Kindernotdienstes, dass es in der Auswertung des Geschlechterverhältnisses
einen erheblichen Unterschied ausmacht, ob zur häuslichen Gewalt die physische
und psychische Gewalt zugerechnet oder ob ausschließlich die körperlichen
Angriffe gezählt werden. So ist das Zahlenverhältnis bei der psychischen Gewalt
(Beschimpfungen, verbale Bedrohungen, Erniedrigungen, Demütigungen und
Herabwürdigungen des Partners, Entzug und Vorenthalten des Kindes, das Kind als
Boten für Abwertung einsetzen) nach Erkenntnis des Kindernotdienstes im
Geschlechterverhältnis etwa gleich verteilt. Diese Fälle werden allerdings im
Kindernotdienst gesondert gezählt und fallen unter die Kategorie „Streit um
Sorge- und Umgangsrecht“. Bei diesen Streitigkeiten muss die Schnittmenge zu
häuslicher Gewalt noch genauer geprüft werden.
3. Aus- und Fortbildung
3.1. Polizei
Zur Sicherstellung eines umfassenden Grundlagenwissens zu häuslicher Gewalt war eine Fortführung der bereits in der Modellphase von BIG angelaufenen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Bereich der Polizei an der Landespolizeischule und der Fachhochschule für Recht und Verwaltung (FHVR) geplant.
Vor
dem Hintergrund fehlender finanzieller Mittel haben im Jahr 2002 an der FHVR
jedoch keine Tagesseminare zu häuslicher Gewalt stattfinden können. Im Jahr
2003 war erst ab Oktober die Weiterführung im Ausbildungsbereich möglich. An
der Landespolizeischule wurden im Jahr 2003 drei mehrtägige Fortbildungsseminare
zum Thema „Polizeieinsatz häusliche Gewalt“ und zwei mehrtätige Aufbauseminare
zu „Männer als Opfer und Täter häuslicher Gewalt“ durchgeführt.
Die
Themenbereiche zu häuslicher Gewalt werden in der FHVR nun generell im 2.
Semester Kriminologie in der Ausbildung für Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen
angeboten.
Durch
die Neuordnung der Führungsstruktur in der Berliner Polizei wurde die
Zuständigkeit der Fortbildung häusliche Gewalt in der Landespolizeischule der
LPS B 3 – verhaltensorientiertes Training – übertragen. Die Ausbildungsinhalte
wurden neu strukturiert. Die Anteile der dienstkundlichen Themen wurden
erweitert und durch praxisnahe Rollenspiele ergänzt. Im Jahr 2004 wurden bisher
zwei Seminare durchgeführt, weitere drei werden bis zum Ende des Jahres folgen.
Von
Seiten der Multiplikatoren und Multiplikatorinnen wurde am 19.10.2004 ein
Seminar zur Situation von Migrantinnen durchgeführt, zu dem externe
Referentinnen eingeladen waren.
3.2. Straf- und Zivilrecht
Zur
Effektivierung der strafrechtlichen Verfolgung von häuslicher Gewalt war im
Aktionsplan eine Fortbildung für Richter und Richterinnen der Berliner
Familien- und Amtsgerichte vorgesehen. Zur Information und zur
Bedarfsermittlung hat im März 2002 eine Veranstaltung stattgefunden, an der ca.
35 Richter und Richterinnen
teilgenommen haben. Von allen Beteiligten wurde ein nach wie vor hoher
Fortbildungsbedarf gesehen. Dies entspricht dem Ergebnis der Befragung im
Bereich der Amts- und Familiengerichte. Die für 2003 geplante Fortbildung
konnte wegen des Fehlens von Referentinnen nicht angeboten werden, wird aber
weiter anvisiert. Eine Fortführung ist auch im Bereich der Strafgerichte sowie
für Staatsanwaltschaft und Amtsanwaltschaft geplant.
Festzuhalten
bleibt, dass in den Jahren 2003 und 2004 aus unterschiedlichen Gründen (Umstrukturierungen, mangelnde
finanzielle Mittel, Probleme bei der Referentinnensuche) Aus- und Fortbildungsmaßnahmen
im Bereich der Justiz nicht durchgeführt werden konnten. Für das Jahr 2005 ist
nun jedoch wieder eine Veranstaltung vorgesehen .
3.3. Jugend und Schule
Fortbildungen
zum Thema „Kinder und häusliche Gewalt“ sind weiterhin regional und überregional
erfolgreich umgesetzt worden. Die Fortbildungen richten sich an Fachkräfte aus
den Bereichen der Jugendhilfe, der Schule, des Gesundheitswesens, der Polizei
und der Familiengerichte.
Als
sehr erfolgreich kann die Umsetzung der Fortbildungen für Fachkräfte aus dem
Jugendhilfebereich und der Allgemeinen Sozialen Dienste zur Effektivierung der
Unterstützung gewaltbetroffener Kinder bilanziert werden. Seit dem Jahr 2002 werden
sie mit sehr guter Resonanz in den Bezirken durchgeführt. Bis zum Ende des
Jahres 2004 wurden in mehr als der Hälfte der Bezirke Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter aus diesen Bereichen fortgebildet (Reinickendorf, Mitte, Neukölln,
Steglitz/Zehlen-dorf, Marzahn/Hellersdorf, Friedrichshain/Kreuz-berg, Spandau).
In Tempelhof/Schöneberg ist die Fortbildung für 2005 geplant. Die Fortbildungen
im Rahmen von Fachtagen wurden bis Ende 2003 von der wissenschaftlichen Begleitung
der
Interventionsprojekte
gegen häusliche Gewalt (WIBIG) evaluiert. Die Ergebnisse liegen vor. Insgesamt drei Fortbildungen für
den Jugendnotdienst, die Voraussetzung für die Kooperation mit der
HOTLINE/Mobile Intervention sind, wurden durch Mitarbeiterinnen von BIG und der
HOTLINE im Jahr 2003 realisiert.
Zur
Verbesserung der Prävention und Aufklärung im Schulbereich wurden im Bezirk Mitte/ Wedding - angeregt vom Projekt FrauenOrt
und finanziert vom Bezirksamt Mitte/Wedding – drei Workshops an Grundschulen
und im Hortbereich mit guten Erfolgen durchgeführt. Im Mai 2004 wurde,
initiiert von der Gleichstellungsbeauftragten des Bezirks Tempelhof/Schöneberg
und in Kooperation mit BIG , an einer Grundschule ein weiterer Workshop mit
Mädchen und Jungen einer 5. Klasse zum Thema „Häusliche Gewalt“ durchgeführt.
Der Workshop wurde von einem deutsch-türkischen Team realisiert, das im Rahmen
des Präventionsprogramms von „FrauenOrt“ arbeitet. Der Workshop bot – unter
Einbezug der Lehrerschaft – den beteiligten Mädchen und Jungen die Möglichkeit,
sich zu schwierigen Themen im Kontext von (häuslicher) Gewalt zu äußern,
dazugehörige Gefühle zu erleben und zu verbalisieren. Auch das eigene
Konfliktverhalten wurde reflektiert, verbunden mit der Erarbeitung alternativer
Konfliktlösungsstrategien. Eine Fortsetzung der Workshops in Verbindung mit
einer Verankerung des Themas im Kreis der Koordinationslehrer und
Koordinationslehrerinnen für Suchtprophylaxe ist im Bezirksamt
Tempelhof/Schöne-berg im bezirklichen Aktionsplan gegen häusliche Gewalt enthalten.
3.4.
Ausländerbehörde
Migrantinnen,
die von häuslicher Gewalt betroffen sind, werden häufig mit einer Vielzahl
spezifischer Probleme konfrontiert, die ihre Ursache zum Teil im aufenthaltsrechtlichen
Status der Frau haben können. Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbehörde
für die Thematik zu sensibilisieren, wurde im August 2004 eine
Fortbildungsveranstaltung angeboten, die von der Polizei und der Senatsverwaltung
für Wirtschaft, Arbeit und Frauen gemeinsam konzipiert und durchgeführt wurde.
Die Veranstaltung ist auf eine positive Resonanz gestoßen und soll 2005
wiederholt werden.
3.5. Hilfeeinrichtungen
Wichtiger Bestandteil des Aktionsplans war die Durchführung von Fortbildungen und Informationsveranstaltungen für Mitarbeiterinnen der Projekte aus dem Anti-Gewaltbereich, die mit häuslicher Gewalt befasst sind. Am 27.08.2003 hat die erste Multiplikatorinnenfortbildung zum Gewaltschutzgesetz stattgefunden. Ziel der Fortbildung war die Ver-tiefung der Kenntnisse zur Wirkung des GewSchG anhand der Diskussion/Erörterung von Problemen und Beispielen aus der Praxis. Der erste Baustein wurde im Juni 2004 wegen der großen Nachfrage wiederholt. Der zweite Baustein der Fortbildungsreihe wurde im Oktober 2004 angeboten. Die Fortbildung soll im Jahr 2005 weitergeführt und durch einen dritten Baustein ergänzt werden.
Abschließend ist festzuhalten, dass die angestrebte Integration des Themas „häusliche Gewalt“ in die juristische Ausbildung und die Erprobung einer Seminarveranstaltung im Rahmen des Jurastudiums zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erfolgt sind. Es handelt sich bei dieser Aufgabenstellung um eine grundlegende und mit hohem Arbeitsaufwand zu verfolgende Änderung der Justizausbildungsordnung, die nur mit dem politischen Willen und der Unterstützung der Beteiligten in Angriff genommen werden kann. Diese Frage soll daher im Jahr 2005 erneut aufgegriffen werden.
4. Informations- und Öffentlichkeitsarbeit
4.1.
Anti-Gewaltbereich
Zur Steigerung des Bekanntheitsgrades der BIG-HOTLINE wurden im Jahr 2003 in den Wartehäuschen der BVG 1500 Plakate geklebt, und es gab durch die finanzielle Unterstützung eines Sponsors eine dreimonatige Präsentation im Berliner Fenster der BVG. Der HOTLINE – Flyer konnte ebenfalls durch Sponsorenmittel in sechs verschiedenen Sprachen veröffentlicht
werden. Am 23. November 2004 wurde im Rahmen einer Pressekonferenz der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, der BIG-HOTLINE und bekannter „Tatort“-Kommissare die Öffentlichkeitskampagne der BIG-HOTLINE unter dem Motto „Sehen Sie fern – aber nicht weg“ vorgestellt. Sechs bekannte „Tatort“-Kommissare (u.a. Boris Aljinovic, Andreas Hoppe, Peter Sodann, Miroslav Nemec und Mehdi Moinzadeh, Klaus Behrend) wenden sich bis Ende Januar 2005 auf neuen Großplakaten im gesamten Stadtgebiet unter dem Motto „Sehen Sie fern – aber nicht weg“ gegen häusliche Gewalt. Die Kampagne wurde aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie finanziert.
Die Entwicklung des geplanten Einkaufschips mit der Telefonnummer der BIG-HOTLINE ist ab-geschlossen. Die öffentliche Vorstellung des Chips erfolgte in Verbindung mit der überbezirklichen Ak-tion zur Verteilung der Bäckertüten „Gewalt kommt bei uns nicht in die Tüte“ am 25.11.2004 (siehe Pkt.5.). Auch der Einkaufschip wurde durch den Einsatz von Sponsorenmitteln ermöglicht.
Auf
die Durchführung der Fachtagung zur Arbeit
von Interventionszentralen in Europa im Kontext des Aufbaus der Berliner
Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt wurde bereits hingewiesen. Ziel der
Tagung war die Fortsetzung des Erfahrungsaustauschs im Jahr 1998, verbunden mit
einer Bilanzierung der neueren Entwicklungen und der Diskussion der
gesetzlichen Regelungen in den europäischen Ländern. Die Situation in den
osteuropäischen Ländern war ebenfalls ein wichtiger Schwerpunkt der Tagung.
Neben Vertreterinnen aus England, Österreich und der Bundesrepublik nahmen auch
Referentinnen aus Polen, Tschechien und Russland teil. Die Dokumentation der
Tagung in englischer und deutscher Sprache liegt vor.
4.2.
Gesundheitsbereich
Die Diskussion in der Fachöffentlichkeit über den Umgang des Gesundheitssystems mit den Folgen von häuslicher Gewalt wurde am 25.11.2002, dem „Internationalen Tag zur Beendigung jeder Form von Gewalt gegen Frauen“, mit einer Pressekonferenz von dem Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, Herrn Wolf, und der Senatorin für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, Frau Dr. Knake-Werner, begonnen.
Vom Netzwerk Frauengesundheit Berlin wurden zum Thema „Gewalt gegen Frauen macht körperlich und seelisch krank“ Informationsmaterialien für Patientinnen (Faltblatt, Plakat und Notfallkarte) entwickelt, die aus Mitteln der AOK – Die Gesundheitskasse Berlin finanziert wurden. Sie wurden am 24.11.2003 ebenfalls zum „Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen“ im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz der Senatsverwaltungen für Wirtschaft, Arbeit und Frauen und für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, des Vorsitzenden der AOK, des Präsidenten der Ärztekammer und des Netzwerks Frauengesundheit Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt.
4.3. Bezirkliche
Öffentlichkeitsarbeit
In vielen Berliner Bezirken findet im Rahmen der Umsetzung bezirklicher Aktionspläne Öffentlichkeitsarbeit in unterschiedlichen Bereichen statt.
Jeweils halbjährlich werden in den drei Rathaus-Standorten des Bezirks Mitte (Mitte, Wedding, Tiergarten) zu den gängigen Sprechzeiten der Ämter Info-Stände bereitgestellt. Der Wegweiser „Ansprechpartner bei häuslicher Gewalt“ des Bezirks Mitte ist bereits in der vierten Auflage erschienen und Ende des Jahres 2004 in türkischer Sprache veröffentlicht worden. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Gemeinwesen- und Veranstaltungszentren sind Informationsreihen für medizinisches Personal, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Einrichtungen usw. in Planung. Für die Bekanntmachung derartiger Informationsveranstaltungen stehen dem Bezirk Kontakte zu Zeitungen und türkischen Sendern zur Verfügung.
Bereits seit dem Jahr 2001 beteiligt sich das Bezirksamt Pankow an Aktionen zum Internationalen Tag zur Beendigung jeder Form von Gewalt gegen Frauen am 25. November (z. B. mit der Fahnenhissaktion von terre des femmes). Im Jahr 2004 nahm der Bezirk erstmalig an der Aktion „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ (siehe Pkt. 5 „Präventive Ansätze auf bezirklicher Ebene“) teil. Das gilt auch für den Bezirk Tempelhof/Schöneberg.
In allen Bezirken werden allgemeine Informationsveranstaltungen zum Thema durchgeführt.
Einen Überblick über die weitergehenden Aktivitäten in den Bezirken bietet die Materialsammlung der Recherche der Landeskommission Berlin gegen Gewalt zur präventiven Arbeit auf bezirklicher Ebene.
Einige Vorhaben wie z.B. die Entwicklung eines Spots für einen lokalen Fernsehsender wurden zurückgestellt. Auch die Veranstaltung zur Information der Fachöffentlichkeit zur Effektivierung der Beratung gewaltbetroffener Migrantinnen in Kooperation mit dem Büro des Beauftragten für Integration und Migration steht noch aus. Die Kampagne „Gemeinsam gegen Männergewalt“ hat sich aufgelöst, da die Mittel des „zweiten“ Arbeitsmarktes nicht mehr bewilligt wurden und andere Mittel nicht zur Verfügung standen. Die Informationskampagne zur Arbeit der Polizei sowie der „Runde Tisch“ zum Thema Sport konnten daher nicht weitergeführt werden.
5. Präventive Ansätze auf bezirklicher Ebene
Die Implementierung häuslicher Gewalt als Thema kommunaler Gewalt- und Kriminalitätsprävention findet u.a. durch den Transfer der Ergebnisse der Arbeit von BIG und des Aktionsplans in die Sicherheits- und Präventionsbeiräte der Bezirke statt.
In den Bezirken Marzahn/Hellersdorf, Mitte, Tempelhof/Schöneberg und Pankow liegen mittlerweileeigene bezirkliche Aktionspläne vor. In Friedrichshain/Kreuzberg ist das Konzept noch nicht verabschiedet.
Das „Bündnis gegen häusliche Gewalt“ in Mitte trifft sich weiter regelmäßig zu festgelegten Terminen. In Tempelhof/Schöneberg wird der bezirkliche „Runde Tisch zu häuslicher Gewalt“ weitergeführt ebenso wie der Arbeitskreis „Marzahn-Hellersdorf gegen häusliche Gewalt“. In Pankow wurde im Rahmen der Verabschiedung des bezirklichen Aktionsplans ein ressortübergreifendes Kooperationsgremium eingerichtet. In Marzahn ist es darüber hinaus gelungen, über das Quartiersmanagement in einem sozialen Brennpunkt des Bezirks ein Projekt „Prävention vor Eskalation“ mit dem Ziel, schwerpunktmäßig gewaltbetroffene Frauen und Kinder aber auch Familien durch beratende und begleitende Hilfeformen zu unterstützen.
Wie gut das Thema häusliche Gewalt mittlerweile in den Bezirken aufgenommen wurde, zeigt sich nicht zuletzt an der Neuköllner Aktion zum 25.11.2003 „Gewalt kommt nicht in die Tüte“, die von der bezirklichen Frauenbeauftragten initiiert wurde und mit der Unterstützung der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen realisiert werden konnte. Im Rahmen der Aktion wurden 50.000 Tüten für Bäckereien und Gemüsehändler mit der Aufschrift „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ bedruckt. Der Aufdruck erfolgte in Deutsch und Türkisch und wurde von Prominenten (Axel Schulz, Cengiz Koc/Weltmeister Kickboxen) sowie verschiedenen Unternehmen unterstützt.
Für das Jahr 2004 ist es gelungen, die Aktion über die Landesarbeitsgemeinschaft der bezirklichen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten auf das gesamte Stadtgebiet auszuweiten. Im Rahmen einer sechsmonatigen Öffentlichkeitskampagne „Gewalt kommt nicht in die Tüte“, die von Sponsoren und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen unterstützt wird, werden Fahrzeuge einer Mietwagenfirma, die ab September 2004 zu einem kostengünstigen Aktionspreis wöchentlich vermietet, mit dem Aktionslogo und der Telefonnummer der BIG-HOTLINE versehen, sowie 1 Million Bäckertüten mit dem Slogan der Kampagne und den Logos der Unternehmen in ganz Berlin vertrieben. Start für die Bäckertüten war der 25.11.2004. Die Aktion endet am Internationalen Frauentag, dem 8. März 2005, mit der Auslosung eines für einen Monat kostenfreien Mietfahrzeuges der Mietwagenfirma.
In Verbindung mit den Fragen nach der Entwicklung
eines Modellbezirks bzw. eines Handbuchs wurde Ende 2002 von der Landeskommission
Berlin gegen Gewalt ein Werkvertrag mit dem Ziel vergeben, in den Bezirken zu
ermitteln, welche Angebote bereits bestehen, welche Vernetzungen vorhanden sind
und welche Bedürfnisse und Lücken gesehen werden. Im Ergebnis hat sich gezeigt,
dass Prävention häuslicher Gewalt bisher eher einen Schwerpunkt in der Arbeit
der bezirklichen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten bildet. Dies wird in
der Untersuchung belegt durch die Aktionen und Aktivitäten wie Ratgeber, Notfallkarten
und Infoveranstaltungen (siehe auch Pkt.4.3.). Als Erfolg der Öffentlichkeits-
und Informationsarbeit auch im Rahmen des Berliner Aktionsplans ist der in der
Recherche festgestellte gute Kenntnisstand zum Gewaltschutzgesetz und zur
Arbeit von BIG zu sehen. Die Recherche und eine daraus resultierende Materialsammlung
sind als Handreichung an die an der Untersuchung Beteiligten verschickt worden.
Beide Publikationsteile wurden im Internet unter www.berlin-gegen-gewalt.de veröffentlicht und
stoßen auf wachsendes Interesse.
Ein
von der Landeskommission Berlin gegen Gewalt im Sommer 2004 gemeinsam mit der Senatsverwaltung
für Arbeit, Wirtschaft und Frauen und der Berliner Interventionszentrale
durchgeführter Workshop zu oben genanntem Themenbereich macht deutlich, dass es im Laufe der letzten
beiden Jahre (2003/2004) gelungen ist, die Sicherheits- und Präventionsbeiräte,
die Jugendämter sowie die Koordinatoren und Koordinatorinnen „häusliche Gewalt“
der Berliner Polizei verstärkt in die bezirkliche Prävention von häuslicher
Gewalt mit einzubeziehen. Für 2005 wurde ein weiteres Arbeitstreffen
vereinbart, um über ein überbezirkliches Gremium einen kontinuierlichen
Erfahrungs- und Informationsaustausch zu offenen Fragen und Umsetzungsproblemen
auf bezirklicher Ebene zu etablieren und mit Maßnahmen auf Landes–und
Bundesebene zu verknüpfen.
Das Berliner Zentrum für Gewaltprävention (BzfG) konnte Dank der Förderung durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie sein Angebot ausbauen. Im Berichtszeitraum sind fünf Gruppen zur Ent-wicklung gewaltfreier Lebensperspektiven durchgeführt worden resp. gestartet, also noch laufend.
Die Zahl der Anfragen zur Teilnahme konnte von 75 auf 98 gesteigert werden.
|
|
2004 |
2003 |
|
Anmeldungen: |
98 |
75 |
|
Selbstmelder: |
41 |
28 |
|
JVA: |
20 |
24 |
|
Weisung: |
37 |
23 |
|
Teilnehmer: |
49 |
42 |
|
Gewiesene Teilnehmer: |
36 |
32 |
Durch
die Einstellung einer Assistentin konnten regelmäßige Telefonsprechstunden
angeboten werden, was ein höheres Maß an direkter Erreichbarkeit und damit
Verbindlichkeit zur Folge hat. Auf diese Weise konnten mehr Interessenten in
die regelmäßigen Informationsabende eingebunden werden. Gleichzeitig hat auch
die niedrigschwellige Möglichkeit zur Anmeldung via Internet zur Steigerung der
Anmeldungen beigetragen.
Vor
der Sommerpause hat das BZfG mit der ersten Phase einer Öffentlichkeitskampagne
begonnen, bei der u.a. auf allen Berliner Bürgerämtern das neue Faltblatt
ausgelegt wurde. Dies hat zu einem Anstieg der Anfragen von Selbstmeldern
geführt. Gegenwärtig laufen die Vorbereitungen für zwei weitere Gruppen.
Das
BZfG arbeitet mit drei gemischtgeschlechtlichen Teams. Durch die Einführung
eines Trainee - Programms zur Ausbildung von Gruppenleiterinnen und
Gruppenleitern wird zur Zeit ein Pool qualifizierter freier Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen aufgebaut, so dass das BZfG in Zukunft flexibler auf eine
zunehmende Nachfrage reagieren kann.
Zur
Zeit wird erwogen, ein offenes Basisprogramm anzubieten. Damit wird ein
wöchentlicher Einstieg möglich und der Klient kann schnell und krisennah
eingebunden werden. Auf diese Weise
soll in der Phase zwischen Aufnahme und Gruppenstart der „Abbruch vor Gruppenbeginn“
minimiert werden. Gleichzeitig kann das Basisprogramm genutzt werden, um
optimale Gruppenkonstellationen für das Hauptprogramm zusammenzustellen.
Gegen
Ende des Berichtszeitraums hat die Erprobungsphase des betreuten Wohnens mit
integriertem Konflikttraining begonnen. Dieses Angebot richtet sich an
Menschen, die durch gewalttätiges Verhalten ihren Wohnraum verloren haben.
Hierbei handelt es sich um eine Kooperation des BZG mit der Straffälligen- und
Bewährungshilfe.
Das
BZfG wird noch bis 2006 von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie gefördert. Da
der Aufbau einer eigenen Stiftung einen längeren Zeitraum benötigt als
ursprünglich projektiert, ist im öffentlichen Interesse rechtzeitig eine
Anschlussfinanzierung sicher zu stellen, um dieses Angebot mittelfristig nicht
zu gefährden und auch in Zukunft bereithalten zu können.
Dies
betrifft auch die „Beratung für Männer - gegen Gewalt“ des Landesverbands der
Volkssolidarität e.V.. Die finanzielle Unterstützung der Stiftung Deutsche
Klassenlotterie wurde ebenfalls bis zum 31.12.2006 verlängert. Die „Beratung
für Männer – gegen Gewalt“ konzentriert sich
mit ihrem Angebot auf die psychosoziale Arbeit mit Tätern, die gegenüber
Frauen gewalttätig geworden sind. Sie
ist von montags bis freitags in der Zeit von 8.00 bis 20.00 Uhr telefonisch erreichbar.
Im
Berichtszeitraum fanden insgesamt zehn soziale Trainingskurse für vom Gericht
zugewiesene Täter statt. Insgesamt haben sich im Zeitraum von Oktober 2002 bis
Juli 2004 235 Täter gemeldet. Davon
waren 49 Selbstmelder (Eigenmotivation/ Druck der Partnerin), 22 Täter kamen
über „Druck“ bzw. Information von psychosozialen Einrichtungen und Ämtern sowie
aus dem Gesundheitsbereich, und 20
weitere Täter wurden über die BIG-HOTLINE vermittelt. Von Polizeidienststellen
wurden im Rahmen des polizeilichen Platzverweises sowie des Probelaufs 43 Täter
vermittelt, und 81 waren
gerichtsgewiesene Täter (davon wiederum 46, die von den Gerichten wegen
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung/Teilnahme
an einem sozialen Trainingskurs verurteilt wurden). Im Segment ”Selbstmelder”
stammten die Klienten zu Beginn des Jahres 2003 vorwiegend aus
Marzahn-Hellersdorf. Diese Männer nahmen Beratungen in Anspruch, nahmen jedoch
nicht an den 26-wöchigen sozialen Trainingskursen teil.
Im
März 2003 wurden die Beratungsstellen in Marzahn und Hellersdorf geschlossen,
da die finanzielle Unterstützung seitens des Bezirksamtes Marzahn/Hellersdorf
am 31.12.2002 eingestellt wurde.
Seit
seiner Gründung im Jahre 1999 arbeitet die „Beratung für Männer - gegen Gewalt“
im Arbeitskreis „Marzahn-Hellersdorf gegen häusliche Gewalt” mit. Zu Einrichtungen der Bezirksämter Friedrichshain/Kreuzberg,
Mitte, Lichtenberg, Neukölln und Tempelhof/Schöneberg sowie zu den sozialen
Diensten der Justiz-, Gerichts- und Bewährungshilfe und den zuständigen
Polizeidienststellen bestehen seit mehreren Jahren enge Arbeitskontakte.
Die
Ergebnisse der WIBIG, die acht Angebote für Täter häuslicher Gewalt (u.a. auch
die Kurse bei der Volkssolidarität e.V.) evaluiert hat, belegen, dass bei den
meisten Männern, die einen Trainingskurs abgeschlossen haben,
Veränderungsprozesse erkennbar sind. Auch wenn es während der Kursteilnahme zu
erneuter Gewalt kommen kann, so übernehmen die Kursteilnehmer doch eher die
Verantwortung für ihr gewalttätiges Handeln und akzeptieren deutlich stärker
als zu Kursbeginn die Bedürfnisse und die Eigenständigkeit der Partnerin. Das bedeutet,
dass Täter durch eine Kursteilnahme zu einer selbstkritischen Haltung und einer
Übernahme von Verantwortung für die ausgeübte Gewalt gelangen können und
Verhaltensmodifikationen möglich sind. Dies belegen auch die Erfahrungen aus
Österreich und England. Täter, die aufgrund einer justiziellen Weisung oder
Auflage an einem Trainingskurs teilnehmen, schließen diesen offenbar
signifikant häufiger ab als Teilnehmer ohne justiziellen Hintergrund.
Die
Ergebnisse der Evaluation wurden am 23.09.2004 in Osnabrück auf dem
Europäischen Kongress „Gewalt im Leben von Frauen und Männern –
Forschungszugänge, Prävalenz, Folgen, Intervention” vorgestellt.
Es
hat sich gezeigt, dass Täterarbeit eine sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden
Angeboten zum Schutz von Frauen und
Kindern und zur Vorbeugung weiterer Gewalt wichtiger Bestandteil jeder Art von
Interventionsmaßnahmen ist, wenn bestimmte Qualitätsstandard eingehalten
werden. Es sind daher dringend alle Möglichkeiten einer Anschlussfinanzierung
der oben genannten Beratungsstellen zu prüfen.
7. Kinder- und Jugendarbeit
Die
„Mobile Krisenintervention“ für Kinder und Jugendliche erfolgt seit 2003 durch
gemeinsame Einsätze der BIG-HOTLINE und des Jugendnotdienstes sowie der
Mädchennotdienste, wenn Kinder/Jugendliche im Haushalt leben. Hintergrund für
diese Regelung war, dass es für die Mitarbeiterinnen der BIG-Hotline bei einigen Einsätzen schwierig
war, sich zusätzlich um betroffene Jugendliche zu kümmern. Vereinbart wurde,
dass in entsprechenden Fällen eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter des
Jugendnotdienstes am Vor-Ort-Einsatz beteiligt wird, um sich ggf. um die
betroffenen Jugendlichen kümmern und notwendige Maßnahmen direkt einleiten zu
können. Analoge Vereinbarungen existieren für die Zielgruppe der Kinder mit dem
Kindernotdienst.
Wie
der Jugendnotdienst fährt auch der Kindernotdienst zur Krisenintervention vor
Ort in die Familien, wenn dies gewünscht wird oder erforderlich ist. Die
Informationen über einen „Krisenfall“ erhält der Kindernotdienst entweder
direkt aus der Familie, von der Polizei, von Dritten oder von der „Mobilen
Intervention“ von BIG e.V. Bei Bedarf wird die Intervention gemeinsam mit BIG
durchgeführt.
Im
Bezirk Neukölln wurde von Seiten des Jugendamtes ein Handlungskonzept für die Intervention nach einer
polizeilichen Meldung aufgrund eines Polizeieinsatzes bei häuslicher Gewalt,
bei dem auch Kinder anwesend sind, entwickelt. Danach wird die polizeiliche
Meldung wie jede Meldung zur Kindeswohlgefährdung behandelt, d.h. es wird eine
sofortige Kontaktaufnahme bzw. Intervention sichergestellt und eine Rückmeldung
an die Polizei mit dem Hinweis der Fallübernahme veranlasst. Dieses
Handlungskonzept muss noch mit allen Berliner Jugendämtern abgestimmt werden,
um eine einheitliche Umsetzung zu ermöglichen.
Von
der Polizei ist parallel ein Formblatt zur Information über polizeiliche
Einsätze an die Jugendämter entwickelt worden (siehe Pkt.1.1.).
Die
Broschüre für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Jugendämter zum
Umgangsrecht bei häuslicher Gewalt ist erstellt und an alle Jugendämter,
insbesondere an die Sozialpädagogischen Dienste, verteilt worden.
Über
die im Aktionsplan enthaltenen Maßnahmen hinaus wurden die Handlungsempfehlungen
für die Jugendämter zur Verbesserung des Kinderschutzes im Hinblick auf das
Thema „Häusliche Gewalt und die neuen rechtlichen Grundlagen“ überarbeitet und
ergänzt.
Im Bereich Prävention/Schule hat eine von BIG in Auftrag gegebene
Recherche ergeben, dass häusliche Gewalt in Lehrplänen bzw. in Schulmaterialien
bislang als Thema keine Rolle spielt. Hier wurden erste Kontakte durch BIG zu
einem Schulbuchverlag aufgenommen, der angeboten hat, bei Beteiligung an der
Finanzierung entsprechendes didaktisches Material zu entwickeln.
Ein
wichtiges Ergebnis des zweiten „Runden Tisches“ zur Umsetzung des Aktionsplans
im Dezember 2003 war die Vereinbarung eines Erfahrungsaustauschs der
Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport mit Freien Trägern sowie
Richtern und Richterinnen der Familiengerichte hinsichtlich der „Mitwirkung im
familiengerichtlichen Verfahren“ (§ 50
SGB VIII i.V. mit §§ 49, 49 a FGG) und insbesondere hinsichtlich des
„Begleiteten Umgangs“ (§ 1684 Abs. 4 BGB, § 18 Abs. 3 SGB VIII).
In
einer Arbeitsgruppe mit Richterinnen der Berliner Amtsgerichte wurde eine
Absprache zur Zusammenarbeit zwischen Familiengerichten und den Jugendämtern
erarbeitet, die von der Senatsverwaltung für Justiz und den Direktoren der
Familiengerichte grundsätzlich begrüßt und als hilfreich für eine verbesserte
Kooperation eingeschätzt worden ist. Aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit
wird jedoch keine Möglichkeit gesehen, diese zu unterzeichnen. Auf Vorschlag
der Senatsverwaltung für Justiz wird die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend
und Sport die Arbeitsgruppe weiterführen, um noch bestehende strittige Fragen
zu klären. Die Senatsverwaltung beabsichtigt dann, das überarbeitete Papier als
verbindliche Empfehlung für die Jugendämter
im Rahmen eines Rundschreibens herauszugeben. Darüber hinaus gibt es von den
Familiengerichten die Zusage, das Rundschreiben in das Intranet der beiden
Gerichte einzustellen.
8. Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung
In dem am 01.07.2003
durchgeführten Fachgespräch zur Situation psychisch erkrankter Frauen mit Gewalterfahrungen
berieten Anti-Gewaltprojekte, Vertreter und Vertreterinnen des Gesundheitswesens,
aus Verwaltungen und Verbänden sowie aus der Politik über geschlechtsspezifische
frauengerechte Angebote gesundheitlicher Versorgung für Frauen in der Krise und
psychisch kranke Frauen mit Gewalterfahrungen. Als ein Ergebnis bot der
Landesbeauftragte für Psychiatrie der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales
und Verbraucherschutz an, in Kooperation mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft,
Arbeit und Frauen und Interessierten des psychiatrischen Versorgungssystems und
des Anti-Gewalt-Bereichs einen Arbeitskreis mit dem Ziel der Verbesserung der
Angebote für gewaltbetroffene Frauen in der psychiatrischen Versorgung
einzurichten.
Als
Vorbereitung haben Vertreterinnen und Vertreter der Anti-Gewalt-Einrichtungen,
einer psychiatrischen Abteilung einer Klinik und der beteiligten
Senatsverwaltungen eine Projektskizze erarbeitet und abgestimmt. Wesentliche
Punkte dieser Projektskizze sind die Formulierung einer Ausgangsthese, der
Zielgruppe und des Ziels der Arbeitsgruppe sowie die Aufgaben: Feststellung des
Ist-Zustandes, Erarbeitung von Verbesserungsmöglichkeiten und Abstimmung konkreter Maßnahmen mit allen
Beteiligten. Die aus Vertreterinnen und Vertretern des psychiatrischen
Versorgungssystems, von Anti-Gewalt-Einrichtungen und der o.g. Senatsverwaltungen
bestehende Arbeitsgruppe hat sich am 14.06.2004 konstituiert und die Arbeit (Umsetzung
der Projektskizze) aufgenommen. Nach derzeitiger Einschätzung wird die Arbeitsgruppe
ca. zwei Jahre arbeiten.
Das
Schulungsprogramm von S.I.G.N.A.L. e. V zur Verbesserung der gesundheitlichen
Erstversorgung wurde im Berichtszeitraum weitergeführt und ausgebaut. In den
verschiedenen Kliniken und Krankenhäusern konnte S.I.G.N.A.L. e.V. die Schulungen des medizinischen und
pflegerischen Personals fortsetzen, so u.a. im Waldkrankenhaus Spandau, im
Königin-Elisabeth-Herzberge-Krankenhaus und in der Charité. Erstmalig
erfolgte die Schulung im St. Gertraudenkrankenhaus
und für die Rettungsstellen der Vivantes-Kliniken.
Das
St. Gertraudenkrankenhaus hat 2004 mit der Implementierung des
S.I.G.N.A.L.-Interventionspro-gramms begonnen und wird von S.I.G.N.A.L. e.V.
beraten und begleitet.
Fortbildungen
haben ebenfalls stattgefunden in den „Öffentlichen Gesundheitsdiensten“ der Bezirksämter
Tempelhof/Schöneberg und Steglitz/Zehlendorf. Eine Informationsveranstaltung
zum Interventionsprogramm fand im Rahmen des freiwilligen Krankenhausbeirates
Mitte statt. Als Folge hat es am 6.10.2004 eine weitere Informationsveranstaltung
im St. Hedwig-Krankenhaus gegeben.
Die
wissenschaftliche Begleitung des S.I.G.N.A.L.- Interventionsprogramms in der
Charité Campus Benjamin Franklin durch das Institut für Gesundheitswissenschaften
der TU Berlin wurde abgeschlossen. Die Studie und das Handbuch zur
Implementierung sind erschienen und wurden am 14.5.2004 auf einer bundesweit
ausgerichteten Fachtagung mit dem Titel „Interventionsprogramm gegen häusliche
Gewalt“ am Charite Campus Benjamin Franklin vorgestellt. Es wurden die
Ergebnisse der Evaluation, die in Form eines Handbuches zur Prävalenz
häuslicher Gewalt und Implementation des Projektes am Benjamin Franklin
Klinikum vorliegen, präsentiert. In Kürze werden noch Materialien und Arbeitsvorlagen
zum Handbuch erscheinen. Mit dem Trainingscurriculum liegt jetzt ein Fortbildungskonzept
für Beschäftigte in der Gesundheitsversorgung zur Thematik häusliche Gewalt
vor.
Die
Ärztekammer Berlin hat im November 2004 in Kooperation mit der Kaiserin -
Friedrich-Stiftung mit einer Veranstaltungsreihe begonnen. Inhalte der
Auftaktveranstaltung sind: sichtbare und nicht- sichtbare Zeichen von Gewalt
und ihre Dokumentation sowie Informationen zur ärztlichen Schweigepflicht in
diesem Zusammenhang. Im Themenkomplex II (März 2005) wird spezifisch auf die
Problemgruppen Frauen, Kinder und alte Menschen eingegangen werden, im
Themenkomplex III auf das vernetzte Handeln im Gesundheits- und Sozialwesen.
Im
Rahmen der Neuerstellung der Curricula für die Berliner Pflegeschulen hat die
Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz die
Arbeitsgruppe der Pflegeschulen zur Erstellung der neuen Curricula aufgefordert
, das Thema häusliche Gewalt zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang haben
erste Kontakte zwischen BIG und der Arbeitsgruppe der Pflegeschulen stattgefunden.
Der
Leitfaden für Kinderärzte und Kinderärztinnen, der im Hinblick auf häusliche
Gewalt erweitert wurde, liegt vor. Auf die Erstellung des von der AOK
finanzierten Informationsmaterials unter dem Motto: „Gewalt gegen Frauen macht
körperlich und seelisch krank“ wurde bereits hingewiesen.
Das
Reformvorhaben der Neuorientierung des „Öffentlichen Gesundheitsdienstes“ (ÖGD)
im Rahmen der Neuordnungsagenda 2006 ist weiter fortgeschritten. Es wurden
Kernbereiche der zukünftigen Handlungsfelder des ÖGD definiert, die es den
Bezirken ermöglichen, auf die spezifische Situation gewaltbetroffener Frauen
einzugehen.
9. Migrantinnen
Die Verbesserung der Situation von Migrantinnen ist weiterhin zentraler Schwerpunkt der Arbeit in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen sowie des Büros des Beauftragten für Integration und Migration. In diesem Zusammenhang ist im Berichtszeitraum vor allem das Zuwanderungsgesetz unter frauenpolitischen Aspekten fachlich begleitet worden. Die AG Migrantinnen, die bei BIG angesiedelt ist, hat Empfehlungen für eine neue Weisung zu § 19 AuslG (eigenständiges Aufenthaltsrecht für Ehegatten) erarbeitet.
Der Diskussionsprozess zur Verankerung von Ansätzen interkultureller Arbeit ist noch nicht abgeschlossen. Die Auswertung des Workshops zur interkulturellen Arbeit, der im November 2001 stattfand, fließt in die Diskussion mit ein.
Die von BIG erstellte Broschüre „Ihr Recht bei Häuslicher Gewalt“ ist in zehn Sprachen übersetzt und in den Anti-Gewalt-Projekten, den Jugendämtern und bei der Polizei ausgelegt worden. Der Wegweiser für Migrantinnen, der Anschriften wichtiger Beratungsstellen für Migrantinnen enthält, wurde Anfang 2003 bei verschiedenen möglichen Anlaufstellen (u.a. Jugend- und Sozialämter) verteilt sowie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (Internetversion).
Als Maßnahme neu hinzugekommen ist die Unterrichtseinheit „häusliche Gewalt“, die im Rahmen des Qualifizierungsprojektes „Gemeindedolmetschdienst“ auf Initiative der AG Migrantinnen durchgeführt wurde und auf gute Resonanz gestoßen ist. Die Weiterführung der Unterrichtseinheit ist geplant.
10. Weiterentwicklung von Hilfeangeboten
Im
Berichtszeitraum ist es gelungen, die erforderlichen Mittel für die Arbeit der
Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt zur Verfügung zu stellen. Die BIG-Hotline feierte im November
2004 ihr fünfjähriges Bestehen. Die Zahl der Anrufer und Anruferinnen bei der
Hotline stieg weiter von 2554 im Jahr 2000 auf über 6.300 im Jahr 2002. Im Jahr
2003 wurde sie in 6.127 Fällen in Anspruch genommen. Im ersten Halbjahr 2004 wurde die HOTLINE bis Ende Juni 2.879
Mal in Anspruch genommen.
Mit Hilfe eines Sponsors ist es gelungen, die
„Mobile Intervention“ auch in den Haushaltsjahren 2003 und 2004 weiterzuführen.
Die Mobile Intervention wurde im Jahr 2002 in 215 Fällen und im Jahr 2003 in
156 Fällen benötigt. Im ersten Halbjahr 2004 wurden 89 Einsätze gefahren.
Die
„Mobile Intervention“ hat sich als wirkungsvolles Angebot erwiesen, mit dem
Frauen erreicht werden können, die durch die erfahrene Gewalt so stark
traumatisiert sind, dass sie Unterstützung bei dem Weg ins Frauenhaus, zum
Gericht oder zu einer Beratungsstelle benötigen. Insbesondere werden aber auch
Frauen erreicht, die durch eine Behinderung beeinträchtigt sind. Wünschenswert
wäre die Ergänzung dieser Arbeit im Hinblick auf eine Verstärkung von Beratung
durch den sogenannten proaktiven Ansatz, durch den auf Wunsch der betroffenen
Frau ein erster telefonischer Kontakt zu Mitarbeiterinnen der Beratungsstellen,
die im Kooperationsverbund mit der HOTLINE arbeiten, hergestellt wird. In
Österreich und England wurden mit diesem Ansatz gute Erfahrungen gemacht. Für
Berlin liegt dazu ein Konzept vor, jedoch noch keine Finanzierungsmöglichkeit.
Steuerung und Koordination der Umsetzung
des Aktionsplans
Die Implementierung und Weiterentwicklung des Aktionsplans wird durch zwei unterschiedliche Gremien begleitet und unterstützt.
Die
politische Steuerung erfolgt im Rahmen der Sitzungen des politisch besetzten
„Runden Tisches“ als zentralem Koordinationsgremium. Ihm obliegt die Festlegung
der Rahmenbedingungen und der Handlungsfelder. Er prüft den Stand der Umsetzung
und entscheidet über die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Maßnahmen.
Die fachpolitische Steuerung und Begleitung der Umsetzungsprozesse erfolgt durch die Experten- und Expertinnenkommission, die als zentrales Arbeitsgremium der Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt fungiert. Die Aufgaben des Gremiums sind:
·
Schaffen eines Überblicks
über die Gesamtentwicklung und Benennung eines erkennbaren Veränderungsbedarfs
durch regelmäßige Sach-standsberichte aus den vertretenen Bereichen,
·
Erarbeitung von
Beschlussvorlagen zur Verbesserung von Maßnahmen und Interventionsstrategien gegen
häusliche Gewalt,
· Entwicklung von Informations- und Arbeitsmaterialien in bereichsspezifischen Arbeitsgremien unter Federführung der zuständigen Ressorts.
Das eingerichtete Arbeitsgremium hat sich in seiner Kooperationsfunktion außerordentlich bewährt. Ein Überblick über die Maßnahmen in den verschiedenen Interventionsbereichen ist durch die Arbeit des Gremiums jederzeit gewährleistet. Mit den teilnehmenden Fachkräften ist es ein wirksames Instrument zur Kooperation und Koordinierung der Interventionsprozesse in Berlin.
Die Arbeit von BIG fließt maßgeblich in die Umsetzung des Aktionsplans ein. Die Hauptaufgaben der Interventionszentrale zur Koordinierung der Interventionsprozesse bei häuslicher Gewalt in Berlin sind:
· Ausbau der Seminarangebote in Aus- und Fortbildung der mit häuslicher Gewalt befassten Berufsgruppen,
· Organisation und Leitung der Sitzungen der Kommission,
·
Überprüfung und strukturelle Verbesserung der Interventionsprozesse
bei häuslicher Gewalt durch gezielte Beobachtung von Interventionen in
Einzelfällen (Aufdecken von Lücken und Problemfeldern),
·
Konfliktvermittlung im Zusammenhang mit Interventionsprozessen
bei häuslicher Gewalt im Einzelfall und Analyse von strukturellen Problemen,
·
zielgerichtetes Hinwirken auf die Verbesserung der
Kooperation der an den Interventionsprozessen beteiligten Berufsgruppen,
·
Öffentlichkeitsarbeit.
Die
Arbeit des „Runden Tisches“, des Experten- und Expertinnengremiums und von
BIG greifen bei der Implementierung des
Aktionsplans wirkungsvoll ineinander. Voraussetzung hierfür ist die
beispielhaft zu nennende aktive Mitwirkung und Kooperation aller am Aktionsplan
beteiligten Institutionen und Projekte, ohne die die hier vorgelegte Bilanz
nicht möglich gewesen wäre. Es bleibt politische Aufgabe, den vorhandenen
Interventionsprozess kontinuierlich weiter zu führen und die Lücken in der Interventionskette
durch interinstitutionelle Kooperation zu schließen.
Berlin, den 8. März
2005
Der Senat von Berlin
Klaus W o w e r e i t
Regierender Bürgermeister
Harald W o l f
Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen
Ausschuss-Kennung
: ArbBFraugcxzqsq