Wortprotokoll

zu TOP 2

 

Ausschuss für Bauen, Wohnen

und Verkehr

 

 

 

 

 

5. Sitzung

8. Mai 2002

 

 

Beginn:

15.15 Uhr

 

Ende:

18.20 Uhr

 

Vorsitz:

Abg. Dr. Heide (CDU) ­ zeitweise Abg. Spindler (PDS)

 

 

Punkt 1 der Tagesordnung

 

Aktuelle Viertelstunde

 

 

Siehe Inhaltsprotokoll.

 

Punkt 2 der Tagesordnung

 

Vorlage ­ zur Beschlussfassung ­ über

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans

von Berlin für die Haushaltsjahre 2002 und 2003

­ Drs 15/320 ­

Anhörung zu Kapitel 12 95 ­ Förderung des Wohnungsbaus ­;

Thema: "Zukunft der wohnungspolitischen Selbsthilfe"

 

 

Vors. Dr. Heide: Wir hatten uns für die Anhörung auf eine Redezeit von insgesamt 15 Minuten festgelegt, die Sie bitte nicht überschreiten. Insofern obliegt es Ihnen, wie Sie sich diese 15 Minuten einteilen. ­ Bei Anhörungen führen wir normalerweise ein Wortprotokoll. Gibt es dagegen Widerspruch? ­ Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so verfahren. ­ Bitte, Herr Knorr-Siedow, Sie haben das Wort!

 

Herr Knorr-Siedow (Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung): Meine Damen und Herren! Ich bin gebeten worden, zum möglichen Fortfall des Teilprogramms ­ im Rahmen der Wohnungsbauförderung ­ der baulichen Selbsthilfe und der wohnungspolitischen Sonderprojekte Stellung zu nehmen. ­ Ich bin Thomas Knorr-Siedow, Mitarbeiter des Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung, das vom Bund und vom Land Brandenburg gefördert wird. Wir sind beauftragt gewesen, ein Gutachten über dieses Programm und seine Wirkung abzugeben. Die Fragestellungen des Gutachtens waren im Jahr 2001: "Inwieweit werden die aktuellen stadt- und wohnungspolitischen Zielsetzungen dieses Förderprogramms erreicht? Welche Stellung hat das ehemalige Instandbesetzerprogramm unter den Bedingungen einer integrativen, sozialen, ökonomischen und baulichen Stadtentwicklungspolitik, wie sie im Rahmen der sozialen Stadt formuliert worden ist?"

 

Heute findet an anderer Stelle ein Kongress zur Frage der sozialen Stadt statt, auf dem vom Bundeskanzler bis hin zu John Friedman und unter anderem auch von Senator Strieder Stellung dazu genommen wird, welche Notwendigkeiten in der Stadt existieren, um sozial besonders problembetroffene Bewohner in die Stadt zu integrieren und besonders problembetroffene Quartiere  "umzudrehen" ­ so nenne ich das einmal vorsichtig ­, damit sie wieder einen konstruktiven Teil in der Stadt einnehmen können. Ich glaube, dass das Signal, das sich aus der Streichung dieses Teilprogramms ergeben würde, für die Stadt Berlin außerordentlich negativ wäre und in einem Widerspruch zu den wiedergegebenen Bekenntnissen zur sozialen Stadt stünde.

 

Die Ergebnisse, die wir herausgefunden haben, sind: Das Programm ist ein zielgenaues und relativ kostengünstiges Programm, in dem einerseits eine Entwicklung stattgefunden hat, die von einem Instandbesetzerprogramm zu einem Integrationsprogramm für junge Familien und junge Gewerbetreibende geführt hat, die dadurch die Möglichkeit bekommen, sich mit Einsatz von Muskelhypothek und öffentlicher Förderung Räume in der Stadt zu schaffen, die sich ­ das lässt sich nachweisen ­ als aktive Kerne von Nachbarschaften entwickeln.

 

Da diese Projekte überwiegend in Nachbarschaften entstehen, in denen Boden- und Gebäudepreise niedrig sind, handelt es sich jeweils  um Stadtteile, die besonders problembelastet sind und an denen die Berliner Stadterneuerungspolitik zum Teil schon seit mehr als einem Jahrzehnt "knabbert". Insofern hatte dieses Teilprogramm, obwohl es einen relativ geringen Umfang in der bisherigen Förderung hatte, mit  40 Millionen DM bzw. 20 Millionen a einen großen Effekt. Guckt man auf die Karten der Förderschwerpunkte zwischen 1979 und 1999, dann findet man jeweils die schlechtesten Ecken der Sanierungsgebiete, in denen dieses Programm abgewickelt wurde, und das sind heute teilweise Gebiete, die wieder am Leben sind.

 

Wer sind die Klienten? ­ Wenn ich gesagt habe, die Klienten sind junge Familien, junge Einzelpersonen und junge Gewerbetreibende, dann ist das die eine Seite. Es sind Haushalte, die ansonsten vielfach die Notwendigkeit sehen, das Land Berlin zu verlassen, um für sich angemessene Wohnbedingungen zu schaffen. Gleichzeitig sind es die Haushalte, die man gern im Land Berlin behält. Schaue ich auf das Planwerk "Innenstadt", dann werden solche Haushalte ausdrücklich als eine Klientel angesehen, die für die kleinräumige Eigentumsschaffung in der Stadt gebraucht werden. Unter den Klienten sind aber auch Menschen in sozialen Problemsituationen, die über die Arbeiten an diesen Häusern ­ die Arbeit mit der Muskelhypothek ­ Qualifikation und soziale Integration mit Hilfe sozialer Träger bekommen und dadurch in eine Berufstätigkeit oder in eine individuelle Zukunft kommen.

 

Die Projekte werden auf einem unteren auskömmlichen Niveau gefördert, das heißt, es ist keine Luxussanierung in diesen Häusern möglich. Wenn man sich anschaut, wie hoch die Aufwendungen in den einzelnen Häusern sind, dann kann man sagen: Das sind Baumaßnahmen, die als gesellschaftlich gebundene Eigentumsmaßnahmen gelten, also genossenschaftliche Maßnahmen bzw. Maßnahmen von Eigentümergemeinschaften, die ansonsten überhaupt nicht stattfinden würden.

 

Der bisherige Förderanteil des Landes Berlin war relativ hoch. Er war allerdings nicht höher als das, was die Selbsthilfe in der Regel leisten kann. Der bauwirtschaftliche Effekt ­ wenn ein Zuschuss von 20 % gegeben wird ­ lag bei 80 %, der in die normale Bauwirtschaft geht. Über die vergangenen Jahrzehnte kann man von ungefähr 500 bis 600 Beschäftigungsstellen im Bauwesen ausgehen, die aus der baulichen Selbsthilfe gefördert worden sind. Das ist bei der derzeitigen Lage der Berliner Bauwirtschaft sicherlich ein nicht ganz uninteressanter Faktor in der Beschäftigungspolitik des Landes.

 

Wenn ich sage, es sei ein falsches Signal, sich aus diesem Programm zu verabschieden, dann tue ich das hauptsächlich, weil ich der Meinung bin, dass die soziale Stadt ein Programm ist, das mit dem integrierten Entwickeln besonders problematischer Stadtteile gerade einmal die ersten Schritte gegangen ist und vielleicht eine Chance hat, das, was wir im Sozialatlas der Stadt Berlin als einen schwarzen Ring um die Innenstadt sehen, ein wenig heller scheinen zu lassen.

 

Ich finde es richtig, sich mit öffentlicher Förderung auf öffentliche Infrastrukturen und öffentliche Bauwerke zu konzentrieren. Auf der anderen Seite gibt es öffentliche Belange, die weit über öffentliche Infrastrukturen und öffentliche Bauwerke hinaus gehen. Die Objekte der baulichen Selbsthilfe übernehmen teilweise Infrastrukturfunktionen, indem dort zum Beispiel Kinderläden und Einrichtungen der sozialen und gesundheitlichen Selbsthilfe untergebracht sind. Solche Einrichtungen für die Zukunft nicht mehr zu fördern würde bedeuten, dass man sich auf der Ebene der Stadt eines wichtigen Elements des politischen Managements von Krisen begibt, das in der Vergangenheit auch dazu beigetragen hat, die Stadt zu befrieden. Berlin hatte in diesem Programm eine Vorreiterrolle. Es sollte sich genau überlegen, diese Vorreiterrolle in Deutschland aufzugeben.

 

Ich weiß, dass sehr wenige Mittel zur Verfügung stehen, und bin mir unsicher darüber, wie man dieses Programm  weiterführen sollte. Ich glaube, eine der Möglichkeiten wäre, einen nicht zu kleinen Topf für tatsächlich wohnungspolitische Sonderprojekte ganz unterschiedlicher Art beizubehalten. Das ermöglicht, sozial gebundenes Eigentum und auch sozial helfende und integrierende Projekte in der Stadt ebenso zu fördern wie die Ecken zu bearbeiten, an denen sich alle anderen Investoren bisher vergebens die Zähne ausgebissen haben. ­ Vielen Dank! ­ [Beifall] ­

 

Vors. Dr. Heide: Recht herzlichen Dank, Herr Knorr-Siedow! ­ Gibt es dazu noch Anmerkungen der Herrschaften dort vorne? ­ Ansonsten würde ich den Fraktionen die Gelegenheit geben, ihre Fragen zu stellen.

 

Herr Knorr-Siedow (Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung): Unser Vorschlag war ­ wenn Sie damit einverstanden sind ­, dass wir jetzt die Seite der Betroffenen und Akteure anhören und dann eine gemeinsame Fragerunde durchführen

 

Vors. Dr. Heide: Gut! ­ Bitte sehr!

 

Dr. Schneider (MOB ­ Obdachlose machen mobil e. V.): Guten Tag! Ich möchte Ihnen exemplarisch ein Projekt der wohnungspolitischen Selbsthilfe vorstellen, an dem gegenwärtig viele Menschen arbeiten. Es ist das Projekt des Vereins "MOB ­ Obdachlose machen mobil e. V.", der bekannt geworden ist durch die Straßenzeitung in der Oderberger Straße 12, in Berlin-Pankow, Ortsteil Prenzlauer Berg.

 

Die Geschichte ist, dass wir von Anfang an gesagt haben, wir machen mit Betroffenen, also mit Obdachlosen und armen Menschen Projekte, die für sie Sinn machen, und deswegen die Straßenzeitung. In der Vereinsgeschichte sind dann später eine selbst organisierte Notübernachtung, ein Treffpunkt, ein Projekt für Wohnungseinrichtungen und Wohnungsauflösungen usw. hinzugekommen.

 

Dann gab es die besondere Situation, dass die Eigentümerin eines Grundstücks auf uns zugekommen ist und gesagt hat, dass sie das gern einer sozialen Gruppe zur Verfügung stellen möchte. ­ Das kommt manchmal vor. ­ Das war genau das richtige Angebot zur richtigen Zeit, und dann haben wir überlegt: Ja, natürlich, die Leute, die auf der Straße sind bzw. waren und jetzt wieder eine Wohnung haben, verfügen über viel Know-how und viele Kapazitäten. Gerade im handwerklichen Bereich kann man viel Power abfragen und etwas schaffen, was nachhaltig eine Plattform oder eine Basis darstellt und insbesondere die Frage des Wohnraums sichert.

 

Nun kann ich Ihnen ganz klar sagen: Wenn wir mit diesem Ansinnen zu einer Bank gegangen wären und gesagt hätten, dass wir das gern instandsetzen möchten, dann hätten die uns ausgelacht, weil sie natürlich festgestellt hätten, dass wir zwar reich sind an Ideen, Leuten, Kontakten und Improvisationsgeist, aber sicherlich nicht an Geld. Das Programm der wohnungspolitischen Selbsthilfe hat aber genau hier einen Punkt erwischt, wo zum einen ein öffentlicher Fördergeber gesagt hat:

"Wir haben das Vertrauen in euch, wenn ihr uns wiederum darstellen könnt, dass ihr diesen Anteil der Selbsthilfe sicherstellt." ­ Das sind immerhin 15 % bzw. 650 000 DM. ­ Um das einmal ins Verhältnis zu setzen ­ in zwei Jahren: Wir haben also eine Bilanz von einer halben Million und gesagt: Wir können diese Potentiale an Wertigkeit in einem Bauvorhaben durchaus abrufen und damit unseren Anteil leisten, damit ein solches Wohnprojekt, in dem es auch unsere Vereinsräume geben wird, realisiert werden kann.

 

Wenn Sie sich eine Vorstellung machen wollen, wer dort gegenwärtig arbeitet: Wir sind ungefähr zu einem Drittel fertig und glauben, dass wir bis zum Herbst, bis September den ersten Bauabschnitt fertigstellen werden. Das heißt, die ersten Selbsthelfer können dann tatsächlich einziehen. Sie sind auch ganz motiviert, nachdem sie sich durch eine Durststrecke kämpfen mussten. Denn eine Altbausanierung heißt in der ersten Phase erst einmal abreißen und kaputtmachen. Und dann gab es ja noch dieses leidige Schwammthema, das zusammen mit dem Winter eine schwierige Phase darstellte. Jetzt wird es aber hell, und es sind schon die Trockenmauern drin. Das heißt, es gibt auch immer eine Verschränkung mit anderen Gewerken. Diese Selbsthelfer arbeiten mit dem Ziel, im Spätsommer bzw. im Herbst dort einziehen zu können.

 

Wenn ich die Gruppe charakterisieren soll, dann kann ich zusammenfassend sagen: Das sind alles Menschen, die mehr oder weniger akute Wohnprobleme haben oder sich in prekären Wohnsituationen befinden. Drei davon sind akut obdachlos, also provisorisch untergebracht. Einige haben sicherlich psychische Probleme, andere haben die Sucht als Thema, und dann gibt es natürlich auch die Schuldenproblematik, die eingeschränkte Arbeitsfähigkeit und teilweise die eingeschränkte Gesundheit. Aber das sind alles Menschen, die zumindest auf dem Bau Bauhelfertätigkeiten und in einzelnen Fällen auch qualifiziertere Arbeiten durchführen können.

 



Ich finde das insofern sehr spannend ­ jetzt einmal als Wissenschaftler ­, weil das eine Form von Hilfe ist, die über Bau funktioniert und wo man erst einmal nicht diskutieren muss, ob hier § 72 "Hilfe in besonderen Lebenslagen" Anwendung finden muss, sondern wo man sagt, das Baugeschehen organisiert die Leute. Die Fragen, die dann darum herum auftauchen, muss man versuchen pragmatisch zu klären. Das heißt natürlich auch, dass man in dem laufenden Bauprozess schon ganz viele Kontakte entwickelt haben.

 

Um mich an die Zeit zu halten, will ich abschließend sagen: Das ist eine hochspannende Sache, obwohl es noch gar nicht fertig ist, sondern erst einmal Konturen sichtbar werden von dem, was wir machen. Insofern glaube ich, dass es notwendig ist, dieses Segment der wohnungspolitischen Selbsthilfe aufrecht zu erhalten, um solchen oder vergleichbaren Projekten eine Chance zu geben, so etwas realisieren zu können. Es ist auch im Bereich Jugendliche denkbar, im Bereich Kunst denkbar, im Bereich von Haftentlassenen oder von Leuten, die eine Suchtproblematik haben. Da gibt es ganz viele Potentiale, die durch diese Förderung abgerufen werden können. ­ So weit mein Beitrag, um Ihnen zu beschreiben, wieso wir das für so wichtig halten. ­ [Beifall] ­

 

Vors. Dr. Heide: Schönen Dank! ­ Wir haben für den letzten Redner noch ungefähr zwei Minuten, wenn Sie so freundlich sind, das zu berücksichtigen. Es tut mir leid, dass Ihre Kollegen so viel geredet haben.

 

Herr Kujat (Teilnehmer an einem Selbsthilfeprojekt): Ich bin von Beruf Schauspieler. Da muss ich ganz schnell reden. Ja, danke, zwei Minuten werden wahrscheinlich auch reichen. ­ Mein Name ist Alfons Kujat. Ich selbst bin Bewohner in der Kreutzigerstraße in Friedrichshain ­ also, ein so genannter Hausbesetzer, vom Besetzer zum Besitzer, was nicht unbedingt glücklich macht, möchte ich an dieser Stelle betonen. Während ich im letzten Jahr ­ wollen wir darauf zurückkommen, Herr Strieder ­ von Ihnen die Aussage sehr positiv fand, dass es ein unabdingbarer Beitrag der Stadtentwicklung sei, was in Berlin mittlerweile an Selbsthilfe geschieht, musste ich mir jetzt in der vorletzten Woche einen Schwerbetroffenenausweis verpassen lassen, weil wir feststellen mussten, dass unsere Selbsthilfe ­ sprich in der Kreutzigerstraße 18/19 ­ abgelehnt ist. Das ist natürlich für Leute, die seit 13 Jahren in mehr oder weniger schlimmen Wohnbedingungen leben, Miete bezahlen und darauf hoffen, dass sie das Haus für sich irgendwann einmal erwerben und eine Selbsthilfe machen können, ein harter Schock: wenn sie 1999 in Aussicht gestellt bekommen, dass sie ein Haus selbst instandsetzen können, um dann vor zwei Wochen Bescheid zu bekommen, dass das nicht mehr der Fall sein wird.

 

Ich bin in dem glücklichen Umstand, dass ich in der Kreutzigerstraße 23 lebe und seit 1 1/2 Jahren in der Selbsthilfe bin. Ich möchte aber an dieser Stelle das Wort "Muskelhypothek" etwas näher bringen. Das heißt, dass ich neben meinem Beruf in der Woche 20 Stunden auf dem Bau arbeiten muss, was als Schauspieler nicht so unbedingt mein Ding ist. Man ist nach zwei Jahren, die wir jetzt hinter uns haben, fertig auf der Bereifung. ­ Nach 13 Jahren Hoffnung, gemeinsam in der Straße mit so vielen Projekten, die wir dort geschaffen haben, die Sie auch lobenswert benannt haben: Volksküchen, Beratung für Arbeitslose, Sozialhilfeprojekte, Mieterladen, darüber hinaus noch ein Afrikaprojekt, das SONED, was in unserer Straße ist. Wir haben im Kiez Vernetzungen mit Selbsthilfeprojekten vorgenommen. Wir haben uns wirklich auf gut deutsch gesagt: "Den Arsch aufgerissen." ­ [Beifall] ­

 

Wenn man jetzt feststellen muss, dass wir bei allen Versprechungen, die uns gemacht wurden ­ letztendlich diente es auch der Befriedung der Bezirke ­, im Grunde genommen verarscht worden sind, indem man uns heute mitteilt, dass diese Selbsthilfe nicht mehr weiter läuft, kann ich nur sagen, dass das für uns eine tiefe Enttäuschung ist und dass die Leute, die in diesen Häusern wohnen, nicht nur davon betroffen sind, sondern darüber hinaus von den Streichungen im sozialen Bereich, weil sie genau in diesen Bereichen arbeiten ­ sprich: Sie sind entweder in der Kita beschäftigt oder in Jugendprojekten. Und genau dort wird auch gestrichen, d. h. sie sind mehrfach betroffen.

 

Ich kann nur sagen ­ und hinten sitzen einige von denen ­, dass das natürlich wütend macht und Wut macht und dass wir einfach darauf setzen, dass diese seit so vielen Jahren anstehenden Projekte ­ und von Ihnen selbst als positiv benannten Projekte ­ aufrechterhalten werden und dass diese Leute nach so vielen Jahren endlich zu ihrem Recht kommen und ihre Selbsthilfe machen können, zu der sie bereit sind, der sie sehr viel Eigeninitiative zusprechen und ­ auf gut Deutsch gesagt ­ für die sie "ackern" müssen. ­ Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen. Danke! ­ [Starker Beifall]

 

Vors. Dr. Heide: Herzlichen Dank! Ich darf der Ordnung halber auf § 63 unserer Geschäftsordnung verweisen, nach dem es dem Publikum eigentlich verwehrt ist, entsprechende Beifalls- und Missfallenskundgebungen zu entsprechenden Bekundungen hier vorne zu machen. Ich werde das nicht so hart auslegen, ich sage es aber einmal vorher prophylaktisch an. ­ Gibt es noch konkrete Fragen von den einzelnen Fraktionen? ­ Ansonsten bitte ich Herrn Senator Strieder um eine kurze Stellungnahme zum Thema.

 

Sen Strieder (Stadt): Das mache ich sehr gerne. Meine Damen und Herren! Wir müssen wissen, dass dieses Selbsthilfeprogramm ein West-Berliner Programm ist, zu Zeiten der Hausbesetzerbewegung entwickelt worden ist und dann zu einem Programm erweitert worden ist, wo wir versucht haben, Häuser für Projekte zur Verfügung zu stellen und sanieren zu lassen, wofür es eine soziale Nachfrage in Berlin gibt: Alkoholprobleme, Obdachlosigkeit, HIV und dergleichen mehr. ­ In aller Klarheit: Berlin ist nicht in der Situation, dass wir uns ein Eigentumsprogramm für Hausbesetzer noch leisten könnten. Aber ich bin sehr dafür, dass wir gemeinsam darüber nachdenken, wie wir diese Selbsthilfeprojekte, von denen ich gesprochen habe ­ HIV, Obdachlosigkeit, Alkohol ­, wie wir da ein Stück weiterkommen.

 

Wir haben im Senat auch nicht entschieden, dass wir das Programm einstellen, sondern wir haben entschieden, dass in diesem Doppelhaushalt die Priorität anders gesetzt wird und dass in dem Zeitraum 2002/2003 keine neuen Objekte in die Förderung gehen ­, angesichts dessen, dass wir rd. 30 solcher Objekte im Moment in der Förderung haben. Man muss dabei wissen, dass es das teuerste Programm in der Förderung ist, das es in Berlin gibt, denn etwas deutlich über 70 % der Mittel werden von der öffentlichen Hand getragen. Insofern ist es von dem Aufwand für uns das teuerste Programm, das es überhaupt gibt. Ich glaube, dass wir uns insgesamt überlegen müssen ­ und das gebietet einfach die Situation ­, wie wir das Programm neu ausrichten.

 

Auch die Frage, in welcher Kulisse wir diese Projekte verwirklichen, muss dabei diskutiert werden. Denn, Herr Knorr-Siedow, Ihre Argumentation halte ich nun gerade für falsch. Zu sagen, die soziale Stadt ist die Stadt, wo wir in bestimmten benachteiligten Stadtteilen noch besondere Objekte für Benachteiligte schaffen, wird nicht dazu führen, dass wir genau das an sozialer Mischung erreichen, was wir wollen. Deswegen müssen wir uns von Objekt zu Objekt und von Projekt zu Projekt genau überlegen, welches Projekt für welchen Standort das richtige ist. Das ist eine ganz komplizierte Aufgabe, wo wir nicht auf dem vorhandenen Programm aufsetzen können, sondern wo wir zu einer Neukonzeption des Programms insgesamt kommen müssen.

 

Wir haben das Problem, dass es in Berlin gegenwärtig einen gewissen Leerstand von Wohnungen gibt und dass im Verhältnis zu den Nöten, die der Haushalt insgesamt aufweist, nur sehr schwer zu argumentieren ist, warum weitere Wohnungen hergerichtet und saniert werden müssen angesichts des Umstandes, dass viele Wohnungen leer stehen. Und dann die Frage ­ natürlich geht der Sanierungsprozess weiter ­: In welcher Geschwindigkeit und in welchem Tempo geht er weiter? ­Diese Frage wird man bei über 100 000 leer stehenden Wohnungen noch stellen dürfen. Denn die Debatte nach dem Motto: "Berlin muss sparen, aber keiner sagt wo." kenne ich schon.

 

Infolge dessen haben wir insgesamt entscheiden müssen, dass die Bundeszuschüsse für die ganzen ModInst-Programme durch Berlin noch nicht einmal ausgeschöpft werden können, weil Berlin die Kofinanzierung dafür nicht bereitstellen kann. Das gilt nur für die Jahre 2002 und 2003. Ich glaube, dass wir in einem enger werdenden Haushalt schlichtweg von Haushalt zu Haushalt neu entscheiden müssen, worauf wir im jeweiligen Fall einen Schwerpunkt legen. Wir werden nicht mehr diese Programme so durchfahren können, dass wir sagen: "Es sind immer diese gleichen Schienen.", sondern es wird mal eine Schiene in einem Haushaltsjahr nicht geben, dafür gibt es eine andere, die es im Jahr zuvor nicht gegeben hat. Wir werden so einen Wechsel veranstalten müssen, sonst werden wir mit unseren Haushaltsmitteln nicht zurechtkommen.

 

Angesichts der jetzigen Aufträge aus der Vergangenheit, die auch alle zu einem hohen Schuldenberg von Berlin führen ­ für die Wohnungsbauförderung aus der Vergangenheit zahlen wir im Jahr 1,1 Milliarden a Zinsen ­, haben wir im Moment einen reichen Bestand, der zurzeit modernisiert wird. Er wird in den Jahren 2002/2003 abgearbeitet. Im Jahr 2004 sollen dann solche Programme wieder aufgenommen werden. Dafür müssen wir an anderer Stelle kürzer treten. Wir haben dann im Laufe der Jahre auch einen gewissen größeren Spielraum, weil die Zinsaufwendungen ­ diese 1,1 Milliarden a ­ leicht zurückgehen und wir dann versuchen müssen, in diesem Bereich zu neueren Entwicklungen zu kommen. Aber zu sagen: "Alles muss in jedem Jahr", wird angesichts der Konsolidierungserfordernisse dieses Haushalts nicht gelingen.

 

Vors. Dr. Heide: Danke sehr! ­ Herr Over!

 

Abg. Over (PDS): Herr Strieder! Sie erwähnten gerade noch einmal die 100 000 Wohnungen Leerstand in der Stadt. Wir sollten uns auch an der Stelle durchaus einmal mit den neueren Zahlen beschäftigen. Es gibt jetzt Untersuchungen, dass der reale längerfristige Leerstand nur bei etwa 40 000 Wohnungen ­ und das in ganz speziellen Marktsegmenten ­ liegt. Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal versucht haben, mit Hilfe der Anzeigen in der "Morgenpost" ein ganzes Haus anzumieten, durchsaniert. Das wird Ihnen nicht gelingen. Daher ist das Selbsthilfeprogramm zurzeit die einzige Möglichkeit, wenn man als Projekt in dieser Stadt zu Wohnraum kommen will. Von daher finde ich es etwas leichtfertig, wie es im Moment vorgesehen ist. Denn wir wissen doch beide, Diskontinuität wird am Ende teurer. Also meine Frage ist, ob man hier nicht weiter geht.

 

Ich möchte an die Anzuhörenden die Frage stellen, wie sie die derzeitigen Selbsthilferichtlinien sehen, ob sie sie glücklich machen, ob sie andere Vorschläge haben, ob vielleicht mit der Senatsverwaltung in den letzten Jahren auch schon einmal über andere Vorschläge gesprochen worden ist, hier zu einem effektiveren und damit auch für das Land kostengünstigeren Programm zu kommen.

 

Zweitens würde ich gerne noch einmal die Anzuhörenden fragen, wie sie auch die ökologische Vorbildfunktion dieses Programms sehen. Es ist nicht ganz unbekannt geblieben, dass auch durchaus die immer wieder von uns proklamierte Solarhauptstadt dann in der Praxis eher nur in Einzelprojekten als Modellvorhaben stattgefunden hat, dass auch in Fragen "Blockheizkraftwerke ­ neue Energietechniken" selbst die Bewag mit den Selbsthilfehäusern sehr intensiv zusammenarbeitet. Wie sehen Sie hier die Funktion der Vorbildwirkung?

 

Als Drittes würde ich gerne noch einmal auf den Punkt "bürgerschaftliches Engagement" kommen. Ist es nicht so, dass die Selbsthilfehäuser durch ihr bürgerschaftliches Engagement ­ Sie haben von vielen Projekten gesprochen ­ seit 20 Jahren in dieser Stadt das machen, was wir mit der Erfindung des Quartiersmanagement jetzt an anderer Stelle auch von Seiten des Staates tun wollen. Ist nicht die investierte Bau-Mark in diesem Zusammenhang zu sehen? Wir sind fast an einem Punkt angekommen, wo sozusagen "Betteln um Befriedung" stattfindet. Ich finde es schon sehr erschreckend, wenn solche Vorbildprojekte in dieser Art und Weise um die notwendigen Mittel, die wir selbst gemeinsam sehen, kämpfen müssen. ­ Danke! ­ [Beifall] ­

 

Vors. Dr. Heide: Danke, Herr Over! ­ Herr Hillenberg!

 

Abg. Hillenberg (SPD): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Herr Senator! Ich kann jedes Wort von dem, was Sie heute gesagt haben, unterschreiben und unterstützen. Ich will das noch ein bisschen weiter aufbauen. Wenn Sie davon sprechen, dass hier 70 % der Kosten ­ das teuerste Programm, das es hier gibt ­ durch das Land Berlin getragen werden, stelle ich an die hier vorne Sitzenden die Frage: 70 % ist eine abstrakte Zahl. Wir haben hier in der vergangenen Legislaturperiode eine Broschüre auf dem Tisch gehabt, da gab es eine Berichterstattung genau über Ihre Projekte. Die Durchschnittskosten, Frau Oesterheld, lagen bei 2 500 DM pro qm Sanierungskosten, davon 40 % Eigenleistung. Da bleiben immer noch 1 500/1 600 DM pro qm übrig. Meine Feststellung: Die Architekten werden selbstverständlich nach HOAI bezahlt und selbstverständlich ausgehend von 2 500 DM pro qm. Jetzt frage ich Sie: Wie kann es sein, dass in der Wirtschaft Altbauten mit Schwamm, mit wirklich dramatischen Zuständen für bis zu 1 100 und 1 200 pro qm inklusive aller Leistungen saniert werden? So sinnvoll die sozialen Projekte auch sind, das ist gar keine Frage, aber warum ist das bei Ihnen so teuer?

 

Vors. Dr. Heide: Danke schön! ­ Frau Oesterheld!

 

Frau Abg. Oesterheld (Grüne): Ich habe zwar noch gar nichts dazu gesagt, aber Herr Hillenberg hat mich schon angesprochen, weil er weiß, was ich dazu sage. ­ Gut, ein paar Punkte dazu, was Herr Strieder sagte: Das eine, was mich natürlich ziemlich ärgert, ist die demagogische Art, zu sagen: "Wir können uns kein Eigentumsprogramm für Besetzer leisten." ­ Das ist Demagogie. Das wissen Sie auch. Sie kennen die Projekte. Wenn Sie sie nicht kennen, ist es peinlich genug für Sie.

 

Wir haben jede Menge Rundfahrten gemacht, wir haben uns mit den Ausschussmitgliedern über alle Fraktionen hinweg verständigt, welche Arbeit hier geleistet wird und welche Sachen hier auch notwendig sind. Ich verstehe nicht, warum jetzt einfach davon abgewichen wird. Ich lasse mit mir jederzeit darüber reden, ob man ein Programm vielleicht anders definiert. Ich lasse mit mir darüber reden, ob man ein Punktesystem macht, welche Projekte man auf jeden Fall fördern will. Dann sollen soziale Kriterien eingehen, dann sollen alle möglichen anderen Kriterien eingehen, aber die Alternative, zu sagen: "Wir machen es gar nicht mehr, weil das jetzt ein Eigentumsprogramm für Besetzer ist.", finde ich einfach nur daneben, Herr Strieder! Vielleicht sollten Sie auch ein bisschen differenzierter damit umgehen. ­ Punkt eins.

 

Punkt zwei zu Herrn Hillenberg: Warum sind die Häuser so teuer? ­ Ich glaube, dass man bei jedem einzelnen Haus gucken muss, was es kostet. Wir haben uns die Häuser angeguckt und haben gesehen, in welchem Zustand sie sind. Nun können Sie fragen ­ und das soll man auch von Haus zu Haus entscheiden: Macht es bei dem einen oder anderen Haus überhaupt noch Sinn? ­ Die Diskussion kann man führen, aber dann soll man sie so führen. Weil: Es sind im allgemeinen die Häuser, die übrig bleiben. Es sind nicht die Häuser, die die Investoren voller Begeisterung selbst in die Hand nehmen, sondern im allgemeinen sind es die Häuser, die erhebliche Probleme haben und die größere Probleme haben als andere. Wobei ich mich auch noch über die Baukosten mit Ihnen gerne unterhalten möchte. Ich möchte nur sagen: Ich beschäftige mich gerade mit dem zweiten Förderweg ­ 5 000 DM plus 3 000 DM Baunebenkosten. Das sind Summen, da frage ich mich auch, wo sind die eigentlich verbaut? Also, das sind noch ganz andere Summen.

 

Eine Frage, die ich auch an die Vortragenden stellen möchte: Welche Projekte sind eigentlich davon betroffen? Welche Projekte sind es, die scheitern oder nicht gefördert werden können? Welche sozialen Aufgaben haben diese Projekte? ­ Ich habe oft das Gefühl, dass hier auf der einen Seite über Quartiersmanagement irgendwelche Sachen erreicht werden sollen, auf der anderen Seite aber da, wo solche Häuser genau diese Funktionen übernehmen, gekürzt wird. Es ist widersinnig. Wir haben im Hauptausschuss auch verlangt, dass wir eine Auflistung haben möchten, wo die Häuser stehen, um festzustellen, welche sich denn auch in solchen Gebieten befinden. Das wurde von Herrn Knorr-Siedow gesagt. ­ Einmal abgesehen davon, dass wir auch Gebiete haben, die, obwohl sie noch nicht QM-Gebiete sind, präventiv so etwas sehr nötig hätten.

 

Als Letztes noch einmal, auch zu Herrn Strieder: Wenn Sie mir auch immer erzählen, 100 000 leer stehende Wohnungen, so haben Sie bis heute noch nicht den Beweis dazu angetreten. Das können Sie auch nicht. Das gebe ich zu. Auf der anderen Seite kann das nicht heißen, dass wir jetzt alle leer stehenden Häuser abreißen oder dass wir alle da, wo nicht modernisiert wird, abreißen. Es gibt noch ein anderes Kriterium in dieser Stadt ­ hoffe ich, zumindest auch bei der Senatsverwaltung ­ als die Frage, ob ein Haus leer steht. ­ Dazu kommen wir vielleicht nachher bei der Frage der Abrisse, auch bei der Wohnungsbaugesellschaft Marzahn, welche Funktionen so etwas hat.

 

Ich hoffe, dass wir es schaffen ­ zumindest im Hauptausschuss ­ wieder über alle Fraktionen diesen Titel, nämlich die wohnungspolitische Selbsthilfe, nicht einfach verschwinden zu lassen, sondern da auch einen bestimmten kontinuierlichen Beitrag weiterhin zu leisten. Ich hoffe, dass wir mindestens die Einigkeit, die in den letzten Jahren im Bauausschuss und im Hauptausschuss stattgefunden hat, dieses Jahr auch wieder erreichen. Ich finde es katastrophal, wenn man dieses Programm einfach einstampft. ­ [Beifall] ­

 

Vors. Dr. Heide: Danke sehr! ­ Herr Wansner!

 

Abg. Wansner (CDU): Frau Oesterheld! So einfach sollte man es sich eigentlich nicht machen. Man sollte vielleicht aus der Erfahrung lernen, die wir in den letzten Jahren mit diesem Programm gemacht haben. Wir haben doch heute Quartiere ­ ich erlaube mir die Bemerkung ­, wo wir diese Programme durchgeführt haben und wo wir der Meinung waren, diese Quartiere würden sich dann anschließend positiv verändern, sie würden besser werden und diese Programme würden in diesen Bereichen für die Verfestigung besserer Strukturen sorgen. Im Nachhinein müssen wir heute feststellen, dass es leider nicht eingetroffen ist, sondern im Gegenteil: Wir haben durch dieses Programm, so wie ich es jetzt sehe und wie ich die Erfahrung habe, Herr Over, in Kreuzberg genau die Strukturen verfestigt, unter denen wir heute leiden. Gleichzeitig müssen wir mit dem Quartiersmanagement im Nachhinein ­ ­ ­ [Zurufe und Unruhe] ­ Liebe Frau Oesterheld, Sie sollten vielleicht einmal durch Kreuzberg gehen, durch Friedrichshain und einige Bereiche, wo wir es durchgeführt haben. Wir müssen hier feststellen, es ist nicht besser geworden.

 

Das Problem ist auch ­ ich sage es für mich persönlich und auch für meine Fraktion ­, dass wir möglicherweise Familien mit Kindern bzw. den Normalbürger ­ in Anführungsstrichen ­ leider im Gegenteil, in den letzten Jahren durch dieses Programm nicht so  unterstützt haben, wie wir sie hätten unterstützen müssen. Dies ist ein Programm, wo wir einige bevorzugt haben, das muss man ohne weiteres sehen.

 

Herr Strieder! Wir sind selten mit Ihnen einer Meinung, aber ich kann Sie eigentlich nur unterstützen, in dem Bereich genauer hinzuschauen, welche Programme wir noch fördern sollten. Es ist uns schon sicherlich schwer gefallen. Und wenn ich heute durch die Oranienstraße oder die Adalbertstraße gehe, wo wir solche Programme hatten: Es hat sich nichts gebessert, es ist schwieriger geworden. Wir sollten heute möglicherweise auch einmal die Kleinverdiener, die Menschen, die es vielleicht nötiger haben, fördern. ­ Ich sage es so: Wer Häuser besetzt hat, hat sicherlich nicht das Recht, sie anschließend auch noch zu besitzen. Dafür hätte ich sicherlich auch einen anderen Ansatz.

 

Vors. Dr. Heide: Meine lieben Kollegen! Nun haben wir die volle Bandbreite der Meinungen hier schon in der Fragerunde erlebt. Insofern erübrigt sich fast schon die abschließende Diskussion. An Sie sind aber zahlreiche konkrete Fragen gestellt worden, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese möglichst prägnant und kurz beantworten.

 

Herr Knorr-Siedow (Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung): Ich versuche es ­ zumindest zum Teil ­, vielleicht kann dann über Nachfragen noch konkretisiert werden. ­ Teuerstes Programm in der Stadt: Ich bezweifle das. In dem Moment, wo man die Kosten tatsächlich den Zuständen der zur Verfügung stehenden Häuser gegenüberstellt, kommen normale Preise heraus. Das ist von der BSM berechnet worden, und da ist nie ­ ­ [Sen Strieder: Aber der Zuschuss ­ die Zuschusshöhe!] ­ Entschuldigen Sie, Herr Senator! Da derzeit ein fünfzigprozentiger Anteil ein Kreditanteil an der Förderung ist, kann ich mir nicht vorstellen, wie man dabei auf 70 % Förderanteil kommt. Zugegeben, es handelt sich in der Regel um städtebaulich sinnvolle und notwendige,  aber sehr schlechte Häuser. Dadurch werden sie relativ teuer.

 

Zweite Bemerkung ­ ein Programm, das Instandbesetzer begünstigt: In diesen Häusern, die im Rahmen der baulichen Selbsthilfe bearbeitet werden, wohnt ein ganz breites Spektrum von Bewohnern. Es sind Genossenschaften darunter, die Mietergenossenschaften sind. Das sind Leute, die schon ewig als Mieter in ihren Wohnungen gewohnt haben. Es sind tatsächlich Leute in sozialen Problemsituationen darin ­ das ist geschildert worden ­, die eine Stabilisierung auf Grund sozialpolitischer Interventionen brauchen. Das sollte man sich überlegen, ob man sich davon verabschieden kann, weil sich das Programm in der Beziehung durchaus bewährt hat. Es hat sehr vielen Menschen geholfen, in ein ­ in Anführungsstrichen ­ bürgerliches Leben zu finden.

 

Dritte Bemerkung ­ zur Qualität von Gebieten: Das muss man sehr detailliert ansehen. Es gibt tatsächlich im Rahmen der behutsamen Stadterneuerung in Berlin Gebiete, in denen es trotz hoher Aufwendungen nicht gelungen ist, diese Gebiete zu selbst tragenden Stadtquartieren zu entwickeln. Da muss man von Gebiet zu Gebiet einzeln hingucken. Ich glaube, in der Oranienstraße ist kein einziges Haus in der baulichen Selbsthilfe gewesen. Das sind Häuser städtischer Wohnungsunternehmen, die saniert worden sind und wo städtische Wohnungsunternehmen es nicht geschafft haben, durch eine ordentliche Vermietungspolitik den Auftrag zu erfüllen, den sie auch hatten. An anderer Stelle ist das bei den städtischen Gesellschaften allerdings sehr gut gelungen. Also bitte detaillierter hingucken und nicht auf eine Gruppe der Bevölkerung und auf ein Programm!

 

Als letzter Punkt ­ das Programm weiterentwickeln: Das ist ganz offensichtlich erforderlich. Es hat im Rahmen verschiedener Gutachten innerhalb der letzten Jahre dazu Vorschläge gegeben, wie man Geld einsparen kann. Ich glaube, dass man weiter, als man bisher nachgedacht hat, über öffentlich-private Partnerschaften zur Finanzierung nachdenken kann, denn in fast all diesen Häusern stecken Bankgelder, stecken auch Sponsorengelder. Insofern sind da erste Schritte gemacht worden. Das, was Frau Oesterheld vorgeschlagen hat, mit einem Punktsystem die Notwendigkeit und  Sinnhaftigkeit solcher Vorhaben zu bewerten und das als Grundlage für die Programmsteuerung zu nutzen, würde ich sehr fördern.

 

Vors. Dr. Heide: Danke! ­ Gibt es von unseren Anzuhörenden ­ den anderen beiden Herren ­ Stellungnahmen zu anderen Punkten?

 

Dr. Schneider (MOB ­ Obdachlose machen mobil e. V.): Zum Verfahren: Ich glaube, dass darin eine gewisse Unehrlichkeit steckt, zu sagen: "Wir stellen das jetzt die nächsten zwei Jahre ein, und in zwei Jahren können wir das wieder aufleben lassen, wenn wir eine andere Prioritätensicht haben." ­ Denn in den zwei Jahren werden die Leute, die das in der Senatsverwaltung bearbeiten, an anderen Stellen arbeiten und auch die treuhänderischen Sanierungsträger vielleicht an dem Punkt nicht mehr arbeiten. Das heißt also: Ich halte es für sehr viel realer, zu sagen: Wenn dieses Programm mit einer Befristung auf zwei Jahre noch einmal in einem kleinen Rahmen fortgesetzt wird, hat man eine Plattform, zusammen mit den Beteiligten, die in den Startlöchern stehen oder die auch Projekte haben, wo Kaufverträge mit Häusern kurz vor dem Abschluss stehen, noch einmal zu überlegen, welche anderen Varianten oder Finanzierungsmöglichkeiten es gibt. Ob es etwa eine Stiftung gibt, die sagt: "Ich finde das Anliegen so wichtig, ich gebe dort Geld hinein." ­ Oder ob man zu Kooperationsvereinbarungen mit Arbeitsämtern kommt, die sagen: "Die Beschäftigungswirksamkeit oder die Ausbildungswirksamkeit ist sehr interessant. Wir engagieren uns da."

 

Dazu muss man, um einen Umbruch oder eine Fortentwicklung zu erreichen, dann auch sagen: "Das muss hier erst einmal ein Stück weiter gehen." ­ Die Partner sind da, die den Grundkonsens teilen und sagen, dass man hier sorgfältiger darüber nachdenken muss, wie mit dem Geld umgegangen wird. Natürlich habe ich durch die Einarbeitung in das Bauvorhaben mitbekommen, dass es auch möglich ist, kostengünstiger zu bauen. Aber dann muss man anders bauen. Dann muss man metern (phonet.). Das ist sozusagen im Bereich der Altbausanierung ­ wenn man auch noch den sozialen Anspruch haben will ­ sehr schwierig. Ich habe versucht, deutlich zu machen, dass das Geld, das für den Bau ausgegeben wird, Geld ist, das gespart wird, weil man es sonst im sozialen Bereich ausgeben würde. ­ In meinem Bereich kann man das ganz klar als Ergebnis sagen: Die Prävention von Obdachlosigkeit ist fünfmal preisgünstiger, als die Folgen von einem Auftritt von Obdachlosigkeit zu finanzieren. Das muss man einfach dazu sehen. Deswegen ergibt sich der Wunsch, ein Fenster in die Zukunft aufzulassen, um gemeinsam mit den Beteiligten, die jetzt daran arbeiten, zu überlegen, welche neueren Formen dieser Richtlinie erarbeitet werden können .

 

Vors. Dr. Heide: Ich darf mich bei Ihnen recht herzlich bedanken für Ihre engagierten Ausführungen. Ich sehe bei den Kollegen momentan keine weiteren Nachfragen. Ich habe auch keinen Antrag hier, so dass ich anrege, dass wir mit dem Kapitel 12 95 "Förderung des Wohnungsbaus" im Übrigen fortfahren. Ich weiß nicht, ob Sie zu diesem Kapitel jetzt noch etwas sagen wollen, oder ob es Fragen der Fraktionen oder Stellungnahmen zu dem Kapitel 12 95, Anträge o.  Ä. gibt. ­ Dann möchte ich mich bei den Anzuhörenden dafür bedanken, dass sie uns so kurzfristig zur Verfügung gestanden haben. Sie können sich selbstverständlich bei den hier vertretenen Fraktionen oder bei den Abgeordneten, die Ihr Vertrauen besitzen, über den weiteren Fortgang der entsprechenden Beratungen ­ auch im Hauptausschuss ­ unterrichten lassen. ­ Recht herzlichen Dank!

 

Zur weiteren Beratung unter TOP 2 siehe Inhaltsprotokoll.

 

Punkt 3 der Tagesordnung

 

Verschiedenes

 

 

Siehe Beschlussprotokoll.

 


 

 

Ausschuss-Kennung : BauWohnVgcxzqsq