Mitteilung
– zur Kenntnisnahme –
Keine Einführung eines Passes „Berlin zum halben Preis“
Drucksachen
Nrn. 15/111 und 15/215
Der Senat
legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor:
Das Abgeordnetenhaus hat in seiner Sitzung am 21.02.2002 Folgendes
beschlossen:
„Der Senat wird aufgefordert zu prüfen, ob ein Pass „Berlin zum halben
Preis“ eingeführt werden kann und welche haushaltsmäßigen Auswirkungen sich
daraus ergeben.
Alle Menschen, deren Einkommen so niedrig liegt, dass sie von den Zuzahlungen für Medikamente in der
gesetzlichen Krankenversicherung befreit sind, sollen mit diesem Pass Eintritt
zum halben Preis in diverse Institutionen und Einrichtungen erhalten. In einem
ersten Schritt sollten alle öffentlichen Einrichtungen und nachgeordneten
Behörden sowie im Landesbesitz befindliche Gesellschaften an das Verfahren angeschlossen
werden.
In einem zweiten Schritt sollten alle Zuwendungsempfänger/innen des
Landes daran gebunden werden, ebenfalls entsprechende Ermäßigungen zu
gewährleisten. In einem dritten Schritt könnte die entsprechende Verpflichtung
in alle Neuverträge für die Vermietung und Überlassung von Räumen des Landes an
private Nutzer aufgenommen werden.
Dem Abgeordnetenhaus ist hierzu bis zum 31. Dezember 2002 zu
berichten.“
Hierzu wird berichtet:
Die Aufforderung an den
Senat, die Einführung eines Passes „Berlin zum halben Preis“ zu prüfen, geht
von der Annahme aus, dass das Einkommen als ausschließliches Kriterium für die
Bezuschussung bei Eintrittsgeldern ausreichen könnte. Gelten soll der Pass für
Personen, die aufgrund der sogenannten „Härtefallregelung“ nach § 61 SGB V vollständig
von Zuzahlungen zu Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Fahrkosten,
Zahnersatz sowie zu stationären Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen befreit
sind (Sozialklausel). Nach Angaben der Krankenkassen sind hiervon im Land
Berlin ca. 400 000 Personen betroffen. Die Höhe der hierfür maßgeblichen
Einkommensgrenzen wird jedes Jahr entsprechend der allgemeinen Einkommensentwicklung
neu berechnet.[1]
Ob ein entsprechender Pass eingeführt werden kann oder soll, kann nur
in Kenntnis und vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Preisgestaltung der
hier zur Diskussion stehenden sozialen, kulturellen, bildungs- und sportorientierten Einrichtungen
erfolgen. Dabei ist abzuwägen, welche Instrumente den sozialpolitischen
Zielsetzungen des Landes Berlin am ehesten entsprechen und wie damit die notwendige
Unterstützung hilfebedürftiger Personengruppen möglichst zielgenau und
differenziert erfolgen kann. Darüber hinaus ist abzuwägen, ob eine festgelegte
Einkommensgrenze als alleiniger Maßstab hinreichend ist, oder ob flexiblere und
weiter gehende Instrumente, die auch andere Lebenslagenaspekte berücksichtigen,
sozialpolitisch erforderlich sind.
Berlin verfügt über ein breites Spektrum an Angeboten aus den Bereichen
Kultur, Bildung, Soziales und Sport, das grundsätzlich allen offen steht. In
Berlin leben aber auch viele Menschen, deren Einkommens- und Lebenssituation
die Teilhabe am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben erschwert. Das Land
Berlin stellt daher Mittel und Möglichkeiten bereit, um die soziale Integration
Benachteiligter in das öffentliche Leben zu fördern. Zudem bieten private
Anbieter Preisnachlässe für einzelne Personengruppen oder an bestimmten Tagen.
Grundsätzlich kann zwischen folgenden Unterstützungsinstrumenten
unterschieden werden:
1.
Preisnachlässe
einzelner Einrichtungen,
2.
Preisnachlässe
aufgrund übergeordneter Regelungen,
3. Angebote der sozialen Infrastruktur, die vom Land Berlin getragen werden.
Zu 1.
Um Aussagen über die Gestaltung der Eintrittspreise zu erhalten, hat
der Senat ca. 100 öffentliche Einrichtungen/nachgeordnete Behörden, Gesellschaften
im Landesbesitz/Landeseigene Gesellschaften und andere Unternehmen des privaten
Rechts, an denen das Land Berlin beteiligt ist, befragt.[2]
Es wurden 84 Fragebögen ausgewertet.
Von den 84 Einrichtungen nehmen 75 Eintrittsgebühren und gewähren
gleichzeitig Ermäßigungen. Hiervon gewähren 68 Einrichtungen Ermäßigungen für Studenten, 63 für Schüler/innen,
18 für Azubis, 60 für Arbeitslose, 43 für Sozialhilfeempfänger/innen, 31 für
Senioren/innen, 16 für Kinder sowie 5 für Familien. Darüber hinaus erhalten bei
26 Einrichtungen Zivildienstleistende und bei 37 Einrichtungen (Schwer-)Behinderte
ermäßigten Eintritt. Die Ermäßigungen bewegen sich in einer Spanne von 25 bis
100 % (kostenfreier Eintritt) des Normaltarifs. So gewähren beispielsweise die
Berliner Bäderbetriebe und die Städtischen Kunsteisbahnen Ermäßigungen von 50
bzw. 60 % des Normaltarifs.
Eine differenzierte Auswertung der durchgeführten Umfrage ist der
beigefügten Anlage zu entnehmen.
Die Auswertung der Fragebögen zeigt weiter, dass diejenigen, die
aufgrund ihres Einkommens von den Zuzahlungen für Medikamente in der gesetzlichen
Krankenversicherung befreit sind, bereits jetzt weitgehend die bestehenden
Angebote aus den Bereichen Freizeit, Kultur, Bildung und Soziales teilweise zu
deutlich ermäßigten Preisen nutzen können.
Zu 2.
Diese Angebote werden durch eine Reihe vielfältiger, attraktiver und
ermäßigter Angebote aus den unterschiedlichen Bereichen wie Freizeit, Kultur,
Sport und Soziales erheblich erweitert.
Der FamilienPass bietet mit 347 attraktiven Angeboten auf den Gebieten Freizeit, Sport,
Kultur und Bildung allen Familien Ermäßigungen. Hierzu gehören u. a.
Angebote der Berliner Bäder Betriebe (BBB), des Zoologischen Gartens, der
Weißen Flotte Potsdam, des Erholungsparks Marzahn, der
URANIA sowie zahlreicher Museen und Theater. In diesem Rahmen erhalten Personen
mit einer „Härtefallbescheinigung“ darüber hinaus Fahrpreisermäßigungen bei der
BVG und der S-Bahn sowie beim Besuch der Volkshochschulen. FamilienPass-Besitzer
können zudem weitere Einrichtungen nutzen, wie z. B. bestimmte Restaurants,
Cafés etc. Wie in den Vorjahren wurde der FamilienPass auch 2002 mit
306 777 Euro (früher 600 000 DM) in den Haushalt eingestellt.
Der SuperferienPass 2002/2003 ermöglicht es Kindern und
Jugendlichen bis 18 Jahre, zu einem Preis von 9 Euro während der Schulferien
zahlreiche sportliche und kulturelle Angebote zu nutzen. Schwimmbäder können
entgeltfrei benutzt werden.
Die Wochenend-Familienkarte zum Preis von
7 Euro berechtigt drei Personen zur Schwimmbadbenutzung in den Standardbädern.
Zu den von der BVG gewährten Ermäßigungen gehören u. a. das
„Berlinticket A“ für Arbeitslosenhilfeempfänger/innen, die „Seniorenkarte“
(für Senioren/innen, die von der Zuzahlungspflicht für Medikamente befreit
sind), sowie Vergünstigungen für Schüler/innen, Azubis, Studenten und Geschwister.
Die „Berlin-Karte S“ zu 20,40 Euro ermöglicht es
Sozialhilfeempfängern/innen, den Öffentlichen Personennahverkehr zu reduzierten
Preisen zu nutzen.
Weitere Vergünstigungen für Sozialhilfeempfänger bestehen in Form von
Rundfunkgebührenbefreiungen auf der Grundlage einer landeseigenen Verordnung.
Zudem bietet die Telekom eigenständig Ermäßigungen im Telefondienst an (Sozialanschluss).
Zu 3.
Zudem wird im Land Berlin eine Vielzahl von Projekten freier Träger
über Zuwendungsmittel finanziert. Ein Großteil dieser Projekte wird mit der Absicht
gefördert, den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt die Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen oder zu erleichtern.[3] Durch die Bereitstellung von (sozialer)
Infrastruktur und Ressourcen soll eine möglichst breite Partizipation an gesellschaftlichen
Entscheidungsprozessen ermöglicht werden. Hervorzuheben sind hierbei
insbesondere die Stadtteilzentren, die als Treffpunkte, Nachrichtenbörse und
Veranstaltungsorte zur Verfügung stehen sowie die Einrichtungen, die in ihrer
Zielsetzung die gesellschaftliche und kulturelle Integration unterschiedlicher
Zielgruppen verfolgen (zum Beispiel Projekte aus dem Frauen-, Ausländer/innen-
und Jugendbereich). Weiter wird durch das Quartiersmanagement den Großstadtbewohnern
die Möglichkeit geboten, an der Gestaltung
ihres lokalen Lebensraumes mitzuwirken.
Schlussfolgerungen
Die
durchgeführte Prüfung zeigt, dass
· nach einer groben Schätzung
von insgesamt 3,4 Mio. Einwohnern im Land Berlin ungefähr 2,1 Mio.
Personen in den Genuss unterschiedlicher Ermäßigungen bzw. Vergünstigungen
kommen.[4] Damit erreicht das bisherige Ermäßigungssystem
1,7 Mio. Personen mehr, als durch die Härtefallregelung (400 000) erfasst
würden. Dieser Personenkreis vergrößert sich noch aufgrund weiterer
Vergünstigungen, die zum Beispiel im Rahmen von FamilienPass, SuperFerienPass
und anderer Ermäßigungstatbestände gewährt werden. Zudem entspricht das
bisherige Ermäßigungssystem aufgrund der Einbeziehung unterschiedlicher
Lebensbereiche und Lebenslagen einem umfassenden Lebenslagenansatz und wird
daher eher den Bedürfnissen der unterschiedlichen Zielgruppen gerecht,
· die von der
Härtefallregelung Betroffenen bereits jetzt weitgehend die bestehenden
Vergünstigungen in Anspruch nehmen können,
· das vielschichtige bisherige
Ermäßigungssystem wesentlich zur sozialen und kulturellen Attraktivität Berlins
beiträgt. Den Bedürfnissen von Familien und der nachwachsenden Generation sowie
anderer Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel Studenten/innen, Azubis, Senioren/innen
und von schwerbehinderten Menschen wird dadurch Rechnung getragen.
Der Senat gibt daher dem
bisherigen Vergünstigungssystem den Vorrang.
Wir bitten, den Beschluss damit als erledigt anzusehen.
Berlin, den 14. Januar 2003
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Der Senat von Berlin |
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Klaus W o w e r e i t Regierender Bürgermeister |
Dr. Heidi
K n a k e–W e r n e r Senatorin für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz |
Ausschuss-Kennung
: GesSozMiVergcxzqsq
[1] Die Einkommensgrenzen lagen
im Jahre 2002 für die vollständige Befreiung von Zuzahlungen bei Alleinstehenden: 938,00 Euro, mit 1
Angehörigen: 1 289,75 Euro, mit
2 Angehörigen: 1 524,25 Euro,
mit 3 Angehörigen: 1 758,75 Euro,
mit 4 Angehörigen:
1 993,25 Euro
[2]
Öffentliche Einrichtungen: Juristische Personen des öffentlichen Rechts
(Körperschaften, Anstalten, Stiftungen) sowie
juristische Personen des Privatrechts (die aufgrund eines Gesetzes vom
Land Zuschüsse erhalten, eine Garantieverpflichtung Berlins gesetzlich
begründet ist oder die von Berlin oder einer von Berlin bestellten Person
allein oder überwiegend verwaltet werden).
[3] Weitere Auskünfte im Hinblick
auf die Vielfalt dieser Infrastruktur und die dafür eingesetzten Mittel können
dem von der Senatsverwaltung für
Wirtschaft, Arbeit und Frauen jährlich ins Berliner Intra-Net eingestellten
Transparenzbericht entnommen werden.
[4] Von insgesamt ca. 3,4 Mio.
Einwohnern in Berlin entfallen auf: Studenten/innen ca. 138 400, Schüler/innen
ca. 365 600, Auszubildende ca.
62 000, Arbeitslose ca. 193 400, Sozialhilfeempfänger/innen (HzL) ca.
252 600, Senioren/innen ca. 758 600, anerkannte Schwerbehinderte ca.
345 700, Grundwehrdienstleistende: ca. 1 750, Zivildienstleistende:
ca. 4 430