Mitteilung – zur Kenntnisnahme –

 

 

Gemeindenahe psychiatrische Versorgung effizient gestalten

 

Drucksachen  15/1623 und 15/2148

 

 

 

 

 

Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor:

 

 

Das Abgeordnetenhaus hat in seiner Sitzung am 30. Oktober 2003 Folgendes beschlossen:

 

"Der Senat wird aufgefordert, für die gemeindenahe psychiatrische Versorgung gemeinsam mit den Leistungserbringern und Kostenträgern in mindestens zwei Bezirken neue personenzentrierte Steuerungs- und Finanzierungssysteme zu installieren. Dabei sollen folgende Eckpunkte berücksichtigt werden:

 

Einführung eines Gesamtbudgets kommunaler Finanzierungen

 

Zuwendungsmittel und kostensatzgesteuerte Mittel sind in einem Globalbudget auf bezirklicher Ebene zusammenzuführen. Das Gesamtbudget bemisst sich an den Schlüsselzahlen des Psychiatrieentwicklungsplanes; diese sind im Vorfeld der Budgetzuweisung zu überprüfen. Die Mittel der Eingliederungshilfe für den betroffenen Personenkreis sind in das Globalbudget zu integrieren.

 

Mit den bezirklichen Leistungserbringern werden Steuerungsrunden eingerichtet, die über die Verwendung der Budgets auf Basis des jeweiligen individuellen Bedarfs der betroffenen Menschen entscheiden. Die beteiligten Leistungserbringer übernehmen eine Versorgungsverpflichtung. Der Sozialpsychiatrische Dienst des Bezirks ist Teil der Steuerungsrunde.



Sicherung der rechtlichen Rahmenbedingungen

 

Das Landeskrankenhausgesetz ist mit dem Ziel zu verändern, die Träger der stationären psychiatrischen Versorgung zu verpflichten, die Entlassung von Patientinnen und Patienten in den Steuerungsrunden vorzulegen und sich der Diskussion der Steuerungsrunden bezüglich der weiteren Betreuung der betroffenen Menschen zu stellen.

 

Einbeziehung der vorrangigen Kostenträger

 

Mit den Krankenkassen ist ein Rahmenvertrag zur Finanzierung der Soziotherapie in Anlehnung an die vertraglichen Vereinbarungen in Rheinland-Pfalz zu verhandeln.

 

Die Finanzierungspflicht der Krankenkassen für den Bereich der ambulanten psychiatrischen Pflege ist durchzusetzen.

 

Mit den Krankenkassen ist darüber zu verhandeln, ob Teile der ambulanten psychiatrischen Versorgung in den Modellbezirken nicht auch als präventive Maßnahme zur Verhinderung eines stationären Aufenthaltes nach SGB finanziert werden können.

 

Einbeziehung der Krankenhäuser

 

Mit den Krankenhausträgern der psychiatrischen Versorgung für die Modellbezirke ist über die Einbeziehung der tagesklinischen Versorgung in die Steuerung durch die Steuerungsrunde zu verhandeln.

 

Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 31. März 2004 Bericht zu erstatten.“

 

 

Hierzu wird berichtet:

 

Ziel der psychiatriepolitischen Initiativen des Berliner Senats war und ist eine kontinuierliche Verbesserung der Versorgungssituation psychisch erkrankter Menschen im Geiste der bundesweit anerkannten Grundwerte der Psychiatriereform. Dies beinhaltet für das Land Berlin neben dem bezirklich ausgerichteten Aufbau eines Pflichtversorgungssystems insbesondere für chronisch psychisch erkrankte Menschen auch die Entwicklung von verbindlichen Verfahren zur Abstimmung und Steuerung bedarfsgerechter Leistungen unter Einbeziehung sowohl fachlicher als auch finanzieller Gesichtspunkte. Mit der Umsetzung des Psychiatrieentwicklungspro-gramms hat der Senat die Grundlage dafür geschaffen, dass in den Bezirken schrittweise ein vergleichbares Versorgungsniveau (aufeinander bezogene Entwicklung klinischer Behandlungs- und komplementärer Betreuungskapazitäten) sowie vergleichbare Versorgungsstrukturen entwickelt wurden.

Im Bereich der zuwendungsfinanzierten bezirklichen Leistungen zur Wahrnehmung der Pflichtversorgung (insb. Kontakt- und Beratungsstellen, Zuverdienstprojekte und der Berliner Krisendienst) sind in diesem Zusammenhang die Neuberechnung der Zuwendungsmittel und ihre Berücksichtigung in der globalen Zuweisung an die Berliner Bezirke sowie die Standardisierung der Leistungsnachweise und -berichte der Leistungsträger an den jeweiligen Zuwendungsgeber hervorzuheben.

 

Im Bereich der entgeltfinanzierten Angebote (insbesondere Leistungen der Eingliederungshilfe im Bereich betreuten Wohnens sowie zur Tagesstrukturierung) konnten in den letzten Jahren ebenfalls sehr weitreichende Fortschritte zur Qualifizierung und Steuerung der Leistungen für psychisch erkrankte und behinderte Menschen erreicht werden. Hier sind insbesondere die Vereinbarung von verbindlichen Leistungstypbeschreibungen für Angebote für psychisch erkrankte und suchtkranke Menschen, die Etablierung eines verbindlichen Verfahrens zur personenzentrierten Ermittlung und Festlegung des bedarfsnotwendigen Betreuungsumfangs anhand des Behandlungs- und Rehabilitationsplanes, die Etablierung von Steuerungsrunden in den Bezirken zur personenzentrierten Abstimmung erforderlicher Behandlungs- und Betreuungsleistungen sowie die Vereinbarung eines verbindlichen Standards zur Berichterstattung der Leistungserbringer (Qualitätsberichte) im Rahmen der Umsetzung des § 93 des BSHG hervorzuheben.

 

Darüber hinaus wurden im Zusammenhang mit der Umsetzung der erforderlichen Einsparungen im Bereich der Eingliederungshilfe im Land Berlin in der hierfür zuständigen Kommission 93 im Jahr 2003 weitere wichtige Grundlagen für die fachliche und finanzielle Steuerung der Leistungen verbindlich zwischen dem Kostenträger und den Leistungserbringern vereinbart. Hierzu zählen die Vereinbarung eines sehr differenzierten Katalogs von Hilfebedarfsgruppen sowie ein auf diese Hilfebedarfsgruppen bezogenes Vergütungssystem ( gleicher Preis für vergleichbare Leistungen). Beide Vereinbarungen werden im Verlauf diesen Jahres greifen und bilden die Grundlage für eine personenzentrierte Fallsteuerung in der sowohl fachliche Erfordernisse als auch finanzielle Auswirkungen zueinander in Bezug gesetzt werden. Im Zusammenhang mit den Einsparnotwendigkeiten wurde weiterhin für den Bereich der Psychiatrie eine Budgetierung der Mittel im Rahmen der Eingliederungshilfe für diesen Personenkreis auf Basis des Jahres 2002 mit einer Festschreibung dieses Betrages bis zum Jahre 2006 mit den Leistungsanbietern vereinbart. Dieses Gesamtbudget gliedert sich in vertraglich vereinbarte „Trägerbudgets“, mit denen sich die jeweiligen Leistungsanbieter zur Sicherstellung der bezirklichen Versorgung psychisch Kranker auch bei einem Anstieg der Betreuungsfälle um bis zu 5% verpflichten. Mit der Budgetierung erhält erstmals sowohl der Kostenträger als auch die Leistungserbringer in diesem Bereich eine Planungssicherheit. Darüber hinaus trägt die erfolgte Bildung von Transferkostenprodukten in Bereich der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und deren Einbeziehung in die Kosten- und Leistungsrechnung ab 2004 zu einer verbesserten Datenlage und damit zu einer verbesserten Steuerungsmöglichkeit bei.

 

Für den Zeitraum der von der Kommission 93 geschlossenen Vereinbarung liegt der Schwerpunkt der Arbeit des Senats darin - zusammen mit den Bezirken und den Leistungserbringern - die erforderlichen Dokumentations- und Bewertungssysteme sowie weitergehende Standardisierungen z.B. bei den bezirklichen Steuerungsgremien zu erproben und zu etablieren.

 

Obwohl die weitreichenden Entwicklungen im System der psychiatrischen Versorgung in den letzten Jahren ein Höchstmaß an Veränderungsbereitschaft sowohl bei den Kostenträgern, den Bezirken und auch den Leistungserbringern gefordert haben und zwischenzeitlich Berlin im Bundesvergleich einen Spitzenplatz im Bereich Strukturentwicklung und Steuerung einnimmt, wird der Senat seine Anstrengungen zur noch weiterer Optimierung der Leistungsfähigkeit und Transparenz des Versorgungssystems fortsetzen. Hierzu zählt u. a. auch die Entwicklung und Erprobung eines Modells zur bezirklichen Budgetierung von Zuwendungen und entgeltfinanzierten Leistungen, das die Rahmenbedingungen des Globalsummensystems und der zentralen Zuweisung von T- und Z-Teil sowie die beabsichtigte Einbeziehung der gebildeten Transferprodukte in die Produktbudgetierung berücksichtigt. Der Senat unterstreicht dabei seine Bereitschaft, Initiativen von Bezirken und Leistungsanbietern für ein solches freiwilliges Modellprojekt zu fördern und zu unterstützen. Er weist jedoch auch darauf hin, dass allein schon die zwischenzeitlich eingeleiteten Maßnahmen zur Qualitäts- und Leistungssteigerung sowie zur Ausgabensteuerung alle Beteiligten im Land Berlin in hohem Maße beanspruchen. Dies darf bei aller Bereitschaft zu weitergehender Veränderung nicht unterschätzt werden.

 

Die Kooperationsverpflichtung der pflichtversorgenden psychiatrischen Fachabteilungen und Krankenhäuser bei stationär behandelten Personen, die nach ihrer Entlassung einer weiteren intensiven und zwischen verschiedenen Leistungsanbietern abgestimmten Betreuung bedürfen, wurde zwischenzeitlich durch eine Änderung des Landeskrankenhausgesetzes (achtes Gesetz zur Änderung des Landeskrankenhausgesetzes vom 17. Dezember 2003 – GVBL S.608 ) geregelt. Somit wurde landesgesetzlich festgelegt, dass bei entsprechender Indikation auch die gesteuerte Überleitung mit zu den Aufgaben einer klinischen Behandlung zählt.

 

Bezüglich des Leistungstatbestandes der Soziotherapie wurden nach Vorliegen der bundesweiten Richtlinien mehrere Beratungsgespräche zwischen den Krankenkassenverbänden sowie der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz geführt, damit dieses Leistungsangebot der Krankenkassen möglichst weitgehend integriert in die bezirklichen Versorgungssysteme erbracht wird. Nach Auskunft der Krankenkassenverbände wird noch in diesem Sommer mit der Anerkennung der ersten Leistungserbringer in Berlin gerechnet.

 

Die ambulante psychiatrische Pflege als Regelleistung der Krankenkassen ist noch nicht etablierbar, da es bislang an einer Einigung von bundesweiten Richtlinien des hierzu zuständigen Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 91 SGB V ermangelt. Für eine Verfahrensregelung, die sich ausschließlich auf das Land Berlin bezieht, wird keine Aussicht auf Erfolg gesehen.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vorliegenden Aufforderungen des Abgeordnetenhauses in Übereinstimmung mit den psychiatriepolitischen Anstrengungen des Senats stehen. Die bislang gemachten Erfahrungen machen deutlich, dass sowohl unter fachlichen als auch ökonomischen Gesichtspunkten der in Berlin eingeschlagene Weg einer konsequenten Regionalisierung der Versorgung dieses Personenkreises sowie eine am konkreten Bedarf des psychisch erkrankten Menschen ansetzende Abstimmung und Steuerung ein Höchstmaß an Qualität bei vertretbaren Kosten erwarten lässt. In diesem Sinne wird der Senat die weitere Qualifizierung des Versorgungssystems vorantreiben.

 

Ich bitte, den Beschluss damit als erledigt anzusehen.

 

Berlin, den 24. Mai 2004

 

Dr. Heidi   K n a k e – W e r n e r

Senatorin für Gesundheit, Soziales

und Verbraucherschutz

 

 

 

 

Ausschuss-Kennung : GesSozMiVergcxzqsq