Senatsverwaltung für Gesundheit,
Soziales und Verbraucherschutz
- I A 41 -
Tel. 9028 (928) 2217
An die
Vorsitzende des Ausschusses
für Gesundheit, Soziales, Migration
und Verbraucherschutz
des Abgeordnetenhauses von Berlin
Antwort
auf die Große Anfrage
der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS des
Abgeordnetenhauses von Berlin
vom 23. September 2004
über Modellsozialamt 2005
Drucksache 15/3229
1. Welche Ziele verfolgt der Senat mit dem Leitprojekt
„Modellsozialamt 2005“ ?
Das Projekt „Modellsozialamt 2005“ hat seinen Ursprung im Abschlussbericht der Expertenkommission „Staatsaufgabenkritik“, die im November 2001 ca. 190 Vorschläge zur strukturellen Neugestaltung der Berliner Verwaltung, zu Fragen der verbesserten Steuerung sowie inhaltliche Vorschläge zu einzelnen Politikfeldern vorgelegt hat. Der Senat und die ihn tragende Koalition sahen die Anregungen der Kommission als „eine wichtige Grundlage für das alle Politikfelder umfassende Modernisierungs- und Sanierungsprogramm, das zur Wiederherstellung der finanzpolitischen Handlungsfähigkeit des Landes notwendig ist.“[1]
Mit Beginn der laufenden Legislaturperiode hat der Senat die Verwaltungsmodernisierung neu und auf die Anforderungen der extremen Haushaltsnotlage hin ausgerichtet. Schwerpunkte werden durch eine enge Verzahnung mit der Konsolidierungspolitik des Senats sowie durch die Zielvorgabe einer grundlegenden aufgabenkritischen Reform und Straffung der gesamten Landesverwaltung gesetzt. Ziel ist, die Berliner Verwaltung zu einem positiven Standortfaktor für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Berlins zu machen.
Die Richtlinien der Regierungspolitik sehen bis zum Jahr 2006 einen Abbau des Primärdefizits des Berliner Haushalts in Verbindung mit einer flächendeckenden Neuordnung von Aufgaben und Prozessen der Berliner Verwaltung vor. Darin heißt es:
„Die notwendige Ausgabenentlastung des Landes kann nur durch die umfassende und radikale Neuordnung von Aufgabenbestand, Struktur und Prozessen der Berliner Verwaltung erreicht werden. Dabei werden Sanierung und Innovation miteinander verbunden. Die grundlegende Verwaltungsmodernisierung muss als mehrjähriger, bis in die nächsten Legislaturperioden reichender Prozess angelegt sein.“
Zur Erreichung dieses politischen Schwerpunktvorhabens hat der Senat am 1. April 2003 einen Masterplan beschlossen, der alle wichtigen politischen Neuordnungsprojekte und –vorhaben enthält, die den öffentlichen Sektor Berlins strukturell verändern. Übergeordnetes Ziel dieser „Neuordnungsagenda 2006“ ist u.a. eine deutlich schnellere, kostengünstigere und an Nutzerinteressen orientierte Bereitstellung der Dienstleistungen im öffentlichen Sektor. Das Projekt „Modellsozialamt 2005“ wurde unter den genannten Zielsetzungen in die Agenda aufgenommen.
Unter Berücksichtigung des vorgenannten übergreifenden Modernisierungs- und Sanierungsansatzes verfolgt das Projekt „Modellsozialamt 2005“ folgende Ziele:
·
durch Realisierung einheitlicher Rahmenbedingungen die
technischen und organisatorischen Grundlagen für eine verbesserte Steuerung der
Sozialhilfe zu schaffen
·
Konzepte für eine ziel- und wirkungsorientierte
Steuerung im Bereich der sog. Hilfen in besonderen Lebenslagen zu entwickeln
und
· den Aufgabenwandel sowie den notwendigen Umstrukturierungsprozess in den Sozialämtern durch die Erarbeitung von Strukturempfehlungen zu begleiten.
2. Von welchen Veränderungen und Verbesserungsnotwendigkeiten
in den bezirklichen Sozialämtern geht der Senat in seiner Projektplanung aus ?
und
3. Welche Projektschwerpunkte setzt der Senat im Leitprojekt ?
Die aus Sicht des Senats erforderlichen Veränderungen und Verbesserungsnotwendigkeiten in den bezirklichen Sozialämtern spiegeln sich in den Zielen des „Modellsozialamtes 2005“ wider:
·
Zum einen gilt es, den sehr kostenintensiven
Transferbereich der Sozialhilfeausgaben – und insbesondere der sog. Hilfen in
besonderen Lebenslagen (HbL) – in Form eines regelmäßigen Berichtswesens /
Fachcontrolling transparent zu gestalten, um dezidiert die Ausgabenschwerpunkte
feststellen und künftig in die Haushalts- und Sozialplanung unter Steuerungsgesichtspunkten
zielorientiert einbeziehen zu können. Dies setzt voraus, dass die erforderlichen
Daten aus den Bezirken vollständig, einheitlich, valide und IT-gestützt zur
Verfügung stehen und für Auswertungszwecke nutzbar gemacht werden können.
Der Senat hat deshalb in einem ersten Schritt mit Wirkung vom 06. Dezember 2003
Verwaltungsvorschriften zur Vereinheitlichung des IT-Verfahrensbetriebes in den
Sozialämtern erlassen und in der Projektplanung 2004 folgende Teilziele
verankert:
a) Erstellung und Publikation von sog. „Eingabeleitfäden“ für
HbL-Leistungsfälle
b) Einführung der PROSOZ/S-Version 7.1 (HbL-Funktionalität)
c) Vereinheitlichung der PROSOZ/S-Parameter
d) Qualifikation von rd. 600 bezirklichen Mitarbeiter/innen
e) Datenanalyse (z.B. Vollständigkeits-. Plausibilitätsprüfung)
f) kontinuierliche Verbesserung der Datenqualität an der Datenquelle.
Die Teile a) bis d) sind umgesetzt, erste Daten aus den Bezirken liegen vor,
genügen aber noch nicht dem genannten Qualitätsanspruch. Zwar können die
Bezirke mit der Version 7.1 nunmehr alle (!) Sozialhilfefälle mit dem
IT-Fachverfahren bearbeiten, haben dies aber aufgrund des durch Hartz IV
andauernden Umstrukturierungsprozesses noch nicht vollständig umgesetzt. Nach
mehrfachem Appell der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und
Verbraucherschutz haben die Sozialamtsleiter/innen in ihrer gemeinsamen Sitzung
am
30. September 2004 zugesagt, dass alle Leistungsfälle spätestens ab
Januar 2005 ausschließlich mit PROSOZ/S bearbeitet werden. Die erforderlichen
Maßnahmen zur Auswertung von HbL-Daten sind eingeleitet.[2]
Parallel dazu wurde damit begonnen, ein Fachkonzept für ein HbL-Berichtswesen
zu erstellen, das neben den genannten Grunddaten auch (sozial- und/oder
fiskalpolitische) Ziele und Indikatoren zur Messung des Grades der
Zielerreichung enthalten soll. Da der Senat auf diesem Gebiet bundesweit
fachlich und methodisch Neuland betritt und entsprechende Kompetenzen innerhalb
der Berliner Verwaltung nicht im erforderlichen Umfang vorhanden sind, wurde im
Wege einer bundesweiten und unterhalb des EU-Schwellenwertes liegenden Ausschreibung
eine externe Unterstützung gewonnen, die am 12. Oktober 2004 ihre Tätigkeit
aufgenommen hat. Die bis dahin im Rahmen des Projektes „Modellsozialamt 2005“
und unter Beteiligung der Bezirke in 2004 erarbeiteten Teilergebnisse sind in
einem Zwischenbericht dokumentiert sowie in einem Fach- und Vorgehenskonzept
für die Projektplanung 2005 konkretisiert
worden. Damit werden sukzessive die erforderlichen Grundlagen für die
Einführung eines Controllingsystems zur Ausgabensteuerung im Sozialhilfebereich
der sog. Hilfen in besonderen Lebenslagen geschaffen.
·
In Ergänzung der vorherigen Zielsetzung hält es der
Senat für erforderlich, dass sich Berlin in seinem Ausgabenverhalten auch
weiterhin extern orientiert und greift damit erneut eine Forderung des
Landesgesetzgebers auf, der die Bezirke bereits im Rahmen des Haushaltsstrukturgesetzes
1997 dazu verpflichtet hat, Ausgaben für Sozialleistungen auf Durchschnittssätze
zu beschränken. Diese sollen sich an den entsprechenden Durchschnittsleistungen
mit Berlin vergleichbarer Gebietskörperschaften (Stadtstaaten, Großstädte,
Ballungsgebiete) orientieren, sofern sie unter denen des Landes Berlin liegen.[3]
Berlin nimmt seit einigen Jahren an zwei interkommunalen Kennzahlenvergleichen[4]
der
Sozialhilfe teil, konnte aber aufgrund der zuvor beschriebenen schlechten
Datenlage insbesondere im Bereich der Hilfen in besonderen Lebenslagen die
erforderliche Benchmarking-Qualität nicht herstellen. Hier wird es durch die
IT-Maßnahmen im Projekt zu wesentlichen Verbesserungen kommen, so dass Berlin
sich auch an der derzeit anstehenden Ausweitung des Kennzahlenvergleichs der
überörtlichen Träger der Sozialhilfe von der stationären auf die ambulante
Eingliederungshilfe für behinderte Menschen beteiligen kann. Darüber hinaus
hält es der Senat für erforderlich, einen Stadtstaatenvergleich aufzusetzen und
die dazu erforderlichen Instrumente zu schaffen.
Beide Vergleichsringe werden seit Jahren durch die Firma con_sens (Hamburg)
begleitet, die nicht nur die Pflege und Fortentwicklung von Kennzahlen zur
Aufgabe hat, sondern auch die Daten der überörtlichen Träger und Städte (auch
als Zeitreihen) vorhält und aus den Benchmarking-Ergebnissen entsprechende
Berichte erstellt. Das Aufsetzen eines Stadtstaatenvergleichs auf Basis bereits
vorhandener Daten aus 2003 erfordert ein entsprechendes know-how, dass derzeit
in der erforderlichen Form von keinem anderen Anbieter vorgehalten wird. Die
Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz hat deshalb die
genannte Firma u.a. damit beauftragt, für die Zielsetzung des externen
Vergleichs einen Projektplan aufzustellen, die bestehenden unterschiedlichen
Kennzahlenkataloge der Vergleichsringe für die Stadtstaaten zusammenzuführen,
erforderliche neue Kennzahlen zu definieren, die Berliner Datenlage in Hinblick
auf die Benchmarkingerfordernisse zu überprüfen sowie eine Datenbank zu
erstellen, zu testen und einen Schlussbericht abzufassen. Die Arbeitsergebnisse
werden voraussichtlich Anfang 2005 vorliegen.
·
Im Zuge der Stärkung der politisch gewollten
Selbstständigkeit der Berliner Bezirke sind die verbindlichen „Grundsätze über
die Organisation der Bezirksämter – Abteilung Sozialwesen – (Grds. Org.BASoz)
vom 3. März 1987 am 16. Juli 1996 mit sofortiger Wirkung aufgehoben worden.
Einheitliche organisatorische Vorgaben für die Sozialämter gab es seither nur im
Rahmen der gesetzlichen Neuregelungen der Verwaltungsreform, ohne jedoch dabei
über die Bildung von Leistungs- und Verantwortungszentren (LuV) hinausgehende
Details konkret festzulegen. Als Folge dessen kam es zu einer sehr heterogenen
Entwicklung der Aufbau- und Ablauforganisation in den bezirklichen
Geschäftsbereichen Soziales, die eine vergleichende Bewertung nicht mehr
zulässt und auch unter den Aspekten von Transparenz, Effizienz, Effektivität
und Bürgerorientierung Verbesserungsmöglichkeiten aufweist. Die federführende
Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz hat daher den
konkreten Vorschlag der Expertenkommission „Staatsaufgabenkritik“ zur
Erarbeitung von Strukturempfehlungen für den organisatorischen Aufbau des
„Modellsozialamtes 2005“ aufgegriffen und als festen Bestandteil in das Projekt
integriert. Parallel dazu ist der Senat dabei, unter Federführung der
Innenverwaltung ein Konzept zur Vereinheitlichung der Ämter- und
Abteilungsstrukturen zu entwickeln, das die beispielhaft dargestellte bisherige
Heterogenität einer neuen Ausrichtung unterzieht.
In die Erarbeitung von Strukturempfehlungen sind auch die durch „Hartz IV“
bedingten Zuständigkeitsveränderungen in den Sozialämtern mit einzubeziehen.[5]
Mit Inkrafttreten des SGB XII zum 01. Januar 2005 kommt es zeitgleich zu einer
inhaltlichen Verschiebung der sozialhilferechtlichen Schwerpunktsetzung: die
Ausgabenlast des Landes Berlin in der Sozialhilfe wird künftig im Bereich der
Hilfen in besonderen Lebenslagen liegen.
Der Senat sieht diese Umbruchsituation als Chance und Notwendigkeit, in den
Sozialämtern die organisatorischen Voraussetzungen für eine adäquate
Ausgabensteuerung zu schaffen und gleichzeitig den Dienstleistungscharakter der
Verwaltung wieder in den Vordergrund zu stellen. Dazu müssen Instrumente und
Rollen beschrieben werden, die organisatorisch von den Bezirken umzusetzen
sind. Gleichermaßen gilt es, sich unter Steuerungsgesichtspunkten mit Fragen
der Personalausstattung und Qualifizierung auseinander zu setzen.
Im Rahmen des Projektfeldes „Strukturempfehlungen“ wurden im April 2004
folgende Teilziele definiert:
a) Erarbeitung eines Musterorganigramms für das „Modellsozialamt 2005“
b) Erarbeitung einer Musterablauforganisation (Ablauf der Geschäftsprozesse) für
ausgewählte Bereiche
c) Erarbeitung von Personalrichtwerten für qualifiziertes Personal und
Beschreibung von Kernkompetenzen (Anforderungsprofile)
d) Erarbeitung der Inhalte eines Fallmanagements im Bereich der sog. Hilfen in
besonderen Lebenslagen.
Daneben müssen Schnittstellen zu anderen Projekten (etwa der Reform des
Öffentlichen Gesundheitswesens) beachtet werden.
Die für die Erarbeitung von Strukturempfehlungen zuständige Arbeitsgruppe aus
Mitgliedern von SenGesSozV, SenInn, SenFin, vier Bezirken und dem
Hauptpersonalrat hat im August 2004 einen Zwischenbericht vorgelegt, der
folgenden Sachstand enthält:
Ein erster Entwurf für ein Musterorganigramm ist erstellt, die Arbeitsgruppe
empfiehlt den Bezirken, das Sozialamt künftig in 4 Fachbereiche[6]
und einen Internen Service zu gliedern und eine Clearingstelle („Bürgerservice
Soziales“) einzurichten. Für ausgewählte Bereiche der Leistungsgewährung wurden
die Geschäftsprozesse beschrieben, insbesondere für das neu einzurichtende
Fallmanagement im Fachbereich 1 (Eingliederungshilfe und Pflegeleistungen).
Die Arbeitsgruppe hat hierzu die Rolle, die Aufgaben und erste Qualifizierungserfordernisse
künftiger Fallmanager/innen beschrieben und vertritt die Auffassung, dass gerade
komplexe Fallkonstellationen, die es in diesem Bereich regelmäßig gibt, einer
konkreten Steuerung bedürfen.
Mit der Schaffung der Grundlagen der HbL-Steuerung soll es im „Modellsozialamt
2005“ auch die neue Rolle einer Angebotskoordination geben, die das
Fallmanagement bei der Auswahl konkreter, bedarfsgerechter und kostengünstiger
Hilfeangebote unterstützt und dazu ein Netzwerk von Dienstleistungsangeboten
schafft und pflegt. Daneben wird vorgeschlagen, ein Bereichscontrolling
einzurichten, das sachgebietsübergreifend die Ausgabenentwicklung im Sozialamt
im Auge behält und erforderliche Maßnahmen rechtzeitig einleitet. Die Rolle
des/der Controller/in kann erst beschrieben werden, wenn die Zielbildung für
die HbL-Steuerung (siehe oben) abgeschlossen ist.
Zu den Personalrichtwerten liegt ebenfalls ein erster Entwurf vor, der u.a.
eine Schlüsselzahl von 1:75 für das Fallmanagement vorsieht. Die Abstimmung auf
Senatsebene unter dem Gesichtspunkt der Finanzierbarkeit findet zur Zeit statt.
Als eine weitere Schwerpunktsetzung wurde der Entwurf eines Anforderungsprofils
für Fallmanager/innen erstellt, da die inhaltliche Beschreibung der Rolle
Grundlage für die spätere Besoldungs-/Vergütungshöhe ist. Daneben wurden erste
Überlegungen zur Rolle der Sozialen Dienste im „Modellsozialamt 2005“ sowie ein Lösungsentwurf für die noch
ausstehende organisatorische Anbindung des jetzigen Bereichs der „Sozialen
Wohnhilfe“, der schwerpunktmäßig wohnungslose Menschen betreut, erarbeitet.
Anfang 2005 wird für das abgeschlossene Projektjahr 2004 ein Ergebnisbericht
vorgelegt werden, der – in noch sehr grober Körnung – Strukturempfehlungen für
die Sozialämter enthält.
4. Welche Rolle spielen dabei die Ergebnisse des
Sozialstrukturatlasses ?
Der Sozialstrukturatlas Berlin 2003 stellt in Kapitel 2 die immer mehr in den Vordergrund rückende sozial(klein)räumigen Planungsansätze im Gesundheits- und Sozialbereich dar und weist insbesondere darauf hin, dass Sozialraum und Planung im Bereich der Jugendhilfe untrennbar miteinander verbunden sind. Ob und in welcher Weise dieser Ansatz auch auf die Sozialhilfeplanung übertragen werden sollte, ist nicht Gegenstand des „Modellsozialamtes 2005“. Das Projekt verfolgt ausschließlich das Ziel der Neuorganisation der Sozialämter und die Einführung von Rollen und Instrumenten für ein Fachcontrolling der Hilfen in besonderen Lebenslagen. Dafür sind andere „Leitlinien“ zu entwickeln als die der „Sozialraumorientierung“, sozialräumliche Bezüge spielen für die HbL-Steuerung eine untergeordnete Rolle. Dies ergibt sich schon aus dem BSHG, wonach für die genannten Hilfearten grundsätzlich der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig ist. Die Mehrheit der Bundesländer hat sich seit Jahren für eine zentralisierte, die wirtschaftliche Leistungserbringung unterstützende, Aufgabenwahrnehmung ausgesprochen (z.B. durch Landeswohlfahrtsverbände). Diese Regelung entfällt auch mit Inkrafttreten des SGB XII nicht und macht deutlich, dass sozialräumliche Strategien bei den Hilfen in besonderen Lebenslagen von untergeordneter Bedeutung sind. Das „Modellsozialamt 2005“ sieht daher im Prinzip der Sozialraumorientierung keine zielführende Leitlinie für die Steuerung, Organisation und Controlling des überörtlichen Trägers.[7]
Unabhängig davon vertritt der Senat die Auffassung, dass ein schwerpunktmäßiger Personaleinsatz von Sozialarbeiter/innen in den sozialen Brennpunkten der Stadt wesentlich zur Entschärfung der damit verbundenen Problemstellungen beiträgt. Soweit der Organisationsbereich der Sozialämter betroffen ist, wird der vorgenannte Ergebnisbericht 2004 zu den Strukturempfehlungen auch entsprechende Aussagen enthalten.
5. Welche Auswirkungen haben die neuen Sozialleistungsgesetze
SGB II und SGB XII auf die künftigen Strukturen der bezirklichen Sozialämter ?
und
6. Wie spiegeln sich diese Auswirkungen in der Projektplanung
des Senats wider ?
Im Zuge der Einführung der genannten beiden Sozialleistungsgesetze wird hinsichtlich der Gewährung von Leistungen für den Lebensunterhalt ein erheblicher Anteil der erwerbsfähigen Leitungsberechtigen und ihrer Haushaltsangehörigen in die Zuständigkeit des SGB II und somit in die gegründeten Arbeitsgemeinschaften wechseln. Infolgedessen wird der Schwerpunkt in den bezirklichen Sozialämtern in Zukunft für einen quantitativ deutlich kleineren Personenkreis in der Leistungserbringung auf der Grundlage des SGB XII liegen. Dies sind in erster Linie Leistungen an Menschen, die voll erwerbsgemindert, im Rentenalter, behindert oder pflegebedürftig sind oder besondere soziale Schwierigkeiten haben. Zu den Leistungen werden Geldleistungen ebenso wie Dienstleistungen (Beratung und Betreuung) gehören. Die zielgruppenorientierten Erfordernisse werden sich in der neuen Organisationsstruktur der Sozialämter ebenso wiederfinden wie eine Fallsteuerung der zum Teil sehr kostenintensiven Leistungen über die Einführung des oben genannten Fallmanagements.
Darüber hinaus werden Teile der Aufgaben des Kommunalen Trägers nach dem SGB II (hier insbesondere § 16 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 – 4 SGB II) den bezirklichen Sozialämtern obliegen, weil diese dem Land Berlin gemäß Rahmenvereinbarung mit der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit vom 26. August 2004 nicht auf die zu gründenden Arbeitsgemeinschaften übertragen wurden. Diese Leistungen sollen im Land Berlin in den bestehenden Strukturen fallweise erbracht werden und werden in der Organisationsstruktur des Modellsozialamtes 2005 Berücksichtigung finden, soweit sie durch den Bereich Soziales als Kommunaler Träger im Sinne des SGB II zu erbringen sind.
7. Welchen Zeit- und Maßnahmeplan sieht der Senat für das
Projekt vor und wie wird der Senat sicherstellen, dass dieser Zeit- und
Maßnahmeplan eingehalten wird ?
Für die im Rahmen des Projektes in 2004 einzuleitenden Maßnahmen wurde ein Zeit- und Maßnahmeplan erstellt, der in seinen wesentlichen Schwerpunkten überwiegend termin- und inhaltsgenau umgesetzt wurde. Die Eckpunkte der jeweils erzielten Arbeitsergebnisse sind in der Beantwortung dieser Anfrage genannt.
Das Projekt „Modellsozialamt 2005“ wird sich im kommenden Jahr auf die „Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach SGB XII“ konzentrieren, um die in 2004 erarbeiteten Konzepte und Empfehlungen in dem Bereich gemeinsam mit den Bezirken in die Praxis umzusetzen, der die Hauptausgabenlast des bezirklichen Transferhaushalts beinhaltet. Die Kernelemente der Zeit- und Maßnahmeplanung 2005 sind als Anlage beigefügt. Zur Sicherstellung der Einhaltung auch dieses Planes wird die Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz die bisher im Projekt angesiedelten personellen Ressourcen beibehalten und bei entsprechendem Bedarf – wie auch im vergangenen Jahr – durch externe Firmen punktuell verstärken. Die dafür erforderlichen finanziellen Mittel werden rechtzeitig beantragt werden, eine inhaltliche Konkretisierung wird bis Anfang 2005 vorliegen.
8. Wie bezieht der Senat die Bezirke in das Leitprojekt ein ?
Sind Modellprojekte oder eine flächendeckende Umsetzung geplant ?
und
9. Wie und wann soll aus Sicht des Senats die Umsetzung der
Projektergebnisse gemeinsam mit den Bezirken erfolgen ?
Der Senat beteiligt die Bezirke in allen Arbeitsgruppen des Projektes als gleichberechtigte Partner. Die fachlich und politisch verantwortlichen Leitungskräfte der Bezirke werden regelmäßig über die Projektergebnisse informiert, eine Intranetdarstellung ist innerhalb der Berliner Verwaltung unter http://www.sengsv.verwalt-berlin.de/projekte/modellsozialamt/
für jeden zugänglich. Darüber hinaus haben die Bezirke – Geschäftsbereiche Soziales - auf Bitten der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz Projektverantwortliche benannt, die den Projektfortschritt innerhalb ihres Amtes transportieren, aber auch Anregungen und Kritik aufzeigen sollen. Die konstituierende Sitzung dieses Gremiums fand am 01. Oktober 2004 statt, eine Folgeveranstaltung ist für Anfang 2005 geplant.
Auf Anregung der Gewerkschaft Ver.di fand am 22. Oktober 2004 eine ganztägige Fachkonferenz für die Beschäftigten in den Berliner Sozialämtern zum Projekt statt, die insbesondere den Schwerpunkten „Soziale Dienste“, „Fallmanagement“, „Personal“ und „Controlling“ gewidmet war. Aufgrund des starken Interesses wird es auch hier voraussichtlich Anfang 2005 eine Folgeveranstaltung geben.
Der Senat geht davon aus, dass die Bezirke die im Rahmen des Projektes erreichten und abgestimmten Teilziele im nächsten Jahr sukzessive in die Praxis umsetzen, soweit die dafür erforderlichen Bedingungen – etwa im Bereich der Personalausstattung und Qualifizierung – konkretisiert vorliegen. Zur Umsetzung der im Bereich der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Projekt erarbeiteten Maßnahmen und Rahmenbedingungen wurde der Entwurf einer Zielvereinbarung zwischen der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz sowie der Senatsverwaltung für Finanzen und den Bezirken – Geschäftsbereich Soziales – erstellt, der neben der Festlegung der Finanzierung personeller Mehrausgaben auch die bezirklichen Pflichten zur Ausgabensteuerung konkret benennt. Der Entwurf befindet sich derzeit in der inhaltlichen Abstimmung und sollte bis Ende Januar 2005 von allen Bezirksämtern unterzeichnet werden, um die weitere Projektrealisierung nicht zu gefährden.
Die Umsetzung der wesentlichsten Projektergebnisse für den Bereich der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen soll in den Bezirken bis zum 31. Dezember 2005 abgeschlossen sein, wobei es hier – über die Inhalte der Zielvereinbarung hinaus - auch auf die Akzeptanz und das Engagement bezirklicher Leitungskräfte, Mitarbeiter/innen und Personalvertretungen ankommt. Aufgrund der Zuständigkeitsverteilung innerhalb des Landes Berlin kann der Senat den Umstrukturierungsprozess in den Bezirken nur begleiten und unterstützen ohne jedoch über die Möglichkeit des Erlasses bindender Richtlinien zu verfügen. Entscheidungen im Zusammenhang mit Personal- und Organisationsangelegenheiten der Bezirke obliegen diesen in alleiniger Verantwortung.
10. Wie stellt der Senat die Einbeziehung der
Beschäftigtenvertretungen in den Umstrukturierungsprozess sicher ?
Im Rahmen des Projektes „Modellsozialamt 2005“ sind die Beschäftigtenvertretungen der Bezirke von Anfang an einbezogen und über den Hauptpersonalrat in den relevanten Projektgremien vertreten.
Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz
hat zudem die örtlichen Personalräte/innen in einer Sondersitzung am 06. April
2004 über die Projektinhalte und
–planung informiert. Auf die vorgenannte Gewerkschaftsveranstaltung und
Intranetdarstellung wird verwiesen.
Das Land Berlin als Kommunaler Träger der Leistungen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II stellt den nach § 44b SGB II zu bildenden Arbeitsgemeinschaften (ArGen) für die Durchführung seiner Aufgaben Personal zur Verfügung. Das Verfahren hierfür ist in einer Vereinbarung zwischen dem Land Berlin und der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit (RD BB) über „die Dienstleistungserbringung durch die Bundesagentur für Arbeit an die ArGen und die Umsetzung des Personals der Bezirke von Berlin in die Arbeitsgemeinschaften...“ vom 08. Oktober 2004 geregelt, die von der Senatsverwaltung für Inneres verhandelt und ressortübergreifend abgestimmt wurde. Danach ist die Einbindung des Personalrats über die Dienstleistungserbringung und die Umsetzung des bezirklichen Personals ausdrücklich vorgesehen.
Berlin, den 5. Januar 2005
Dr. Heidi K n a k
e-W e r n e r
....................................................
Senatorin für Gesundheit,
Soziales und Verbraucherschutz
SenGesSozV
I A 41
Zeit- und Maßnahmeplan 2005
für das Leitprojekt „Modellsozialamt 2005
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Aufgaben |
Jan 05 |
Feb 05 |
März 05 |
April 05 |
Mai 05 |
Juni 05 |
Juli 05 |
Aug 05 |
Sept
05 |
Okt
05 |
Nov
05 |
Dez
05 |
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Strukturempfehlungen „Modellsozialamt“ |
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1.
Erarbeitung des Abschlussberichtes 2004 für
„Strukturempfehlungen zum Modellsozialamt 2005“ |
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RdB-Vorlage |
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Fallmanagement in der
Eingliederungshilfe nach SGB XII / Fachcontrolling |
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2.
Abschluss einer Zielvereinbarung mit den Bezirken
und SenFin über die Einführung eines Fallmanagements in der Eingliederungshilfe
nach SGB XII; Erarbeitung eines Abrechnungsmodells für Personalmehrausgaben |
Abschluss
Zielvereinbarung |
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3.
Erstellung eines Anforderungsprofils nebst
grundlegender Aufgabenbeschreibung; Erstellung und Umsetzung eines Qualifizierungskonzeptes
für Fallmanager/innen in der Eingliederungshilfe |
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Grundschulung
durchgeführt |
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4.
Erstellung und Umsetzung eines Konzeptes
„Gesamtplan Eingliederungshilfe“ incl. Definition von Erfolgskennziffern und
Ziel- und Wirkungsindikatoren; IT-Realisierung |
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5.
Entwicklung und Umsetzung weiterer Instrumente
zur Steuerung der Eingliederungshilfe |
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6.
Erarbeitung eines Leitfadens „Steuerung der
Eingliederungshilfe; Definition des Geschäftsprozesses, der Rollen und Aufgaben |
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7.
Definition und Umsetzung der Datenanforderungen
für ein Fachcontrolling „Eingliederungshilfe“ |
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Fachstatistik „Eingliederungshilfe“ |
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8.
Definition und Umsetzung der Datenanforderungen
an eine unterjährige Fachstatistik „Eingliederungshilfe“ incl. Erstellung eines
ersten Berichtsentwurfs |
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Kennzahlenvergleich „Eingliederungshilfe“ mit den Stadtstaaten |
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9.
Realisierung eines Kennzahlenvergleichs mit
Hamburg und Bremen für die Eingliederungshilfe auf Datenbasis 2004; Erstellung
eines Berichts |
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Bericht |
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Ausschuss-Kennung : GesSozMiVergcxzqsq
[1] vgl. Senatsbeschluss 202/02
vom 20. April 2002
[2] Für die Auswertung von Daten
der Hilfe zum Lebensunterhalt gibt es bereits Instrumente, die auch nach
Inkrafttreten des SGB XII zum 01. Januar 2005 angewendet werden.
[3] In Umsetzung des
gesetzlichen Auftrages aus Art. III des Haushaltsstrukturgesetzes 1997 vom 12.
März 1997 (GVBl. S. 69) wurde die
Fallausgabendurchschnittssatz-Verordnung vom 26. September 2002 (GVBl. S. 310)
geschaffen.
[4] Benchmarking der
überörtlichen Sozialhilfeträger und Benchmarking der 16 großen Großstädte
Deutschlands; bis dato war der inhaltliche Schwerpunkt der beiden
Kennzahlenvergleiche unterschiedlich. Mit Inkrafttreten des SGB XII sind aber
beide Vergleichsringe (unter jeweiliger Beteiligung der Stadtstaaten) daran
interessiert, Kennzahlen überwiegend im Bereich der Hilfen in besonderen
Lebenslagen zu erheben.
[5] Nach Schätzung des Senats
werden rund 90 % der bisher von den Sozialämtern betreuten Empfänger/innen von
laufender Hilfe zum Lebensunterhalt ab 01. Januar 2005 von den Agenturen für
Arbeit auf der Rechtsgrundlage des SGB II betreut werden.
[6] Fachbereich 1 =
Eingliederungshilfe und Pflegeleistungen; Fachbereich 2 = Hilfe zum
Lebensunterhalt, Grundsicherung nach SGB XII, Leistungen nach AsylbLG; Fachbereich
3 = „Senioren“; Fachbereich 4 = Betreuungsbehörde.
[7] Lt. AG-BSHG bzw. AG-SGB XII
ist das Land Berlin örtlicher und überörtlicher Träger der Sozialhilfe
zugleich, wobei die Grundsatzangelegenheiten von der Hauptverwaltung und
Einzelangelegenheiten der Sozialhilfegewährung von den Bezirken wahrgenommen
werden (vgl. Allg. Zuständigkeitskatalog zu § 4 Abs. 1 Satz 1 AZG)