Vorblatt

 

Vorlage – zur Beschlussfassung –

 

 

Gesetz zur Schaffung eines Gesetzes zu Artikel 29 Verfassung von Berlin und zur Änderung des Kindertages­betreuungsgesetzes

 

 

A.      Problem

 

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 24. September 2003 – sog. Kopftuch-Urteil – entschieden, dass ein Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen, einer hinreichend bestimmten landesgesetzlichen Grundlage bedarf.

 

B.       Lösung

 

Die erforderliche gesetzliche Regelung wird mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf geschaffen. In diesem wird der Umgang mit sichtbaren religiösen und weltanschaulichen Symbolen und auf­fallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücken bei Bediensteten des Landes Berlin geregelt. Die Vorschrift bestimmt den Personenkreis, der von einem Verbot des Tragens von religiösen und weltanschaulichen Symbolen sowie entsprechend geprägten Kleidungsstücken erfasst wird sowie mögliche Ausnahmen. Ferner wird das Land Berlin bei Beteili­gungen an juristischen Personen des privaten Rechts darauf hinwirken, dass auch für die dort Beschäftigten das Diskriminierungsverbot beachtet wird.

 

Darüber hinaus wird eine Regelung für Tageseinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft im Kindertagesbetreuungsgesetz festgelegt, die unter Abwägung der positiven und negativen Religionsfreiheit von Eltern, Kindern und Betreuungspersonal im Konfliktfall für alle Interessen einen notwendigen und gerechten Ausgleich darstellt.

 

C.       Alternative/Rechtsfolgenabschätzung

 

Zu den vorgesehenen Neuregelungen werden keine Alternativen gesehen.

 

 

 

 

Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen.

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D.      Kostenauswirkungen auf Privathaushalte und/oder Wirtschaftsunternehmen

 

Durch die Regelungen entstehen weder neue Kosten für Privathaushalte oder Wirtschaftsunternehmen noch haben sie Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau.

 

E.       Gesamtkosten

 

Die Regelungen sind nicht mit höheren Kosten für das Land Berlin verbunden.

 

F.       Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg

 

Keine

 

G.       Zuständigkeit

 

Senatsverwaltung für Inneres

 


 

 

 

 

Vorlage – zur Beschlussfassung –

 

 

 

 

Gesetz zur Schaffung eines Gesetzes zu Artikel 29 Verfassung von Berlin und zur Änderung des Kindertages­betreuungsgesetzes

 

 

Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:

 

 

 

Gesetz

zur Schaffung eines Gesetzes zu Artikel 29 Verfassung von Berlin und zur

Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes

 

Vom ...

 

 

Das Abgeordnetenhaus hat das folgende Gesetz beschlossen:

 

Artikel I

Gesetz zu Artikel 29 Verfassung von Berlin

 

Präambel

 

Alle Beschäftigten genießen Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Keine Beschäftigte und kein Beschäftigter darf wegen ihres oder seines Glaubens oder ihres oder seines weltanschaulichen Bekenntnisses diskriminiert werden. Gleichzeitig ist das Land Berlin zu weltanschaulich-religiöser Neutralität verpflichtet. Deshalb müssen sich Beschäftigte des Landes Berlin in den Bereichen, in denen die Bürgerin oder der Bürger in besonderer Weise dem staatlichen Einfluss unterworfen ist, in ihrem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis zurückhalten.

 

§ 1

 

Beamtinnen und Beamte, die im Bereich der Rechtspflege, des Justiz­vollzugs oder der Polizei beschäftigt sind, dürfen innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen.


 

§ 2

 

Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen nach dem Schulgesetz dürfen innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschau­lichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen. Dies gilt nicht für die Erteilung von Religions- und Weltan­schauungs­unterricht.

 

§ 3

 

§ 2 Satz 1 findet keine Anwendung auf die beruflichen Schulen im Sinne von § 17 Abs. 3 Nr. 3 des Schulgesetzes sowie auf Einrichtungen des Zweiten Bildungswegs im Sinne von § 17 Abs. 3 Nr. 5 des Schulgesetzes. Die oberste Dienstbehörde kann für weitere Schularten oder für Schulen besonderer pädagogischer Prägung Ausnahmen zulassen, wenn dadurch die weltanschaulich-religiöse Neutralität der öffentlichen Schulen gegenüber Schülerinnen und Schülern nicht in Frage gestellt und der Schulfrieden nicht gefährdet oder gestört wird.

 

§ 4

 

Für Beamtinnen und Beamte im Vorbereitungsdienst und andere in der Ausbildung befindliche Personen können Ausnahmen von § 1 und § 2 zugelassen werden. Die beamtenrechtliche Entscheidung wird durch die Dienstbehörde, die Entscheidung in den übrigen Fällen durch die jeweils zuständige Personalstelle getroffen.

 

§ 5

 

Für Angestellte und Auszubildende der Berliner Verwaltung, die in den in § 1 genannten Bereichen tätig sind, gilt § 1 entsprechend.

 

§ 6

 

Das Land Berlin hat darauf hinzuwirken, dass bei der Errichtung von juristischen Personen des privaten Rechts durch das Land Berlin und bei der Umwandlung von Einrichtungen des Landes Berlin in juristische Personen des privaten Rechts auch diese das Diskriminierungsverbot beachten. Ebenso hat das Land Berlin darauf hinzuwirken, dass auch juristische Personen des privaten Rechts, an denen das Land Berlin unmittelbar oder mittelbar mehrheitlich beteiligt ist, das Diskriminierungsverbot beachten.

 

Artikel II

Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes

 

In § 7 des Kindertagesbetreuungsgesetzes vom 19. Oktober 1995 (GVBl. S. 681) in der Fassung vom 4. September 2002 (GVBl. S. 292) werden folgende Absätze 5 und 6 angefügt:

 

„(5) Das Personal von Tageseinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft soll bei Erfüllung seiner Aufgaben nach § 3 Abs. 1 auf die weltanschaulich-religiöse Neutralität achten.

 

(6) Wenn die Erziehungsberechtigten eines Kindes unter ernsthafter Berufung auf ihre negative Glaubensfreiheit aus­drücklich wünschen, dass das für die Betreuung dieses Kindes zuständige Betreuungs­personal einer Tageseinrichtung in öffentlicher Trägerschaft keine sichtbaren religiösen oder weltan­schaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, oder keine auffallenden religiös oder welt­anschaulich geprägten Kleidungsstücke trägt, findet zunächst ein Vermittlungsgespräch zwischen den Erziehungsberechtigten und dem Betreuungspersonal statt.


Sollten die Erziehungsberechtigten ihren Wunsch nach dem Vermittlungsgespräch aufrechterhalten, ist dem zu entsprechen. Dies kann auch durch organisatorische Veränderungen in der Tageseinrichtung oder im Bereich des öffentlichen Trägers geschehen.“

 

Artikel III

Inkrafttreten

 

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft.

 

 

H.      Begründung:

 

a)         Allgemeines:

 

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 24. September 2003 -  2 BvR 1436/02 ‑ (zitiert nach der Veröffentlichung auf der Internetseite des Bundesverfassungs­gerichts - www.bundesverfassungsgericht.de) entschieden, dass ein Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen, im geltenden Recht des Landes Baden-Württemberg keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage findet. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wandte sich die Beschwerdeführerin gegen eine Entscheidung, durch die ihre Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Probe als Lehrerin an Grund- und Hauptschulen mit der Begründung abgelehnt worden war, ihr fehle die für das Amt erforderliche Eignung, wegen der erklärten Absicht, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen.

 

In der Urteilsbegründung führt das Gericht u.a. aus, dass es dem demokratischen Landesgesetzgeber obliege, das unvermeidliche Spannungs­verhältnis zwischen positiver Glaubensfreiheit einer Lehrerin oder eines Lehrers einerseits und der staatlichen Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität, dem Erziehungsrecht der Eltern sowie der negativen Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler andererseits unter Berücksichtigung des Toleranz­gebots zu lösen und im öffentlichen Willensbildungsprozess einen für alle zumutbaren Kompromiss zu suchen (vgl. BVerfG vom 24.09.2003 – 2 BvR 1436/02 – Rz. 47).

 

Die Regelungen im Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin (VvB) sind Ergebnis einer Abwägung der Verfassungsgüter der Freiheit des Glaubens, des Gewissens und der Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses der Beschäftigten mit dem verfassungs­rechtlichen Gebot zu staatlicher Neutralität im Bereich von Religion und Weltanschauung. Der Gesetzgeber reagiert damit auf die Vorgabe des Bundesverfassungs­gerichts, den erforderlichen Ausgleich zwischen der Neutralitätspflicht des Staates, der positiven Glaubens- und Weltan­schauungsfreiheit von Beschäftigten und der negativen Glaubens- und Weltan­schauungsfreiheit Andersdenkender durch ein allgemeines Gesetz zu regeln und nicht der exekutiven Entschei­dung im Einzelfall zu überlassen.

 

Klarstellend ist in der Präambel wiedergegeben, dass die Rechte des Art. 29 VvB, der inhaltlich der Religions- und Weltanschauungsfreiheit des Art. 4 des Grundgesetzes (GG) entspricht, für alle Beschäftigten gelten und keine Diskriminierung erfolgt. Außerdem steht das Land Berlin in der Verpflichtung, weltanschaulich-religiös neutral zu sein.

 

Mit der zunehmenden religiösen und weltanschaulichen Pluralität und dem damit verbundenen gesellschaftlichen Wandel hat sich in den letzten Jahren auch die Möglichkeit von Konflikten zwischen konkurrierenden Glaubenshaltungen erhöht. Dies gilt verstärkt für die Großstadt Berlin, in der Personen verschiedenster Konfessionen und Überzeugungen auf engem Raum zusammenleben und in öffentlichen Bereichen wie Schule oder Gericht unmittelbar aufeinander treffen. Dies nimmt der Landesgesetzgeber zum Anlass, der staatlichen Neutralitäts­pflicht eine stärker distanzierende Bedeutung beizumessen, um auf diese Weise die stabilisierende und friedenssichernde Funktion des Staates als Heimstatt aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zu garantieren.

 

Im Unterschied zu Vorschriften über die Gestaltung öffentlicher Räume muss der Staat bei ein­schränkenden personenbezogenen Regelungen aber auch berücksichtigen, dass er damit gegenüber den betroffenen Beschäftigten in deren individuelle Glaubens- und Weltan­schauungs­freiheit (Art. 29 VvB, Art. 4 GG) eingreift, die es grundsätzlich erlaubt, einen eigenen Glauben nicht nur zu haben, sondern sich auch danach zu verhalten. Allerdings verleiht Artikel 4 GG dem Einzelnen keinen uneingeschränkten Anspruch darauf, seine Glaubensüberzeugung gerade im Rahmen staatlicher Einrichtungen zu betätigen (BVerfGE 93, S. 1ff., 24). Vielmehr unterliegt hier die Reli-gionsausübung besonderen Beschränkungen. Die positive Glaubensfreiheit findet ihre verfassungsimmanente Schranke in anerkannten Verfassungsgütern wie dem staatlichen Neutralitätsgebot und der staatlichen Pflicht, die konkurrierenden Grundrechtspositionen anderer zu schützen. Zu diesen Grundrechtspositionen gehört aber auch die negative Glaubensfreiheit, keinen Glauben haben zu müssen und nicht von dem Glauben anderer in der eigenen Lebensgestaltung beeinträchtigt zu werden (zur verfassungsrechtlichen Garantie von positiver und negativer Religionsfreiheit siehe BVerfGE 41, S. 29ff., 49ff.). Diese negative Glaubensfreiheit bezieht sich auch auf Symbole, in denen ein Glaube oder eine Religion sich darstellt. Zwar hat niemand ein Recht darauf, generell von fremden Glaubensbekundungen verschont zu bleiben. Davon zu unterscheiden ist aber eine vom Staat geschaffene Lage, in der die oder der Einzelne dem Einfluss eines bestimmten Glaubens oder seiner Symbole ausgesetzt ist (BVerfGE 93, S. 1ff., 15f.).

 

Zwischen den verschiedenen Verfassungsgütern und Grundrechtspositionen hat der Gesetz­geber im Sinne praktischer Konkordanz einen angemessenen Ausgleich herzustellen, der zwischen einem vollständigen Verbot religiöser Kleidung und Symbolik im öffentlichen Dienst einerseits und ihrer vollständigen Freigabe andererseits gleichsam einen Mittelweg geht (BVerfG v. 24.09.2003, Rz. 47) und sowohl die staatliche Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutra­lität als auch die positive und negative Glaubensfreiheit berücksichtigt. Dabei ist auch die Besonderheit des Landes Berlin zu berücksichtigen, das mit seiner großstädtisch-heterogenen Bevölkerungsstruktur und seiner konfessionellen Vielgestaltigkeit ein besonderes Konflikt­potential bietet und daher stärker nach einer restriktiven Regelung verlangt (zur verfassungs­rechtlichen Zulässigkeit einer Berücksichtigung von Landesbesonderheiten siehe bereits BVerfGE 41, S. 29ff., 51; wiederholt im Urteil v. 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02 -, Rz. 47).

 

In Bereichen wie Schulen und Kindergärten kommt als Einschränkung der positiven Religions­freiheit von Dienstkräften noch das Erziehungsrecht der Eltern (Art. 6 Abs. 2 GG) hinzu, die primär über die religiöse Beeinflussung ihrer Kinder bestimmen dürfen, sowie die staatliche Schulaufsicht (Art. 7 Abs. 1 GG). Im Beamtenverhältnis sind bei der individuellen Grundrechts­ausübung schließlich die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) zu berücksichtigen, d.h. insbesondere die Pflicht zu objektiver und neutraler Amtsführung und zur besonderen Achtung vor der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes.

 

Der verfassungsrechtlich gebotene Kompromiss kommt durch ein Zusammenspiel von bereichs- und gegenstandsbezogenen Vorgaben zum Ausdruck, die eine differenzierte und praktikable Regelung des Konflikts erlauben. Das Verbot religiöser und weltanschaulicher Symbole und entsprechend geprägter Kleidungsstücke gilt danach

 

a)       grundsätzlich nur für bestimmte Bereiche staatlichen Handelns, in denen Bürgerinnen und Bürger in besonderer Weise dem staatlichen Einfluss unterworfen sind,

b)       nur im Hinblick auf sichtbare religiöse und weltanschauliche Symbole und entsprechend auffallend geprägten Kleidungsstücken und

c)       in bestimmten Fällen mit Ausnahmemöglichkeiten.

 

a) In Situationen, in denen die Begegnung mit dem Staat in Person der Beschäftigten, die für ihn tätig werden, ohne im Regelfall bestehende Ausweichmöglichkeit gegeben ist, kommt der Neutralitätsverpflichtung des Staates eine zentrale Bedeutung zu. In diesen Bereichen macht es eine pluralistische Gesellschaft erforderlich, seitens der Beschäftigten auf alle sichtbaren und damit konfliktträchtigen Symbole und entsprechend geprägten Kleidungsstücke zu verzichten, da andernfalls die staatliche Unparteilichkeit als Grundbedingung für ein friedliches Zusammenleben verschiedener religiöser und weltanschaulicher Gruppierungen nicht mehr garantiert wäre.

 

b) Diese bereichsspezifische Differenzierung wird durch eine gegenstandsbezogene Differenzierung ergänzt, wonach nur sichtbare religiöse und weltanschauliche Symbole und entsprechend auffallend geprägte Kleidung untersagt sind. Symbole, die als Schmuckstücke getragen werden, sind nicht von der Regelung erfasst, da sie nicht die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft demonstrieren. Mit der Festlegung auf Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, wird gleichzeitig dem verfassungsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes (BVerfGE 67, 157 (178); 77, 84 (111 f.); 81, 70 (93); 83, 1 (19)) Rechnung getragen.

 

c) Es sind Ausnahmen von der Verbotsnorm vorgesehen, um eine Berücksichtigung von besonderen Aspekten im Einzelfall zu gewährleisten, insbesondere gilt die Verbotsnorm nicht für den Religions- und Weltanschauungsunterricht. Zudem sind Ausnahmen für in der Ausbildung befindliche Personen und berufliche Schulen oder Einrichtungen des Zweiten Bildungswegs vorgesehen.

 

Die gesetzliche Regelung beugt insgesamt der Gefahr einer Ungleichbehandlung von verschie­denen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften vor, die einer im Einzelfall notwendigen Prognoseentscheidung eigen wäre (BVerfGE vom 24.09.2003, Rn. 71).

 

b)         Einzelbegründung:

 

1.          Zu Art. I § 1

 

Für Beamtinnen und Beamte des Staates, die der Bevölkerung in Ausübung öffentlicher Gewalt gegenüberstehen, ist dies keine lediglich private Art der Lebensgestaltung, sondern eine Ausdrucksform, die zwar nicht unmittelbar dem Staat zugerechnet werden kann, aber dennoch durch einen seiner Repräsentanten im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit Außenwirkung besitzt. Insofern muss der Staat auch in Hinblick auf das individuelle Verhalten seiner Beamtinnen und Beamten berücksichtigen, dass er nicht von sich aus den religiösen Frieden gefährden darf, sondern muss umgekehrt rechtliche Vorkehrungen treffen, um in Glaubensfragen Neutralität zu bewahren und so den Anhängern verschiedener religiöser oder weltanschaulicher Überzeugungen eine friedliche Koexistenz unter dem gemeinsamen Dach des Staates zu gewährleisten (vgl. hierzu BVerfGE 93, S. 1ff., 16f.). Der Staat verletzt seine Pflicht zur Neu-tralität daher nicht nur in den Fällen, in denen er unmittelbar das Anbringen von bestimmten religiösen Symbolen im öffentlichen Bereich anordnet, sondern auch dann, wenn er bei seinen Beamtinnen und Beamten das Tragen sichtbarer religiöser und weltanschaulicher Symbole oder entsprechend auffällig geprägter Kleidung zulässt, mit denen Bürgerinnen und Bürger in besonders intensiver Weise ohne Ausweichmöglichkeit konfrontiert sind.

 

Die Vorschrift legt mit der Rechtspflege, dem Justizvollzug und der Polizei die Bereiche staatlichen Handels fest, in denen den dort beschäftig­ten Beamtinnen und Beamten das Tragen sichtbarer religiöser oder weltanschaulicher Symbole, die für den Betrachter mit einer bestimmten Religionszugehörigkeit verbun­den werden, und entsprechend auffälliger Kleidungsstücke untersagt ist.

 

Eine Ausdehnung des Verbots über den im Urteil entschiedenen Schulbereich hinaus auf weitere Bereiche war schon nach dem verfassungs­rechtlichen Gleichbehandlungs­grundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG geboten. Wie im Bereich von Erziehung und Betreuung besteht auch im Bereich der Justiz eine gegenüber sonstigem staatlichen Handeln herausgehobene Bedeutung staatlicher Tätigkeit. Auch hier ist der Staat daher gehalten, nicht nur die Räumlichkeiten von religiösen Symbolen freizuhalten (BVerfGE 35, 366, 373ff.), sondern darüber hinaus zu verhindern, dass die beteiligten Beamtinnen und Beamten selbst religiöse Symbole oder entsprechend geprägte Kleidung tragen. Die Autorität der in diesen Bereichen tätigen Beamtinnen und Beamten beruht gerade darauf, dass sie in einem konkreten Konflikt als neutrale und unparteiliche Instanz fungieren. Das im Bereich von Polizei und Justiz besonders strikte Gebot staatlicher Neutralität gegenüber den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern, wie es auch durch Kleidungsvorschriften wie Uniform oder Robe zum Ausdruck kommt, ist aber dann gefährdet, wenn die Beamtin oder der Beamte und die Richterin oder der Richter bereits durch ihre oder seine äußere Erscheinung zu erkennen gibt, dass sie oder er sich zu einer bestimmten Glaubens- oder Weltanschauungshaltung bekennt. Dies kann nicht nur zu konkreten Konflikten in Gerichtsverhandlungen oder Gefängnissen führen, sondern stellt generell die Akzeptanz des Rechtstaats in Frage. Für Vertreter anderer Glaubens­positionen bietet der Staat dann nämlich nicht mehr die Gewähr einer neutralen Streitschlichtung oder (im Fall des Justizvollzugs) ihrer neutralen Vollstreckung. Der mögliche Konflikt ist dabei nicht auf eine Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Religionen oder Anschauungen beschränkt, sondern kann sich auch innerhalb derselben Religion abspielen. Beispielsweise kann sich eine muslimische Frau, die sich bewusst gegen das Tragen eines Kopftuchs entschieden hat, dadurch vom Staat beeinträchtigt fühlen, dass eine Polizistin aus dem Gefühl religiöser Verpflichtung heraus ein solches trägt und damit implizit zum Ausdruck bringt, dass sich andere Muslima nicht korrekt verhalten, wenn sie dieses nicht tragen. Nach dem objektiven Gehalt der Aussage ist dies selbst dann eine Form verfassungsrechtlich unzulässiger Beeinflussung durch den Staat, wenn die einzelne Beamtin oder der einzelne Beamte subjektiv eine solche Aussage nicht bezweckt.

 

Die betroffenen Beamtinnen und Beamten haben diese Einschränkungen ihrer Glaubensfreiheit ebenso hinzunehmen wie die Einschränkungen ihrer Freiheit zur politischen Meinungsäußerung, die sich aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums und der besonderen Treuepflicht der Beamtin oder des Beamten nach Art. 33 Abs. 5 GG ergeben (BVerfGE 39, S. 334ff., 366f.).

 

2.          Zu Art. I § 2

 

Die zu Art. I § 1 ausgeführten Gründe rechtfertigen es, auch für Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen nach dem Schulgesetz ein Verbot des Tragens sichtbarer religiöser und weltanschaulicher Symbole und entsprechend geprägter Kleidungsstücke anzuordnen. Dabei treten in der Abwägung die Grundrechtspositionen der Schülerinnen und Schüler wie auch der Eltern in den Vordergrund. Gerade bei Schülerinnen und Schülern kann eine intensive Konfrontation mit Überzeugungen der Lehrkräfte und des übrigen pädagogischen Personals zum Gefühl der Ablehnung oder einer erzwungenen Anpassung führen. Im Schulbereich kann es weiterhin durch konkrete Auseinander­setzungen zu einer Störung des Schulfriedens kommen, die letztlich den staatlichen Erziehungsauftrag gefährdet. Um dies zu verhindern, ist der Staat nicht nur gehalten, in Schulen eine neutrale Gestaltung der Räumlichkeiten zu ermöglichen (BVerfGE 93, 1, 15ff.), sondern er muss auch verhindern, dass anders- oder nichtgläubige Schülerinnen und Schüler von Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden, die sichtbare religiöse oder weltan­schau­liche Symbole bzw. entsprechend auffallende Kleidungsstücke tragen. Die betroffenen Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag haben diese Einschränkungen ihrer Glaubensfreiheit ebenso hinzunehmen wie die Einschränkungen ihrer Freiheit zur politischen Meinungsäußerung, die sich aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums und der besonderen Treuepflicht der Beamtin oder des Beamten nach Art. 33 Abs. 5 GG ergeben (BVerfGE 39, S. 334ff., 366f.). Die rechtliche Zulässigkeit eines Verbots von religiösen Symbolen oder religiöser Kleidung im Bereich der Erziehung und Betreuung ist - wie eingangs dargestellt - auch vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Kopftuch einer Lehrerin bestätigt worden, da das Gericht ausdrück­lich eine gesetzliche Grundlage für die Lösung des verfassungsrechtlichen Konflikts fordert und dem Landesgesetzgeber insoweit einen Beurteilungsspielraum zuerkennt (Urteil v. 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02 -, Rz. 47). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschen­rechte hat in seiner Entscheidung zum Verbot des Unterrichtens mit islamischem Kopftuch festgestellt, dass in einer demokratischen Gesellschaft, in der mehrere Religionen innerhalb ein und derselben Bevölkerung nebeneinander bestehen, Beschränkungen der individuel­len Glaubensfreiheit einer Lehrerin im staatlichen Bereich notwendig sein können, um so die Interessen der unterschiedlichen Gruppen zu versöhnen und die Achtung der Überzeu­gung eines Jeden sicherzustellen (EGMR, NJW 2001, S. 2871ff.).

 

Die Verbotsnorm erfasst alle Beschäftigten, die mit Lehr- oder pädagogischem Auftrag in öffentlichen Schulen tätig sind, so dass sowohl Beamtinnen und Beamte als auch Angestellte von der Regelung erfasst sind. Da Anknüpfungspunkt die berufliche Tätigkeit ist, gilt für beide Gruppen eine gleiche Verantwort­lichkeit hinsichtlich des staatlichen Neutralitätsgebotes (vgl. hierzu ebenfalls die Begründung zu Art. I § 5).

 

Unberührt von der Verbotsnorm bleibt § 1 Schulgesetz über den Auftrag der Schule zur He-ranbildung von Persönlichkeiten. Dabei sollen nach § 1 Satz 4 Schulgesetz die Antike, das Christentum und die für die Entwicklung zum Humanismus, zur Freiheit und zur Demokratie wesentlichen gesellschaftlichen Bewegungen ihren Platz finden. Christliche Prägungen, auch in vielen Festen und Traditionen, ergeben sich aus unserer Herkunft und unserer stark christlich geprägten Kultur, deren Verständnis zu den Bildungs- und Erziehungszielen ebenso gehört wie die vorurteilsfreie Begegnung mit Menschen anderer Religionen und Weltanschauungen, § 3 Abs. 3 Nr. 3 Schulgesetz.

 

Eine Ausnahmeregelung von der Verbotsnorm ist für die Erteilung von Religions- und Weltanschauungsunterricht vorgesehen. Religions- und Weltanschauungsunterricht wird in Berlin nach § 13 Schulgesetz in Einklang mit Art. 141 GG (‚Bremer Klausel’) nicht als ordentliches Lehrfach erteilt, sondern als Lehrfach mit besonderer Anmeldepflicht unter alleiniger Verantwortlichkeit der Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Dieser Unterricht findet lediglich im äußeren Rahmen der Schule statt. Schulischer Religions- und Weltanschauungsunterricht wird demnach in Berlin nicht unmittelbar dem Staat zugerechnet, sondern den Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Die religiöse und weltanschauliche Tracht und Symbolik steht hier in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Inhalt des Unterrichts. Neben dem inneren Zusammenhang von Lehrtätigkeit und religiösem Verhalten kommt dabei der Freiwilligkeit der Teilnahme an der Lehrveran­staltung entscheidende Bedeutung zu.

 

3.          Zu Art. I § 3

 

Nach § 3 gilt das Verbot des § 2 Satz 1 nicht für die beruflichen Schulen im Sinne von § 17 Abs. 3 Nr. 3 des Schulgesetzes sowie für Einrichtungen des Zweiten Bildungsweges im Sinne von § 17 Abs. 3 Nr. 5 des Schulgesetzes.

 

Sowohl in Berufsschulen als auch in Einrichtungen des Zweiten Bildungsweges tritt der Erziehungsaspekt der Schule weitgehend zurück. Die Schülerinnen und Schüler sind regelmäßig in einem Alter, in dem von stärkerer Eigenständigkeit auszugehen ist. Zudem entfällt das bei den Jüngeren bestehende Grundrecht der Erziehungsbefugnis der Eltern. Ferner ist bei Schulen des Zweiten Bildungsweges der Schulbesuch freiwillig. Grundsätzlich würden diese Erwägungen auch für die gymnasialen Oberstufen gelten, die in Gesamtschulen oder Gymnasien inte-griert sind. Da die beschäftigten Lehrkräfte regelmäßig sowohl in der Mittelstufe, als auch in der Oberstufe eingesetzt sind und damit innerhalb ein und desselben Schulgebäudes ständig Schülerinnen und Schülern beider Stufen gegenübertreten, ist eine einheitliche Regelung geboten.

 

Für die oberste Dienstbehörde besteht die Möglichkeit weitere Ausnahmen zuzulassen, soweit dadurch nicht die weltanschaulich-religiöse Neutralität des Staates und der Schulfrieden gefährdet oder gestört wird. Ausnahmen können hierbei für bestimmte Schularten wie auch für Schulen mit besonderer pädagogischer Prägung vorgesehen werden.


 

 

4.          Zu Art. I § 4

 

Nach § 4 können von den Verbotsvorschriften des § 1 und § 2 Ausnahmen für Beamtinnen und Beamte im Vorbereitungsdienst und für andere in der Ausbildung befindliche Personen zugelassen werden. Insoweit wird dem Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 GG Rechnung getragen.

 

5.        Zu Art. I § 5

 

Die Vorschrift des § 1 findet auf die Angestellten und Auszubildenden der Berliner Verwal­tung entsprechend Anwendung. In den betreffenden Bereichen wird das Verbot auf die Beschäftigtengruppen der Angestellten und Auszubildenden erstreckt, da insoweit zunächst die gleiche Verantwortlichkeit des Staates für das dienstliche Verhalten der Angestellten und Auszubildenden im öffentlichen Dienst besteht wie bei dem Verhalten der Beamtinnen und Beamten, es sei denn, dass im Weiteren davon abweichende Regelungen vorgesehen sind. Die Gleichbehandlung rechtfertigt sich daraus, dass in den in § 1 genannten Bereichen aufgrund der jeweiligen Tätigkeit auch für die nicht beamteten Beschäftigten gesteigerte Anforderungen an ihre religiöse (wie auch politische) Neutralität bestehen (vgl. BAG, Urteil v. 31.3.1976 – 5 AZR 104/74).

 

Die Regelung ist notwendig, um hinsichtlich des Regelungskreises des § 1 eine einheitliche Behandlung unabhängig von der Art des Beschäftigungsverhältnisses zu erzielen. Eine Erstreckung auf § 2 ist nicht erforderlich, da § 2 bereits für Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag unabhängig vom Beschäftigungsverhältnis gilt. Die vorgesehene Bestimmung sichert die Gleichbehandlung von Angestellten mit Beamten.

 

6.        Zu Art. I § 6

 

Nach § 6 wirkt das Land Berlin darauf hin, dass auch bei der Errichtung, der Umwandlung oder in Fällen der Beteiligung an juristischen Personen des privaten Rechts, die eine Einflussnahme ermöglichen, das Diskriminierungsverbot des Art. 29 VvB eingehalten wird. 

 

7.        Zu Art. II (Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes)

 

Die Vorschriften des Kindertagesbetreuungsgesetzes werden um Regelungen ergänzt, die den Umgang mit Konfliktsituationen in Tageseinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft aufgrund des Tragens von religiösen oder weltanschaulichen Symbolen oder entsprechend geprägten Kleidungsstücken durch Betreuungspersonal betreffen. Anders als in der öffentlichen Schule mit der bestehenden gesetzlichen Schulpflicht entscheiden Eltern freiwillig über den Besuch ihrer Kinder in Kindertageseinrichtungen. Diesem Umstand wird durch den Verzicht auf ein Verbot Rechnung getragen.

 

Stattdessen wird im Absatz 5 klarstellend geregelt, dass im Rahmen des Erziehungsauftrags, der durch einen öffentlichen Träger ausgeführt wird, die weltanschaulich-religiöse Neutralität auch durch das Personal dieser Einrichtungen geachtet werden soll.

 

Absatz 6 regelt ein Verfahren für die Fälle, in denen die Eltern von betreuten Kindern ausdrücklich wünschen, dass das Personal keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole oder auffallende religiöse oder weltanschauliche Kleidungsstücke tragen soll. Zunächst findet zwischen Eltern und Betreuungspersonal (einschließlich des Leitungspersonals der Einrichtung) ein Vermittlungsgespräch statt. Hierbei ist die Leitung der Einrichtung Ansprechpartner und Vermittler zwischen den unterschiedlichen Interessenlagen. Sollte dies nicht zur Einigung führen, ist dem Elternwunsch zu entsprechen. Dies kann auch durch organisatorische Veränderungen, beispielsweise im Rahmen von Umsetzungen, geschehen.

 

8.        Zu Art. III (Inkrafttreten)

 

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

 

c)         Beteiligungen:

 

aa)                         Gewerkschaften/ Berufsverbände und Hauptpersonalrat
 
Die Gewerkschaften und Berufsverbände sowie der Hauptpersonalrat sind beteiligt worden.

Im Wesentlichen wird die beabsichtigte Regelung für unnötig und die vorhandenen Normen für ausreichend erachtet. Vor dem Hintergrund eines zu führenden gesellschaftlichen Diskurses sollte vorerst auf die Einbringung dieses Gesetzesentwurfs verzichtet werden.

Die Einschätzung, dass auf eine gesetzliche Regelung verzichtet werden kann, wird vom Senat nicht geteilt. Auch wird gerade hinsichtlich einer weiteren öffentlichen Diskussion das geeignete Forum im Parlament gesehen, wie es auch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorgesehen ist.

bb)                        Die in Berlin ansässigen und bekannten Religions- und Weltanschauungsge­mein­schaften wurden von dem beabsichtigten Gesetzesvorhaben unterrichtet.


Das Erzbistum Berlin der Römisch-Katholischen Kirche und die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz wurden beteiligt. Sie lehnen die Regelungen im Gesetzesentwurf ab, weil sie die Auffassung vertreten, dass die Regelungen nicht den Anforderungen an die staatliche Neutralitätspflicht gerecht werden und ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung in den Schutz der Bekenntnisfreiheit nach Artikel 4 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes eingreifen. Sie dienten danach nicht dem Schutz der Religionsfreiheit, sondern bewirkten deren unverhältnismäßige Einschränkung.

 

Die Einschätzung der unverhältnismäßigen Einschränkung der Religionsfreiheit und des Eingreifens in den Schutz der Bekenntnisfreiheit ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung wird vom Senat nicht geteilt. Der Gesetzentwurf des Senats ist mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar und liegt in dem Rahmen, der dem Landesgesetzgeber zur Abwägung und Entscheidung überlassen ist.

 

cc)                         Rat der Bürgermeister

“Der Rat der Bürgermeister stimmt der seitens der Senatsverwaltung für Inneres eingebrachten Vorlage 601/04 zu. Er fordert den Senat jedoch auf, Fort- und Weiterbildungsangebote für das Personal der Betreuungseinrichtungen für die Umsetzung der Konfliktstrategie bereitzustellen.“

Soweit die Praxis einen zusätzlichen Schulungsbedarf aufzeigt, wird diesem an den landeseigenen Fortbildungseinrichtungen nachzukommen sein.


 

 

B.       Rechtsgrundlage:

Artikel 59 Abs. 2 der Verfassung von Berlin.

 

C.       Kostenauswirkungen auf Privathaushalte und/oder Wirtschaftsunternehmen:

Durch die Regelungen entstehen weder neue Kosten für Privathaushalte oder Wirtschaftsunternehmen noch haben sie Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau.

 

D.      Gesamtkosten:

Die Neuregelung führt nicht zu höheren Kosten für das Land Berlin.

 

E.       Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg:

Keine

 

F.       Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung:

a)       Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben:

Die Neuregelung hat keine Auswirkungen auf die derzeitige Höhe der Einnahmen und Ausgaben.

b)       Personalwirtschaftliche Auswirkungen:
Die Vorschrift hat keine unmittelbaren personalwirtschaftlichen Auswirkungen.

 

Berlin, den 5. Oktober 2004

 

                                                                        Der Senat von Berlin

K l a u s   W o w e r e i t                                                                                    Dr.  H e i d i   K n a k e - W e r n e r

Regierender Bürgermeister                                                                               Senatorin für den Senator für Inneres


 

I.     Gegenüberstellung der Gesetzestexte

 

Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege
(Kindertagesbetreuungsgesetz – KitaG) vom 19. Oktober 1995 (GVBl. S. 681) in der Fassung vom 4.
September 2002 (GVBl. S. 292)

 

Alte Fassung                                                                                                      Neue Fassung

 

§ 7 Anforderungen an das Personal

§ 7 Anforderungen an das Personal

(1) In Tageseinrichtungen sind zur Betreuung der Kinder grundsätzlich sozialpädagogische Fachkräfte zu beschäftigen. In Ausnahmefällen können auch andere geeignete Kräfte beschäftigt werden, wenn diese sich vertraglich zur Aus- und Fortbildung verpflichten.

(1) unverändert

(2) In integrativ arbeitenden Gruppen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 soll mindestens eine der eingesetzten Fachkräfte über eine entsprechende Zusatzqualifikation verfügen oder sich in der Weiterbildung zum Erwerb einer solchen Qualifikation befinden.

(2) unverändert

(3) Die Leitung der Kindertagesstätten ist erfahrenen und besonders qualifizierten Fachkräften zu übertragen.

(3) unverändert

(4) Der Träger hat die Fortbildung des Personals zu fördern. Die Fachkräfte sind gehalten, an vom Träger veranstalteten oder empfohlenen Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen.

(4) unverändert

 

(5) Das Personal von Tageseinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft soll  bei Erfüllung seiner Aufgaben nach § 3 Abs. 1 auf die weltanschaulich-religiöse Neutralität achten.

 

(6) Wenn die Erziehungsberechtigten eines Kindes wegen der negativen Religionsfreiheit ausdrücklich wünschen, dass das für die Betreuung dieses Kindes zuständige Betreuungs­personal  einer Tageseinrichtung in öffentlicher Trägerschaft keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, oder keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke trägt, findet zunächst  ein Vermittlungsgespräch zwischen den Erziehungsberechtigten und dem Betreuungspersonal statt. Sollten die Erziehungsberechtigten ihren Wunsch nach dem Vermittlungsgespräch aufrechterhalten, ist dem zu entsprechen. Dies kann auch durch organisatorische Veränderungen in der Tageseinrichtung oder im Bereich des öffentlichen Trägers geschehen.

 


II. Wortlaut der zitierten Rechtsvorschriften

 

 

Grundgesetz:

 

Artikel 3

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

 

Artikel 4

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

 

Artikel 6

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

 


 

Artikel 7

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

 

Artikel 12

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

 


Artikel 33

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln.

 

Artikel 141

Artikel 7 Abs. 3 Satz 1 findet keine Anwendung in einem Lande, in dem am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand.

 

 

Verfassung von Berlin:

 

Artikel 29

 

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(2) Rassenhetze und Bekundung nationalen oder religiösen Hasses widersprechen dem Geist der Verfassung und sind unter Strafe zu stellen.

 

Schulgesetz:

 

§ 13

Religions- und Weltanschauungsunterricht

(1) Der Religions- und Weltanschauungsunterricht ist Sache der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Als Träger von Religionsunterricht kommen nur solche Vereinigungen in Betracht, die die Gewähr der Rechtstreue und der Dauerhaftigkeit bieten und deren Bestrebungen und Tätigkeiten auf die umfassende Pflege eines religiösen Bekenntnisses ausgerichtet und deren Mitglieder auf dieses Bekenntnis verpflichtet und durch es verbunden sind.

(2) Der Religionsunterricht wird erteilt von Personen mit der Befähigung für ein Lehramt und einer Prüfung im Fach Religionslehre oder von Personen, die ein fachwissenschaftliches Studium an einer Hochschule oder eine vergleichbare Ausbildung abgeschlossen haben. Sie werden von den Religionsgemeinschaften beauftragt. Lehrkräfte an öffentlichen Schulen haben das Recht, Reli-gionsunterricht zu erteilen; diese Unterrichtsstunden werden ihnen auf die Zahl der Pflichtstunden angerechnet. Aus der Erteilung oder Nichterteilung des Religionsunterrichts dürfen den Lehrkräften keine Vor- oder Nachteile erwachsen.

(3) Die Religionsgemeinschaften übernehmen die Verantwortung dafür, dass der Religionsunterricht gemäß den für den allgemeinen Unterricht geltenden Bestimmungen durchgeführt wird. Sie reichen bei der für das Schulwesen zuständigen Senatsverwaltung Rahmenlehrpläne ein, die erkennen lassen müssen, dass der Religionsunterricht den pädagogischen und fachlichen Maßstäben gerecht wird, die an den allgemeinen Unterricht gestellt werden.

(4) Über die Teilnahme am Religionsunterricht entscheiden die Erziehungsberechtigten durch schriftliche Erklärung gegenüber der Schulleiterin oder dem Schulleiter. Nach Vollendung des 14. Lebensjahres steht dieses Recht den Schülerinnen und Schülern zu.

(5) Die Schule hat für die Erteilung des Religionsunterrichts an die nach Absatz 4 ordnungsgemäß angemeldeten Schülerinnen und Schüler wöchentlich zwei Unterrichtsstunden im Stundenplan der Klassen freizuhalten und unentgeltlich Unterrichtsräume zur Verfügung zu stellen. Die nicht angemeldeten Schülerinnen und Schüler können während der Religionsstunden unterrichtsfrei gelassen werden.

(6) Soweit Klassen nicht gebildet werden, gilt Absatz 5 mit der Maßgabe, dass die Schule durch eine entsprechende Aufteilung des Unterrichtsangebots den nach Absatz 4 angemeldeten Schülerinnen und Schülern die Teilnahme an zwei Stunden Religionsunterricht je Woche zu ermöglichen hat.

(7) Für Weltanschauungsgemeinschaften gelten Absatz 1 Satz 2 und die Absätze 2 bis 6 sinngemäß.

 

§ 17

Jahrgangsstufen, Schulstufen und Schularten, Bildungsgänge

(1) Die Schule gliedert sich nach Jahrgangsstufen, Schulstufen und Schularten sowie inhaltlich nach Bildungsgängen. Die Jahrgangsstufen 1 bis 6 bilden die Primarstufe (Grundschule), die Jahrgangsstufen 7 bis 10 die Sekundarstufe I; die gymnasiale Oberstufe und die beruflichen Schulen bilden die Sekundarstufe II.

(2) Die Bildungsgänge werden jeweils durch gemeinsame Bildungsziele, Bildungsstandards und Abschlüsse bestimmt. Die gemeinsamen Bildungsziele entfalten sich mit dem jahrgangsweisen Fortschreiten durch die inhaltliche und methodische Einführung, Erschließung, Erweiterung, Vertiefung und Konsolidierung der Unterrichtsfächer, Lernbereiche und Aufgabengebiete oder Lernfelder.

(3) Schularten sind:

1.   die Grundschule,

2.   als weiterführende allgemein bildende Schulen

a) die Gesamtschule,

b) die Hauptschule,

c) die Realschule,

d) die verbundene Haupt- und Realschule und

e) das Gymnasium,

3.   als berufliche Schulen

a) die Berufsschule,

b) die Berufsfachschule,

c) die Fachoberschule,

d) die Berufsoberschule und

e) die Fachschule,

4.   die Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt (Sonderschulen) und

5.   die Einrichtungen des Zweiten Bildungswegs zum nachträglichen Erwerb allgemein bildender und beruflicher Abschlüsse.

Eine Schulart kann mit einer anderen Schulart organisatorisch und pädagogisch verbunden werden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 2 können die Gesamtschule und das Gymnasium einen altsprachlichen Bildungsgang ab der Jahrgangsstufe 5 führen.

(5) Die Mindestanzahl der Klassen oder Lerngruppen eines Eingangsjahrgangs (Züge) soll an Grundschulen und an Schulen der Sekundarstufe I die Zweizügigkeit nicht unterschreiten. Abweichend von Satz 1 soll an Gesamtschulen die Vierzügigkeit und an Gymnasien die Dreizügigkeit nicht unterschritten werden. Über Ausnahmen, insbesondere zur Sicherung eines angemessenen Schulwegs, entscheidet die Schulaufsichtsbehörde.


 

Kindertagesbetreuungsgesetz:

 

§ 3

Aufgaben und Ziele

(1) Tageseinrichtungen unterstützen und ergänzen die Erziehung des Kindes in der Familie. Ihre Aufgabe umfasst die Betreuung, Bildung und Erziehung des Kindes. Sie fördern seine Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit, insbesondere durch Entfaltung seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten und seiner seelischen, musischen und schöpferischen Kräfte. Sie sollen für gleiche Entwicklungsmöglichkeiten von Mädchen und Jungen sorgen und zur Toleranz gegenüber anderen Menschen, Kulturen und Lebensweisen erziehen. Sie sollen den verantwortungsvollen Umgang mit Natur und Umwelt vermitteln.

(2) Die Betreuung in der Tageseinrichtung hat die individuellen Bedürfnisse und das jeweilige Lebensumfeld des Kindes zu berücksichtigen. Kinder, die auf Grund ihres sozialen Umfeldes benachteiligt sind, sollen durch ergänzende Förderungsmaßnahmen in ihrer Entwicklung unterstützt werden.

(3) Die Kinder sollen Einblick in die in der Tageseinrichtung anfallenden hauswirtschaftlichen Arbeiten erhalten und nach Möglichkeit an diesen beteiligt werden.

 

Ausschuss-Kennung : GesSozMiVergcxzqsq