Der Senat wird aufgefordert, zwecks Einführung des Wettbewerbs im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) Berlins gegenüber der BVG folgende Konkretisierung der im „Sanierungs- und Umsetzungskonzept 2000“ (BSU 2000) der BVG enthaltenen Zielstruktur durchzusetzen:

 

1.       Für den U-Bahn-, Straßenbahn- und Busverkehr sind eigenständige, privatrechtlich-strukturierte Nahverkehrsunternehmen zu gründen, denen die Erbringung der ÖPNV-Betriebsleistungen, d. h. die technisch-organisatorische Durchführung des ÖPNV in unternehmerischer Eigenverantwortung obliegt. Ziel soll die materielle Privatisierung der Nahverkehrsunterneh­men sein, d. h. die Beteiligung privater Gesellschafter und nach Möglichkeit der völlige Rückzug Berlins aus den Unternehmen.

 

2.       Für die Fahrwege von U-Bahn und Tram ist eine eigenständige landeseigene Betriebsgesellschaft zu gründen. Ihr Geschäftsbereich soll die Wartung und Modernisierung der Fahrwege und Bahnhöfe einschließlich der zugehörenden Betriebseinrichtungen beinhalten. Die Gesellschaft soll sich aus den Kilometereinnahmen finanzieren, die sie den U-Bahn- und Tram-Betriebsgesellschaften berechnet. Übergangsweise soll die Gesellschaft auch die vorhandenen Fahrzeugparks der U- und Straßenbahn vorhalten, die sie den Betriebsgesellschaften gegen Entgelt zur Verfügung stellt. Nach Abschreibung der Fahrzeuge ist auch die Beschaffung neuer Fahrzeuge einschließlich deren Unterhaltung durch die Anbieter zu gewährleisten und in die Ausschreibungen einzubeziehen.

 

 


3.       Die bisherige BVG ist in eine Personal-Auffanggesellschaft umzuwandeln, die den BVG-Nachfolgeunternehmen und sonstigen Anbietern von Nahverkehrsleistungen unter Einhaltung bestehender arbeitsrechtlicher Verpflichtungen im Wege des „Personal-Leasing“ Betriebspersonal zu den üblichen Tarifbedingungen bei Übernahme der Lohnkostendifferenzen zur Verfügung stellt. Die AöR soll u. a. durch berufliche Qualifizierungsmaßnahmen und Vorruhestandsregelungen einen sozialverträglichen Personalabbau vorantreiben und die Verpflichtungen aus Versorgungsansprüchen wahrnehmen.

 

4.       Die für den eigentlichen Fahrbetrieb nicht benötigten Liegenschaften der BVG sind dem Liegenschaftsfonds im Rahmen einer stadtentwicklungs- und haus-haltspolitisch abgestimmten Bodenpolitik zwecks Veräußerung zuzuordnen. Die Wohnungsbestände sollen veräußert oder in Wohnungsgenossenschaften umgewandelt werden.

 

Der mit der BVG im September 1999 abgeschlossene Unternehmensvertrag ist in diesem Sinne und unter Einbeziehung der ihr erteilten Konzessionen nachzuverhandeln. Ferner ist dem Abgeordnetenhaus von Berlin bis zum 30. Juni 2003 vor allem über die wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen der Umsetzung sowie über den Verhandlungsstand mit der BVG zu berichten. Sollten die vorgenannten Punkte aus zwingenden Gründen nicht innerhalb der Laufzeit des Vertrages (31.12.07) umgesetzt werden können, ist eine absehbar notwendige Vertragsverlängerung bei kürzestmöglicher Laufzeit im Einzelnen darzulegen und zu begründen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Begründung:

 

Die Entwicklung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auf nationaler und europäischer Ebene und die sich insoweit abzeichnende Rechtsentwicklung hatte den Abschluss des Unternehmensvertrages zwischen dem Land Berlin und der BVG zur Folge. Dieser Vertrag sieht u. a. vor, die BVG bis 2008 in einen wettbewerbsfähigen „Nahverkehrskonzern“ umzuwandeln. Die hierzu im BSU 2000 festgelegten Ziele sind jedoch unscharf, von den erkennbaren Verzögerungen bei der Umstrukturierung der BVG einmal abgesehen. Vor diesem Hintergrund wird nicht deren zeitnahe Wettbewerbsfähigkeit, sondern die Verlängerung des mit ihr geschlossenen (monopolistischen) Unternehmensvertrages immer wahrscheinlicher. Die sich daraus ergebenden Risiken zulasten Berlins vor allem wettbewerbsrechtlicher und haushaltspolitischer Art sind absehbar.

 

Der vorliegende Antrag, der die Aufgliederung der BVG in privatrechtlich strukturierte Teilgesellschaften beinhaltet, trägt der Tatsache Rechnung, dass nur eine zügige wettbewerbsorientierte Umstrukturierung der BVG auf privatrechtlicher Grundlage wettbewerbsrechtlich, haushalts- und verkehrspolitisch vertretbar und zukunftsfähig ist. Dies muss jetzt als politisches Handlungsziel mit aller gebotenen Klarheit deutlich gemacht werden, denn die auf europäischer Ebene angestrebte Öffnung des ÖPNV-Marktes wird mit hoher Wahrscheinlichkeit im Jahr 2008, möglicherweise aber auch schon vorher wirksam werden

 

Berlin, den 14. Januar 2003

 

 

Dr. Lindner    v. Lüdeke    Schmidt

und die übrigen Mitglieder der Fraktion der FDP

 

Ausschuss-Kennung : BauWohnVgcxzqsq