Vor Eintritt in die Tagesordnung

Siehe Beschlussprotokoll.

 

Punkt 1 der Tagesordnung (alt 3)

Besprechung gemäß § 21 Abs. 3 GO Abghs

Ergebnisse der Föderalismuskommission

(auf Antrag der Fraktion der SPD und der

Fraktion der PDS)

0162

EuroBundMedien

 

 

Frau Vors. Michels: In den Reihen der Anzuhörenden erblicken wir die bekannten Gesichter. In Verbindung damit behandeln wir den Antrag der FDP. Mein Vorschlag ist, dass der Regierende Bürgermeister beginnt. – Bitte sehr, Herr Wowereit!

 

RBm Wowereit: Frau Vorsitzende! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht kann einfach sein: Es gibt kein Ergebnis der Föderalismuskommission. Damit könnte man den Bericht enden lassen. Das ist das traurige Ergebnis einer einjährigen Arbeit. Ich möchte mich an dieser Stelle für die Unterstützung der Landtage, natürlich auch des Abgeordnetenhauses von Berlin bedanken. Sie als Ausschuss, aber auch das gesamte Parlament, haben in Zusammenarbeit mit den anderen Landtagen, vertreten durch die Landtagspräsidenten und -präsidentinnen, und mit den Fraktionsrunden einen Beitrag dazu geleistet, dass ein Klima geschaffen worden ist, das eigentlich bedeuten sollte: Die Republik ist reif für weit gehende Reformen. Ich bedauere es außerordentlich, dass es zu keinem Abschlussergebnis gekommen ist. Bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz unter Vorsitz des Landes Berlin, die am Mittwoch bis in die Nacht hinein – auch zur Vorbereitung der Abschlussrunde in der Föderalismuskommission – stattgefunden hat, war ich noch sehr optimistisch, dass wir zu einem einvernehmlichen Ergebnis kommen würden, zumal man sich nach meiner Einschätzung in 90 % der Fälle durchaus im Wege des Kompromisses angenähert hatte und konsensfähig gewesen wäre. Es waren ein paar Positionen offen, speziell das Thema Bildung. Aber wir hatten den Eindruck, dass auch diejenigen – zumindest die Länder –, die der gesamten Arbeit durchaus skeptisch gegen-
überstanden – das waren speziell die kleineren Länder – begriffen hatten, dass im Sinne eines gemeinsamen Konzeptes Einzelbedenken zurückgestellt werden müssten.

 

Es war ein sehr dynamischer Prozess, und insofern hatten die Länderministerpräsidenten und die-minister­präsidentin dem Verhandlungsführer von Länderseite, Herrn Stoiber, Freiheit gegeben, zu verhandeln, aber auch in vielen Punkten – wie gesagt – den Konsens schon herbeigeführt.

 

Dann kam es leider zu einer Situation, wo sich die Fronten von Donnerstag Nacht bis zum Freitag Nachmittag so verhärteten, dass deutlich wurde, dass das Thema Bildung ein Essential ist in der Weise, dass man es auch nicht hätte ausklammern können. Es gab Vorschläge zu sagen: Okay, dann lasst uns das umsetzen, worauf wir uns geeinigt haben! Dann bleibt eben das Thema Bildung offen – oder andere Themen, die auch ausgeklammert werden sollten –, und dann hat man die Chance, da noch nachzubessern. – Vor allen Dingen von Vertretern der B-Länder-Seite wurde dann sehr deutlich gemacht: Alles geht nur mit allem. Ohne Bildung gibt es auch nicht den Konsens in den eigentlich schon konsensfähigen Punkten. – Es ist dann richtig zum Essential hochstilisiert worden. Insofern war auch Ministerpräsident Stoiber aus meiner Sicht relativ stark eingemauert und konnte dort nicht mehr im Wege des Kompromisses vorgehen. Auch die Bundesseite hatte feste Positionen im Bereich der Bildung eingenommen, so dass zum Schluss trotz mehrerer Vermittlungsbemühungen – auch die Ministerpräsidenten hatten sich am Vormittag und am Mittag noch einmal zur Beratung zurückgezogen – am Nachmittag das Scheitern der Arbeit festgestellt werden musste.

 

Ich möchte noch einmal betonen, dass es aus Berliner Sicht – unabhängig von der Frage Hauptstadtklausel, dazu sage ich noch etwas – ein Fortschritt gewesen wäre, wenn wir mehr Kompetenzen bekommen hätten. Aus meiner Sicht ist auf der Bundesebene überhaupt nicht richtig realisiert worden, dass durch diese Veränderung auch die Bundesebene in einem nennenswerten Umfang von der Zustimmungspflichtigkeit des Bundesrats befreit worden wäre. Man kann davon ausgehen, dass die Zustimmungspflichtigkeit bei Bundesgesetzen in der Größenordnung – es gibt unterschiedliche Einschätzungen – von 35 bis 40 % verringert worden wäre, manche haben sogar 50 % gesagt. D. h., dass der Bund in vielen Fragen, wo es bislang schon keine materielle Zustimmungs- und Regelungskompetenz des Bundesrats gegeben hat, die aber de facto über die formelle Zustimmungsfähigkeit erreicht worden ist, oder bei der Regelung von Organisationsfragen, davon befreit gewesen wäre. Ein klassisches Beispiel: Im Zuwanderungsrecht waren ja viele Dinge originär die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, aber der Bundesrat hatte über die Zustimmungspflichtigkeit natürlich auch die Möglichkeit, materiell Einfluss zu nehmen, was auch von der Mehrheit des Bundesrats reichlich genutzt worden ist. Das ist im Übrigen kein Vorwurf an die jetzige Mehrheit, sondern das hat es in anderen Konstellationen auch schon immer gegeben. Gerade dies sollte ja u. a. entflochten werden.

 

Wir hätten – das war auch Konsens – als Landesregierung, aber vor allen Dingen auch als Landesparlament Möglichkeiten gehabt, Regelungskompetenzen im Bereich Beamtenrecht und -besoldung zu bekommen. Die Punkte wären in unsere Gesetzgebungskompetenz gegangen. Wir hätten auch – was für mich besonders wichtig gewesen wäre – durch eine Ergänzung eine Veränderung der hergebrachten Grundsätze des Beamtentums erreicht. § 33 Abs. 5 wäre wie folgt gefasst worden:

 

Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

 

Das ist uns eigentlich nicht weit gehend genug gewesen, aber das war die Konsenslösung. Mit dieser Formulierung war die Hoffnung verbunden, dass sich da auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der anderen Gerichte verändern würde, um dort auch eine Modernisierung des öffentlichen Dienstes zu erreichen, eine Formulierung, wo ich sagen muss: Am Anfang gab es eine schroffe Ablehnung von allen Seiten. Nordrhein-Westfalen und das Land Berlin haben das immer wieder in die Debatte gebracht und auch nicht aufgegeben, aber ich hätte am Anfang der Diskussion nicht geglaubt, dass wir an diesem Artikel eine Veränderung durchkriegen würden. Das Urteil des Landesverfassungsgerichts von Bayern in München hat die Sache etwas beschleunigt, wo die Frage von Führungspositionen auf Zeit im Beamtenrecht als verfassungswidrig erklärt worden sind. Das hat letzten Endes auch den Bundesinnenminister und den bayerischen Ministerpräsidenten überzeugt, dass man etwas verändern muss. Denn wenn das noch nicht einmal im Rahmen auch der bestehenden Landesgesetze möglich ist, weil man sich immer wieder hinter § 33 Absatz 5 mit den hergebrachten Grundsätzen des Beamtenrechts und -tums verstecken kann, wurde den meisten klar, man kommt nicht weiter, und dass es ein gemeinsames Interesse von allen ist, die da Dienstherren sind, Möglichkeiten zu haben, auch im Bereich des Beamtenrechts tätig zu werden und Neuerungen einzuführen, ohne das Beamtentum in Gänze in Frage zu stellen. Das war ja immer die Befürchtung von anderen. Also, da hätten wir Lösungen bekommen. Wir hätten auch Lösungen beim Ladenschlussgesetz bekommen – eigene Zuständigkeit –, um praktische Dinge zu nennen, bei anderen Punkten auch, das ist Ihnen hinlänglich bekannt. Es gibt auch noch einmal eine Senatsvorlage am nächsten Dienstag, und die geht dann – nochmals umfangreicher – in den Bericht an das Parlament.

 

Die Frage Bildung war aus unserer Sicht eine dogmatische Frage, die sich da ziemlich schnell herauskristallisierte. Es gab im Zuge der Diskussion in der Föderalismuskommission durchaus Bewegung – auch von Seiten von Bundesministerin Bulmahn beispielsweise. Es schien schon Konsens zu sein, dass eine weitestgehende Abschichtung – auch von Kompetenzen in der Hochschulrahmengesetzgebung – durchgeführt wird, so dass der Bund nur noch bei Fragen von Zugang und Abschlüssen zuständig sein sollte, wobei bei Zugang aus Ländersicht nicht als Frage die Regelung von Studiengebühren verstanden worden ist. Sie wären nach Auffassung der Länder bei den Ländern gewesen. Ich glaube, da hat sich zumindest die Wissenschaftsministerin auch keine Illusionen gemacht. Es gab natürlich die Radikalposition, die gesagt hat: Der Bund hat da gar nichts zu sagen! Auch der Zugang und die Abschlüsse müssten durch Staatsvertrag von 16 Ländern geregelt werden. – Aber die moderierende Position war, dass beim Zugang und bei der Anerkennung von Abschlüssen beispielsweise eine Rahmengesetzgebung in der Kompetenz des Bundes nach wie vor möglich sein sollte.

 

Dann gab es lange Debatten über die Frage der Forschungseinrichtungen. Auch da hat sich ziemlich schnell herauskristallisiert, dass eine generelle Abschichtung der Forschungseinrichtungen nicht im Interesse der Sache sein könnte, sondern dass bei Großforschungsprojekten der Bund weiterhin eine Zuständigkeit haben sollte und dass es bei den so genannten „Blaue-Liste-Instituten“ bei einer Mischfinanzierung zwischen Bund und den Ländern bleibt, wie wir sie bislang hatten. Auch da gab es Überlegungen, die „Blaue Liste“ ganz auf die Länder abzuschichten. Da gab es auch keinen Konsens.

 

Ein Punkt, der dann in der Verhakelungssituation noch strittig war, war die Frage Bildungsplanung. Da gab es natürlich wieder die Maximalposition der B-Länder, vor allen Dingen vehement vertreten von Herrn Teufel und Herrn Koch und von anderen, die gesagt haben: Der Bund hat bei Bildung überhaupt nichts zu sagen! Das ist klassisch die Kulturhoheit der Länder, und dem Bund wird jedes Mitwirkungsrecht bestritten. – Dies war ein Punkt, der von der Bundesseite nicht akzeptiert werden konnte, ich denke auch, nicht nur durch die handelnden Personen, sondern parteiübergreifend im gesamten Deutschen Bundestag. Ich hatte auch den Eindruck – Herr Ratzmann möge das korrigieren oder bestätigen –, dass auch bei den Vertretern der CDU/CSU bei dem Thema Bildung das generelle Bestreiten des Rechts, dass der Bund zu beteiligen sein könnte, gemeinsam etwas in der Bildungsplanung zu machen, durchaus sehr ambivalent gesehen worden ist. Es gab auf jeden Fall nach meinem Dafürhalten auch im Deutschen Bundestag parteiübergreifende Positionen, die gesagt haben: Es kann nicht sein, dass der Bund im Bereich Bildung nun gar nichts mehr zu sagen hat. – Unsere Position war da immer eindeutig. Wir haben gesagt: Selbstverständlich muss der Bund bei einer gemeinsamen Bildungsplanung mit ins Boot genommen werden– die Betonung liegt auf „gemeinsam“. Klassisches Beispiel: Was immer als „Sündenfall“ dargestellt wird, sind 4 Milliarden €, die der Bund für mehr Ganztagsschulen und für ein verbessertes Betreuungsangebot gibt. Im klassischen Fall kann man auch nach der jetzigen Rechtslage die These vertreten: Das darf der Bund nicht. – Andererseits sage ich ganz pragmatisch: Solange die Länder nicht in der Lage sind, genügend Ressourcen zur Verfügung zu stellen, sollten sie sich nicht aufs hohe Ross setzen und sagen: Der Bund darf kein Geld geben. – zumal in vielen Kompromissen gemeinsam ein Konsens gefunden wurde, nach welchen Kriterien die Gelder verteilt werden, und die originäre Organisationsgewalt der Länder damit ja nicht in Frage gestellt worden ist. D. h., welche Schule in Berlin von diesen Mitteln profitiert, entscheidet ja nicht der Bund, sondern selbstverständlich das Land Berlin. Insofern muss so etwas möglich sein.

 

Wir haben neben diesem konkreten Beispiel den zweiten Punkt der Exzellenzförderung. Die Bundesregierung ist bereit, Milliarden zusätzlich in Universitäten hineinzugeben. Anfangs klang das wie die Förderung von fünf Eliteuniversitäten, dann hat es einen Diskussionsprozess auch mit der Kultusministerkonferenz und dem Wissenschaftsrat gegeben. Dann gab es einen Konsens der Wissenschaftsministerinnen und -minister der Länder, die sich auf bestimmte Kriterien dieser Exzellenzförderung und Ausschreibung, wer sich daran beteiligen kann und wer davon profitieren wird, geeinigt hatten und dem eigentlich alle zugestimmt hatten. Milliarden sollten in das System hineingegeben werden. Auch da – klassischer Fall – die Gegenposition: Das ist originär die Aufgabe der Länder. Da hat der Bund nichts zu sagen. – Bei Forschung wurde das akzeptiert, und deshalb war auch auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Zusammenhang mit den Debatten über die Föderalismuskommission das Thema Exzellenförderung nicht zu verabschieden. Da gibt es nach wie vor den Widerstand, weil einige Länder aus dem Gesichtspunkt der reinen Lehre sagen: Das darf der Bund nicht tun. Er mischt sich damit in die Hochschulpolitik der Länder ein. Denn wenn er die Mohrrübe vor hält und sagt: Ich gebe euch Milliarden für einzelne oder definierte Projekte, dann greift er in meine Hochschulplanung ein!

 

Ich glaube, es ist eine gefährliche Position, die sich an diesen beiden Beispielen zeigt: einerseits das verbesserte Ganztagsangebot, natürlich auch unter dem Eindruck der Ergebnisse der ersten Pisa-Studie, andererseits die Frage: Wie können wir in Deutschland mit der Exzellenzförderung und mehr Forschungsförderung Innovation nach vorne bringen? – Dieses den Grundsatzfragen des Föderalismus gegenüberzustellen und den Grundsatzstreit auf dem Rücken der Betroffenen auszutragen, ich glaube, da kann keine Seite gewinnen. Der Bürgerin und dem Bürger ist es relativ egal, wer dafür zuständig ist, Hauptsache, es wird gut gemacht. So einen Kompetenzstreit dann deutlich zu machen, das ist ganz schwierig. Im Prinzip ist es daran gescheitert, wenn ich nicht unterstellen will, dass das ein Vehikel war, womit man das ganze Ding zum Scheitern bringen wollte. Das kann ich bei dem einen oder anderen nicht ausschließen. Aber das war der Punkt, wo es sich zum Schluss – auch dokumentiert – so verhakelt hat, dass gar keine Lösung herauskam. Damit war natürlich auch unsere Hauptstadtklausel obsolet.

 

Wir waren im Konsens in der Föderalismuskommission, und zwar nicht nur in der zuständigen Arbeitsgruppe, sondern in der gesamten Kommission. Unser Vorschlag ist von Herrn Neumann, Bremen, als Vorsitzendem der Arbeitsgruppe dann mit eingebracht worden, nämlich Artikel 22 neu zu regeln mit dem Text:

 

Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist Berlin. Die Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt ist Aufgabe des Bundes. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt. 2. Die Bundesflagge ist Schwarz-Rot-Gold.

 

Wir haben in diesem Ausschuss lange diskutiert: Ist diese Formulierung überhaupt etwas wert? – Wie es immer so ist: Diejenigen, die vorher gesagt haben, sie sei nichts wert, haben nachher, als sie herausgestrichen wurde, gesagt: Oh Gott, Katastrophe! – Das ist auch ungefähr die Bandbreite der Diskussion dazu. Wir haben von Seiten des Landes Berlin nie ein Hehl daraus gemacht, dass es damit nicht auf einmal in der Stadtkasse klingelt, sondern dass das mehr ein Prozess und eine Berechtigung des Bundes ist, tätig zu werden. Auch das wurde oft in Frage gestellt. Dass damit natürlich nicht in Cent und Euro ausgemacht ist, wie viel Unterstützung das Land Berlin für hauptstadtbedingte Ausgaben bekommt, musste jedem klar sein. Das bedarf dann entweder eines Vertrags oder eines Gesetzes. Das Gesetz kann ja auch regeln, dass es durch Vertrag gemacht wird. Das war noch offen, und die Höhe der Zahlung ist damit auch offen gewesen. Der Streit mit der Bundesregierung über die Fragen wäre auch offen gewesen.

 

Ich war schon ziemlich entsetzt, als ich dann am Montag Morgen im Präsidium der Bundespartei das Exemplar in die Hand bekommen habe, auf das sich Stoiber und Müntefering geeinigt hatten, und dann auf einmal gerade der Mittelsatz nicht mehr drin war, nachdem die Kommission einstimmig – die Bundesregierung hat immer gegrummelt – beschlossen hatte, diese Formulierung zur Grundlage zu nehmen, und das im Prinzip abgehakt war. Ich weiß noch, wie mir ein Kollege aus Baden-Württemberg mal erzählt hat, dass er, wenn er einen Vortrag über den Zwischenstand der Föderalismuskommission hält, immer sagt: Eins ist klar, das ist diese Hauptstadtklausel! Das andere ist alles unklar.


Wir haben in dieser Woche noch mächtig gearbeitet, um auch die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass es wieder hereinkommt. Die Ministerpräsidenten hatten das auch unterstützt, und man kann heute spekulieren, ob es in der Schlussabstimmung hereingekommen wäre oder nicht. Ich denke, die Chancen waren nicht schlecht, aber mit dem Scheitern der Föderalismuskommission ist auch diese Hauptstadtklausel obsolet gewesen. Wenn man sich im umgekehrten Fall in der Bildung einer Hauptstadtklausel geeinigt hätte, wäre die Föderalismuskommission nicht gescheitert, weder im positiven noch im negativen Sinne. Das muss man in Relation sehen. Für Berlin war es sehr wichtig, aber für die anderen Mitglieder der Föderalismuskommission war das Thema Hauptstadt sehr unterschiedlich in der Wichtigkeit, aber es hätte gute Chancen gegeben, dass wir diese Klausel durchbekommen hätten, bei Artikel 22 diese Veränderung ohne diesen Mittelsatz durchzuführen. Ob das dann darin steht oder nicht, kann man unter Geschmack abhaken. Für uns war der Mittelsatz immer wichtig. Ohne diesen Mittelsatz wäre die materielle Anspruchsgrundlage so nicht gegeben gewesen.

 

Zum Schluss waren alle ziemlich enttäuscht, vor allem diejenigen, die hart gearbeitet haben, und das waren viele. Ich möchte mich an dieser Stelle auch ausdrücklich bei den Mitarbeitern der Senatskanzlei, vor allem Herrn Hage, bedanken, die diesen Prozess ein Jahr in hervorragender Art und Weise begleitet haben. Berlin hat mit anderen Ländern zusammen wesentliche Vorarbeiten und auch immer wieder in Runden außerhalb der Föderalismuskommission zur Vorbereitung der beiden Vorsitzenden hervorragende Arbeiten geleistet. Das war eine Knochenarbeit, und Berlin konnte da mit viel Sachkompetenz bundesweit in der Weise Furore machen, dass gesehen wurde, welche Kapazitäten vom Land Berlin für diese inhaltliche Arbeit zur Verfügung gestellt werden können.

 

Die Enttäuschung, vor allem bei denen, die in den Schlussrunden gar nicht mehr dabei waren, die es nur noch aus dem Fernsehen verfolgen konnte, war groß. Es war ein Prozess, wo man dachte, Donnerstag Nacht geht es in die letzte Runde, die einigen sich und dann kann man schön am Freitag zusammenkommen, um das Ergebnis zu verkünden. Das war eigentlich die Erwartungshaltung derjenigen, die nicht direkt an den Verhandlungen beteiligt waren. Die Ministerpräsidenten hatten noch das Glück, Unmittelbarkeit zu haben, aber die anderen taten mir ein bisschen Leid. Sie warteten alle ziemlich lange in dem Kommissionssaal, mussten dann nur noch das Scheitern zur Kenntnis nehmen und konnten noch nicht einmal mehr etwas kommentieren, jedenfalls nicht mehr in der Kommission. Das war eine große Enttäuschung. – Die öffentliche Reaktion war aus meiner Sicht ziemlich verhalten. Es gab natürlich anschließend eine allgemeine Politikerschelte, wo man gesagt hat: Na ja, es zeigt sich einmal wieder: Wo Politik sich selbst überwinden muss, da versagt sie. Und wenn sie Bürgern etwas zumutet, macht sie es, aber sie ist nicht in der Lage, sich selbst praktisch in Frage zu stellen und zu verändern. – Man hat schon das ganze Jahr über gemerkt, dass die Berichterstattung über so ein großes Thema für viele viel zu abstrakt ist. Es hat Artikel dazu gegeben, aber ein öffentliches Bewusstsein, dass das ein starkes und großes Reformwerk sein sollte, war nicht vorhanden. Zum Schluss wurde es ein bisschen mehr. Dementsprechend wurde das auch aus meiner Sicht relativ schnell wieder vergessen. Das liegt jetzt nicht an den Berichterstattungen zur Flutkatastrophe. Es gab ein kleines Aufbäumen, und das klatschte dann wieder zusammen. Das macht die Sache eigentlich so schwer, weil dann jeder sagen kann: Seht einmal, es ist abgehakt.

 

Ich selbst habe überlegt, ob das noch einmal eine Chance haben wird. Ich war am Anfang sehr skeptisch, ob es sich überhaupt lohnt, gerade vor dem Hintergrund, dass zwei Wahlkämpfe und die Bundestagswahl anstehen. Wird es überhaupt noch eine Möglichkeit geben, nachdem es sich so verhakelt hat, dort noch einmal einen Anlauf zu machen? – Vor allen Dingen besteht bei einem erneuten Anlauf die Gefahr, dass das, was im Konsens schon stand, nämlich die anderen Themenbereiche, wieder aufgebröselt wird, weil die von vielen Seiten im Wege des Kompromisses gemacht worden sind. Es besteht immer die Gefahr, dass es zum Schluss nicht nur um Bildung geht, wo man sich einigen muss, und das andere wird wieder hereingenommen, sondern dass das gesamte Paket aufgemacht wird. Ich war am Ende des Jahres relativ skeptisch, ob es eine Chance hat, einen Anlauf zu nehmen, vor allen Dingen mit der Aussicht auf Erfolg, zumal die Darstellungen in der Pressekonferenz zwischen Müntefering und Stoiber, zumindest das, was Stoiber gesagt hat, wann das einmal wieder möglich sein könnte, relativ negativ waren.

 

Mittlerweile glaube ich, dass es durchaus noch eine Chance gibt, sich in der Bildungsfrage zu einigen, zumindest habe ich den Eindruck, dass es hinter den Kulissen Aktivitäten oder zumindest Überlegungen gibt, das Thema doch noch einmal aufzugreifen und zu einer Lösung zu kommen. Es ist jetzt mehreren Akteuren klar geworden, dass das noch einmal die große Chance ist. Dieses wichtige Werk gehört aus meiner Sicht in den Bereich Agenda 2010. Hier muss sich die Bundesrepublik Deutschland reformieren, und es ist im Interesse aller Parteien und Ebenen in dieser Republik, dass einige das stärker verstanden haben als vorher und noch einmal den Versuch machen werden, ob es eine Einigungsmöglichkeit gibt. Die Einigung gibt es nur – man muss sehen, wie da die Gesichtswahrung abläuft –, wenn im Thema Bildung ein weitgehender Konsens erzielt wird, womit beide Seiten leben können und die Gesichtswahrung dabei ist. Da haben der Bund aber auch die B-Länder-Seite eine wesentliche Rolle einzunehmen. Da muss man über Schatten springen, so dass ich in der jetzigen Phase denke, dass man das noch beobachten muss. Das, was wir tun können, um den Prozess nach vorne zu bringen, werden wir tun. Das spielt sich aber zurzeit hinter den Kulissen ab. Es hat keinen Sinn, große Sitzungen einzuberufen, sondern das muss sondiert werden, sonst hat es überhaupt keine Chance.

 

Dementsprechend werde ich zurzeit keinen eigenständigen Vorschlag zur Hauptstadtklausel machen. Es ist von vornherein ein schwieriges Unterfangen gewesen. Wir können einen isolierten Vorschlag zur Hauptstadtklausel von Seiten Berlins durch die Bundesratsinitiative einbringen. Ich bin sicher, dass wir im Bundesrat eine ausreichende Mehrheit dafür bekommen. Ob wir aber im Bundestag zurzeit eine Mehrheit dafür bekommen, weiß ich nicht. Die Chance war in den anderen Reformprojekten eingebettet, das in einem Gesamtpaket mitzubehandeln. Ob das isoliert möglich sein würde, möchte ich zurzeit nicht einschätzen. Auf jeden Fall, wenn man es denn tun sollte, muss man es vorher einzeln eruieren, ob das auch eine Mehrheit im Bundestag findet. Es hat keinen Sinn, mit einem Vorschlag hineinzugehen, der dann scheitert, denn das schadet Berlin mehr, als wenn wir gar nichts erreichen. – Ich habe vor dem Hintergrund der geschilderten Aktivitäten hinter den Kulissen zurzeit noch die Hoffnung, dass es vielleicht doch noch zu einer Gesamtlösung kommt. Insofern würde ich das sowieso abwarten, bevor man noch einmal in die Überlegungsphase eintritt, ob man mit einer eigenständigen Klausel als isolierte Grundgesetzänderung aktiv wird oder es lieber sein lässt, weil man merkt, dass vor allen Dingen im Bundestag eine Schwierigkeit besteht, das durchzusetzen. Ich bitte darum, dass sich Berlin insgesamt zurzeit etwas zurückhält. Beim Streit über die richtige Formel waren wir am Anfang im Dissens mit Herrn Ratzmann und Frau Künast, ob die Beteiligung der Länder der richtige Punkt ist oder ob das dann ein isoliertes Verhältnis zwischen Berlin und dem Bund werden sollte. Wir haben uns für diese Lösung entschieden. Ich halte die auch nach wie vor für die richtige Lösung, weil wir sonst nie die Unterstützung der Länder bekommen hätten. Man muss das einmal ganz praktisch sehen. Ich glaube sogar, dass das in der Relation richtig ist, dass der Bund für die gesamtstaatliche Repräsentation zuständig ist und nicht die Länder noch mit in die Verantwortung genommen werden, was nicht heißt, dass wir auch die Hauptstadt der anderen Länder sind, aber das ist eine andere Ebene der Diskussion. Insofern ist es traurig, dass es gescheitert ist.

 

Es gibt eine kleine Hoffnung, dass es doch noch aufleben könnte. Es wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Wenn, dann muss es vor der Sommerpause passieren. Es kann nicht erst danach passieren, sondern wenn es dann noch eine Möglichkeit gibt, dann passiert das jetzt demnächst. Vielleicht erst nach den Landtagswahlen – ich kann das nicht einschätzen –, aber auf jeden Fall nach der Sommerpause. – Schönen Dank!

 

Frau Vors. Michels: Danke schön! – Herr Ratzmann!

 

Herr Ratzmann (Mitglied der Föderalismuskommission): Frau Vorsitzende! Herr Regierender Bürgermeister! Meine Damen und Herren! – Die Hoffnung stirbt zuletzt, und das ist in diesem Zusammenhang auch gut so. Wir nehmen alle mit Freude zur Kenntnis, dass es hier tatsächlich noch eine Möglichkeit gibt, diesen so wichtigen Reformprozess ein Stück weit nach vorne zu treiben. Es lohnt sich, daran festzuhalten. – Der Regierende Bürgermeister hat zutreffend geschildert, wie sich die letzten Stunden der Kommission hingezogen haben. Ich habe, weil ich den Eindruck hatte, dass in der öffentlichen Darstellung viel durcheinander gegangen ist, was zum Scheitern geführt hat, insbesondere, was die detaillierte Darstellung der Position angeht, mir erlaubt, Ihnen einen Auszug aus den Erklärungen von Franz Müntefering und Herrn Dr. Stoiber mitzubringen. Das ist das, wie sie in der Kommission das Scheitern der Kommission begründet haben, und des Weiteren eine Zusammenstellung des Landtagspräsidenten aus Bayern, Herrn Glück, der die unterschiedlichen Positionen im Bereich der Bildung, die zum Scheitern des Ganzen geführt hat, noch einmal gegenübergestellt hat, so dass Sie sich ein Bild machen können, was tatsächlich zum Zeitpunkt des Scheiterns auf dem Tisch lag und Stand der Diskussion war. – Es ist richtig zu sagen, dass es hier leider keine Empfehlung gegeben hat. Ich glaube aber, im Unterschied zum Regierenden Bürgermeister, dass wir doch zumindest zwei Ergebnisse dieser Kommission haben. Das erste Ergebnis ist, dass auch die Kommission gezeigt hat, dass die Republik in dieser Verflechtung einfach nicht funktioniert. Das ist ein Spiegelbild dessen, was zur Blockade innerhalb unserer Republik führt, und wir sind leider darauf angewiesen, in diesen Strukturen die notwendigen Änderungen vorzunehmen. Anders wird es nicht funktionieren. Wir brauchen für die notwendigen Grundgesetzänderungen diese miteinander verwobenen und in Übereinstimmung handelnden Institutionen von Bundesrat und Bundestag.

 

Das zweite Ergebnis lässt sich auf der anderen Seite sehen. Es ist nämlich eine detaillierte Aufarbeitung der Probleme, die in unserem föderalen System zu Blockaden und Reformhindernissen führen. Wir haben mittlerweile einen veritablen Umfang an Papieren erreicht, und das sind nicht nur politische Lippenbekenntnisse, die abgegeben worden sind, sondern das sind detaillierte und fundierte gute Aufarbeitungen der Problemlage im föderalen System unserer Republik. Auf der Grundlage des vorliegenden Ergebnisses lässt sich durchaus darüber reden, wie diese Ergebnisse jetzt problemlösungsorientiert umgesetzt werden können. Daran sollten wir auch festhalten, und deshalb kann man den Regierenden Bürgermeister nur ermutigen, hinter den Kulissen weiter daran mitzuwirken, dass es möglichst bald einen neuen Anlauf gibt, vor diesem Hintergrund zu Problemlösungen zu kommen.

 

Jetzt komme ich zu dem eigentlichen Knackpunkt, der zum Scheitern der Kommission geführt hat: Sie werden die unterschiedlichen Positionen, die die Bundestagsseite und die Bundesratsseite dargelegt haben, die sich ineinander verhakelt haben, in den Erklärungen von Müntefering und Stoiber wiederfinden. Das Hauptthema in diesem Bereich sehen Sie noch einmal in der Synopse dargestellt, war die Frage – so hat es Müntefering zusammengefasst ausgedrückt –: Bleibt der Bund in der Bildungslandschaft, oder wird er vollständig herausgeschmissen? – Genau diese Zuspitzung war das, was aufeinander geprallt ist, und mein Eindruck war, dass innerhalb der Formation der Länder, die sehr gut aufgestellt waren, die organisatorische Leistung, die die Länder in diesem Prozess vollbracht haben, Hochachtung verdient. Das hat die Bundesregierung und insbesondere die Bundestagsseite nicht geschafft. Das war für mich auch einer der Gründe, warum dieser Prozess so schleppend gewesen ist. Klarere Formationen auf der anderen Seite und klarere Positionierungen zu früheren Zeitpunkten wären sehr viel hilfreicher gewesen und hätten verhindert, dass sich in dieser Schlussphase dieses Thema Bildung auf beiden Seiten mit den unterschiedlichen Positionen so zugespitzt hat. Diese ganze Kommission hat sich wie in einer Wellenbewegung nach vorne bewegt. Es gab erst das Eingraben auf der Länderseite und das Formieren der Positionen, und dann gab es eine Welle, wo alle Bereitschaft gezeigt haben, aufeinander zu zugehen, und dann spitzte es sich in der Schlussphase plötzlich an diesem einen Punkt Bildung – vielleicht noch an zwei, drei anderen Punkten – zu und prallte aufeinander. Das war dem Umstand geschuldet, dass die Bundestagsseite in diesem Prozess schlecht aufgestellt war, und das muss man einmal kritisch anmerken, wie man zukünftig mit solchen Prozessen weiter umgehen kann, wenn wir wirklich daran festhalten wollen, etwas auf den Weg zu bringen. – Es ist richtig dargestellt: Wenn wir etwas erreichen wollen, dann müssen wir das Thema Bildung in den Griff bekommen, und zwar genau vor dem Hintergrund dieser Position. Das ist die Grundlage, die geklärt werden muss, wo wir als Landtage mit gefragt sind, zu klären: Wollen wir, dass der Bund zukünftig aus der Bildung, und zwar in der schulischen Bildung und in der Hochschulbildung, völlig außen vor bleibt, oder sind wir der Meinung, dass der Bund mit ins Boot geholt werden müsse, so wie Herr Wowereit das gesagt hat? – Das bezieht sich auf der einen Seite auf die Kompetenz und auf der anderen Seite – das ist der für mich wesentlichere Punkt – auf die Möglichkeit, finanziell einzugreifen. Die letzten 25 Jahre waren kein Ruhmesblatt in der bundesdeutschen Bildungspolitik. Das hat uns die PISA-Studie deutlich vor Augen geführt, und die Kompetenz lag bei den Ländern. Die Länder waren diejenigen, die Bildungspolitik bestimmt haben und sich vor diesem Hintergrund auf ein so hohes Ross zu setzen, habe ich in der Diskussion und in der Zuspitzung nicht mehr verstanden. – Wer hier – es war ziemlich eindeutig –, wie die B-Länder, vor einer parteipolitischen Auseinandersetzung dieses Projekt so zugespitzt hat, handelt verantwortungslos.

 

Ich kann nicht verstehen, warum in dieser Situation die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten nicht ein Stück aus dieser Formation abgerückt sind und von sich aus versucht haben, den Prozess noch einmal in eine andere Richtung zu steuern. Dieses sich einbinden lassen hinter die Position – ich sage jetzt nicht von Herrn Stoiber, der war es nämlich nicht, sondern meiner Ansicht nach Herr Koch und Herr Wulf – und vor diesem Hintergrund die B-Länder so bestimmt haben, wo wir von den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten kein Wort gehört haben – ich meine jetzt nicht Sie, Herr Wowereit, sondern ich spreche insbesondere die Nordrhein-Westfalen und die rot-grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen an – und die Stimme erhoben und laut gesagt haben: So geht es nicht! Das können wir nicht mehr tun, und eigenständig nach außen verlautbart haben, dass es so nicht geht, habe ich nicht verstanden. – Vor diesem Hintergrund – das ist jetzt noch ein Stück Rückschau, die man aber betreiben muss, wenn man den Prozess nach vorne treiben will – ist es dringend notwendig, sich diesem Bereich der Bildung zuzuwenden und auch für uns als Abgeordnetenhaus eine vernünftige Positionierung zu finden.

 

Ich habe die Position des Bundes so verstanden, dass er gesagt hat: Veränderung – ja! Das soll sein, das, was wir an Instrumenten haben, funktioniert nicht, aber wir bleiben im Bereich der Hochschule über eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz, was Zugang und Abschluss angeht, mit im Boot. Da haben die Länder gesagt: Nein, ihr bekommt nur eine ganz minimale Rahmenkompetenz. – Daraus haben sie den Streitpunkt gemacht. – Der zweite Punkt war die Bildungsplanung. Es wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es diese Bildungsplanung in den vergangenen Jahre gar nicht funktionierend gegeben hat, sondern dass es mehr eine Schimäre gewesen ist. Da geht es in erster Linie um das Geld und das Angebot des Bundes, zu sagen: 50 % der Mittel verbleiben beim Bund, 50 % verbleiben bei den Ländern. Ich fand das nicht so schlecht. Dass sich die Länder darauf festgelegt haben zu sagen: Allerhöchstens 15 % dieser Mittel verbleiben beim Bund, war schon eine sehr weitgehende Forderung.

 

Als besonders misslich habe ich es empfunden, dass dem Vorschlag der Bundestagsseite und Herrn Münteferings, das Thema so weit auszuklammern, dass es vor der Entscheidung im Bundestag und Bundesrat über die Grundgesetzänderung noch zum Tragen kommt, nicht gefolgt worden ist. Ich habe das in diesem Bereich als verantwortungslos empfunden, gerade, weil sich in der Schlussphase der Kommission herausgestellt hat, dass die Erkenntnis über die Bedeutung dieser Reform enorm gewachsen ist. Das zu verspielen, war für mich nicht mehr verständlich, und das ist fast noch schlimmer für mich, was die B-Länder-Seite in dieser Kommission angerichtet hat, dass es keine Möglichkeit gab, sich darauf zu verständigen. – Wir müssen uns mit diesem Problem dringend auseinander setzen, gerade, wenn es die Chance gibt. Ich rege an, dass durchaus in diesem Ausschuss im Hinblick auf eine mögliche Weiterführung des Reformgedankens des föderalen Systems dieses Thema mit diskutiert wird, auch durchaus im Hinblick darauf, wie mit diesem Reformprozess weiter umgegangen werden soll. – Meine Position habe ich deutlich gemacht, dass ich und wir, als Berliner Grüne, eher dazu geneigt hätten, in Übereinstimmung mit den Vertretern im Bundestag und auch in der Bundesregierung die Kompetenzfrage im Sinne des Bundestages und des Bundestagsvorschlages mit Nuancen mit zu regeln, die sicherlich in den einzelnen Formulierungen noch hätten angegangen werden müssen, aber das strikte Junktim, das von Seiten der Länder gekommen ist, nicht verstanden habe. Ich verhehle nicht, dass in der bundesrepublikanischen Landschaft, in der grünen Landschaft, die grünen Landesverbände unterschiedlich ticken. Es gibt auch bei uns unterschiedliche Auffassungen, aber die Vehemenz, mit der das vorgetragen wurde, und das Scheitern, das damit verknüpft worden ist, ist jedenfalls bei uns von niemandem verstanden worden.

 

Ich möchte noch ein Wort zur Hauptstadtklausel sagen: Hauptstadt ins Grundgesetz. Es ist richtig, dass wir unterschiedliche Auffassungen hatten. Frau Künast und ich hatten dazu ein Papier vorgelegt und eingebracht. Ich möchte Folgendes dazu sagen: Ich habe diesen berühmten zweiten Satz immer für sehr hilfreich gehalten, nicht im Hinblick auf eine Anspruchsgrundlage, um Mittel beim Bund geltend machen zu können oder um Mittel beim Bund zu streiten, sondern als kompetenzrechtliche Klarstellung, die für die Ausführung von solchen Vorhaben durch den Bund notwendig gewesen wäre, klarzustellen, dass der Bund das darf. Wir sehen es gerade bei der Akademie der Künste. Darf der Bund unter Inanspruchnahme der ungeschriebenen Annex-Kompetenzen das überhaupt machen oder nicht? – Das wäre sehr hilfreich gewesen. Für das, was wir damit verbunden haben, die Bedeutung von Hauptstadt und den Findungsprozess für Hauptstadt nach vorne zu bringen, wären der erste und dritte Satz ausreichend gewesen. Deswegen hätten wir auch dafür geworben – das haben wir auf Bundestagsseite auch getan –, da zuzustimmen, dass der zweite Satz mit hineinkommt. Ich hätte aber die Klausel an sich nicht in den Boden getreten, nur, weil dieser zweite Satz gefehlt hat. Es wäre hilfreich gewesen, auch wenn wir alleine die Möglichkeit gehabt hätten zu sagen: Durch Bundesgesetze können zukünftig die Ausgestaltungen erfolgen. – Es war misslich, dass das kurz vor Toresschluss und ohne Diskussion und Information einfach herausgestrichen wurde, aber das betrifft auch andere Teile des Paketes. Wir waren alle hoch erstaunt, dass kurz vor Toresschluss plötzlich noch darüber diskutiert werden soll, dass die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Länder verteilt werden sollte. Ein unsinnigeres Angebot oder eine unsinnigere Initiative gibt es kaum, das man in diesem Bereich machen kann. Deswegen sind in Fachkreisen die Wellen der Empörung ziemlich hochgeschlagen, aber auch vor solchen Überraschungen war man nicht gefeit. Auch darüber hätte man nüchtern reden müssen. In diesem Bereich ist es notwendig, das in diesem Reformpaket zu machen. Es zeigt aber, dass in der Schlussphase Rationalität und gesamtstaatliche Verantwortung für diesen ganzen Prozess, gerade auf der Länderseite, wenig vorhanden waren. Man muss sich für das zukünftige Vorhaben sehr gut vor Augen führen, dass die Länder ihr Versprechen, das sie zu Anfang abgegeben haben, nämlich im Sinne von Gesamtstaat, im Sinne der Bundesrepublik als Gesamtes zu handeln und auch Verantwortung zu tragen, jedenfalls in der Schlussphase, nicht mehr gerecht geworden sind. Diese Frage muss man in diesen Prozess weiter ventilieren, ansprechen und den Ländern vor Augen halten. Wir sollten das auf jeden Fall unterstützen und von uns aus sagen, dass der Prozess weitergeführt wird. Ich war im Gegensatz zu Ihnen eher der Meinung, dass man die Frage der Hauptstadtklausel durchaus isoliert nach vorne treiben kann, weil sie in dem ganzen „Bargaining“, dem Handeln der Kommission, nicht mit eingebunden war, sehe aber ein, wenn Sie sagen, dass durchaus die Hoffnung besteht, das zu tun, dass man das erst einmal beobachtet. Wir sollten es aber nicht von vornherein ausschließen, dass es, wenn sich die Möglichkeit nicht ergibt, eine Möglichkeit für uns gibt, das in den Bundesrat einzubringen und im Bundestag die Zustimmung zu bekommen. Ich glaube, dass es auf Wohlwollen stoßen wird, aber ich gebe Ihnen Recht: So lange die Möglichkeit besteht, das Gesamtpaket noch auf den Weg zu bringen, sollte man es nicht davon abkoppeln.

 

Was ich aber für falsch hielte, wäre, jetzt einen völlig neuen Versuch zu starten. Jetzt mit einer völlig neuen Form noch einmal von vorne in den Prozess einzusteigen, ist überflüssig. Das Paket, die Problemanalyse und Lösungsvorschläge, zum Teil konsensual schon verabschiedet, liegen auf dem Tisch. Jetzt einen Konvent auf den Weg zu schicken, der gerade ohne Akteure einen Vorschlag unterbreitet, der dann aber von den Akteuren Bundestag und Bundesrat umgesetzt werden muss, sonst bringt er uns nichts, halte ich für falsch. Es ist richtig, diesen Weg zu gehen, hinter den Kulissen mit dem Paket, das wir haben, den nötigen Druck zu entfalten, vielleicht auch noch einmal aus den Landtagen und einer breiten öffentlich angelegten Debatte, den Prozess nach vorne zu schieben, um das Ergebnis, das wir haben, dann auch umzusetzen. Das kann sich sehen lassen. Gerade wir Länder – wir haben es im Ausschuss oft genug betont – müssen ein riesiges Interesse daran haben, im Bereich der Verwaltungsreform die vereinbarten beamtenrechtlichen Erweiterungen in Anspruch zu nehmen, die minimal waren, aber trotzdem einen enormen Erfolg für uns mitbringen würden, auszunutzen. Das nach vorne zu bringen ist es wert, den Diskussionsprozess noch einmal anzuschieben, und das sollten wir machen. Aber jetzt von vorne anzufangen, würde die bundesrepublikanische Diskussion eher blockieren und hindern, als sie ein Stück weit nach vorne zu bringen.

 

Frau Vors. Michels: Danke schön! – Wir treten in die Beratung ein. – Herr Dr. Lindner!

 

Abg. Dr. Lindner (FDP): Herzlichen Dank, Frau Vorsitzende! – Ich kann das sehr gut verstehen – Herr Ratzmann, Sie haben da mitgewirkt –, dass man das für sich nicht so richtig wahr haben will, dass diese gesamte Kommission im Grunde eine Fehlkonstruktion war. Das haben Sie letztlich auch beide in den Beschreibungen der Abläufe sehr eindrucksvoll dargestellt. – Ich fange einmal mit dem Bildungsthema an: Ich glaube nicht, Herr Regierender Bürgermeister, dass es zum Schluss möglich war, das Thema Bildung auch noch auszuklammern. Das klang bei Ihnen am Anfang so, als wäre das vielleicht eine Option des Rettens des anderen Teils gewesen, der zumindest schon teilweise durch verhandelt war: Bildung ausklammern. Das ging sicher nicht, weil Bildung eine ganz wesentliche Frage ist und andere große Fragen wie die Finanzverfassung, Neuordnung des Länderzuschnitts – die sowieso schon ausgeklammert waren und man sich nicht mit dem Neuorganisieren des Jagdwesens und des Küstenschutzes und auch des Ladenschlusses, so wichtig die Dinge im Einzelnen sind – und die Fragen der Bildung tragen im Wesentlichen dazu bei, dass das Land an der Stelle ist, wo es sich gerade befindet. – Ich möchte jetzt auch nicht in eine Bewertung der Arbeit von Herrn Stoiber und Herrn Müntefering einsteigen. Ich glaube nicht, dass es an den beiden lag, dass es nicht zu einem Ergebnis kam. Das hätten andere Kommissionsteilnehmer wahrscheinlich auch nicht anders hinbekommen. Man kann nur so viel sagen: Diejenigen, die immer große Hoffnungen auf große Koalitionen setzen, die waren relativ schnell eines Besseren belehrt, dass eine Zusammenarbeit, die menschlich zwischen Herrn Stoiber und Herrn Müntefering ganz gut funktionierte, nicht zu dem großen Wurf führte. Herr Ratzmann, Sie haben gerade aus ihrer eigenen Partei unterschiedliche Positionen des Berliner Verbandes zur Einhaltung der Bildungsfrage geschildert. Ich mache jetzt kein großes Geheimnis daraus, dass es in meiner Partei nicht anders war. Es wird wahrscheinlich bei der SPD und bei der CDU auch nicht anders gewesen sein. – Wir sind beim Kernproblem: Wir haben in dieser Kommission nicht nur parteipolitische Gräben, sondern auch Gräben zwischen den einzelnen Ländern, Geberländern, Nehmerländern, grundsätzlich zwischen den Ländern und dem Bund, und jeder sitzt in seinem Schützengraben. Das ist eine Erfahrung, die ich auch bei uns gemacht hatte. Das ist ein erstaunliches Phänomen, dass auch aus der Berliner Politik kommt. Da ist einer jahrelang BVV-Abgeordneter, dann kommt er ins Abgeordnetenhaus, und dann ist auf einmal alles, was er vorher an Zuständigkeiten für die Bezirke haben wollte, nicht mehr so. Genauso gibt es das Phänomen auf Bundes- und Landesebene. Da sitzen die jahrelang in Ländern, teilweise Regierungen, und verteidigen wie die Irren die Zuständigkeiten der Länderkompetenzen, kaum sitzen sie im Deutschen Bundestag oder der Bundesregierung, ist es eine ganz andere Geschichte geworden. Dieses Phänomen zieht sich durch alle Parteien. Es gibt keine nennenswerten Unterschiede.

 

Das habe ich auch selbst in der Bildungsfrage in der Fraktion versucht. Es gibt zwei Wege nach Rom. Es gibt einen Weg, der führt über die Zuständigkeit des Bundes, Bundesbildungsministerium und Bundesrat, und es gibt einen zweiten, der führt über Wettbewerb, Länder und Qualitätsmanagement und Qualitätskontrolle. Die sind beide möglich, aber wenn man das mit anderen Landespolitikern diskutiert, dann wird man als Verräter an der gemeinsamen Sache dargestellt. Das ist so, das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Es wird negiert, dass es da nicht nur einen Königsweg gibt, sondern, es muss einmal ein Weg gegangen werden, wie in den meisten Fragen, Herr Wowereit. Es muss dann entschieden werden, wer zuständig ist.

 


Jetzt stellt sich die Frage, ob man die Arbeit fortsetzen kann. Aus den gerade genannten Gründen glaube ich es nicht. Es wird weder in anderer Zusammensetzung, noch mit einem Neustart zu einem nennenswerten anderen Ergebnis kommen. Es werden immer wieder diese gerade genannten Probleme auftauchen und vor allen Dingen – der Regierende Bürgermeister hat es gesagt –, wenn jetzt ständig wichtige Wahlen sind. In diesem Jahr zwei: Nordrhein-Westfalen ist fast schon ein Vorgriff auf die Bundestagswahl, im Jahr 2006 in Baden-Württemberg, das ist auch ein wichtiges Bundesland, und dann kommt die Bundestagswahl. Wir glauben doch nicht, dass die gerade geschilderten Probleme – Grabenkämpfe innerparteilich, Grabenkämpfe Land/Bund, Geber- und Nehmerland – sich irgendwie verbessern können. Ganz im Gegenteil, sie werden noch zunehmen, und deswegen glaube ich nicht, dass es in dieser Konstellation zu einem anderen Ergebnis kommt, sondern die Konventidee, die wir Ihnen vorschlagen, hat sich schon bewährt. Sie hat sich in Deutschland selbst bewährt. Das Grundgesetz ist durch einen Konvent in seinen Grundstrukturen entstanden in Herren-Chiemsee, aber auch die EU-Verfassung. Bei der EU-Verfassung hat das genauso wenig funktioniert. Es hätte auch nicht funktioniert, wenn wir eine ähnliche Kommission gegründet hätten, wo jeder im Schützengraben steht, sondern dort hat es nur funktioniert durch einen Konvent, der mit Personen bestückt war, die eine Autorität haben, die über ihre Länder und Parteigrenzen hinaus Wirkung haben. Deswegen auch hier der Vorschlag, wie man den im Einzelnen bestückt, nicht mit Tagespolitikern, dann hätte man genau diesen Effekt wieder und wiederum nicht ausschließlich mit Verfassungsjuristen, die würden vielleicht einen hoch interessanten Vorschlag machen. Das Problem ist nur, dass der politisch unter Umständen nicht realisierbar wäre. Deswegen schlagen wir Leute – das ist nur eine beispielhafte Aufzählung – wie die ehemaligen Präsidenten wie von Weizsäcker, Bundeskanzler Helmut Schmidt, Dohnanyi, Frau Limbach, Graf Lambsdorf, Herr Genscher, Reich und andere Leute vor, die politisch Erfahrung haben, die sich auskennen, aber nicht mehr im Schützengraben stecken, nicht mehr im Tagesgeschäft, nicht mehr Bundes- oder Landespolitiker, nicht mehr primär Parteipolitiker sind, aber Erfahrungen haben und auf der anderen Seite den nötigen Abstand zum Tagesgeschäft haben. Diese Namen würden auch sicherstellen, wenn die sich auf ein Gesamtpaket einigen – das ist keine Tagespolitik –, dass wir es uns nicht leisten können, einen solchen Vorschlag abzulehnen. Es würde vielleicht noch ein wenig daran herumpoliert werden, aber man könnte es sich genauso wenig wie die EU leisten, diesen Vorschlag der Giscard-d’Estaing-Runde abzulehnen. Genauso wenig könnten wir es uns leisten, einen solchen insgesamt runden Vorschlag abzulehnen. Damit würden wir uns selbst ad absurdum führen. Deswegen ist es ein vernünftiger Vorschlag.

 

Was die Hauptstadtklausel angeht: Ich möchte auch das nicht bewerten, Herr Wowereit, was Sie über Ihre Erfahrungen im SPD-Parteipräsidium erzählt haben. Da könnte man vielleicht Schlüsse auf das Verhältnis von Ihnen zu Ihrem Vorsitzenden und das Gewicht der Berliner SPD im Bundesverband ziehen, aber das erspare ich mir jetzt. – Das Entscheidende ist, wie man jetzt mit der Klausel umgeht. Ich hatte in der Weihnachtspause gehört, es rief ein Journalist an und sagte, Sie überlegen sich, eine Bundesratsinitiative zur Hauptstadtklausel zu machen. Ich freue mich zu hören, dass Sie das nicht isoliert und abgekoppelt machen wollen, weil ich glaube, dass das isoliert betrachtet keine Chance hätte. In den restlichen Ländern wird alles andere, nur nicht die Frage der Verankerung Berlins im Grundgesetz heißt diskutiert. Wer eine solche Hauptstadtklausel will oder zumindest die Befassung mit der Thematik Berlin hier in Berlin muss sich um so mehr darum kümmern, dass aus Berlin ein Gesamtvorstoß kommt, wie es beispielsweise in dem Antrag, den wir Ihnen vorlegen, geschieht, indem wir zeigen, dass es uns nicht nur auf Berlin ankommt, sondern dass es uns wirklich um eine Neuordnung des föderalen Systems insgesamt geht, und dass wir in diesem Zuge das Abarbeiten der Berlinfrage gerne hätten, aber nicht sagen: Okay, jetzt ist das alles gescheitert, und jetzt geht es nur um Berlin. – Wir wollen das ja alle. Darüber herrscht Einigkeit, Berlin klar verankert zu wissen und den Status geklärt zu bekommen, was die ganzen Finanzierungsfragen angeht. Wer das will, dem müsste um so mehr daran gelegen sein, dass aus Berlin ein Vorstoß kommt, wie man sich dieser Problematik insgesamt neu nähert.

 

Ich bin gerne bereit, wenn Sie dem Grundgedanken näher treten könnten, es in der weiteren Diskussion mit Ihnen zu einem Gesamtvorstoß werden zu lassen, die Namen zu ändern. Die einzelne Modalität ist überhaupt keine Frage. Deswegen bitte ich Sie, es sich in Ruhe zu überlegen, dass wir das auch Morgen nicht endabstimmen – das ist auch zugesichert worden – , sondern dass wir uns in Ruhe überlegen, wie wir aus diesem Vorstoß etwas machen und daraus einen sinnvollen Berliner Vorstoß werden lassen.

 

Frau Vors. Michels: Danke! – Ich werte das jetzt so, dass Sie den Antrag gestellt haben, dass die Beschlussfassung zu vertagen ist.– Frau Paus!

 

Frau Abg. Paus (Grüne): Herzlichen Dank, Frau Vorsitzende! – Herr Ratzmann hat schon eine ganze Menge ausgeführt. Ich möchte das gar nicht kommentieren, sondern mich dem anschließen. Ich möchte mich ansonsten auf einen weiteren Punkt konzentrieren, und zwar die Bildungsfrage, woran es letztlich gescheitert ist. Das hat am Ende doch alle überrascht. Das kommt aber daher, dass in dem Prozess vorher das Thema von allen Seiten deutlich unterschätzt worden ist. Ich als Bildungspolitikerin habe das in dem Verfahren so erlebt, dass die Bildungsfrage so eingereiht worden ist, wie viele andere Fragen auch. Es hieß, dass alle Fachgebiete davon betroffen sind, und jeder muss seinen Beitrag leisten. Es wird auch in der Bildungsfrage Abschleifungen geben, und ansonsten kann ich mich noch daran erinnern, dass in der letzten Sitzung, als wir im Ausschuss das Thema behandelt haben, Herr Momper entsprechende Befürchtungen beschwichtigt hat, genau mit dem „Mohrrübenargument“, Herr Wowereit, dass Sie noch einmal gebracht haben: Im Zweifel machen Sie sich keine Sorgen, solange es noch eine Öffnung für eine Mohrrübe gibt, wird sich faktisch doch nicht so viel ändern.

 

Das war das zentrale Problem, und nicht, wie Bund und Länder sich aufgestellt haben, sondern dass in dem Prozess die Bildungsfrage systematisch unterschätzt worden ist, und dass man sich hinterher doch gewahr wurde, welche hohe Bedeutung die ganze Frage hat. Ich finde die Länderposition, die sich dann als Mehrheitsposition herauskristallisiert hat, innovationspolitisch verheerend und stehe damit auch nicht allein. – Ich möchte noch einmal kurz zitieren: Am Wochenende hat es wieder „Berliner Lektionen“ gegeben, dieses Mal mit dem Ex-Präsidenten der Stanford-University, Herrn Casper. Herr Casper hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Stanford-University, die gern angeführt wird, wenn es darum geht, wo sich die deutsche Universitätslandschaft hinentwickeln muss, wenn es keine Bundeskompetenz und kein US-föderales Geld für den Hochschul-, Bildungs- und Forschungsbereich gegeben hätte, mit allergrößter Sicherheit heute noch irgendein Regional-College wäre, weil die Stanford-University von den Bundesmitteln beispielsweise in diesem Jahr eine Milliarde Dollar bekommt. Das ist zentral wichtig einzureihen, dass es dort eine bundespolitische Kompetenz gibt. In der Innovationsdebatte, die im letzten Jahr zumindest zum Teil begonnen hat, wäre es wichtig gewesen, das entsprechend einzubetten. Deswegen braucht es eine Bundeskoordinierung, und es wurden keine unsittlichen Angebote von Bundesseite gemacht. Deswegen bin ich in dem Teil froh, dass es zu keinem endgültigen Abschluss gekommen ist, sondern bin fest der Überzeugung, dass an einer vernünftigen Lösung für die Bildungsfrage und auch für die Perspektive Deutschlands intensiv gearbeitet werden muss.

 

Deshalb habe ich eine Frage an Herrn Wowereit: Sie haben gesagt, dass Sie wieder ein wenig Hoffnung haben, dass in dem Bereich die Möglichkeit zur Einigung besteht. Natürlich muss man sein Gesicht wahren, deswegen werden Sie mir jetzt wahrscheinlich nicht sagen, wer da wie hinter den Kulissen dieses oder jenes versucht. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, wie man den Prozess wieder anschiebt. Die Föderalismuskommission ist formal nicht aufgehoben, aber die Frage ist, wie man diesen Prozess wieder zum Laufen bekommt. Einfach über Bundesratsinitiativen wird es nicht gehen. Man kann nicht alles, Hauptstadtklausel usw., in Bundesratsanträge verwandeln. Wie geht es dann wieder los? Hat es Treffen beim Bundespräsidenten gegeben? Wie stellen Sie sich den Prozess jenseits der Frage, wer da wie an welcher Ecke schiebt, vor?

 

Zum Antrag der FDP möchte ich ergänzen: Herr Lindner, aus meiner Sicht haben Sie es nicht ganz richtig dargestellt. Es war so, dass die Kommission zwar nicht genauso zusammengesetzt worden ist, wie der Konvent bei der EU-Verfassung, aber der EU-Verfassungskonvent hat schon Pate gestanden. Dann hat es Änderungen gegeben. Ausgangspunkt war: Oh, da hat etwas geklappt, indem sich unterschiedliche Ebenen zusammengesetzt haben, und es wäre sinnig und notwendig, das innerhalb Deutschlands für den Föderalismus zu machen. – Dann ist es zu dieser Konstruktion gekommen, die ich nicht klasse fand. Gerade aus Landtagssicht war das keine gelungene Lösung, aber das war das Modell, das Pate gestanden hat. Ich finde das zu diesem Zeitpunkt nicht richtig, weil das alles komplett noch einmal aufmachen würde. – Das einzig sympathische an Ihrem Antrag, ist: Sie haben selber gesagt, dass es ein ganz interessantes Phänomen ist, wenn man das Bewusstsein in Bezug auf die Positionierung bestimmt. Wenn ich mir jetzt Ihre Liste von Persönlichkeiten anschaue, die Sie in den Konvent setzen wollen, dann ist diese Angelegenheit eher bundeslastig. Deswegen würde ich von der Bildungsfrage eine andere Position erwarten, als sie sich momentan auf der Länderseite dargestellt hat. Das ist der einzige Charme, den ich Ihrem Antrag an dem Punkt beimessen würde.

 

Frau Vors. Michels: Danke schön! – Herr Hahn, bitte!

 

Abg. Hahn (FDP): Ich möchte zunächst auf die Bewertung des Scheiterns eingehen, bevor ich auf den Vorschlag, den wir unterbreitet haben, der zur Diskussion steht und geändert werden könnte, gerade was Personen anbetrifft, eingehe. Ich beginne mit einem Zitat von Metternich; nicht, weil er uns politisch besonders nahe steht, sondern einige Erfahrungen im Zusammenhang mit Föderalismus im Deutschen Bund mitgebracht hat, in dem einiges komplizierter war als es heute in unserem Föderalismus der Fall ist. Er hat nämlich einmal gesagt: „Wenn man ein Verhandlungsergebnis haben will, stellt man Maximalforderungen. Wenn man kein Verhandlungsergebnis haben will, es also hintertreiben will, stellt man Minimalforderungen.“ – So ähnlich scheint mir das beim Abschluss der Föderalismuskommission gewesen zu sein. Dass es sich auf die Bildungsfrage zuspitzte, ist meines Erachtens gar nicht unbedingt nur in der Bildungsfrage an sich zu suchen, sondern es ist symptomatisch, was gespürt wurde. Die Bundesregierung dachte, dass sie einen Kompetenzzuwachs bekommen kann, und die Länder sahen sich am Schluss wohl im tiefen Gefühl – das halte ich für die Ursache des Scheiterns – in einer zentralen Kompetenz geschwächt und mit dem Ergebnis der ganzen Beratungen nicht etwa dahin gebracht, dass sie wieder ein verstärktes Aufleben ihrer eigenen Möglichkeiten spüren, sondern das Gegenteil drohte. Das halte ich dabei für das zentrale Problem.

 

Deswegen bin ich nicht der Ansicht, dass es ohne weiteres zu lösen ist oder es im Sommer noch zu einer Einigung kommen kann, einmal abgesehen vom ganzen Politspektakel. Wenn man sich dazu noch die äußeren Umstände betrachtet, dann wird man das noch viel weniger annehmen können. Ich könnte es mir nur denken, dass es zu einer Lösung käme, wenn die Bundesregierung plötzlich auf ihre Positionen verzichten würde, und zwar samt und sonders. Das ist nicht zu erwarten – Sie schütteln den Kopf, Frau Paus –, und auch nicht unbedingt klug, denn wir wissen, dass es auch im Bildungsbereich Probleme gibt und dass das so, wie das bisher gelaufen ist, nicht weitergeht. Das haben wir sehr früh erkannt und sehen das auch nach wie vor. Das Problem ist nur, dass sich das hierauf zugespitzt hat, weil die Länder spüren, dass sie keinen eigenen Bedeutungszuwachs durch die Kommission bekommen können. Dabei sehe ich die ganze Krux. Die Agenda war im Grunde zu klein. Sie konnte das Problem, das sie sich vorgenommen hatte, gar nicht lösen. – Lambsdorff hat das – ich habe das auch einmal im Plenum zitiert – zusammengefasst, indem er sagt: „Die Entflechtung wird uns nicht gelingen, weil der harte Kern blockadeträchtiger Gesetze nicht angegangen wurde.“ – Das sind nun einmal die Finanzfragen. Ich möchte das gar nicht wieder auftun, aber ich glaube, dass eine solche Reform, die den Föderalismus neu belebt und auch dem Länderparlamentarismus wieder eine Chance gibt. Wo ist das eigentlich geblieben? – Wenn das angegangen werden soll, müssen wir die Dinge besser vorbereiten. Das ist das Thema unseres Antrages. Die Beteiligten sind alle gutwillig gewesen. Das ist auch nicht unbedingt eine reine Fehlkonstruktion, so wie sich das zusammengesetzt hat. Es ist nur schwer, bei der „Reform der Reformen“, um noch einmal Lambsdorff zu zitieren, aus dem Stande und der aktuellen Tagespolitik heraus zu einem Ergebnis zu kommen. Das wird nicht gelingen. Das muss wesentlich besser vorbereitet werden.

 

Deswegen haben wir den Vorschlag des Konvents gemacht, weil hier eine Zwischenstufe nötig ist, auch um die Probleme anzureißen, die sich die Föderalismuskommission nicht vorgenommen hat, denn wenn man hier nicht skizzieren kann – es muss nicht alles umgesetzt werden, was ein Konvent ausarbeitet –, das war weder in Herren-Chiemsee so, noch wird es mit dem europäischen Verfassungskonvent so sein. Auch der wird sich nicht in allen seinen Teilen durchsetzen, das sieht man jetzt schon. Aber es ist zumindest ein Ansatz. Man muss die Probleme bis zu ihren letzten Konsequenzen skizzieren. Man muss das durchdenken, was für die lange Zukunft angedacht werden muss. Das muss man alles zusammenfassen und Vorschläge haben, muss die Menschen und Politiker damit konfrontieren, welche Strategien für die Zukunft, welche Konzepte vorliegen, damit man zu einem Ergebnis kommen kann. Ich bleibe da wieder bei Metternich: Maximale Forderungen führen am Ende eher zum Kompromiss als die minimalen. – Deswegen halte ich es für nötig. Ich meine, dass Sie sich damit auch einen Gefallen tun, als Fraktion insgesamt für Berlin dem Gedanken näher zu treten. Wir vergeben uns hier nichts. Wir legen nicht unbedingt Wert darauf, dass das die großartige FDP-Idee sein muss. Der Gedanke eines solchen Konvents liegt so nahe für jede Gruppe. Der hat nichts parteispezifisches, aber er wäre ein guter Anstoß für Berlin, einen Weg aus der Sackgasse zu finden. – Deswegen appelliere ich an Sie, der Sache nahe zu treten und dass Sie das mit unterstützen. Sie können parallel alle anderen Bemühungen auch weiter voranbringen. Das schadet alles nichts, aber es ist zumindest ein Weg aus dem Dilemma und von Berlin aus die Diskussion wieder aufzunehmen. Vielleicht gelingt es uns dann auch in unseren Berliner Forderungen wieder mehr Sympathie auf Seiten der anderen Länder und des Bundes zu finden. – Schönen Dank!

 

Frau Vors. Michels: Danke schön! – Herr Zimmermann!

 

Abg. Zimmermann (SPD): Schönen Dank! – Herr Hahn, das mit Metternich hat mir jetzt nicht unmittelbar eingeleuchtet, wenn man die Geschichte der Föderalismuskommission betrachtet. Der Einwand, es sei nicht vorbereitet gewesen und daran sei es gescheitert, ist eindrucksvoll widerlegt worden. Die Vorbereitungsarbeiten von allen Seiten waren sehr intensiv. Die Vorschläge lagen alle auf dem Tisch. Deswegen zieht Ihre Begründung an dem Punkt nicht. Ich möchte nur wenig zu den Grundsätzen sagen, die uns da beschäftigt haben: Zunächst einmal muss man festhalten, dass Berlin in diesem ganzen Prozess und in der Kommission eine konstruktive Rolle gespielt hat. Das ist überall wahrgenommen worden. Es gab die Vorschläge zum Beamtenrecht. Es gab Vorschläge zur Hauptstadtrepräsentanz. Es gab die Vermittlungsrolle bei der Bildungsplanung und Ähnliches. Deswegen kann man von uns aus sagen, weil wir uns das auch als Ausschuss genauer angesehen haben: Hier hat Berlin eine sehr konstruktive Rolle in diesem Prozess gespielt, und das war auch ganz in unserem Sinne.

 

Die beiden Mitglieder haben vorgetragen, woran es dann im Einzelnen gescheitert ist. Auch uns stellt es sich so dar, dass an bestimmten Forderungen, sowohl aus der Länderseite und insbesondere der B-Seite, was die Bildungsfragen anbetrifft, als auch eine mangelnde Bereitschaft auf Bundesseite, darauf einzugehen, die entscheidenden Probleme lagen. – Eines möchte ich aus unserer Sicht festhalten: Man kann in der Frage der Bildungsplanung diese Maximalforderungen, von denen Sie sprechen, eben nicht erheben, denn dann führt es zu diesem Ergebnis. Es muss der Versuch unternommen werden, dem Bund an dem Punkt etwas zu lassen, was des Bundes ist – wir haben das schon öfter gesagt – und gleichzeitig den Ländern ihre Kernkompetenz zu belassen. Der Regierende Bürgermeister hat angedeutet, dass die Bildungsfragen der Zukunft genau der richtige Weg sind, und deswegen hoffe ich, dass wir bei der weiteren Debatte aus diesen Gräben herauskommen – wir waren da nicht drin, aber andere – und dass gerade die B-Seite von dieser Maximalforderung, bei Bildungspolitik alles in die Länder und dem Bund nie wieder irgendeine Kompetenz bei Bildung zu lassen, in die Sackgasse führt. – [Abg. Hahn (FDP): Das haben wir ausdrücklich gewollt!] – Wir haben gesehen, dass das das Problem war. – Unsere beiden Mitglieder haben auch die einzelnen Probleme im Bildungsbereich vorgetragen. Hier kommt man in den Fragen der Exzellenzförderung, der Forschungsförderung und auch der Kinderbetreuungsförderung – die Krippenförderung ist auch im Bundesrat gescheitert – zu einem solchen Kompromiss, dass der Bund am Ende die Möglichkeit hat, nationale Erfordernisse durchaus mit anzustoßen.

 

Es ist nicht immer sinnvoll, nachzukarten. Wir sollten nach vorne sehen, was jetzt zu tun ist. Wir meinen, dass es Sinn macht, alsbald die umfangreichen Vorarbeiten zu nutzen, um dieses Projekt möglichst bald zum Erfolg zu führen. In welcher Form das geschieht, muss geprüft werden. Da unterstütze ich, dass man jetzt nicht noch einmal einen Prozess organisiert. Man steckt alle möglichen Köpfe zusammen, ohne vorher die Kernprobleme sondiert zu haben, dann hat man nämlich das Déjà-vu-Erlebnis, und dann kommt genau das gleiche Problem, das wir schon hatten. Deswegen ist es völlig richtig zu versuchen, zentrale Konfliktfragen vorher zu sondieren, Lösungsmöglichkeiten zu klären und dann zu entscheiden, wie man dort weiter verfährt. Deswegen hat der Senat unsere volle Unterstützung bei dem, was der Regierende angekündigt hat.

 

Daraus folgt auch, dass der Vorschlag eines Konvents aus ganz vielen Elder-Statemen, die Sie vorgeschlagen haben, noch dazu hauptsächlich auf Bundesseite, wahrscheinlich nicht nur kein vernünftiges Ergebnis, sondern vor allen Dingen auch kein durchsetzungsfähiges Ergebnis produzieren könnte, sondern hier hat es gerade nicht an Vorschlägen und intelligenten Lösungsansätzen gefehlt, sondern an Entscheidungen. Und ein solcher Konvent aus den ganzen Elder-Statemen würde eine solche nicht herbeiführen können, insofern sehen wir auch diese Frage äußerst kritisch bis ablehnend. – Ich sehe jetzt auch keinen Grund, da wir das schon ausführlich diskutieren, dies noch einmal zu vertagen. Eigentlich müssten Sie noch einmal sagen, warum das vertagt werden muss, ansonsten ist es aus meiner Sicht entscheidungsreif. Diese Sache ist eine Totgeburt und man kann das heute auch ablehnen.

 

Die Arbeit sollte bald wieder aufgenommen werden. Ich wäre dagegen zu sagen: Jetzt ist das alles gescheitert, jetzt kann wegen Landtags- und Bundestagswahlen die nächsten drei Jahre überhaupt nichts mehr passieren, sondern im Sinne der Vorschläge sehen auch wir die Notwendigkeit, das, was an Vorarbeiten geleistet ist, zu nutzen und in dem aufgezeichneten Weg den Versuch zu unternehmen, alsbald zu Ergebnissen zu kommen.

 

Frau Vors. Michels: Danke schön! – Herr Tromp!

 

Abg. Tromp (CDU): Wir sind uns in der Bewertung des Scheiterns einig, dass es ein Armutszeugnis für die Politik ist, dass über ein Jahr in dieser Kommission verhandelt wird, dass man einem Kompromiss sehr nahe ist, und dann in Zeiten, wo die Politik den Bürgern in diesem Land etliche Reformen zumutet, selber nicht zur eigenen Reform in der Lage ist. Insofern ist es sicherlich nicht gerade eine gute Stunde für uns alle gewesen, als das Scheitern der Kommission verkündet wurde. Wir machen es uns auch ein wenig zu einfach, wenn man mit dem Finger auf die jeweils andere Seite zeigt und sagt: Die sind Schuld, die A-Länder, die B-Länder und die Partei oder jene Partei. – Beim Bildungspolitik möchte ich nur daran erinnern, dass in den Tagen nach dem Scheitern auch sozialdemokratische Vertreter, sei es Herr Drechsler, Fraktionsvorsitzender im Landtag Baden-Württemberg oder Herr Steinbrück mit den Worten zitiert wurden, dass es nicht klug vom Bund war, das Thema Bildungspolitik so auf die Tagesordnung zu heben, weil es von Anfang an für die Länder klar war, dass dieses Thema eigentlich nicht angerührt werden sollte – [Zuruf der Frau Abg. Paus (Grüne)!] –, dass der Bund dort mehr Kompetenzen bekommen soll. Der Versuch ist dann gemacht worden. – [Zuruf des RBm Wowereit!] –

 

Es ist müßig, darüber zu diskutieren: Hätte man an der oder der Schraube noch weiter etwas machen können? – Da bin ich bei Ihnen, Herr Zimmermann, dass man nach vorne schaut und überlegt, wie man den Karren aus dem Dreck bekommt. An der Stelle – mit Verlaub, Herr Hahn – glaube ich nicht, dass wir ein Ideenproblem haben oder dass man nicht die Baustellen lokalisiert hat, an denen Veränderungen nötig sind, sondern wir hatten ein Entscheidungsproblem. Dieses Entscheidungsproblem werde ich, wenn die verantwortlichen Politiker auf der Ebene, angeführt von Müntefering und Stoiber, auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht in der Lage sind, sich zu einigen, auch bei einem Konvent haben. Insofern glaube ich nicht, dass uns die Idee eines Konvents weiterführt. Ich wünsche mir vielmehr, dass das Gespräch, das unser Bundespräsident mit den beiden Verhandlungsführern geführt hat, mit dazu beiträgt, dass bis zur Sommerpause – Herr Stoiber hat das als Zeitfenster noch einmal deutlich gesagt – die Chance besteht – Herr Wowereit hatte eben auch noch gesagt, dass er die Hoffnung hat, dass sich an der Stelle noch etwas bewegen kann –, den Faden der Föderalismuskommission noch einmal aufzunehmen und an der Stelle weiterzumachen, wo man im Dezember gescheitert ist und dass das – wenn überhaupt – eher eine Chance birgt und schneller geht. Konvent bedeutet, dass man de facto alles auf Null stellt, dass man wieder von vorne anfängt, und ob es dann ein, zwei oder drei Jahre dauert, lasse ich jetzt einmal dahingestellt. Es wird jedenfalls ziemlich lange dauern. Insofern sollte man erst versuchen, die Föderalismuskommission bis zur Sommerpause doch zu einem Erfolg zu führen, und wenn es dann immer noch nicht geglückt ist, muss man sich sicherlich noch einmal Gedanken machen, wie man dann weitergeht.

 

Ein letzter Punkt: Herr Wowereit, ich habe das wohl vernommen, dass Sie die Hauptstadtklausel nicht isoliert weiterverfolgen werden. Ich teile Ihre Meinung und unterstütze sie in dem Punkt. Es würde Berlin keinen Dienst erweisen, wenn wir an der Stelle Einzelinteressen verfolgen, wo die gesamte Republik immer noch darüber diskutiert, wie man das große Ganze ändern kann. Da würde auf Berlin sicherlich ein schales Licht fallen. Insofern ist der Weg richtig, erst einmal zu probieren, das Gesamtpaket in irgendeiner Form zu retten und dabei in dem Zusammenhang die Interessen Berlins zu wahren.

 

Frau Vors. Michels: Herr Ratzmann!

 

Herr Ratzmann (Mitglied der Föderalismuskommission): Ich muss mich leider verabschieden, weil ich einen weiteren Termin habe. Ich denke, es ist alles gesagt worden.

 

Frau Vors. Michels: Herzlichen Dank für Ihre Bereitschaft, im Ausschuss Rede und Antwort zu stehen. – Frau Dr. Hiller!

 

Frau Abg. Dr. Hiller (PDS): Danke schön! – Ich meine, dass das Scheitern der Föderalismusreform gezeigt hat, was sich in der Berliner Republik an vielen Ecken zeigt, dass zwar alle nach Reformen schreien, letztlich aber, wenn sie betroffen sind, nur mit Mühe bereit sind, Kompromisse einzugehen und dass ist gerade bezogen auf die Reformierung im Bereich Bildung bedauerlich, weil gerade da hinsichtlich einer europäischen Einigung eine stärkere Position Deutschlands durchaus angemessen gewesen wäre. Ich bedauere das sehr.

 

Ich hätte gerne Herrn Ratzmann etwas mit auf den Weg gegeben, vielleicht kann Frau Paus es ihm auch sagen: Ich habe auch wahrgenommen, dass Herr Wowereit am Ende mit der Hauptstadtklausel ziemlich alleine stand, allein gelassen auch vom weiteren Berliner Vertreter, was mir insofern befremdlich war, dass jemand, der aus dem Berliner Parlament ist, auch wenn er für eine Partei dort ist, durchaus die Position des Regierenden Bürgermeisters unterstützen könne. Und gerade in der öffentlichen Wahrnehmung erschien mir das bei Herrn Ratzmann zu einem bestimmten Punkt nicht mehr der Fall zu sein, gerade auch im Nachhinein betrachtet. Ich hätte an ihn die Frage, ob es möglich ist, sich da vorher stärker zu einigen, auch in der Öffentlichkeit gemeinsam Berliner Positionen zu vertreten und nicht weltmännisch, staatsmännisch Positionen einzunehmen, die an der Stelle gegen Berlin gerichtet sind.

 

Herr Wowereit, wenn Sie sagen, Sie wollen keinen isolierten Vorschlag mehr einbringen, heißt das dann, dass Sie hinter dem bisherigen, hinter den drei Sätzen zurückbleiben werden oder dass – was meine Meinung wäre – dieser Faden wieder aufgenommen und wieder neu versucht wird, ins Rennen zu bringen? Ein neuer Anfang ist möglich. Ich hoffe, dass er auch gemacht wird.

 


In dem Sinne zum FDP-Antrag: Die Föderalismuskommission hat seit Oktober 2003 gearbeitet, also über ein Jahr. Eine Expertenkommission würde mindestens genauso lange brauche, um wieder ins Rennen zu kommen. Ich halte es für wenig hilfreich, wieder mit neuen Leuten neu zu diskutieren. Man sollte das bisher Erreichte wieder aufnehmen und möglicherweise auch umsetzen. Aus der Sicht ist es also eine Ablehnung Ihres Vorschlags.

 

Frau Vors. Michels: Danke schön! – Herr Lindner!

 

Abg. Dr. Lindner (FDP): Es ist schwierig, ein richtiges und höfliches Wort dafür zu finden. Wie naiv muss man sein, um überhaupt ansatzweise auf eine solche Idee, wie Sie sie haben, aber auch Herr Zimmermann und Herr Tromp, dass in diesem Wahljahr bis zum Sommer irgendetwas herauskommen soll, kommen zu können. Es ist doch völlig ausgeschlossen, dass die Föderalismuskommission bis zur Sommerpause Erfolg haben kann. Die kämpfen bis zum Sommer in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen um Mehrheiten, um die Ablösung von Rot-Grün oder um das Halten dieser Regierung. Es ist völlig ausgeschlossen, dass in dieser Phase etwas dabei herauskommt. Und dann beginnt der Bundestagswahlkampf, und deswegen läuft das Argument, dass ein Konvent länger Zeit braucht, völlig ins Leere. Das Gegenteil ist richtig. Die könnten jenseits der Wahlkämpfe arbeiten und auch die bisherigen Verhandlungsergebnisse – so es welche gibt –, den Verhandlungsstand, die Synopsen und – das, was Herr Ratzmann gesagt hat – die Aufarbeitung heranziehen und darauf ihre Diskussionen fortsetzen.

 

Aber es ist doch etwas anderes, ob Leute vom Bundespräsidenten einberufen werden. Natürlich würde er sich mit den Vertretern der Parteien, der Fraktionen und dem Bundesrat abstimmen. Aber bei der Aufzählung von Persönlichkeiten, die wir Ihnen beispielhaft machen, Frau Paus, man kann sich noch darüber unterhalten, ob man die Länderseite stärkt. Viele von ihnen haben sowohl beim Bund als auch im Land gewirkt, z. B. Roman Herzog. Dohnanyi war Bürgermeister von Hamburg, also nicht nur Bundespolitiker. Weizsäcker war hier Regierender Bürgermeister und Bundespräsident. Wenn diese Leute einen Entwurf vorstellen, entsteht medial, aber auch politisch ein ganz anderer Druck auf die zu entscheidenden Gremien. Das sind dann Bundesrat und Bundestag, die über einen solchen Vorschlag befinden. Natürlich wird es Änderungen geben. Kollege Hahn hat gesagt, was bei Herren-Chiemsee und im Europäischen Konvent passiert ist. Aber das wurde genau deswegen gemacht. Dem Druck, der dann entsteht, kann man sich schwerer entziehen. Das wurde hier gerade fortgeführt. Der eine sagt: Die B-Länder sind schuld. – Der andere sagt: Der Bund ist schuld. – Das ist hier gerade im Mikro noch einmal aufgeführt worden, was draußen stattfindet. Allein diese Sitzung müsste Ihnen zeigen, was draußen erst recht fortgeführt wird.

 

Noch einmal: nicht mit irgendwelchen Verfassungsjuristen. Das könnte man genauso ablehnen. Gerade mit diesen Persönlichkeiten ist es eine Möglichkeit – keine Erfolgsgarantie – sich diesen Dingen zu nähern. Aber zu sagen, dass sie noch im Wahljahr weitermachen sollen, ist eine Beerdigung dritter Klasse.

 

Aus diesen Gründen bin ich ein bisschen enttäuscht. Ich glaube, Ihre Bundesebene hat zur Konventidee anderes geäußert. Das werden Sie morgen noch genauer bekommen. Das ist bei Ihnen ein bisschen das Problem. Herr Ratzmann war dabei. Er ist jetzt auch ein bisschen enttäuscht und möchte nicht, dass diese Kommission, in der eine gewisse Bundesrolle wahrgenommen hat, hier beerdigt wird. Das verstehe ich auch. Aber eigentlich könnten Sie auch einmal über Ihren Schatten springen, auch wenn die Idee von der FDP kommt und es hat Ihre Bundespartei mitgetragen. Wenn Sie das auch nicht tun – und der Rest hat auch ganz klar Ablehnung signalisiert –, möchte ich die Sachen nicht unnötig prolongieren. Es war ein Angebot, es heute nicht zur Abstimmung zu stellen. Wenn bei Ihnen wenigstens ein gewisses Grundinteresse besteht, in dieser Richtung einen Vorschlag zu machen, wenn Sie sich so positionieren, wie Sie es gerade getan haben, können wir das gern abstimmen und warten auf den Sommer.

 

Frau Vors. Michels: Danke schön! – Herr Hahn!

 

Abg. Hahn (FDP): Ich möchte noch etwas ergänzen, weil es mich ein bisschen verwundert bzw. geärgert hat. Man kann sich die Diskussion nicht so leicht machen, und ich wundere mich über die illusionären Vorstellungen über das Fortgehen der Angelegenheit. Soweit ich den Sinn von dem verstanden habe, was der Kollege Zimmermann vorgetragen hat, heißt das zugespitzt: Wir müssten uns auf die Position des Bundes verständigen, und dann wäre der Kompromiss möglich. Das hat mich besonders gewundert, weil wir uns alle auf die Münchner Erklärung eingestimmt haben. Wir haben uns trotz unserer Bedenken in der Bildungspolitik – in der wir schon immer betont hatten, dass wir verstehen können, dass es eine stärkere Vereinheitlichung geben muss – hinter die Münchner Erklärung, hinter die Länderposition gestellt. Herr Ratzmann hat vorhin erklärt, dass die Länder gut aufgestellt waren und die Position getragen haben. Wenn ich mir die Synopse von Bayern ansehe, steht hier: Position Bund und Position Länder – und die Länder wollten das nicht. Es ist doch eine Illusion anzunehmen, dass Bayern jetzt zurückfällt und die Position des Bundes übernimmt und dem Bund die Kompetenzen für das Hochschulrahmengesetz gibt und bis hin zur Kita Eingriffe des Bundes zulässt. – [Zuruf: Das ist die Position von Herrn Zimmermann!] – Das ist die Erwartung. Wenn ich eine Erwartung wecke, dass es diesen Sommer noch gelöst werden könne, frage ich mich, wie das geschehen soll. Ich sehe nicht, dass Bayern die Positionen, die sie hier aufgestellt haben, aufgeben und die Kompetenz des Bundes akzeptieren. So hatte es der Kollege Zimmermann vorgeschlagen. Er hat nicht gesagt, dass sich der Bund bewegen muss, sondern umgekehrt. – [Zuruf: Beide!] – Ja, beide. Aber was soll denn da am Ende herauskommen. Das ist ein klassischer Konflikt. Die Länder sagen: Das ist unsere Hoheit. Wenn ihr uns die nehmt, höhlt ihr uns noch weiter aus. – Da hilft nicht das Notar-, Jagd- und Versammlungsrecht. Deswegen ist der Ansatz, dass wir das ganze Problem der Föderalismusreform zu Ende denken müssen. Dazu gehört auch die von der Föderalismuskommission von vornherein ausgeklammerte Frage der Finanzverfassung. Die muss aber einmal beantwortet werden. Es muss darüber nachgedacht werden, weil die Länder nur dann auf Forderungen des Bundes eingehen können, wenn sie sehen, dass sie irgendwann einen Bedeutungszuwachs bekommen und in die Lage versetzt werden, das politisch und finanziell zu verantworten, was sie auf ihrer Ebene planen wollen. Es hilft uns nicht mehr, dass wir mit dieser kleinen Agenda kommen. Wir müssen die Dinge bis zu Ende denken, und wir brauchen Vorschläge, die unterschiedlich sein und Varianten enthalten können. Aber wir brauchen es, um zu sehen, wohin dieses Land insgesamt gehen muss. Nur dann kommen wir dazu, vielleicht Teile der Vorschläge der aktiven Politiker mit aufzunehmen. Im Übrigen können sie durchaus in einem Konvent vertreten sein. Warum denn nicht? – Das steht jedermann offen. Das kann man als Änderungsantrag einbringen.

 

Deswegen noch einmal der Appell, sich die Sache nicht leicht zu machen, nicht zu denken, dass das Problem leicht zu lösen ist und dass das alles eine Theaterveranstaltung war, die im Föderalismuskonvent stattgefunden hat und dass man mit einem bisschen guten Willen die Sachen bis zum Sommer lösen kann. Das ist nicht so, und diejenigen, die dabei waren, werden es wahrscheinlich besser wissen als alle anderen. Deswegen muss es einen anderen Vorschlag geben. Ich möchte Ihnen die Gelegenheit geben, darüber nachzudenken, und deswegen bitte ich darum, dass wir das nicht abstimmen, sondern noch einmal nachdenken, vielleicht noch einmal die geführte Diskussion beobachten und in anderen Ländern fragen. Sie werden darauf zurückkommen. Davon bin ich überzeugt. Und wenn nicht Sie, dann werden es andere in diesem Land tun. Es ist wie bei Tarifverhandlungen: Irgendwann kommt der Moment – wenn man sich gar nicht einigen kann –, dass man einen Schlichter braucht. So wird es hier auch kommen.

 

Frau Vors. Michels: Danke schön! – Ich hatte nicht den Eindruck, dass es sich irgendeiner hier im Ausschuss leicht macht. Das zeigt auch, dass wir jetzt zum dritten Mal gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister und Herrn Ratzmann hier sitzen. Wir tun uns selbst keinen Gefallen, wenn wir es in diese Kategorie schieben. – Jetzt hat der Regierende Bürgermeister noch einmal das Wort.

 

RBm Wowereit: Ich möchte zwei Fragen beantworten. Frau Hiller hat gefragt, ob wir mit der alten Formulierung in das Rennen gehen würden. Die Formulierung ist so ausgetestet und hat eine breite Unterstützung bekommen, und zwar nicht, weil sich einige Leute erpresst fühlten, sondern viele haben es als inhaltlich richtig empfunden, dass diese drei Sätze bleiben sollten. Deswegen würde ich auch nicht noch einmal unseren Ursprungsvorschlag machen. Ich glaube, dass sie jetzt – wenn überhaupt – konsensfähig wären.

 

Ich habe gleich nach dem Scheitern der Föderalismuskommission gesagt und möchte das hier noch einmal betonen: Zurzeit gibt es keine Möglichkeit, einen eigenständigen Vorschlag zu machen. Wenn es sich geklärt hat, ob es noch eine Chance gibt – das werden wir bis zum Sommer merken –, dann freue ich mich, dass der Kollege Ratzmann mehr Optimismus hat, was die Bundestagsseite anbelangt. Das muss eruiert werden. Man kann man dann auch eruieren, ob man eine Mehrheit bekommt. Im Bundesrat kann man selbst ziemlich viel dafür tun. Da gab es auch keine Irritationen. Es ist alles nicht leicht, was im Zusammenhang mit Berlin steht. Aber im Bundestag muss man sehen, ob die Mehrheit dort – und es muss eine Zwei-Drittel-Mehrheit sein – zu Stande kommen könnte. Das muss man eruieren. Man würde natürlich auch auf die Abgeordneten aller Fraktionen im Deutschen Bundestag zugehen, auch auf die Berliner, um mit den Fraktionsspitzen Gespräche zu führen. Das kann man eruieren, bevor man so einen Vorschlag macht. Deshalb sollten wir erst einmal abwarten und dann eruieren, ob man mit dem Vorschlag eine Chance hat, denn noch einmal: Bei einem Scheitern im Deutschen Bundestag haben wir noch einmal dokumentiert, worum es uns geht, aber ich glaube nicht, dass es uns nützt. Uns nützt es nur, wenn es durchgeht. Ich fand den Diskussionsprozess bis dahin gut.

 

Ich erinnere mich noch an den Vorschlag, den wir in Potsdam eingebracht haben. Wie es immer ist: Dann sehen die Journalisten vor der Tür, und jeder Ministerpräsident wird angesprochen und muss sich aus dem stehgreif positionieren. Was Herr Platzeck damals gesagt hat, war nicht sehr positiv. Jeder hat gesagt: Irre! Das kommt nie durch. – Und jetzt waren wir soweit, dass wir einen einstimmigen Beschluss der Kommission hatten. Ich habe auch von dem Leiter der AG, Herrn Neumann (CDU), aus Bremen gehört, dass er ganz empört darüber war, wie es sich die beiden Verhandlungsführer erlauben konnten, einen einstimmigen Beschluss der Kommission einfach herauszukicken. Man muss auch aus der Arbeit so einer Kommission heraus sehen, was da passiert ist. Das ist mittlerweile auch schon wieder Schnee von gestern, und wir müssen vorsichtig eruierten, ob es eine Chance hätte.

 

Noch einmal zu dem Konvent: Man kann der Föderalismuskommission in ihrer Konstruktion vieles vorwerfen. Es war ein großes Gremium, es waren über 100 Leute dabei. Aber im Prinzip saßen 16 Vertreter der Länder und 16 Vertreter des Deutschen Bundestags am Tisch und waren abstimmungsberechtigt. Der einzige Konstruktionsfehler war vielleicht die Einbindung der Bundesregierung, die sich dort als Gast empfand.
Aber die müssen entscheiden und eine Zwei-Drittel-Mehrheit haben. Insofern war zum Schluss auch die Situation, wenn über ein Drittel der Länder sagt – jetzt waren es nur die B-Länder, im umgekehrten Fall wäre es genauso gewesen –: Wir machen nicht mit –, dann ist es gescheitert.

 

Ein Konvent, egal, wie er besetzt ist, kann in bestimmten Fragestellungen hilfreich sein. Nur, die Probleme, die bei der Umsetzung entstehen, löst er auch nicht. Es muss einer umsetzen, aber die Damen und Herren können es nicht umsetzen, abgesehen vom freien Denken, Herr Hahn, – wofür ich Verständnis habe –, über das, was dort im Föderalismus schief läuft, u. a. auch die Größe der Länder und Neuordnung der Länderstrukturen. Man muss sich erreichbare Ziele setzen. Es nutzt nichts, dass sie einen Vorschlag machen, denn es müssen acht Länder sein. Da besteht keine Kompensationsmöglichkeit, weil das von Anfang an die Grundbedingung war, dass man an die Länderstrukturierung nicht herangeht. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir sie dringend nötig hätten. Die hätten wir schon 1990 neu regeln müssen. Da wäre noch eine Chance gewesen. Nun kenne ich die Stimmung bei den Kollegen, die nichts argwöhnischer betrachten als die Annäherungsversuche zwischen Brandenburg und Berlin, weil sie Angst haben, dass damit eine Welle ausgelöst wird, wenn es klappen sollte. Die Länder – speziell Bremen, Saarland u. a. – sind alle heilfroh, dass es bislang nicht geklappt hat. Dann kann man einen Vorschlag, der nicht umgesetzt wird. Dafür gibt es zurzeit keinen erkennbaren Druck. Die Bevölkerung in den Ländern würde den Druck nicht aufmachen, die Bevölkerung hat auch etwas dagegen, wie Sie sie fragen würden. Wenn Sie einen Hamburger fragen, ob er mit Schleswig-Holstein zusammengehen will, sagt er nein. Ich war gerade in Hamburg und habe gemerkt, wie die Stimmung ist. Also, der Druck ist nicht da, und Sie werden es nicht erreichen.

 

Bei der Finanzverfassung ist es dasselbe. Wir haben auch als Berliner kein Interesse daran, dass die Grundlagen, die wir beim Länderfinanzausgleich, beim Solidarpakt bis zum Jahr 2019 geschaffen haben, infrage gestellt werden. Da können wir nicht gewinnen, sondern nur verlieren. Die Verhandlung zum Länderfinanzausgleich war meine erste Erfahrung als Regierender Bürgermeister. Ich war zwar nur peripher betroffen bzw. beteiligt, aber ich habe erlebt, wie latent das war, und wir hatten die Klagen beim Bundesverfassungsgericht und die Androhung, dass der Länderfinanzausgleich in Gänze infrage gestellt wird, Einwohnerwertung für die Stadtstaaten usw. Das ist höchst gefährlich. Die anderen Vorschläge, zu sagen, jedes Land soll jetzt selbst die Einkommenssteuer bestimmen können, kann man machen. – [Zuruf] – Der Hebesatz ist doch dasselbe. Das haben wir auch auf anderen Ebenen diskutiert. Man kann das so fordern, aber man kann auch ein Staatenbund aus der Bundesrepublik Deutschland machen. Man kann es machen, wenn man es will. Wir haben eine Bundesrepublik Deutschland, und wir haben vielleicht unterschiedliche Vorstellungen, was Föderalismus und Gesamtstaatlichkeit bedeutet. – [Zuruf] – Entschuldigen Sie bitte. Wenn Sie alles so schön finden, was in den USA ist, na bitte sehr! Ich nicht. Ich finde, das ist ein schönes Land, damit keine diplomatischen Verwicklungen entstehen, aber ich möchte nicht das amerikanische System auf das bundesrepublikanische übernehmen, weder bei der Transparenz der Abgeordneten – Herr Lindner – noch bei anderen Punkten.

 

Wie geht es weiter, und wie kann es gehen? – Das ist die entscheidende Frage von Frau Paus. Zurzeit kann es nur so gehen, dass top down oder top die drei oder vier Player, die infrage kommen – das ist relativ einfach, das sind der Herr Müntefering, der Herr Stoiber, der Bundeskanzler und vielleicht noch Frau Merkel –, versuchen, sich zu einigen. Das geht nur hinter den Kulissen, und wenn es klappt, klappt es, und dann kann man über die Form, wie man die Föderalismuskommission wieder aufleben lässt, entscheiden. Daran wird es dann nicht mehr scheitern, denn sie ist formal beendet. Dann kann man sie wieder einsetzen, oder man kann zusammenkommen. Es wird sich ein Weg finden, wenn es eine Chance gibt.

 

Herr Hahn, ich bin jemand, der sich gerade vor dem Hintergrund des Scheiterns nicht euphorisch hier hinstellt und sagt: Das klappt schon alles. – Ich würde in der Grundtendenz der Einschätzung von Herrn Lindner immer folgen. Es wäre der Normalfall, dass es mit Wahlkämpfen usw. nicht geht. Auf der anderen Seite ist Politik manchmal auch zu Überraschungen fähig, vielleicht auch zu positiven Überraschungen. Es wird sich ja demnächst klären. Insofern müssen wir diese Phase abwarten. Ich glaube, dass ein großes Nachdenken darüber eingesetzt hat, dass es falsch war, nicht zu einem Ergebnis zu kommen. Aber, ob es dadurch zu einem positiven Ergebnis kommen kann, kann ich heute auch nicht einschätzen. Ich würde auch keine Wette darauf abschließen. Ich sehe nur, was passiert, beobachte das sehr gut und wir werden uns einklinken, wenn es Sinn hat und wo wir Hilfestellungen leisten können, weil Berlin eine gute Mittlerposition hat. Wir haben durch den Prozess auch an Vertrauen gewonnen und können auch ziemlich neutral vorgehen und haben uns auch in der Kommissionsarbeit so verhalten, so dass wir das beobachten müssen und beeinflussen, wo wir es können. Es ist egal, ob wir jetzt mit Prozentzahlen spekulieren, ob es eine Chance hat oder nicht. Wir werden es bis zur Sommerpause wissen. Sonst bleibt es beim Status quo, denn dann ist es mit einem Konvent o. Ä. in dieser Legislaturperiode sowieso nicht zu machen.

 

Frau Vors. Michels: Danke schön! – Jetzt müssen wir uns darüber verständigen, wie wir mit der Abstimmung verfahren. Herr Dr. Lindner hatte beantragt, die Abstimmung zu vertagen und im Verlaufe der Sitzung hatte er sich korrigiert und gesagt, wenn klar ist, dass alle dagegen sind, wenn es keine Denkanstöße gibt, würden sie es heute doch abstimmen. Sie müssen jetzt sagen, ob Sie bei der Vertagung bleiben.

 

Abg. Dr. Lindner (FDP): Wir bleiben bei der Vertagung. Es soll Ihnen die Möglichkeit gegeben werden, eigene Vorschläge einzubringen, wie man sich diesem Thema realistisch nähern kann. Vielleicht können wir insgesamt etwas Neues stricken. Wir wollen nicht, dass heute abgestimmt wird. Das war auch so im Vorfeld abgesprochen. Es ging um die Frage, ob es vorab überwiesen wurde, und dann wurde von Ihnen zugesagt
– so hat es mir mein Geschäftsführer mitgeteilt – dass es – wenn wir nicht abstimmen wollen – morgen ganz normal ins Plenum eingebracht und hier noch einmal beraten wird. Wir wollen Ihnen Gelegenheit – das ist ein wichtiges Thema – geben, dass Sie noch einmal in Ruhe darüber nachdenken, eigene Vorschläge einbringen, wie wir aus Berlin ein Signal setzen können, dass die Sache vernünftig weitergeht. Deswegen bleiben wir dabei, dass heute nicht abgestimmt wird.

 

Frau Vors. Michels: Herr Dr. Lindner, ich würde meine Kompetenzen überschreiten, wenn ich eine Ausschussbeschlussfassung vorwegnehmen würde. Es ging um die Frage der Vorabüberweisung. Mir wurde signalisiert, dass Sie nicht anwesend sein können und deshalb die Besprechung nicht vorab überwiesen haben wollten. Daraufhin haben wir gesagt, dass wir diesen Tagordnungspunkt der Besprechung ohne weiteres fortsetzen könnten. Dann wurde gesagt: Herr Dr. Lindner kommt jetzt doch und daher der Hinweis, dass man beantragen kann, eine Abstimmung zu vertagen. Aber selbstverständlich wird über jeden Antrag auf Vertagung im Ausschuss abgestimmt. Diese Abstimmung kann ich als Vorsitzende nicht vorwegnehmen, und insofern habe ich nichts zugesagt. – Herr Zimmermann!

 

Abg. Zimmermann (SPD): Uns wäre es völlig egal, ob wir heute oder in 14 Tagen über das Thema Konvent sprechen und abstimmen. Aber wir haben heute sehr ausgiebig über diesen Vorschlag gesprochen. Die Stellungnahme von Herrn Wowereit eben hat gezeigt, dass es erst recht vernünftig ist, sich nicht aus Sicht des Landesparlaments in schwierige sensible Abstimmungsprozesse, Sondierungsprozesse mit irgendwelchen Vorschlägen wuchtig einzumischen, sondern lieber eruieren zu lassen, was geht und was nicht geht. Deswegen ist es auch in Bezug auf den Inhalt und dass Sie den Bundespräsidenten auffordern wollen, sich in diesen Prozess einzuschalten, etwas schwierig, dies als Landesparlament zu tun. Es ist nicht nur nicht hilfreich, sondern kann sehr schädlich sein, wenn wir nach vorn preschen. Wir haben das ausdiskutiert, und wir sollten das bereinigen. Aus meiner Sicht können wir das heute abstimmen. Ich würde einer Vertagung nicht zustimmen.

 

Frau Vors. Michels: Gut! Dann stimmen wir darüber ab. Wer dem Wunsch der FDP, die Beschlussfassung zu vertagen, folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die FDP. – Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der CDU, SPD und PDS. – Stimmenthaltungen? – Die Grünen. – Damit wurde der Vertagung nicht zugestimmt.

 

Wir kommen jetzt zur Abstimmung des Antrags der FDP-Fraktion. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP. – Gegenstimmen? – Das sind alle anderen Fraktionen. – Demzufolge enthält sich niemand. Damit ist dieser Antrag abgelehnt. – Beantragt die FDP Dringlichkeit, damit es morgen beraten wird?

 

Abg. Dr. Lindner (FDP): Wir haben es für morgen auf der Prioritätenliste.

 

Frau Vors. Michels: Die Beschlussfassung geht dann den ordentlichen Weg. Ich nehme an, dass Dringlichkeit beantragt und es zu dem Tagesordnungspunkt aufgerufen wird. – Dann verfahren wir so.

 

Punkt 2 der Tagesordnung (alt 4)

Besprechung gemäß § 21 Abs. 3 GO Abghs

Städtepartnerschaft Berlin-Windhuk: Weiß der Regierende Bürgermeister

um ihre Existenz?

(auf Antrag der Fraktion der Grünen)

 

 

Siehe Inhaltsprotokoll.

 

Punkt 3 der Tagesordnung

Besprechung gemäß § 21 Abs. 3 GO Abghs

aktuelle Fragen auf Europa- und Bundesrats-/Länderebene

(auf Antrag aller Fraktionen)

 

 

Vertagt.

 

Punkt 4 der Tagesordnung (alt 1)

Aktuelle Viertelstunde

 

 

Keine Wortmeldungen.

 

Punkt 5 der Tagesordnung

Verschiedenes

 

 

Siehe Beschlussprotokoll.

 

 

Ausschuss-Kennung : EuroBundMediengcxzqsq