Vor Eintritt in die Tagesordnung

 

Siehe Beschlussprotokoll.

 

 

Frau Vors. Ströver: Wir kommen zu

 

Punkt 1 der Tagesordnung

 

 

Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs

Zukunft von Maxim-Gorki-Theater und Deutschem Theater:

Perspektiven der Intendanten für die künstlerischen Profile

der beiden Häuser

(auf Antrag der Fraktionen der FDP, der Grünen und der CDU)

 

Hierzu: Anhörung der Intendanten

 

- des Maxim-Gorki-Theaters und

- des Deutschen Theaters

0217

 

 

Wir haben beide Intendanten eingeladen; anwesend ist Herr Volker Hesse. Herzlich willkommen, Herr Hesse! Es wurde auch um persönliche Anwesenheit des Senators für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Herrn Dr. Flierl, gebeten. Der Senator ist anwesend. Herzlich willkommen Herr Senator, Frau Staatssekretärin!

 

Die Oppositionsfraktionen haben sich verständigt, – ich denke das findet Ihrer aller Einverständnis –, dass wir die Begründung durch eine Fraktion vornehmen lassen und nicht durch alle drei Fraktionen. Frau Meister wird die Begründung vornehmen für die Einberufung dieses Tagesordnungspunktes.

 

Zwei Sachen noch vorneweg: Ich denke wir gehen davon aus, dass es ein Wortprotokoll gibt. Da gibt es auch keinen Widerspruch, dann verfahren wir so. Die Mitarbeiter des Maxim-Gorki-Theaters haben mich gebeten, einen offenen Brief, den sie an den Senator geschrieben haben, hier noch einmal zu verteilen. Ich denke, dem kommen wir gerne nach. – Dann hat jetzt Frau Meister das Wort für alle drei antragstellenden Fraktionen. – Bitte schön Frau Meister!

 

Frau Abg. Meister (FDP): Vielen herzlichen Dank! Es geht heute nicht darum, dass wir verzweifelt versuchen, uns bei dem schlechten Wetter, das der Sommer uns dieses Jahr bietet, ein bisschen gegenseitig zu beschäftigen. Wir gehen nicht davon aus, dass wir, wenn wir schon nicht in der Sonne sitzen können, wenigstens ein bisschen im Kulturausschuss sitzen können. Es geht vielmehr darum, dass natürlich auch in einem Sommer das politische Geschäft und auch die Entscheidung und die Arbeit eines Kultursenators nicht ruhen, das ist auch richtig so! Damit ruht aber auch nicht die Pflicht zur parlamentarischen Kontrolle über Entscheidungen, die anstehen und die gefällt werden.

 

Um was geht es? – Es geht um zwei Theater in der Stadt Berlin und um die Verlängerung von Intendantenverträgen und damit verbunden um Personalentscheidungen. Es soll heute nicht darum gehen, welche Personen der Senator, was er ja auch völlig frei darf, irgendwo hinsetzt, einstellt, verlängert oder nicht verlängert; sondern es soll darum gehen, in welchem Konzept die Theater hier in Berlin eigentlich überhaupt eingebettet sind. Es soll darum gehen, und das ist ja nicht das erste Mal, dass wir hier Zeuge werden von einem System, das immer wieder überrascht. Da wird großspurig angekündigt, immer wieder von unserem Herrn Senator, dass über Grundsatzkonzepte im offenen Diskurs diskutiert werden soll und dann natürlich alle Beteiligten, auch die Opposition gerne willkommen ist dabei. Dann werden aber schon still und heimlich Fakten präsentiert, wie jetzt auch wunderbar in der Sommerpause, da kann man immer hoffen, dass es keiner merkt, und wenn es dann soweit ist und das Konzept endlich vorliegt, ist es schon zu spät, um irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Wir haben das gesehen in dem ganzen Bereich Hauptstadtkulturvertrag. Wir haben das gesehen in der Opernreform. Das Ballett der Komischen Oper war schon längst nach Hause geschickt, als wir noch diskutierten, wie überhaupt eine Ballettreform aussehen könnte. Und wir werden es beim Orchester erleben, wo jetzt schon in der mittelfristigen Finanzplanung drinsteht, wer sich demnächst auf ganz viel Zeit einrichten kann von den Orchestermusikern, und auch hier haben wir noch nicht einmal darüber diskutiert. Das sind ganz wichtige Fragen für die Stadt. Entscheidend ist nicht, wie der Intendant heißt oder welche Konzepte er verfolgt, sondern entscheidend ist, welche Konzepte es für die Theaterlandschaft hier in Berlin gibt, mit welchem Profil sich die einzelnen Theater in Berlin positionieren sollen. Ich denke, dass die Fragen von ganz entscheidender Wichtigkeit sind, auch wenn man sich die finanzielle Situation des Landes Berlin im Moment noch einmal vor Augen führt. Wir haben hier zwei Häuser, die durchaus von ihren Zahlen her ganz gut dastehen, und ich denke schon, dass die Frage berechtigt ist, mit welchem Profil eine bessere Darstellung, eine bessere Positionierung erreicht werden kann, so dass wir nicht Gefahr laufen, mit einem Finanzsenator, dessen Kulturnähe wir nun alle schon mehrfach kennen gelernt haben, womöglich irgendwo hinzulaufen auf eine Reiseroute wo es nachher heißt: Dann versuchen wir es mal einfach ohne Theater, weil der Intendant ist ja neu, und die Zahlen sind noch nicht so, wie sie mal waren. – Ich denke das sind Fragen, die wir uns stellen müssen, und das sind auch Fragen, die der Kulturausschuss zu diskutieren hat und die wir heute hoffen, beantwortet zu bekommen. Vielen Dank!

 

Frau Vors. Ströver: Vielen Dank Frau Meister! – Wir sollten dem Kultursenator die Möglichkeit geben, zu reagieren. Wir wollen ja hören, welche Kriterien er zur Anwendung bringt. Dann bitte ich Herrn Hesse zur Anhörung nach vorne. – Herr Senator, Sie haben das Wort!

 

Sen Dr. Flierl (WissKult): Frau Vorsitzende, vielen Dank! Meine Damen und Herren! Berlin war und ist eine Theaterstadt. Berlin verfügt noch immer und heute auf besondere Weise über eine einzigartig vielfältige Theaterlandschaft. Zu deren Attraktivität und Lebendigkeit tragen die fünf großen im Ensemble- und Repertoirebetrieb geführten Schauspielbetriebe Deutsches Theater, Volksbühne, Maxim-Gorki-Theater, Schaubühne und Berliner Ensemble ebenso bei, wie die sich an Kinder und Jugendliche richtende Arbeit von Grips und Carrousel, der Friedrichstadtpalast als Europas größtes Revuetheater, das Hebbel am Ufer mit seinen drei Spielorten, ebenso wie die Angebote der renommierten kleinen und mittleren Privattheater und nicht zuletzt die vielfältige experimentierfreudige freie Theaterszene.

 

Zum Erhalt der Vielfalt der Berliner Bühnen verpflichtet nicht nur die große Theatertradition dieser Stadt. Dafür spricht wesentlich auch das große Interesse der Besucher und Besucherinnen, der Touristen und der Bewohner dieser Stadt am Theaterangebot. Das heutige Theaterpublikum wird durch unterschiedliche kulturelle Milieus geprägt, die sich relativ unabhängig von der Bindung an ein bestimmtes Haus für einen Theaterbesuch entschließen. Dennoch erfolgt die Wahrnehmung der Häuser wesentlich über ihre Profile. Der in Berlin nur geringen Anzahl von Abonnenten steht im Übrigen ein wachsendes Interesse am Theater gegenüber. Die Zahl der Theaterbesucher in Berlin steigt wieder, und zwar signifikant gegen den Bundestrend.

 

Die institutionelle Theaterförderung Berlins belief sich im Jahre 2003 auf 87,5 Millionen €. Davon entfielen auf die Landesbühnen Deutsches Theater, Maxim-Gorki-Theater, Volksbühne, Carrousel ca. 47 Millionen €, auf die großen Privattheater 35 Millionen € und auf die konzeptgeförderten Theater ca. 5,5 Millionen €. Die Bühnen haben in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen um, ihre Wirtschaftsführung auf die Zuschusshöhe auszurichten und steigende Kosten sowie Tarifangleichungen und Tariferhöhungen durch steigende Eintrittspreise, optimierte Betriebsabläufe, die Aufgabe von Nebenspielstätten und vor allem durch erhebliche Stellenreduzierungen aufzufangen. Allein die vier als LHO-Betriebe geführten Bühnen im Ostteil der Stadt haben ihr Personal im Zeitraum von 1990 bis 2003 um rund 40 Prozent abgebaut. Damit ist bei der Mehrzahl der Bühnen bereits heute die optimierte Personalstruktur erreicht.

 

Weil Berlin seine Tradition als Theaterstadt auch unter den gegebenen finanziellen Restriktionen aufrechterhalten muss, besteht eine zentrale kulturpolitische Herausforderung darin, die fünf großen, direkt vom Theater getragenen oder privatrechtlich organisierten Sprechbühnen im Ensemble- und Repertoirebetrieb im Verbund mit dem Hebbel-Theater – als Ort für Gastspiele und Koproduktion – sowie der beiden Kinder- und Jugendtheater zu sichern. Das wird nur gelingen und zukunftsweisend möglich sein, wenn die Bühnen in die Lage versetzt werden, eigene und voneinander unterscheidbare künstlerische Profile zu entwickeln und diese zu stärken. Es wird nur möglich sein, wenn die LHO-Betriebe wie vorgesehen durch die mit der Opernreform etablierten Strukturfonds finanziell bei noch vorhandenen Personalüberhang entlastet und die kumulierten Defizite abgebaut werden und schließlich dann bei den privatrechtlich organisierten Theater wieder die notwendige Planungssicherheit durch mehrjährige Zuwendungsverträge hergestellt werden kann. Auch das angestrebte und für die Opern zu verhandelnde Bündnis für die Bühnen muss die Sprechtheater einbeziehen. Schließlich sollen durch Kooperationen im Verwaltungs- und Werkstattbereich weitere Möglichkeiten gesucht werden, um die Etats für die künstlerische Arbeit zu erhalten.

 

Wenn über die Zukunft der Theaterstadt Berlin zu sprechen ist, muss man sich nochmals bewusst machen, dass die hiesige Theaterstruktur seit der Vereinigung der beiden Stadthälften bereits erhebliche Einschnitte erfahren hat: die Einstellung des Ensemble- und Repertoirebetriebs der freien Volksbühne, die Auflösung der staatlichen Schauspielbühnen mit Schillertheater und Schlossparktheater, die Auflösung des Metropol-Theaters, die Schließung des TiP und des staatlichen Puppentheaters Berlin, die Schließung der Berliner Kammerspiele und des Hansa-Theaters sowie die Aufgabe der Trägerschaft für das Theater des Westens. Stadtstrukturelle Folge dieser vor allem den Westteil betreffenden Einschnitte ist die heutige Konzentration der Bühnen auf Mitte. Im Westteil verblieb als einzige große Bühne im Ensemble- und Repertoirebetrieb die Schaubühne am Lehniner Platz. Auch die anderen Faktoren, die die heutige Gestalt der Theaterlandschaft Berlin charakterisieren, sind jeweils Resultat von im Einzelnen nachvollziehbarer bzw. kritisierbarer Kulturpolitik: die mutige und richtige Personalentscheidung zur Volksbühne und zur Schaubühne, die Entscheidung, Claus Peymann das BE nach dem Tod Heiner Müllers anzutragen, sowie die schwierige Neuausrichtung von Deutschem Theater und Maxim-Gorki-Theater in den neunziger Jahren. Wenn also hier über die Zukunft des Maxim-Gorki-Theaters und des Deutschen Theaters zu diskutieren ist, dann muss – wie zu Recht von Frau Meister eingefordert, – die Berliner Theaterlandschaft insgesamt skizziert werden.

 

Im Theaterbereich haben Personalentscheidungen, insbesondere bezüglich der Intendanten und künstlerischen Vorstände, stets konzeptionelle Bedeutung. Mehrere wichtige Personalentscheidungen stehen in den nächsten zwei Jahren an. Das ist die schon getroffene Entscheidung zum Carrousel-Theater sowie die beiden hier zur Diskussion stehenden Entscheidungen zum Maxim-Gorki-Theater bzw. zum Deutschen Theater. Mein kulturpolitisches Ziel ist es dabei, die Landschaft der Berliner Theater nicht aus isolierten Gelegenheitslösungen zusammenzustückeln, sondern die Theatervielfalt über die konzeptionelle Profilierung auch durch personelle Entscheidung zu sichern. Denn anders als in Regionen, wo ein einzelnes Theater die unterschiedlichsten Bedürfnisse seines Publikums an Stückauswahl und Spielplangestaltung gleichermaßen zu berücksichtigen hat – hier gehört der nicht negativ gemeinte Begriff des Stadttheaters her –, definieren sich kulturpolitischer Auftrag und Funktion in der multiplen Struktur Berlins durch die Eindeutigkeit und Unterscheidbarkeit der einzelnen Angebotsprofile. Mit Manuel Schöbel und Volker Hesse bin ich einvernehmlich übereingekommen, die Verträge nicht zu verlängern. Das Gespräch mit Dr. Bernd Wilms hat noch nicht stattgefunden. Wir sind nach der Sommerpause dazu verabredet. Dementsprechend werde ich mich zur Fortsetzung seines Vertrages heute nicht äußern, ebenso wenig zur zukünftigen Intendanz des Maxim-Gorki-Theaters, da hierüber ebenfalls noch Verhandlungen zu führen sind.

 

Es ist schon recht ungewöhnlich, dass der Ausschuss Personalentscheidungen, die Teil des Theatersystems und insofern ein normaler Vorgang sind, auf die Tagesordnung einer Sondersitzung setzt. Ich habe die Hoffnung, dass es gelingt, das Odium des Skandals von der Debatte zu nehmen und damit die beiden Intendanten nicht zu beschädigen, die eine achtbare Theaterarbeit geleistet haben und unseren Respekt verdienen. Von den paranoiden Verschwörungstheorien der Ausschussvorsitzenden will ich hier meinerseits ganz absehen. Sie entzaubern endgültig Kompetenz und Ernsthaftigkeit der Kollegin. Hier finden eindeutig Projektionen im psychoanalytischen Sinne statt. Und es ist in jedem Fall sinnvoll, dass sich der Kulturausschuss mit der Gesamtproblematik beschäftigt. Es ist übrigens nicht meine Sache, wann Sie dieses tun. Die anstehenden Verträge waren Ihnen bekannt, zumindest der Ausschussvorsitzenden mussten sie bekannt sein.

 

Lassen Sie mich die Struktur der Theaterlandschaft über die kulturpolitischen Entscheidungen und Vorgänge rekonstruieren, die heute die Berliner Theaterlandschaft kennzeichnen: Neben den Theaterschließungen, exemplarisch immer noch das Schillertheater, haben meine Vorgänger zwei auch sehr richtige und weitsichtige kulturpolitische Entscheidungen getroffen. Sie alle erinnern sich an das Votum der Beraterjury: In drei Jahren berühmt oder tot. Daraufhin übernahm Frank Castorf 1992 die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Die Volksbühne zählt seit vielen Jahren zu den auch überregional bedeutendsten deutschsprachigen Bühnen. Kein anderes Haus erhielt für seine Arbeit so viele Auszeichnungen und hat so viele internationale Gastspiele. Hierfür steht vorrangig Frank Castorf mit seiner ebenso revolutionären wie provozierenden Theaterästhetik. Postmoderne, Dekonstruktion und Mediatisierung der ästhetischen Erfahrung lauten die Stichworte. Meine kulturpolitischen Bemühungen sind darauf gerichtet, Frank Castorf an diesem Haus zu halten und die Arbeits- und Konkurrenzfähigkeit der Volksbühne zu sichern. Mit dem Abschluss eines neuen Vertrages mit Castorf bis 2007 und dem Ausgleich eines anerkannten finanziellen Mehrbedarfs bei der Volksbühne konnte dieses wichtige Ziel in dieser Legislaturperiode erreicht werden. Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich die weitere zukünftige Entwicklung darstellt. Stefanie Carp wechselt aus Zürich als Chefdramaturgin an die Volksbühne, und die Zusammenarbeit mit Christoph Marthaler wird fortgesetzt.

 

Zu den positiven und beachtenswerten Entscheidungen meiner Vorgänger gehört auch die Neuausrichtung der Schaubühne am Lehniner Platz. Ich meine Herrn Schitthelm. Hier wurde von Thomas Ostermeier und Sasha Waltz ein Generationswechsel in der künstlerischen Leitung bewirkt und eine länger währende Krise der alten Schaubühne beendet. Die Schaubühne am Lehniner Platz hat in der Kombination aus Schauspiel und zeitgenössischem Tanz eine besondere Stellung in der Berliner Theaterlandschaft erreicht. Als zeitgenössisches Sprech- und Tanztheater besitzt sie national wie international einen herausragenden Ruf. Das Profil der Schaubühne wird bestimmt durch die beiden künstlerischen Leiter, denen es erfolgreich gelingt, junge Autoren, Regisseure und Choreografen als Gäste an ihr Haus zu binden. Die Besonderheit des künstlerischen Profils der Schaubühne wird nach meiner Auffassung nur unter Beibehaltung beider Sparten erhalten bleiben. Kulturpolitisches Ziel ist es deshalb, die Schaubühne durch zureichende finanzielle Ausstattung hierzu in die Lage zu versetzen und gleichzeitig den zeitgenössischen Tanz an der Schaubühne und in seiner Entwicklung zu stärken. Thomas Ostermeier hat für das Sprechtheater eine sehr klare ästhetische Konzeption entwickelt. Globalisierung und ökonomische Krise sind Gegenstand der Theaterarbeit. Es ist gelungen, im letzten Haushalt eine Zuschusserhöhung zu realisieren und die Förderung des Tanzes – auch der Tanzarbeit von Sasha Waltz – über den Hauptstadtkulturfonds zu stärken. Volksbühne und Schaubühne werden deshalb auch international als künstlerisch avancierte Ankerpunkte der Berliner Theaterszene wahrgenommen. Nicht zuletzt das Beispiel des diesjährigen Theaterfestivals in Avignon bestätigt das. Thomas Ostermeier hatte die Ehre als Kointendant des Jahres 2004 die Berliner Theater vorzustellen.

 

In diese Linie gehört auch die Entscheidung zur Ausrichtung des Hebbel-Theaters, die unter meiner Vorgängerin vorbereitet und von mir vollzogen wurde. Der Neuanfang des Hebbel-Theaters als Hebbel am Ufer, als Produktions- und Präsentationszentrum zeitgenössischer Form der darstellenden Kunst mit nunmehr drei Spielorten ist sehr erfolgreich gelungen. Das sich selbstironisch als Theaterkombinat bezeichnende HAU hat sich innerhalb kürzester Zeit als experimentierfreudiger und Genregrenzen überschreitender Theaterstandort, als Schnittstelle zwischen der lokalen Theaterszene und internationalen Gästen positioniert. Diese Entwicklung gilt es, nachhaltig zu unterstützen. Bemerkenswert ist es, dass es HAU geschafft hat, Generationen unterhalb das Volksbühnenpublikums zu binden, und mit der Arbeit von Nele Hertling und Matthias Lilienthal konnte eine Form von Theaterarbeit in der Stadt etabliert werden, in der mit knappem Etat programmatisches Theater auch ohne eigenes Ensemble veranstaltet werden kann; eine wichtige Ergänzung der Theaterform in der Stadt.

 

Das Berliner Ensemble hat sich unter der Intendanz von Claus Peymann zweifellos zu einem Publikumsmagneten und einem wirtschaftlich sehr erfolgreichen Theater entwickelt. Dieses basiert nicht zuletzt auf der für das Berliner Ensemble auskömmlichen Finanzierung durch Landeshaushalt und zusätzliche Lottomittel, wobei die Lottofinanzierung nur bis 2005 und dabei degressiv sichergestellt ist. In seinem selbst gesetzten Anspruch steht das Berliner Ensemble dem öffentlichen Auftrag des Deutschen Theaters sehr nahe. Spielplan, Besetzung und Regie berühren bzw. überschneiden sich vielfach. Es sei an die Namen George Tabori, Robert Wilson, Peter Zadek erinnert. Es gilt abzuwarten, wie sich das in privater Rechtsform geführte Berliner Ensemble in Spielplangestaltung und Produktionsvolumen auf die geringere finanzielle Ausstattung ausrichten wird. Mittelfristig erscheint es mir kulturpolitisch sinnvoll, Deutsches Theater und Berliner Ensemble innerhalb der Berliner Theaterlandschaft wieder stärker gegeneinander abzugrenzen.

 

Anders als an der Volksbühne, die von Castorf theaterpolitisch und theaterästhetisch erneuert wurde, hatten die anderen Ostberliner Theater Teil an der Krise der Schauspielhäuser Mitte der neunziger Jahre. Dies war im Übrigen auch, aber nur auch, ein Ost-West-Problem. Es macht mich immer sehr misstrauisch, wenn diese Dimension völlig geleugnet wird. Es wäre natürlich völlig falsch, die kulturpolitischen Herausforderungen darauf zu reduzieren, und es ist dann halt nur noch albern, wenn die Verdrängung des Problems Verschwörungstheorien aus alter kalter Kriegszeit wiedergebiert.


Lassen Sie mich deswegen einen Beobachter zitieren, der die schwierige Form der Auseinandersetzung an drei Ostberliner Theatern – er spricht hier auch vom Berliner Ensemble – charakterisiert. Es handelt sich um einen Begleittext von Nikolaus Merck zum Begleitbuch des Theaterfestivals in Avignon. – Sie stöhnen hier unablässig, Frau Ausschussvorsitzende, Sie müssten sagen, was das zu bedeuten hat. Ich war gebeten worden, zusammenfassend die Theaterlandschaft zu skizzieren, und das möchte ich jetzt auch tun. Wenn Sie was dagegen haben, müssten Sie das sprachlich artikulieren. – [Frau Vors. Ströver: Wir haben noch andere Redner!] – Natürlich, aber wir haben doch Zeit. Wir haben nur einen Tagesordnungspunkt. – Ich lese Ihnen also den Text, einen Auszug aus dem Text von Nikolaus Merck vor:

Der Kampf um die Erfahrung gelebten Lebens machte vor den Theatern nicht Halt. Erbittert wehrten sich die selbstbewussten Ensembles am Maxim-Gorki-Theater oder am Deutschen Theater gegen die, wie sie es erlebten, Entwertung ihrer Erfahrungen. Waren denn an Ihren Häusern nicht in den letzten Jahren der DDR in Ost und West hoch gerühmte Aufführungen entstanden, die das Ende der DDR kritisch vorweg genommen hatten? Hatten nicht die Schauspieler selbst im Herbst 1989 in der vordersten Reihe des Protestes gegen die SED-Regierung gestanden? Zählten Deutsches Theater oder Berliner Ensemble vielleicht nicht zu der Hand voll weltbekannter Bühnen, die den Ruhm des DDR-Theaters auf allen Kontinenten verbreitet hatten? – Allein das Selbstbewusstsein der Schauspieler und ihrer treuen Fangemeinde speiste sich aus der Vergangenheit.

Nach der Vereinigung, als alle ein Aufblühen zeitgenössischer Berliner Theaterkunst erwartet hatten, gerieten Berliner Ensemble, Maxim-Gorki-Theater und Deutsches Theater in die Krise. Die Ensembles bekämpften die anderen Sicht- und Arbeitsweisen westlicher Regisseure und Leitungsteams. Das Publikum bedurfte in der offenen Gesellschaft nicht mehr länger der verklausulierten Systemkritik, dem Sprechen zwischen den Zeilen, wie es gerade die Ostberliner Theater in der DDR-Zeit zur Spezialität entwickelt hatten.

Auch der Versuch des Berliner Senats, die Häuser durch Ost-West-gemischte Leitung zu neuer Kreativität zu administrieren, scheiterte. Am Westberliner Schillertheater endete eine Viererintendanz mit der Schließung dieser größten deutschen Schauspielbühne. Am Ostberliner Ensemble zerstritt sich eine Fünferintendanz, zu der u. a. die Theaterheroen Heiner Müller und Peter Zadek zählten. Müller leitete das alte Brecht-Theater bis zu seinem frühen Tod 1995 alleine weiter, ohne künstlerisch an seine Erfolge aus der Zeit bis 1990 anschließen zu können. Zugleich zogen sich die Schauspielerstars aus dem Westen, die gleich nach der Vereinigung neugierig nach Berlin gekommen waren, von den Querelen in ihren Ensembles verwirrt und entnervt aus der Stadt zurück.

Das sind die historischen Voraussetzungen der heutigen Situation, und Volker Hesse und Bernd Wilms haben zu Recht auch öffentlich darauf hingewiesen, dass die Krassheit dieser Konfrontation zwischen Larmoyanz und Ignoranz überwunden zu sein scheinen. Sie wirken in bestimmtem Maße nach.

 

Ich spare mir jetzt auch wegen der überdeutlichen Äußerungen der Vorsitzenden, die Intendanz von Thomas Langhoff vom Deutschen Theater oder von Bernd Wilms am Maxim-Gorki-Theater zu charakterisieren. Ich beschränke mich auf die Feststellung, dass heute wohl keiner bestreiten will, dass Thomas Langhoffs zweite Spielzeit seine schwächere war und dass es durchaus eine Reihe von Problemen gab, die in seiner zweiten Spielzeit hätten bewältigt werden müssen, wie seine vernachlässigte Ensembleerneuerung oder auch die eklatante Defizitanhäufung.

 

Und ich lasse es dabei zu bestätigen und anzuerkennen, dass Bernd Wilms am Maxim-Gorki-Theater eine gute Arbeit geleistet hat und in der Polarität von kritisch-realistischer Arbeit im Anschluss an Gorkis „Nachtasyl“ oder auch der Aufnahme komödiantischer Tradition, etwa Zuckmayers „Hauptmann von Köpenick“, eine wichtige Arbeit zur Neuausrichtung des Theaters geleistet hat. Herr Wilms hat auch zu Recht in seinem Beitrag für die „Berliner Zeitung“ darauf hingewiesen, dass Boulevardtraditionen am Maxim-Gorki-Theater, Stichwort Rudi Strahl, nichts Neues waren.

 

Das Deutsche Theater ist seiner Tradition und seinem Auftrag nach das Haus des klassischen Literaturtheaters bzw. seiner Neuinterpretation. Hohe Sprachkultur, herausragende Regisseurinnen und Regisseure, große Schauspielerinnen und Schauspieler bestimmen das Profil. Diesen Auftrag sollte das Haus in Zukunft sichtbarer ausfüllen. Das Deutsche Theater sollte mehr dramaturgische Konsequenz wagen und die programmatische Abgrenzung zu anderen Häusern suchen. Nicht – wie die Grünen mal forderten – durch die Übernahme durch den Bund, sondern auf andere Weise muss das Deutsche Theater in Berlin das hauptstädtische Theater sein. Es fehlt in Berlin ein geistiges Zentrum neben Volksbühne und Schaubühne Das BE kann diese Funktion alleine nicht tragen; es parodiert sie auch mehr. Man muss gewiss kein Zentralist sei, selbst als Wettbewerbsföderalist kann die Funktion des Deutschen Theaters gegenüber den Münchner Kammerspielen und dem Residenztheater und dem Thalia-Theater in Hamburg, dem Züricher Schauspielhaus oder dem Burgtheater in Wien nicht befriedigen. In meinem Gespräch mit Bernd Wilms werde ich mit ihm erörtern, welche Zugänge es geben kann, um eine zeitgemäße Interpretation der Funktion eines kritischen, bürgerlich-liberalen Nationaltheaters zu erfüllen. Das Deutsche Theater wird das Ensemble der Berliner Theater wie bisher wohl eher durch seine psychologisch-realistische Spielweise prägen. Seine besondere Stärke, dass es ein Künstlertheater ist, dass Ensemblekunst und künstlerische Leitung hier zusammenkommen sollten, wird eines der bestimmenden Kriterien sein.

 

Herr Wilms hat eine erfolgreiche Arbeit geleistet. Er hat ein überschuldetes Theater übernommen, einen umfangreichen Personalabbau bewältigt, ein wirtschaftlich erfolgreiches Theater geführt, die Premierenanzahl erhöht, interessante Regisseure verpflichtet, und er hat Veränderungen in Angriff genommen, die in der überlangen Periode von Langhoff versäumt wurden. Allein alles hat seine Zeit. Es gab eine Öffnung. Aber welche Linie? – Diese Frage will ich hier nicht weiter vertiefen, die werde ich im Gespräch mit Herrn Wilms vertiefen. Ich glaube, dass es problematisch ist, das Prinzip der Hausregisseure aufzugeben und die Arbeit zu wenig am Spielplan und am Ensemble zu orientieren. Selbst herausragende Regisseure wie Wilson und Zadek waren für die Ensembleentwicklung eher problematisch. Event statt Entwicklung, Außenbesetzungen mussten das Ensemble demütigen. Es kommt darauf an, dass das Deutsche Theater einen eigenen Charakter entwickelt, wiedergewinnt und über dramaturgisches Management hinauskommt.

 

Die Profilierungschance des Maxim-Gorki-Theaters sehe ich in einer entschiedeneren Dramaturgie, die sich der Tradition des kritischen Realismus, also etwa Maxim Gorkis „Nachtasyl“, und einer plebejisch-komödiantischen Weltsicht, den Blick von unten wie in Zuckmayers „Hauptmann von Köpenick“, verpflichtet fühlt sowie in der Fortentwicklung des spielfreudigen Ensembles. Im Spektrum zwischen Deutschem Theater und Berliner Ensemble auf der einen sowie Volksbühne und Schaubühne auf der anderen Seite besteht ästhetisch noch viel Raum und kulturpolitisch genügend Bedarf für das Gorki-Theater. Davon zeugt nicht zuletzt die gewachsene Zuschauergemeinde. Volker Hesse hat keine einfache Aufgabe hier übernommen. Als Vertreter eines politischen Theaters hat er anders als Castorf und Ostermeier versucht, dem Maxim-Gorki-Theater eigenes Profil zu geben. Er hat experimentiert. Er sucht nach einem unverwechselbaren künstlerischen Profil, und nach eigener Einschätzung waren seine erste und zweite Spielzeit sehr problematisch, ästhetisch und ökonomisch. Seine dritte Spielzeit war durchaus Erfolg versprechend, und er hat all meinen Respekt vor seinen Bemühungen, zwei weitere Spielzeiten zu gestalten. Volker Hesse wird uns in dieser Zeit zeigen, was er kann, was er mit dem Theater vorhat, und er wird meine ganze Unterstützung dabei haben.

 

Eine Nichtverlängerung seines Vertrages ist beleibe nicht ehrenrührig, vielmehr sind es Formen der öffentlichen Auseinandersetzung, die hier gesucht werden. Ich denke, dass es darauf ankommt, am Maxim-Gorki-Theater mit einer neuen Intendanz die Möglichkeiten zur ästhetischen und programmatischen Erneuerung im Ensemble der Berliner Theater zu suchen und zu finden. Denn eines kann nicht übersehen werden, dass das Maxim-Gorki-Theater im Vergleich zu den anderen Theatern, vor allem Schaubühne und Volksbühne und der geschilderten Situation am Deutschen Theater, überregional nur wenig Resonanz gefunden hat und dass es auf Dauer darauf ankommen wird, dem Maxim-Gorki-Theater neues programmatisches Profil zu vermitteln.

 

Ich bin gewiss, dass Sie noch eine Reihe von Rückfragen haben, auch nach der Anhörung von Herrn Hesse, und will es deswegen zunächst dabei bewenden lassen. Ich glaube, dass es darauf ankommt, auch mit Personalentscheidungen Theatermacher an Berlin zu binden, die sonst in Berlin zwar arbeiten, aber an Berlin sonst vorbeigehen, und dass es nach wie vor um zeitgenössische Dramatik, die künstlerische Begegnung mit Osteuropa geht. Zukünftig muss neben dem kritischen Realismus etwa solche Theaterliteratur, die in Berlin so gut wie nicht zu finden ist, wenn wir etwa an Gogol, Sternheim, Dürrenmatt, Strahl und Hacks, aber auch Hauptmann, Zuckmayer denken, im Verbund mit neuen zeitgenössischen Autoren an dem Maxim-Gorki-Theater eine feste Heimstatt finden. Es wird darauf ankommen – darauf zielt ja auch Ihre Einleitung, Frau Meister –, dass die zu treffenden Personalentscheidungen für diese beiden Theater gerade diese Differenz im Ensemble der Berliner Theater deutlich machen. Und ich habe die Hoffnung, dass mit meiner einführenden Bemerkung diese Theaterlandschaft nicht nur programmatisch, sondern auch strukturell historisch gekennzeichnet wurde. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Frau Vors. Ströver: Danke schön! Wir kommen jetzt zunächst zur Anhörung von Herrn Hesse. – Herzlich willkommen, Herr Hesse! Sie haben ja gehört, was der Senator gesagt hat, und Sie haben natürlich im Vorfeld die gesamte Presse verfolgt. Ich denke, es ist gut, dass Sie hier sind, vielleicht zu spät. Da nehme ich die Kritik des Senators gerne an. Wir sollten viel öfter Intendanten während ihrer laufenden Arbeit anhören. Ich denke, dann gibt es auch viel mehr aktiven Diskurs, auch mit dem Senator. – Sie haben das Wort!

 

Herr Hesse (Intendant des Maxim-Gorki-Theaters): Meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Möglichkeit, hier ein paar Worte zu sagen. Ich erlaube mir, bevor ich auf die im Moment im Raum stehenden Fragen eingehe, einen kleinen Rückblick auf meine Geschichte mit Berlin und auf meine Beziehungen zu Kultursenatoren. Ich bin, wie Sie wissen, von Kultursenator Radunski nach Berlin gerufen worden. Ich hatte den Eindruck, dass Kultursenator Radunski mich zur Leitung des Maxim-Gorki-Theaters berufen hat, weil er von verschiedenen Seiten und verschiedenen Menschen einiges gehört hatte vor allem über meine Arbeit in Zürich. Ich habe das Neumarkt-Theater in Zürich sechs Jahre lang sehr auffällig geleitet. Unser Theater in Zürich war berühmt geworden für Entwicklungsprojekte, für oft aus der Tagespolitik entwickelte Theaterunternehmungen, die in der Form sehr ungewöhnlich waren. Die Bekanntesten waren „Insekten“ oder mit dem Schriftsteller Urs Widmer „Top Dogs“, alles Produktionen, die auch in Berlin sichtbar waren beim Theatertreffen, und ich hatte den Eindruck, dass Kultursenator Radunski auch ganz stark in seiner Entscheidung für mich bestärkt wurde durch ein Votum eines Sprechergremiums des Maxim-Gorki-Theaters. Das Ensemble des Maxim-Gorki-Theaters hatte sich in die Auseinandersetzung der Nachfolge von Wilms eingeschaltet und hatte meinen Namen ins Spiel gebracht oder mich unbedingt als Wunschkandidat präsentiert. Der Grund für diese eher ungewöhnliche Aktivität eines Ensembles lag darin, dass ich unmittelbar nach der Wende schon einmal im Maxim-Gorki-Theater inszeniert habe und dass verschiedene Kollegen die neueren Arbeiten beim Theatertreffen gesehen und offensichtlich sehr geschätzt hatten.

 

Ich habe dieses Angebot natürlich gerne angenommen, weil Berlin ein Ort ist, an dem sich im Moment alle wesentlichen Spannungen im deutschen Sprachraum zeigen, weil hier ein außerordentlich spannender Schauplatz ist. Ich habe auch das Maxim-Gorki-Theater angenommen, weil mir die Größe des Theaters sehr sympathisch war. Es ist von den Staatstheatern ja das kleinste, und die Überschaubarkeit, die Möglichkeit, zu einem wirklichen Ensembletheater zu kommen, entspricht zutiefst meinen Absichten und meiner künstlerischen Intension. Ich habe auch teils in den achtziger Jahren als Beobachter, aber dann eben auch durch meine eigenen Erfahrungen mit dem Maxim-Gorki-Theater eine große Sympathie und eine große Faszination für die Geschichte dieses Hauses empfunden, für die – Senator Flierl hat es eben schon gestreift – hohe Kunst des Zwischen-den-Zeilen-Spielens, die es gerade in der Schlussphase der DDR am Maxim-Gorki-Theater gab. Diese Kunst kam mir, als sehr politisch sich verstehendem Theaterregisseur und Theatermacher, außerordentlich faszinierend vor.

 

Die traditionellen Schauspieler des Gorki-Theaters haben mich, als ich im Jahre 2001 anfing, auch elementar gefragt: Herr Hesse, wie können Sie es erreichen, dass wir wieder so ein tiefes Sinngefühl erleben und unsere Arbeit als inhaltlich bestimmt empfinden, wie wir es in den letzten Jahren der DDR getan haben? – Sie wissen alle, dass man das natürlich so nicht mehr heute bringen kann. Wir leben in der großen Unverbindlichkeit der westlichen Kulturmaßstäbe. Aber ich habe dem Ensemble angekündigt, alles zu versuchen, um ein inhaltlich bestimmtes, ein die aktuellen Nerven der Stadt, der Öffentlichkeit berührendes Theater zu machen. Obwohl wir tatsächlich Anfangsschwierigkeiten hatten, sind auch schon in der ersten Spielzeit dafür faszinierende Beispiele gelungen. Ich weiß nicht, ob einige unter Ihnen zum Beispiel den Projektabend „Merkels Brüder“ über das Machtverhalten von Spitzenpolitikern gesehen haben. Das war ein Abend, der ganz spezifisch die Kraft dieser Art Arbeit gezeigt hat.

 

Unser Problem war, dass im Vergleich zu dem, was vorher bei Herrn Wilms im Gorki-Theater gelaufen war, der stilistische Wechsel oder die Anhäufung von Uraufführungen und von unbekannten Unternehmungen zunächst einmal auch ein Publikumsproblem erzeugten. Wir hatten einen Besucherrückgang. Es war die klassische Situation, die bei starken Änderungen eintritt: Die Alten waren zum Teil irritiert, und die Neuen kamen noch nicht. Neben diesen Publikumsproblemen gab es aber auch einige andere. Wenn man beispielsweise sehr viele Stücke auf aktuelle Stoffe, auf aktuelle Wirklichkeiten bezieht, dann kann es passieren, dass eine sehr stark sich verändernde Aktualität einige Konzepte über den Haufen wirft oder jedenfalls, dass sie nicht so greifen, wie sie geplant waren. Unsere erste Premiere war am 14. September 2001, also wenige Tage nach dem 11. September, und sie wissen alle, wie sehr sich die politische Wirklichkeit nach dem 11. September verändert hat. Wir haben also aktuell geplante Dinge teils aufgegeben und teils durchgezogen, aber eben doch nicht mit der Schärfe oder Kraft, wie sie ursprünglich geplant waren. Es kam auch etwas hinzu, das ich wohl etwas unterschätzt habe – Herr Flierl hat das eben gestreift –: Ich habe eine ganze Reihe von Schauspielerinnen und Schauspielern mitgenommen, die größtenteils aus der freien Szene kamen, aus schweizerischen oder verschiedenen freien Bereichen. Die Sprache und die Arbeitsmethoden dieser jüngeren Leute einerseits und die Arbeitsmethoden und das Arbeitsverständnis der traditionellen Gorki-Repräsentanten andererseits prallten härter aufeinander, als ich gedacht hatte. Es gab Verständigungsschwierigkeiten. Es gab Regisseure, die mit diesen Gegensätzen nicht zurechtkamen. Es gab eine starke Suchbewegung. Es gab auch innerhalb der Dramaturgie Auseinandersetzungen, die nicht immer einfach waren. Insofern haben wir tatsächlich einige inhaltliche und einige eben bestehende Sprachschwierigkeiten intensiv durchlebt, intensiv durchkämpft.

 

Ich meine, dass wir im Laufe dieser drei Spielzeiten, für die ich verantwortlich zeichne, eine starke Konsolidierung erreicht haben und inzwischen aus diesen Kämpfen bzw. inhaltlichen Auseinandersetzungen auch eine Kraft geworden ist. Inzwischen lösen wir Einiges von dem ein, was am Anfang von diesem Team erwartet wurde. Wir sind ein Haus, das immer wieder mit eigenen, sehr spezifischen Projekten sein Programm prägt. Wir haben inzwischen eine Schauspielerkonstellation, die sich außerordentlich stark mit dem Haus identifiziert, und wir haben vor allem eine Regiekonstellation, die sehr kraftvoll und auch sehr zukunftsträchtig ist. Die Spannung besteht zwischen mir selbst als Projektmacher und Regisseur und Alexander Lang, der eine große, faszinierende Erfahrung auch von Ost-West-Theater in dieses Haus einbringt. Hinzu kommt mein Partner – teils am Burgtheater arbeitend, teils in der Schweiz noch arbeitend – Stephan Müller. Wir haben faszinierende junge Regisseure aufgebaut. Ich glaube, dass Joachim Meyerhoff und Bruno Cathomas eine ganz große Zukunft als Regisseure haben werden, in Berlin, aber sicher auch anderswo. Es gibt viele Prozesse, die jetzt greifen. Es gibt eine zunehmende äußere Anerkennung, und es gibt vor allem eine eindeutige ganz starke Publikumssteigerung. Wir hatten im ersten Jahr eine Besucherauslastung von ungefähr 65 Prozent. Inzwischen sind wir bei 82 Prozent. Es ist nicht nur die Zuschauerzahl, sondern auch die Qualität der Zuschauer. Wir haben sehr viele sehr neugierige, sehr aufmerksame, sehr gut informierte jüngere Zuschauer im Gorki-Theater. Der Aufbau eines Theatergefüges ist in Vielem faszinierend gelungen.

 

Die Mitteilung, die Kultursenator Flierl mir vor kurzem hat zukommen lassen, dass er die Arbeit dieses Teams über 2006 hinaus nicht weiterführen möchte, hat mich überrascht und hat auch, wie Sie zum Beispiel in dem Ensemblebrief, der verteilt wurde, erkennen können, auch das ganze Haus, das künstlerische Ensemble wie das technisch administrative Personal aufs Höchste überrascht. Die Frage steht von vielen Seiten im Raum, wieso denn gerade jetzt diese Arbeit zu Ende gehen soll, wieso gerade jetzt etwas gestoppt werden soll, das gerade Tritt fasst, warum jetzt gerade ein Pessimismus für die Zukunft entwickelt werden soll, wo die Arbeit so eindeutig ihren Tritt gefasst hat. Ich bin heute hier, weil ich – jetzt in diesen Sommerwochen stärker noch als ich im Moment unseres letzten Gesprächs, Herr Senator Flierl – denke, dass es falsch ist, dass dieses Team keine längerfristige Perspektive entwickeln kann. Die Enttäuschung und die Verblüffung über die Nichtzukunft dieses Teams ist sehr groß, und ich habe letztlich auch überhaupt nicht begriffen, warum diese Entscheidung notwendig ist.

 

Sie haben mit mir zwei Gespräche zu dieser Vertragsfrage geführt. Das erste Gespräch zusammen mit Frau Kisseler hatte eigentlich mehr den Charakter, dass Sie mir ein paar kurze Fragen gestellt und sich vor allem meine Sicht angehört haben. Und das zweite Gespräch hatte bereits die Überschrift: „Ich habe mich entschieden, ich möchte die Situation im Gorki-Theater verändern.“ Ich habe dann ein paar inhaltliche Fragen gestellt, warum wohl, aber Sie haben später in Interviews geäußert, die im Zweiergespräch mit mir genannten Gründe seien gar nicht das Wesentliche. Ich bin an einem Punkt, dass ich denke: Wo sind denn wirklich die Gründe, die diese Veränderung notwendig machen? – Darüber mehr zu erfahren, darüber vielleicht in dieser Stunde mehr Klarheit zu gewinnen, ist mein Interesse.

 

Frau Vors. Ströver: Schönen Dank, Herr Hesse! Dann kommen wir zur Aussprache. – Bitte, Frau Grütters!

 

Frau Abg. Grütters (CDU): Für die CDU-Fraktion ist mir wichtig, eine Klarstellung voranzuschicken. Anlass dieser Sitzung ist eine umstrittene Personalentscheidung. Die CDU hat allerdings nicht vor, das Recht des Senators auf Personalentscheidungen hier infrage zu stellen. Und das gilt nicht nur für die Union, sondern für die beiden anderen Parteien auch. Das ist in der Begründung zu dieser Sonderausschusssitzung deutlich geworden. Ich möchte das trotzdem noch einmal sagen, weil das eine der wenigen originalen Domänen ist, die ein Kultursenator in Berlin noch hat. Das wollen wir nicht infrage stellen. Sie haben in einem Artikel ein bisschen trotzig gesagt: „Ich darf das“. Das ist auch richtig so. Nur meine ich, Sie sollten sich auch in solch einer Situation, wie wir sie jetzt haben, mit einer Sondersitzung mitten in der Sommerpause, einmal fragen, warum sich denn trotzdem, obwohl wir Ihnen das Recht ohne weiteres zugestehen, solch ein Widerstand bei diesen Personalentscheidungen geregt hat. Ich glaube, das liegt u. a. daran, dass Kulturpolitik in wesentlichem Diskurs ist, dieses Ressort vielleicht noch mehr als andere. Es geht dabei um das Ringen um Positionen, auch mit dem Parlament hier, so lästig das aus der Sicht eines Senators gelegentlich sein mag. Aber hier sitzen meiner Auffassung nach weder Gegner von Ihnen noch Gegner einzelner Häuser oder Entscheidungen, jedenfalls nicht nur. Wenn uns das trotzdem hier so auf den Plan ruft, dann vielleicht deshalb, weil Ihre Entscheidungen – nicht nur Personalentscheidungen, sondern auch manche andere – ein bisschen wie einsame Einzelentscheidungen daherkommen.

 

Uns fehlt ein kulturpolitisches Gesamtkonzept. Wir haben das mehrfach eingefordert. Das müsste eine schöne Herausforderung für einen Kultursenator sein. Wenn er sich entscheidet, ein solches Amt anzutreten, hat er ja eine Vorstellung von Berlin, von der Rolle, die die Kultur in dieser Gesamtheit spielt, selbst oder vielleicht gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. In dieser Legislaturperiode war es aber so, dass das Parlament dieses Konzept immer einfordern musste. Es ist dann auch versprochen worden, aber bis heute warten wir auf Antworten. Ich habe einmal nachgerechnet: Es gibt eine Anfrage, bei der bisher siebenmal um Verlängerung der Beantwortungsfrist gebeten worden ist. Ich glaube, wenn es dieses Konzept gäbe, wenigstens Ansätze davon, dann würde vielleicht die eine oder andere Personalentscheidung – die ist ja mehr als das; Sie haben richtig gesagt, dass dahinter Vorstellungen von Ihnen stecken, wie die einzelnen Häuser aussehen sollten und wie Sie sie sich im Konzept zumindest der Sprechbühnen vorstellen – etwas logischer und konsequenter wirken. Hier kommt, wie gesagt, eher der Eindruck auf, dass es sich um einsame Personalentscheidungen handelt.

 

Das ist nicht das erste Mal so. Ich muss Sie nicht an die Schwierigkeiten mit Ihren Staatssekretären in beiden Ressorts erinnern. Aber, falls es einige von Ihnen schon wieder vergessen haben, erinner ich Sie daran, wie trostlos der Abgang von Herrn Zimmermann war. Und der ist nicht eingebettet worden in eine richtige echte Diskussion um die Profilierung der drei Opernhäuser. Dann kam natürlich wie zu erwarten auch noch der ebenfalls trostlose Abgang von Thielemann. Die Entscheidung Harms – von der wir sehen werden, wie sie sich macht, das finde ich auch ganz interessant, da bin ich auch neugierig – ist ohne Diskussion mit diesem Haus erfolgt, obwohl wir ja alle immer gewusst haben, welche Namen im Gespräch sind, und unabhängig von den Namen mehrfach in diesem Ausschuss gefragt haben: Wie stellen Sie sich denn das vor? – Zumal bei den Opern die Diskussion ja auf der Hand lag, schließlich haben wir gerade die Opernstiftung gegründet, und ein wesentlicher Punkt war ja die Profilierung der drei Häuser unter dieser Holding. Auch das ist nicht passiert. Ich darf an die sehr umstrittene Personalie Binas erinnern. Kulurveranstaltungs-GmbH ist ein ganz wichtiger Punkt in der Kulturlandschaft in Berlin. Die ist ohne Ausschreibung erfolgt und mehr als umstritten.


Sie sollten sich um die echten „Baustellen“ kümmern, wie zum Beispiel die Mehlitz-Nachfolge, eine Schlüsselposition, die seit einem Jahr vakant ist. Die Service GmbH und der Generaldirektorenposten in der Opernstiftung sind vakant. Im Hinblick auf das Carrousel-Theater – Sie und Herr Liebich hatten dessen Existenz durchaus in Zweifel gezogen – muss jetzt in der Sommerpause eine Entscheidung getroffen werden. Ein ganz wichtiger Punkt sind die Orchestertarife oder zum Beispiel das Museumskonzept. Das sind Punkte, da haben Sie „Baustellen“, darauf wurde immer wieder hingewiesen, die auch mit Personalentscheidungen verknüpft sind. Stattdessen – so der Eindruck – vergreifen Sie sich ausgerechnet an einem Haus wie dem Maxim-Gorki-Theater, das viele von uns im Moment nicht als eine der vordringlichen „Baustellen“ ansehen. Und die Entscheidung – die sich ja ankündigte, es gab einige Kolportagen vorher – wird just eine Woche nach Beginn der Sommerferien öffentlich. Da ist so ein „Reflex“ der Opposition auch mal nachvollziehbar.

 

Sie sagen – und das finde ich richtig –, dass das mit Profilentscheidungen verknüpft ist. Aber wenn Sie uns jetzt hier ein paar Namen vorlesen, stößt bei mir ganz deutlich auf, dass Sie sagen, das Deutsche Theater und das Berliner Ensemble müssten sich stärker gegeneinander abgrenzen. Das Deutsche Theater und das Berliner Ensemble tun das aber nicht, das Deutsche Theater und das Berliner Ensemble und die Volksbühne, die Sie eben auch mit Castorf gelobt haben. Ich bin froh, dass Peymann grad verlängert hat, sonst würden Sie uns den vielleicht auch noch nehmen. Sie tun das ausgesprochen produktiv. Warum meinen Sie, Sie müssten BE und DT jetzt plötzlich gegeneinander laufen lassen? Ich frag mal: Castorf und der Mehrbedarf an der Volksbühne – wie wollen Sie das Thema lösen? Die Schaubühne haben Sie erwähnt, aber nicht den Mehrbedarf, den anerkannten, die strukturelle Unterfinanzierung. Sie haben Sasha Waltz und Tanz und Schauspiel an dem Haus erwähnt, wissen – nehme ich doch jedenfalls an –, dass sich genau in diesem Punkt dort jetzt eine Auseinanderentwicklung ankündigt, die unter anderem etwas mit der finanziellen Unterausstattung zu tun hat. Die strukturelle Unterfinanzierung des Berliner Ensembles haben Sie nicht erwähnt, lediglich gesagt, Sie sind gespannt, wie sich Herr Peymann auf einen niedrigeren Zuschuss einstellt. Das finde ich dann zu wenig. Wir konnten gerade jetzt lesen, dass das Hansa-Theater privat geführt wieder aufmacht, das Schlosspark-Theater, letzteres nur mit Hilfe einer in der Stadt durchaus problematischen Stage-Holding. Das Symphonie-Orchester haben Sie abgewickelt. Stattdessen kommen hier in Ihrem Text Spielplanvorschläge zu Gehör. Ich glaube, das ist nicht Ihre Aufgabe, sondern es wäre eher diejenige, sich endlich auf das kulturpolitische Gesamtkonzept einzulassen, uns Vorschläge zu machen. Ich möchte wissen: 1. Wann kommt das? 2. Wenn das vorliegt, werden drei Jahre nach Ihrem Amtsantritt vorbei sein. Wollen Sie es – wenn überhaupt – dann nur vorlegen? Wollen Sie es tatsächlich noch mit der kulturpolitischen Öffentlichkeit diskutieren? Ist da Musik drin, im wahrsten Sinne des Wortes? Wie stellen Sie sich das Miteinander der Kulturakteure hier vor? Das ist nämlich viel eher eine Kritik an dieser Entscheidung, die der Anlass war, und an der Art der Amtsführung als die Einzelpunkte.

 

Mir ist nicht ganz deutlich geworden, welches die Gründe für die Nichtverlängerung von Herrn Hesses Vertrag waren, das ist nur angeklungen, aber nicht wirklich deutlich gesagt worden. Wenn Sie politisches Theater einfordern, muss ich sagen, das hat Hesse vor allen Dingen gemacht – er hat die beiden Beispiele, die evidenten, „Merkels Brüder“ oder das „Bankenstück“, erwähnt –, übrigens in bester Tradition. Da wundere ich mich, dass Sie von entschiedenerer Dramaturgie reden und ausgerechnet das Beispiel „Der Hauptmann von Köpenick“ bringen. Das fand ich nicht logisch. – Und ich möchte beim Deutschen Theater wissen, wie da ein Profil aussehen soll, das sich von dem jetzigen unterscheidet, wenn Sie sagen, das Deutsche Theater und das BE müssten sich stärker gegeneinander abgrenzen. – Die Diskussion wird aber wahrscheinlich erst nach dem 16. 8. geführt werden, das wäre zumindest der bisherige Stil, und dann ist es meistens zu spät.

 

Ein bisschen drängt sich der Verdacht auf, und das wäre traurig, dass die engen politischen Spielräume, die auch durch die schwierige Finanzlage in der Stadt gesetzt sind, von Ihnen eher dadurch gefüllt werden sollen, dass Sie wenigsten in dem einen Feld, wo Sie alleine das Sagen haben, nämlich in der Personalpolitik, noch einmal Akzente setzen wollen. Das kann ich verstehen, aber ich glaube, dass da die eine oder andere Position der falsche Anfang wäre.

 

Frau Vors. Ströver: Danke schön! – Herr Brauer, bitte!

 

Abg. Brauer (PDS): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! – Herr Hesse, danke für Ihre Ausführungen! Ich muss Sie jetzt um eine kleine Verzeihung bitten: Ich schätze Ihre Arbeit, das wissen Sie, und ich mag, , ich liebe das Maxim-Gorki-Theater. Dennoch werde ich in den nächsten zwei, drei Minuten zu Ihrem Haus nichts sagen. Das hat etwas damit zu tun: Ich muss auf die Vorgeschichte des Zustandekommens dieses Ausschusstermins reagieren, und ich möchte auf die Einlassungen meiner Kolleginnen, der kulturpolitischen Sprecherinnen der Oppositionsparteien reagieren. – Was Sie geäußert haben, ist schon etwas wunderlich, Frau Grütters, aber das sage ich im Detail, was mich da wundert. Ich kann es mir nicht verkneifen, eingangs einen auch von Ihnen dreien offensichtlich durch die Gerüchtemühle gedrehten Theatermann zu zitieren, Alexander Lang, 16. Juli:

Es geht doch gar nicht nur um die Theater in unserer Stadt, es geht um politische Auseinandersetzungen von Parteien. Das sind vorwahlkämpferische Positionierungen.

Und genau das haben wir eben erlebt, von Ihnen, Frau Grütters, und nichts anderes. Sie haben eine sehr merkwürdige Pirouette hier gedreht, und ich glaube, Sie sind nicht sauber gelandet. Also die volle Punktzahl kriegen Sie nicht dafür, von keinem Richtergremium. Sie haben erstens erklärt, dass Personalentscheidungen, Einzelpersonalentscheidungen – Sie haben das auch begründet – selbstverständlich in der Zuständigkeit des jeweiligen Fachsenators liegen. Dann haben Sie zweitens in einer sehr langen Rede bei Aufzählung fast aller größerer kultureller Institutionen in dieser Stadt – na, es fehlten ein paar, das stimmt – bemängelt, dass bei diesen Personalentscheidungen vorher keine Ausschussdebatten oder – wie auch immer – Gremienberatungen stattgefunden haben, sondern der Senator entschieden hat, und dass dieses nicht gut wäre, sondern für zusätzliche „Baustellen“ sorgte – erinnern Sie sich bitte, welche „Baustellen“ Sie hinterlassen haben –, um dann drittens festzustellen, es ist natürlich das gute Recht eines Senators, Personaleinzelentscheidungen zu fällen. Das ist etwas merkwürdig, solche Argumentationen waren wohl zurzeit des guten alten scholastischen Lehrsystems an europäischen Hochschulen üblich.

 

Es ist das gute Recht eines Senators, Personalentscheidungen für Leitungsfunktionen in seiner Ressortzuständigkeit zu treffen, natürlich. Frau Ströver, und wenn Sie jetzt ebenfalls, ähnlich wie Frau Grütters, darüber räsonieren und stattdessen – „Morgenpost“ von gestern – vorschlagen, man solle doch in die guten alten Zeiten der Kameralistik zurückfallen,

Bis 1995 allerdings war der Personaletat der staatlichen Bühnen einzeln im Landeshaushalt aufgeführt, und deswegen wurden die Intendantenverträge auch von Parlament beschlossen.

– das war jetzt O-Ton Ströver–, dann hat das eigentlich nur noch zur schönen Konsequenz, dass wir künftig wieder in die alten Praktika der ehemaligen Haushaltsberatungen zurückfallen und nicht nur über Intendantenverträge verhandeln, sondern seien Sie dann bitte so konsequent und sagen, Sie möchten auch über die Verwendung der Glühlampen in den Depots der Häuser debattieren. Das können wir gerne tun, das ist dann allerdings wirklich ein Rückfall in alte Zeiten.

 

Der Senator hat sein Recht wahrgenommen, das ist richtig. Man kann darüber streiten, das ist auch richtig. Aber er hat es ausgeübt, einvernehmlich, wie beide Beteiligten anschließend äußerten. Und dieses als Selbstgerechtigkeit eines Senators zu kennzeichnen, Frau Ströver, das zeugt dann tatsächlich von einer erschütternden politischen Inkompetenz. Und zumindest Sie müssten wissen, Frau Grütters, dass es eigentlich anders läuft in Regierungstätigkeit. Sie müssten es wissen, Sie waren lange genug mit dafür verantwortlich. Leider Gottes fehlt heute Kollege Stölzl, er könnte uns wahrscheinlich auch anderes erzählen. Die Amtszeit von Kollegin Ströver war offensichtlich seinerzeit zu kurz für nachhaltigere Lerneffekte.

 

Was mich erschüttert, ist die Art und Weise, Frau Ströver, wie Sie im Vorfeld mit Unterstellungen gearbeitet haben, obwohl Sie überall das ernsthafte Anliegen dieser heutigen Beratung betont haben. Sie warfen dem Senator Patronagepolitik vor. Sie erklärten, dass Herr Flierl davon ausgehe, wir hätten in Berlin schlecht geführte Häuser, und Sie malten einmal wieder die schwarze Eule des Unterganges an die Wand: Alles was der jetzt einrührt, wird künftig zu Defiziten führen. – Woher wissen Sie das? Sie schrecken nicht vor Beleidigungen zurück, das muss man hier auch noch einmal sagen. Eine solche Unverschämtheit wie, einem Fachsenator beschränkte Fachkenntnisse vorzuwerfen, habe ich das erste Mal in meiner Zeit als Abgeordneter erlebt. Sie haben erklärt, dieser Herr Flierl hat nur äußerst beschränkte Theaterkenntnisse, punktum. Dass Sie dann anschließend noch mit Verleumdungen arbeiten, nach dem Motto, Kulturschaffende mit DDR-Biografie würden jetzt hier das Heft in die Hand nehmen! Es fehlt dann nur noch die Beschwörung der asiatischen Urängste, irgendwo steht Tamalan vor der Tür. Gott sei Dank, haben Sie sich ein altes Ritual verkniffen und Kulturschaffende der DDR nicht gleich noch mit dem Stasi-Vorwurf versehen. Das hat dann noch gefehlt in Ihrer Argumentation. Über die Paranoia der 40-Plus-Debatte einmal ganz zu schweigen. Herr Friedrich von der „Berliner Zeitung“ hat es auf den Punkt gebracht: Das ist Denunziation an sich, was Sie hier praktiziert hatten und alles andere als eine einigermaßen solide Grundlage für eine Ausschussauseinandersetzung zu einem kulturpolitischen Thema.

 

Sie haben natürlich völlig zu Recht, jetzt zitiere ich Sie auch, „die Debatte um konkrete Konzepte für die Zukunft der landesgeförderten Sprechtheater“ eingefordert. Okay, der landesgeförderten Sprechtheater. Dann lösen Sie bitte diese Diskussion ein. Das machen Sie nicht. Sie beschränken sich hier auf das Problem Maxim-Gorki-Theater, ein drängendes, schwieriges Problem, das gestehe ich gern zu, auch ein schmerzliches Problem, das gestehe ich auch gern zu, aber bitte schön, wo ist Ostermeier, wo ist Castorf, wo ist Peymann, wo ist Schöbel, wo ist Lilienthal? Wo sind die? Wo sind die 40 Prozent heute hier nicht anwesenden Fachabgeordneten? Ich habe sehr großen Respekt vor allen Kolleginnen und Kollegen, die sich dieser Sitzung hier unterziehen. Aber wenn Sie wirklich im Rahmen des Kulturausschusses die Fachdebatte führen wollen, dann führen Sie sie bitte auch in einer Besetzung, dass dieser Ausschuss argumentativ verhandlungsfähig ist. 40 Prozent der Mitglieder dieses Ausschusses nehmen heute an dieser Sitzung nicht teil. Es ist eigentlich eine einigermaßen erbärmliche Veranstaltung, die Sie uns hier zumuten, aber nun gut, „die drei Damen vom Grill“ haben ihre Bulette, die sie raufpacken können – nennen wir die Bulette einmal Flierl –, Hauptsache es wird gegrillt.

 

So geht es wirklich nicht. Eine Sondersitzung ist wirklich nicht erforderlich. Wir würde uns stattdessen freuen und unterstützen das auch nachhaltig, wenn sich der Kulturausschuss – unter Einbeziehung aller potenziell Beteiligten – in seinem regulären Sitzungsturnus zu einer wirklich sehr solide vorbereiteten Debatte über die Zukunft der Theaterlandschaft dieser Stadt durchringen könnte und nicht diese kleinkarierte Geschichte weiter praktiziert. Im Übrigen, Frau Meister, zu dem, was Sie hier monieren: Die mittelfristige Finanzplanung liegt inzwischen seit knapp einem Jahr vor. Und seit knapp einem Jahr sind es vor allen Dingen auch – darauf möchte ich hier einmal hinweisen – die Sprecherinnen von Oppositionsparteien – ich halte mich jetzt zurück, ich sage ganz allgemein: von Oppositionsparteien –, die stattdessen die Ausschusssitzungstermine füllen mit so „wesentlichen“ Besprechungspunkten wie „Kunstgenuss ohne Handyklingeln“ und Ähnliches. Schauen Sie bitte auf die Unerledigtenliste, was Sie uns hier zumuten an so genannten Besprechungen gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs, wozu Sie tatkräftig mit beitragen. Und jetzt muss ich auch mir einen Schuldvorwurf machen, ich bin immer noch zu konsenssüchtig. – Auch die Orchesterdebatte hätten wir längst führen können. Kleines Beispiel, wie das hier läuft: Seit vielen Monaten haben wir auf dieser Besprechungsliste Perspektiven der Berliner Orchester plus Education-Programme der Berliner Orchester und, und, und. Vor knapp acht Tagen finde ich einen Antrag auf Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die sich nun plötzlich mit dem Education-Programm beschäftigen möchten. Frau Ströver, lesen Sie doch wenigstens Ihre Unerledigtenliste, bevor Sie hier noch weitere Dinge einbringen.

 

Und hinsichtlich Ihres Ansatzes, der Senator möge doch bitte wenigstens heute die Argumente der Abgeordneten hören: Sprechen Sie nicht im Plural, sagen Sie, der Senator möge bitte die Argumente der Abgeordneten Ströver hören, das ist gemeint, nichts anderes ist gemeint, wenn ich das Ich mit Großbuchstaben schreibe und das auch noch ständig fett gedruckt, dann tut das vielleicht dem eigenen Ego gut, aber doch wohl nicht dem Theater.

 

Ich beende jetzt diese Philippika, weil Herr Hesse hier sitzt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie noch ein paar konzeptionelle Überlegungen hinsichtlich der nächsten und übernächsten Spielzeit, die die ästhetischen Perspektiven Ihres – – [Zuruf von Frau Abg. Grütters (CDU)] – Sie haben eine Besprechung mit Anhörung beantragt, Frau Grütters! Jetzt ertragen Sie es bitte, ich habe vorhin auch sehr geduldig zugehört. – Wenn Sie das bitte noch einmal kurz darstellen könnten, Herr Hesse, wäre ich Ihnen sehr dankbar. – Herzlichen Dank!

 

Frau Vors. Ströver: Herr Schruoffeneger!

 

Abg. Schruoffeneger (Grüne): Gestatten Sie mir auch eine Vorbemerkung: Herr Flierl, Sie haben Ihrem hier nicht im Eifer des Gefechts gehaltenen Redebeitrag, sondern in Ihrem verlesenen Manuskript eine sehr unselige Tradition wieder aufgenommen, nämlich die Tradition, inhaltliche Auseinandersetzung und inhaltliche Kritik mit pathologischen Begrifflichkeiten zu versehen. Sie wissen, dass im Plenum der Ältestenrat eingeschaltet worden wäre, hier ist das albern. Aber ich denke, dass gerade für einen Kulturpolitiker so viel gesellschaftspolitisches Verständnis vorhanden sein müsste, dass sich solche Vergleiche ausschießen. Ich bitte Sie, noch einmal in sich zu gehen und uns mitzuteilen, ob Sie glauben, dass das die richtige Begrifflichkeit war.

 

Ansonsten haben Sie hier eine Erklärung verlesen, die man als Seminararbeit Grundkurs betrachten kann. Das war eine Zusammenfassung der Entwicklung der Theater der letzten zehn Jahre. Gut, auch im Grundkurs gehört es eigentlich dazu, dass die Referate frei vorgetragen und nicht abgelesen werden. Das zeigt ein bisschen, unter welchem Druck oder unter welcher Spannung Sie bei dem Thema anscheinend stehen. Der Letzte, der das so gemacht hat, war Herr Strieder in der Plenarsitzung zum Tempodrom. Das war für mich ein sehr ungewöhnlicher Stil in seinen letzten Wochen.

 

Ich will das Stichwort „offener Diskurs“ noch einmal aufgreifen, weil ich glaube, wir sind uns an einem Punkt einig, dass es hier nicht um eine reine Personaldebatte, nicht um eine Diskussion um einzelne Individuen geht, sondern dass dahinter konzeptionelle Fragen stehen. Und dann haben Sie gesagt, Sie finden das auch sehr bedauerlich, dass das jetzt erst diskutiert wird, das hätte alles vorher kommen müssen oder auch vorher im Ausschuss diskutiert werden können. Nun sind Sie derjenige, der diese Verwaltung führt. Und wenn Sie eine konzeptionelle Idee zur Weiterentwicklung der Berliner Theaterlandschaft haben, die sich dann irgendwann natürlich auch in Personalentscheidungen auswirkt, dann ist es auch Ihr Job, mit diesen konzeptionellen Ideen nicht nur in diesem Ausschuss, sondern auch in der Stadt die Diskussion zu suchen. Sie können sich nicht zurücklehnen und sagen: Sie haben das nicht vorher auf die Tagesordnung gesetzt! – Derjenige, der den offenen Diskurs einfordert und immer wieder auch als seinen Politikstil bezeichnet, der muss diesen offenen Diskurs in der Gesellschaft auch irgendwann einmal initiieren und führen. Das, was Sie machen, ist aber genau das Andere, Sie führen die Begrifflichkeit des offenen Diskurses im Mund, treffen aber ohne diesen Diskurs Einzelentscheidungen, die dann irgendwann dem Diskurs nicht mehr zur Verfügung stehen, und dann diskursieren Sie schön in der Stadt über zwei Jahre. In der Zwischenzeit sind alle Entscheidungen getroffen, und zum Schluss kann man dann sagen: Diskurs war ganz nett, aber die Ergebnisse sind jetzt leider alle festgeklopft, in Personalentscheidungen, in Finanzentscheidungen, in Strukturentscheidungen, das ändert alles nichts mehr.

 

Und das scheint auch innerhalb der Koalition ähnlich zu sein. Wenn ich von Frau Lange im Tagesspiegel vom 29. 6. lese, dass sie verhältnismäßig verärgert ist, oder Herr Brauer sagt, Herr Flierl hat eine Entscheidung getroffen, nun muss er sie vertreten, dann sind auch das keine Formulierungen, die irgendwie auf einen intensiven Diskurs innerhalb der Koalition oder zwischen Senat und Koalition schließen lassen, sondern auch diese beiden Personen scheinen eher überrascht oder nicht eingebunden oder wie auch immer gewesen zu sein.

 

Und es geht auch nicht darum, dass man wie bis 1995 jeden Intendantenvertrag einzeln diskutiert und wieder zur Glühbirne kommt, Herr Brauer. Das haben Sie falsch verstanden. Aber die damalige Pflicht, Intendantenverträge hier vorzulegen, hat die Verwaltung gezwungen, vorher diesen Diskurs mit dem Parlament zu suchen. Das musste man da nämlich im Vorfeld klären, und zwar an konzeptionellen Fragen klären und nicht an Personen. Und es ist für mich überhaupt nicht ersichtlich, warum mit der Umstellung auf LHO-Betriebe solch konzeptionell wichtige Fragen hier nicht mehr automatisch zur Debatte stehen, sondern immer wieder von einzelnen Fraktionen als Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs oder sonst wie beantragt werden müssen.

 

Ich komme noch mal zu dem offenen Diskurs. Das Ensemble hat Ihnen am 25. 6. 2004 geschrieben. Der letzte Satz heißt: Wir sind an einem Gespräch über diese Entscheidung interessiert. Hat denn dieses Gespräch mittlerweile stattgefunden? – Gut, ich gebe zu, es ist Sommerpause. – Haben Sie darauf reagiert? Wie gehen Sie jetzt in den offenen Diskurs mit dem Ensemble? Wie haben sie das Ensemble vorher eingebunden? Wie haben Sie jetzt auf diesen Brief reagiert? Herr Hesse hat selbst gesagt, seine Formulierung war: Mir wurde das Ergebnis mitgeteilt. – Vielleicht können Sie uns noch ein bisschen über den Ablauf dieses Gesprächs erzählen. „Mitteilen“ ist für mich etwas anderes als ein offener Diskurs. Und wenn ich das auf andere Entscheidungen in den letzten Monaten beziehe, dann wundert mich schon, dass bei all den Diskussionen, die Sie mit Kulturschaffenden in der Stadt führen, in der Öffentlichkeit anschließend unterschiedliche Interpretationen über den Inhalt der Gespräche kursieren. Ich erinnere mich an die Diskussion um die Berliner Symphoniker. Da gab es Protokolle von einem Gespräch, wo man als Außenstehender nur sagen konnte: Das müssen zwei völlig verschiedene Gespräche gewesen sein. Anscheinend gibt auch in der Wahrnehmung von Diskursergebnissen bei Ihnen immer wieder ein Problem. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass dieses Problem bei Ihnen immer wieder auftritt. Sie gehen in diese Gespräche anscheinend mit einer festen Position hinein, und haben anscheinend nicht die Fähigkeit, das, was Ihnen da entgegengebracht wird, auch aufzunehmen und zu verarbeiten, sondern sie kommen mit dem, mit dem Sie reingegangen sind auch wieder heraus. Das betrifft sowohl den Umgang mit Ihrem eigenen Haus, mit Ihrer Verwaltung – es ist kein Wunder, dass es sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, die vorzeitig die Flucht ergriffen haben –, das betrifft aber auch den Umgang mit den verschiedenen Institutionen.

 

Herr Brauer hat die mittelfristige Finanzplanung angesprochen. Dazu fordern Sie auch wieder einen Antrag auf Besprechung im Ausschuss. Aber der Ausschuss ist nicht der offene gesellschaftliche Diskurs. Wo ist denn das Konzeptpapier von Herrn Senator Flierl, das seiner Entscheidung zugrunde lag, die Zuwendungen an die Orchester in der Stadt in der mittelfristigen Finanzplanung fast auf Null abzusenken? Dahinter muss ein Konzept stehen, und das muss von ihm auch öffentlich vorgestellt und diskutiert werden. Auch hier findet dieser Diskurs nicht statt.

 

Ich habe dann noch einige konkrete Nachfragen. Der Begriff „Stadttheater“ ist jetzt schon zweimal gefallen. Das stammt aus einem Interview in der Berliner Zeitung von Ihnen, Herr Flierl. Nun haben Sie gesagt, die Gründe, die Ihnen in dem Gespräch genannt wurden, waren nicht die, die zum Schluss in der Öffentlichkeit für die Nichtverlängerung des Vertrages dargestellt wurden. Ich will es nicht an dem Begriff „Stadttheater“ festmachen, aber welchen Eindruck haben Sie denn – Sie haben dazu ein paar Gespräche mehr geführt –, wo liegt der wirkliche Grund? Der Sprecher der Kulturverwaltung hat in dem diesbezüglichen „Tagesspiegel“-Text gesagt, es sind inhaltliche Differenzen in der kulturpolitischen Ausrichtung. Damit kann ich herzlich wenig anfangen. Ich habe in Bezug auf das DT ansatzweise aus Ihrer Verlesung herausgehört, was Sie konzeptionell wollen. In Bezug auf das Maxim-Gorki-Theater habe ich nur „konsequente Dramaturgie“ gehört, und das ist mir als inhaltliche Differenz zu wenig.

 

Sie haben dann gesagt, Sie wollen sich zu den neuen Intendanten nicht äußern, da noch verhandelt wird. – Richtig. Aber das hieße dann, da Intendantenfragen auch konzeptionelle Fragen sind, hier das Konzeptpapier auf den Tisch zu legen und es nicht bei dieser Andeutung „konsequente Dramaturgie“ zu belassen. – Ich habe dazu eine Frage: Wenn ich Ihr Konzept richtig verstanden habe, war es eine Methode, eine Spielzeit auch unter ein inhaltliches Motto zu stellen. Ich bitte Sie, das noch einmal zu erläutern, und bitte Sie dazu eine Position, Herr Flierl, ob es einer der Punkte ist, die Sie kritisieren.

 

Wo sehen Sie, Herr Hesse, die besondere Profilierung des Gorki-Theaters? – Und noch einmal eine Frage an Sie, Herr Flierl, weil das unstrittig von Ihnen so formuliert worden ist: Was verstehen Sie unter „Produktivmachen einer Ostkompetenz“? Wenn wir schon in diesen „Schlachtworten“ „Ostkompetenz/Westkom­petenz“ wieder reden wollen, ist für mich nicht klar, was „Produktivmachen“ heißen soll.

 

Frau Grütters hat die finanziellen Probleme angesprochen. Eine konkrete Frage an Sie: Gibt es von Ihnen gegenüber den Senatskolleginnen und -kollegen Zusagen oder Ankündigungen in Bezug auf weitere Kürzungen im Theaterbereich oder Umstrukturierungen? Und wenn ja – welche Rolle spielen die beiden jetzt vom Intendantenwechsel betroffenen Häuser in diesem Zusammenhang?

 

Frau Vors. Ströver: Danke schön! Frau Meister!

 

Frau Abg. Meister (FDP): Vielen Dank! Ich möchte kurz auf Herrn Brauer und seinen Hinweis auf die Diskussion über das Orchester eingehen. Zum offenen Diskurs gehört auch, dass dem Kulturausschuss Konzeptionspapiere vorgelegt werden. Sie wissen ganz genau, dass genau das der Grund war, weswegen wir über das Orchester noch nicht diskutiert haben, weil wir uns hier nämlich nicht im luftleeren Raum befinden, sondern weil solch eine Diskussion auch eine Grundlage braucht. Und es ist guter politischer Stil, wenn man diese Papiere auch dem Kulturausschuss vorlegt und nicht hofft, dass irgendjemand sie auf den Treppen des Abgeordnetenhauses findet.

 

Aber jetzt noch mal zu der durchaus ausführlichen Rede von Herrn Flierl. Meine persönliche Wette lag bei 30 Minuten; ich glaube, Sie haben 26 Minuten geschafft. Man konnte durchaus ein paar Dinge über die Positionierung der Theater in Berlin hören. Das muss man jetzt einmal festhalten. Die waren darin verborgen, wenn man sich 26 Minuten lang wirklich eisern konzentriert hat. – Das Deutsche Theater soll das hauptstädtische Zentrum bilden, mit einer bürgerlich-liberalen Positionierung. Das ist immerhin ein Ansatz, das muss man lobend anerkennen. Ich denke aber nichtsdestotrotz – und das wissen Sie auch –, dass diese Positionierung noch viel zu wenig ist. Wenn wir wirklich in diesem Land irgendwann mal darüber nachdenken – und auch das erwähnten Sie am Anfang –, dass es langfristige Konzepte zur Mittelvergabe für die Theater gibt, dann brauchen wir auch eine Mittelvergabe, die sich irgendwann einmal an Leistungskriterien aufbaut. Und dann brauchen wir auch eine genauere Positionierung, die erst einmal per se nicht über den Spielplan zu steuern ist. Ich denke, in dieser Hinsicht sind wir uns alle einig, das haben Sie auch nicht gesagt. – Also: Deutsches Theater gutbürgerlich-liberal. Bei dem Maxim-Gorki-Theater kann ich mich jetzt im Gegensatz zu Herrn Schruoffeneger noch erinnern: Da gab es den kritischen Realismus und den Blick von unten. Das ist immerhin ein Ansatz. Die Frage ist aber immer noch, sie ist für mich unbeantwortet geblieben: Warum sind diese Positionierungen mit den jetzt an den Häusern befindlichen Personen nicht gangbar? Das ist genau die Frage, die bis jetzt noch nicht beantwortet ist. Warum ist diese Positionierung des Deutschen Theaters und des Maxim-Gorki-Theaters mit Herrn Wilms und Herrn Hesse kein gangbarer Weg? Und warum – das ist die zweite Frage, die sich daraus ergibt – ist diese Veränderung der Positionierung über die Personen von solch einer entscheidenden Wichtigkeit? Es wird zwei Institutionen in ihrer wirtschaftlichen Effizienz gefährden. Ich denke, darüber sind wir uns im Klaren, Herr Hesse erwähnte es auch noch einmal: Wenn ein neuer Intendant kommt, gibt es am Anfang eine gewisse „Delle“, gewisse Reibungsverluste, bis alles wieder rund läuft. Wir haben, das sprach Frau Grütters schon an, so und so viele Stellen in Berlin, beim Carrousel-Theater, im Stadtmuseum, wo wirklich Vakanzen vorhanden sind, die geschlossen werden müssen. Warum sind Herr Wilms und Herr Hesse die beiden falschen Personen am falschen Ort, und warum sind diese beiden Positionen im Moment von solch einer entscheidenden Wichtigkeit, dass sie genau jetzt, in der Sommerpause, geändert werden müssen? Das ist mir nach eineinhalb Stunden Diskussion immer noch nicht klar.

 

Frau Abg. Ströver (Grüne): Frau Fugmann-Heesing!

 

Frau Abg. Dr. Fugmann-Heesing (SPD): Zunächst einmal bin ich Frau Grütters dankbar, dass sie in ihrem Wortbeitrag deutlich gemacht hat, dass die Kompetenz des Kultursenators, Personalentscheidungen zu treffen, nicht bezweifelt wird. Ich finde, das ist wichtig, und darüber müssen wir uns als Ausschuss auch klar sein.

 

 


Gerade Sie, Frau Grütters, haben ja mit Ihren Fragen, mit denen Sie Auskunft über Konzeptionen vom Senator fordern, ein sehr breites Spektrum angesprochen – das ist hier im Ausschuss bereits in den verschiedensten Zusammenhängen in der Vergangenheit thematisiert worden. Gerade vor diesem Hintergrund – das möchte ich an der Stelle anmerken – kann ich nicht ganz verstehen, dass man eine Sondersitzung zu dieser breiten Thematik anberaumt, die nicht so aktuell ist, dass sie unbedingt in der Sommerpause behandelt werden muss. Deshalb glaube ich, dass es ganz richtig ist, dass Sie von einem Reflex der Opposition gesprochen haben – viel mehr ist das wohl auch nicht, dass wir das heute hier in einer Sondersitzung behandeln.

 

Aber kommen wir einmal zum Inhaltlichen: Der Tagesordnungspunkt lautet ja „Perspektiven der Intendanten für die künstlerischen Profile der beiden Häuser – Maxim-Gorki-Theater und Deutsches Theater“. Ich meine, dass in der Debatte sehr deutlich geworden ist – das ist auch in verschiedenen Redebeiträgen hier angeklungen –, dass es um eine Perspektive für die Theaterlandschaft in Berlin insgesamt geht. Das heißt – das ist auch in den Eingangsausführungen des Senators deutlich geworden –, dass gerade auch das, was er zum Beispiel in Bezug auf das Deutsche Theater gesagt hat, gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit dem BE, mit der Volksbühne und wem auch immer bedeutet. Vor dem Hintergrund wundere ich mich etwas, dass die Opposition den Tagesordnungspunkt in der Thematik so begrenzt angemeldet hat und nicht auf die Theaterlandschaft in Berlin insgesamt bezieht, wenn es nicht allein um die Frage von Personalentscheidungen geht oder gehen soll.

 

Ich möchte zu dem, was hier inhaltlich gesagt worden ist, eine Nachfrage an den Senator richten, die sich durchaus in Teilen mit dem deckt, Frau Meister, was Sie gesagt haben: Herr Flierl, was Sie in Bezug auf die Perspektive für das Maxim-Gorki-Theater gesagt haben – Sie haben da von einer notwendigen ästhetischen und programmatischen Erneuerung gesprochen –, das hätte ich gern etwas konkretisiert. Denn das, was Herr Hesse uns vorgetragen hat, ist ja eine mit seiner Intendanz verbundene ästhetische und programmatische Erneuerung, die er hier in Angriff genommen hat. Und wenn Sie mit einem Intendantenwechsel hier eine ästhetische und programmatische Erneuerung anstreben, interpretiere ich das so, dass es eine andere Ästhetik und eine andere Programmatik sein soll als die, die vom Intendanten Hesse in dieses Theater gebracht worden ist – und sich noch durchaus in der Bewährung befindet, das muss man sehr deutlich sagen, und darauf haben Sie auch hingewiesen. Da würde ich also bitten, dass Sie uns das noch etwas konkretisieren.

 

Zum Zweiten möchte ich anmerken, dass die Debatte, die wir hier heute als Anhörung führen, gerade vor dem Hintergrund dessen, was hier verschiedentlich angemahnt worden ist, eine sehr unvollständige Debatte ist und dass wir deshalb diesen Tagesordnungspunkt, nämlich bezogen auf die Programmatik für die Theaterlandschaft insgesamt, mit der Anhörung heute gar nicht abschließen können, sondern dass wir dieses Thema ausweiten und dann auch im Ausschuss entsprechend umfassend beraten müssen.

 

Frau Vors. Ströver: Herr Brinsa!

 

Abg. Brinsa (CDU): Herr Kollege Brauer! Mich hat überrascht, dass Sie auch den Kolleginnen und Kollegen, die heute hier als Vertreter diesem hohen Ausschuss beiwohnen, Ihr Wort gewidmet haben. Ich muss das hier einfach einmal sagen: Ich empfinde es als eine ganz besondere Ehre, dass ich in dieser Legislaturperiode erstmalig an dieser Ausschusssitzung teilnehmen darf, obwohl – wenn ich das so richtig fühle und empfinde – meine Pulsfrequenz wahrscheinlich viel zu hoch ist und ich hier gar nicht mehr sitzen dürfte.

 

Frau Vorsitzende, im Gegensatz zu Ihnen sitze ich ja in einer etwas weiteren Entfernung zum Senator, ich muss mich also der Sprache bedienen. Sie haben ja vorhin offenbar lautlos miteinander kommuniziert. Insoweit werde ich etwas zum Senator sagen müssen, wenn Sie gestatten, Herr Brauer, auch wenn Sie es vielleicht überraschen wird. Als Neuling in diesem Metier muss ich sagen: Wenn ich von oben herab auf Berlin schaue, dann sehe ich bei Kultur – Sie können ruhig lachen, das ist so; das sehen Sie wahrscheinlich nicht so, Frau Kollegin Dr. Schulze – einen grauen Punkt. Kultur ist in Berlin ein grauer Punkt – kein Outfit, farblos, kein Charisma, ideenlos, und das ist die Politik des Kultursenators in Berlin seit Beginn seiner Amtsperiode.

 

Was mich aber bewegt und weshalb ich heute hier bin – und dazu möchte ich, Herr Senator, von Ihnen gern etwas hören –, ist unter Punkt 1 die Tatsache, dass hier steht, dass Sie etwas zu den künstlerischen Profilen sagen wollten, und zwar zu den künstlerischen Profilen, von denen Sie offenbar andere Vorstellungen haben als die Intendanten des Maxim-Gorki-Theaters und des Deutschen Theaters. Dazu habe ich allerdings – es war fast peinlich bei Ihrem Vorlesen der 15 Blätter; es war irgendein Statement, eine Bestandsaufnahme – nichts gehört. Das war auch nicht zu erwarten. Aber da hätte ich gern etwas gehört, und zwar deshalb, weil Herr Hesse in seinen Ausführungen wörtlich gesagt hat, er hätte mit Ihnen ein-, zwei- oder dreimal gesprochen, und beim dritten Mal haben Sie nicht über Profile mit ihm gesprochen, sondern Sie haben gesagt: „Ich habe mich entschieden.“ Deshalb, Herr Senator, müssen Sie etwas zu den unterschiedlichen Profilen, die Sie ja offensichtlich trennen, sagen.

 

Ich darf das jetzt einmal auf eine andere Ebene bringen: Sie sind ja dafür bekannt, Herr Senator, dass Sie in der Politik nicht unbedingt als elegant gelten – das hat der „Tagesspiegel“ so geschrieben, ich zitiere nur daraus. Herr Wowereit hat Sie auch schon mehrmals zur Ordnung gerufen, und in Ihrer eigenen Partei sind Sie auch nicht immer so sehr geliebt. Ich will einfach einmal einen Vergleich anstellen, bevor Sie die Frage mir und uns allen beantworten können, und will das mal ein bisschen in den Sportbereich bringen: Wir haben jetzt die Saison der Formel-1-Rennen, und da haben wir bei den Fahrzeugen Reifen ohne Profil. Das würde ich Ihnen dann zuordnen, wenn ich darf, und wir haben Regenreifen mit Profil, das trifft für Herrn Hesse zu. Und dazu können Sie sich bitte äußern und meine Frage beantworten: Wie kann jemand ohne Profil – Sie nämlich – und Herr Hesse mit Profil, wie können diese beiden Reifen miteinander kommunizieren? – Herzlichen Dank!

 

Frau Vors. Ströver: Danke schön! – Frau Grütters!

 

Frau Abg. Grütters (CDU): Herr Brauer und Frau Fugmann-Heesing, Sie haben sich beide hier sehr formal eingelassen, da kam von der Positionierung der zwei Koalitionsparteien zu diesen Fragen ja wenig herüber. Ich möchte nur noch einmal daran erinnern: Die Terminlage, Frau Fugmann-Heesing, ist formal begründet: Am 31. Juli endet die Einspruchsfrist von Herrn Hesse – das wissen Sie –, und am 16. August soll das verschobene Gespräch mit Intendant Wilms sein. Die nächste Kulturausschusssitzung ist am 23. August. – Das ist die ganze Begründung, und das wissen Sie eigentlich auch, für diese Sommersitzung.

 

Ich möchte nur noch eine Sache hier richtig stellen: Das von mir erwähnte kulturpolitische Gesamtkonzept wurde auf Grund eines rot-roten Antrags, der im Frühjahr 2002 eingebracht wurde, erwartet. Die Beantwortung ist, wie gesagt, jetzt sieben Mal nach hinten geschoben worden, und wir nehmen an – so sagt es der Flurfunk –, dass das in einem stillen Kämmerlein erarbeitet wird, einsam vielleicht, und dass wir das irgendwann jetzt vorgelegt bekommen. – Das sind die Hintergründe, die zu dieser Terminlage geführt haben. Das nur noch einmal zur Klarstellung, weil Sie sich im Wesentlichen auf formale Einlassungen beschränkt haben.

 

Frau Vors. Ströver: Herr Brauer!

 

Abg. Brauer (PDS): Frau Grütters! Sie haben eben noch einmal hervorragend begründet, was unsere Probleme mit Ihrem – im Plural gesprochen – Vorgehen ist. Sie sagten, Dringlichkeit, weil hier eine Vertragskonstruktion gewissermaßen entscheidungsnotwendig zu behandeln ist, per 31. 7. Dieses ist, wie Sie vorhin vollkommen zu Recht replizierten, eine Personaleinzelentscheidung – Punktum! – Was wollen Sie denn nun? Wollen Sie die Personaleinzelentscheidung diskutieren, oder wollen Sie über Theaterpolitik im Lande Berlin diskutieren? – [Frau Abg. Grütters (CDU): Das hängt miteinander zusammen!] – Ja, natürlich, alles hängt mit allem zusammen. Sie kennen diesen blöden Witz mit dem Regenwurm und dem Elefanten in der Biologieprüfung – man kann wirklich alles in Zusammenhang setzen. – Wenn Sie Ihr Anliegen ernst meinen – ich meine, es ist das gute Recht der Opposition, die Regierung schlachten zu wollen, das will ich Ihnen auch gar nicht nehmen, versuchen Sie es, machen Sie es, reiten Sie Ihre Attacken gegen den Senator so oft und so gern, wie Sie es möchten, es hat einen mitunter gewissen Unterhaltungswert; Kollege Borgis schmunzelt, er kann das nachvollziehen –, okay, aber tun Sie das bitte nicht auf dem Rücken der Kultureinrichtungen dieser Stadt! Tun Sie dieses bitte nicht auf dem Rücken von Herrn Volker Hesse, der die ganze Zeit hier sitzt – ich kann mir vorstellen, er denkt momentan darüber nach, in welcher Art der Komödie er sich denn hier eigentlich befindet. Die Italiener des 16./17. Jahrhunderts wären happy gewesen, wenn sie solche Performance auf die Bühne gebracht hätten. – Entwerten Sie diesen Ausschuss nicht noch mehr, als Sie es bislang schon getan haben – das ist meine Bitte. Entscheiden Sie sich, was Sie diskutieren wollen, und dann diskutieren Sie darüber, aber nicht auf den Knochen der Bühne.

 

Frau Abg. Ströver (Grüne): Herr Hesse, Sie haben das Wort – bitte schön!

 

Herr Hesse (Intendant des Maxim-Gorki-Theaters): Es sind eben viele Stichworte gefallen, auf die ich auch reagieren sollte. Ich versuche einmal, einige zu bewältigen. Ich beginne mit dem Stichwort „offener Diskurs“. – Herr Senator Flierl! Sie haben – auch in vielen Zusammenhängen, die ich miterlebt habe – offenen Diskurs, Auseinandersetzung, argumentativen Stil immer wieder als die Ihnen liegende und Ihnen notwendig erscheinende Auseinandersetzungsform beschrieben. Und ich habe Sie auch erlebt, dass Sie brillant und differenziert bestimmte Debatten geführt haben. Mich beschäftigt sehr stark, warum in einer so entscheidenden Frage, die uns jetzt verbindet, nämlich ob eine Arbeit weitergeführt wird oder nicht, der offene Diskurs nahezu überhaupt nicht funktioniert hat. – Ich will eine kurze Vergangenheitsbemerkung machen, die Ihnen ja allen klar ist: Ich habe in den drei Jahren, die ich in Berlin bin, fünf Kultursenatoren erlebt, also kräftige Wechsel. Meine Orientierung als Theatermacher in der Beziehung zur politischen Aufsichtsbehörde lief, glaube ich, allein schon durch diese Tatsache stark da hin, dass ich mich an die beamteten Figuren in der Senatsverwaltung gehalten habe. Also, ich habe viele Gespräche mit Herrn Mehlitz geführt, ich habe mit der Theaterreferentin Esser viele gute Gespräche geführt und in letzter Zeit auch mit Frau Staatssekretärin Kisseler. Ich habe meine Orientierung so vorgenommen, dass ich dachte, der Kultursenator ist von sehr vielen Aufgaben sehr beansprucht und wird eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Institut, das ich leite, wahrscheinlich gar nicht führen können. Insofern habe ich kontinuierlich zum Beispiel mit den eben genannten Personen gesprochen. Von mir aus sieht es so aus, dass diese Senatsverwaltungsrepräsentanten den Prozess unserer Arbeit außerordentlich wohlwollend begleitet haben. Frau Esser hat viele von unseren Schwierigkeiten – finanzieller Art, aber auch einige inhaltliche Dinge – immer sehr genau miterlebt. Bis in die letzten Tage dieser Spielzeit hinein wurde mir aus der Senatsverwaltung immer große Sympathie entgegengebracht. Man hat uns immer wieder gesagt: „Es ist einleuchtend, es ist verständlich, wie Sie diese oder jene Entscheidung getroffen haben. Es baut sich da wirklich etwas auf, was ganz viel Zukunft hat.“

 

Aus meiner Perspektive gibt es tatsächlich – das muss ich hier festhalten – eine Beziehungsproblematik zwischen Ihnen, Herr Flierl, und einem konkreten Macher, wie ich es im Maxim-Gorki-Theater bin. Wir haben leider keine Gespräche geführt, wo Argument und Gegenargument sich fruchtbar bewegt hätten. Ich kenne Sie leider nur als Zuhörenden und plötzlich Entscheidenden. Ich habe wirklich, auch bis zu diesem Zeitpunkt im Laufe dieser Debatte, keine Aha-Erlebnisse, wo eigentlich Ihre Position ist und wo man inhaltlicher begreifen kann, was uns unterscheidet – das kann es ja wirklich geben. Und ich möchte auch noch einmal festhalten: Selbstverständlich respektiere ich die Entscheidungsgewalt, die der Kultursenator hat. Ich jammere hier nicht herum und sage, das darf er nicht machen. Aber ich würde mir gerade auf dem Niveau, das Sie mir in verschiedenen öffentlichen Auftritten gezeigt haben, nur gewünscht haben, dass Sie es inhaltlicher begründen, dass Sie es nachvollziehbarer machen. Diese Nachvollziehbarkeit ist mir leider bisher nicht aufgegangen.

 

Jetzt versuche ich in kurzer Form, noch einige Bemerkungen zu machen zu dem, was ich selbst konzeptio­nell anstrebe. Sie erwähnen, dass es dem jetzigen Maxim-Gorki-Team an dramaturgischer Konsequenz fehle. Das kann ich überhaupt nicht verstehen. Wir sind im Laufe dieser drei Jahre zu einer dramaturgischen Deutlichkeit und Klarheit gekommen, die, glaube ich, nicht sehr viele Theater so haben. Wir haben uns zum Beispiel konsequent in vielen, vielen Variationen, der Tradition des Maxim-Gorki-Theaters entsprechend, um russische Literatur gekümmert. Wir haben Reihen- und auch große Schwerpunktinszenierungen gemacht, die sich sowohl mit russischer Tradition als auch mit ganz vielen neuen Stücken in Russland und im Ostblock beschäftigt haben. Ganz klar, ganz erfassbar ist am Maxim-Gorki-Theater die Auseinandersetzung mit Osteuropa, mit osteuropäischen Neuentwicklungen an Literatur und an Theaterästhetik. Das ist so deutlich und so kräftig als eine Hauptlinie des Hauses, dass von einem Hü und Hott in dem Sinne wirklich nicht die Rede sein kann. Außerdem haben wir zum Beispiel in der letzten Spielzeit eine inhaltliche, konzeptionelle Fragestellung verfolgt: Wir hatten die Formel „Arbeit und Verbrechen“. Wir haben uns in einer ganzen Kette von Aufführungen damit befasst, wie Wirtschaftskriminalität, Wirtschaftskorruption, Verbindungen von Bösartigkeit, von Destruktivität und wirtschaftlichen Prozessen sich auswirken. Ohne das Theater orthodox zu machen, haben wir in sehr verschiedenen ästhetischen Sprachen und in verschiedenen Ansätzen sehr wohl eine bestimmte Grundfragestellung immer wieder verfolgt – von der „Dreigroschenoper“ bis eben zum „Bankenstück – Das Geld, die Stadt und die Wut“, bis zu dem „Nachtasyl“ von Maxim Gorki. – Übrigens: Sie haben in Ihrem Referat, Herr Flierl, eben ein paar Autoren genannt, dass man im Maxim-Gorki-Theater Hauptmann oder Gorki spielen müsste. Was tun wir denn? Wir machen das doch. Die Programmatik, die in diesen Bemerkungen liegt, ist mir schwer nachvollziehbar. Wir kümmern uns. Wir kümmern uns auch um die plebejisch-komödiantische Tradition des Theaters – das ist eine Formulierung, mit der gerade ich sehr viel anfangen kann. Unser Theater versucht den Blick von unten. Wir versuchen es tatsächlich nicht mit einer abstrakt-dekonstruktivistischen Ästhetik, sondern mit einer bestimmten Art von klugem Volkstheater
– à la Mnouchkine oder nach solchen Traditionen – versuchen wir, unsere ästhetische Sprache zu finden. Wenn Sie das Programm kennen gelernt haben, das wir für die nächste Spielzeit ankündigen – auch da haben wir wieder ein paar Grundfragen, die wir mehrfach variieren: Wir versuchen, Glaubenswerkstätten aufzubauen, die – auf sich antwortende Weise – immer wieder bestimmte Sinnfragen, elementare Horizontsinnfragen stellen. Ich behaupte einfach, dass wir sehr viel nachdenken, dass wir sehr entschieden unsere konzeptionelle Arbeit aufbauen und dass von einem Hü und Hott oder von einer Unklarheit des Profils gerade bei uns eigentlich nicht die Rede sein kann. Ich gebe immer wieder zu: Als die Zuschauerzahlen im ersten Jahr zu irritieren begannen, da habe ich die eine oder andere „Striese-Entscheidung“ getroffen und zum Beispiel ein bekanntes Stück ins Spiel geworfen, was nicht so furchtbar gedanklich zusammenhängend war. Dazu stehe ich aber vollkommen; es hat nämlich die Kontaktbasis geschaffen, auf der wir jetzt aufbauen. Das volle Haus ist zunächst einmal die Grundvoraussetzung für alle möglichen Auseinandersetzungen, und das haben wir jetzt.

 

Ich wiederhole noch einmal meine Frage: Warum sind die Dinge, die Sie sich möglicherweise auch wünschen und die Ihnen selbst am Herzen liegen, mit uns nicht möglich?

 

Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Herr Hesse! – Möchte noch jemand das Wort erheben? – Ich würde es gern noch einmal tun, wenn ich darf. Ich möchte den Senator noch zu einigen Punkten befragen, die, wie ich finde, bisher noch nicht herausgearbeitet sind. Das sind die konkreten Kriterien, die zu einer Entscheidung über die Nichtverlängerung – oder auch Einstellung, das ist ja ganz egal – von Intendanten führen. Ich frage Sie in einem konsensualen Prozess, welche es denn sind. Sie haben meines Erachtens ausschließlich, wenn überhaupt, im Punkt ästhetische Ausrichtung relativ dezidiert eine Meinung vertreten, die ich so im Widerspruch zu dem, was das Maxim-Gorki-Theater macht, nicht erkennen kann. Ich frage Sie also, Herr Senator: Welche Bedeutung hat im Falle einer Personalentscheidung die Frage des Gesamtbuketts der Berliner Sprechtheater im Angebot und in der jeweiligen ästhetischen Abgrenzung zu den anderen Häusern?

 

Zweitens: Welche Bedeutung hat das konkrete Ensembleverständnis in einem Repertoiretheater, und welche Bedeutung hat auch die Ensemblearbeit als solche in einem Repertoiretheater?

 

Der dritte Bereich: Welche Bedeutung für eine Entscheidungsfindung hat für Sie die Wirkung von Stücken in der Kritik, in der öffentlichen Wahrnehmung, aber natürlich auch in den politischen Diskurs hinein?

 

Und da stellt sich als Viertes für mich die Frage, welche Bedeutung die Publikumsresonanz als ein Kriterium für Sie hat. Ich bin ja dafür denunziert worden – jetzt nehme ich mal dieses Wort in den Mund –, dass das Publikum etwa eine relevante Größe wäre. Für mich ist es eine relevante Größe, das sage ich hier ganz dezidiert, nicht nur vor dem Hintergrund einer Frage der finanziellen Rahmenbedingungen – die sehr hart sind – und der hohen Einnahmenerwartung, die wir aus der Politik an die Häuser haben, sondern tatsächlich auch in der Frage, wie ein Haus mit seiner Arbeit ankommt. Dazu gehört übrigens auch – das wäre vielleicht eine Unterfrage zu dem Punkt – die Frage: Welche Tätigkeit leistet ein Haus im Hinblick auf Theatervermittlung? Wie bewerten Sie das? – Das ist auch ein Faktor, den ich im Maxim-Gorki-Theater kennen gelernt haben, die Theaterpädagogik und die Heranführung von jugendlichem Publikum. Bei den Berliner Symphonikern haben wir gesehen, dass Sie diese Bedeutung auf Null setzen. Aber ich würde doch einmal fragen, wie es im Bereich der Sprechtheater ist.

 

Der fünfte Punkt – das ist für mich auch wichtig – ist die Frage, welche finanziellen Möglichkeiten ein Haus hat. Sie haben hier dezidiert gesagt, dass Sie die Schaubühne, die einen radikalen Umschwung gemacht hat, in dieser finanziellen Notlage mit unserer Hilfe nicht komplett auskömmlich, aber besser ausgestattet haben. Sie haben auch gesagt, dass Sie die Volksbühne, die in einer zum Teil schwierigen Lage war, was die finanzielle Ausstattung betraf, mit unserer Hilfe auskömmlich ausgestattet haben. Dem Maxim-Gorki-Theater haben Sie im Umkehrschluss in einer schwierigen Situation die Mittel – nicht mit unserer Zustimmung – gekürzt – abgesehen davon, dass das Maxim-Gorki-Theater – ich weiß jetzt die Zahlen nicht genau – im Durchschnitt 4 bis 5 Millionen € unter den Etatansätzen von der Schaubühne und von der Volksbühne liegt. – Diese Punkte müssen Sie uns gegenüber seriös beantworten. Es wird immer gefragt: Was sagen Sie dazu? Ich kann im Umkehrschluss sagen: Ich finde die Arbeit, die am Maxim-Gorki-Theater gemacht wird, nicht in allen Belangen perfekt, aber hier ist ein erkennbares Konzept, das meines Erachtens diesen Kriterien nachvollziehbar genügt. Und warum es Ihnen nicht genügt, würde ich gern wissen.

 

Und ich hätte dann noch eine Frage zum Deutschen Theater, denn da stutzte ich jetzt doch – aber vielleicht habe ich Sie auch missverstanden, dann würde ich Sie bitten, das zu korrigieren: Wenn Sie eine stärkere inhaltliche Abgrenzung zwischen dem Berliner Ensemble und dem Deutschen Theater wünschen, dann müssten Sie uns sagen, was es für die Zukunft des Berliner Ensembles bedeutet, wenn Sie – wie haben Sie es genannt – ein „Nationaltheater mit bürgerlich-traditionellem liberalem Gepräge“ etablieren wollen. Denn dann heißt das – ich gebe hier kein Geheimnis preis, wenn ich sage, dass das vielleicht sogar auch in Ihrem individuellen Gedankenspiel eine Rolle spielt –, dass Sie das Berliner Ensemble in seiner jetzigen künstlerischen Ausprägung nicht mehr wollen können. Wenn Sie, was Sie als Primat hier auch formuliert haben, die Erkennbarkeit der einzelnen Häuser als Prinzip Ihrer kulturpolitischen Entscheidung formulieren, dann ist es völlig klar, dass das bedeuten muss, dass das Berliner Ensemble – in dieser Form jedenfalls – langfristig nicht fortexistieren kann. Ich denke schon, dass wir bei der heutigen Sitzung erwarten können, auf diese Fragen Antworten zu kriegen.

 

Darüber steht für mich, Frau Fugmann-Heesing und Herr Brauer, nicht die Frage der Zuständigkeit, sondern die Frage des Dialogs und des Diskurses darüber, auf welcher Grundlage Entscheidungen gefällt werden und möglicherweise auch korrigiert werden können. Ich habe mir in meinem ganzen politischen Leben wahrscheinlich niemals denken können, dass ich einem Senator Radunski ein Lob ausspreche. Aber ich muss Ihnen sagen, ein Senator Radunski hat – man möge es inhaltlich finden, wie man es will – als einziger der Senatoren, die ich hier als Abgeordnete kennen gelernt habe, in seinem berühmten „Kreise-Papier“ ein kulturpolitisches Konzept vorgelegt – da waren Sie noch gar nicht Abgeordneter, Herr Brauer, vielleicht gebe ich Ihnen das einmal –, das in einem diskursiven Prozess in der Akademie der Künste öffentlich beraten und diskutiert worden ist. Ich finde schon, dass es einer rot-roten Regierung gut anstünde, sich an solche diskursiven Prozesse zu erinnern. Herr Brauer, dass gerade Sie vor dem Hintergrund Ihrer Geschichte sagen, klandestine Entscheidungen eines Senators sind das Primat, dem die Politik unwidersprochen folgen sollte, das finde ich persönlich bedauerlich. Das spricht nicht für einen bestimmten Entwicklungsprozess. – Herr Senator!

 

Sen Dr. Flierl (WissKult): Das entscheidende Gremium zur kulturpolitischen Debatte und für den kulturpolitischen Diskurs ist auch und erster Linie der Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses. Deswegen habe ich mich zu keinem Zeitpunkt beschwert, dieser Einladung hier folgen zu müssen, dass Sie diese Sitzung angesetzt haben. Ich muss allerdings sagen, dass es Legendenbildung wäre zu behaupten, dass jetzt in der Sommerpause irgendwelche heimlichen Entscheidungen getroffen werden. Sie selbst wissen – das haben Sie auch eingeräumt zu wissen –, dass diese Entscheidung, die Erklärungsfrist beider Seiten, bis zum 31. Juli zu treffen war, dass diese durch entsprechende Gespräche vorzubereiten war, dass sie teilweise durch Indiskretion und durch öffentliche Begleitung auch Gegenstand öffentlicher Debatte war und insofern von Ihnen auch durchaus vorher hätte auf die Tagesordnung gesetzt werden können.

 

In der Tat bin ich der Auffassung, dass Personalentscheidungen kein konsensualer Prozess sein können. Ich räume ein, dass wir darüber nachdenken müssen und ja auch in verschiedener Form darum gestritten haben, wie die kulturpolitische Debatte in Berlin zu führen ist. Sie selbst kennen meine Bemühungen um eine entsprechende Etablierung eines Gremiums, um die Gegengründung, um die Fortsetzung einer entsprechenden Arbeitsgruppe, die sich der Zukunft in Berlin widmet, wo es auch informelle Kontakte gibt – und die auf ihrer Tagesordnung im Übrigen diese Fragen auch nicht gestellt hat. Wir wissen auch alle, dass nach Stadtforen und nach dem Bemühen um Belebung eines Kulturforums in Berlin die kulturpolitische Debatte angesichts der strukturellen Auseinandersetzungen, im Übrigen auch der permanenten parlamentarischen Erörterungen und der Debatten um die Klage vor dem Verfassungsgericht und der permanenten Haushaltsberatungen, anders gelaufen sind. Dass es keine Debatte in der Stadt gebe, an der man sich beteiligt, insbesondere auch zu Theaterfragen, stimmt natürlich so nicht, denn es gibt eine breite Theaterdebatte, die im Übrigen auch überregional geführt wird und die durchaus auch Möglichkeiten zu Einschätzungen gibt. Wenn Frau Grütters hier anspricht, es gebe umstrittene Personalentscheidungen, dann ist das Gegenstand von politischer Debatte und das soll es auch sein. Wenn Sie einfordern, dass es Abstimmungen zu Personalentscheidungen gibt, dann darf ich Sie nur in aller Form darauf hinweisen, dass es informelle Abstimmungen in einer Reihe von Fragen gerade mit Ihnen in den letzten Monaten immer wieder gegeben hat, wenn es um Dinge ging, die Ihnen besonders am Herzen gelegen haben, die Sie aber auch nicht kritisieren, die Sie hier auch nicht öffentlich bekunden und die ich nicht weiter ausführen will.

 


Das Gleiche ist das Thema der Bewältigung von personalpolitischen Blockaden, die meine ständig wechselnden Vorgänger hinterlassen haben. Hier ist auch das Stichwort „Deutsche Oper“ zu nennen. Und, Frau Grütters, Sie haben zwar, da abweichend zu Positionen Ihrer Mitstreiter in Ihrer Fraktion, einzelne Positionen, aber Sie wissen, wovon ich spreche. Hier gab es durchaus eine in großem Konsens getragene Veränderung. Andere sind merkwürdigerweise überhaupt nicht diskutiert worden: Die Veränderung an der Leitung des Technikmuseums oder die Nichtverlängerung des Vertrages von Manuel Schöbel haben kulturpolitisch keinerlei größere Brisanz hervorgerufen. Insofern muss man sehen: Es gibt ein durchaus komplexes Gewebe von Diskussionszusammenhängen und von Erörterungen auch öffentlicher und informeller Art.

 

Es ist richtig, Herr Hesse, dass in unser beider Verhältnis wir es nicht ausreichend geschafft haben, einen dauerhaften, stabilen persönlichen Kontakt auszubauen. Wenn Sie allerdings schildern, dass Ihre Haupt­adresse die Verwaltung war, und sich nun wundern, dass es einen Kultursenator gibt, dann muss ich mich nur wundern, dass Sie sich darüber wundern. Die alte Arbeitsteilung bei ständig wechselnden Kultursenatoren funktioniert nicht mehr in der Stadt. Sie finden in mir jemanden, der durchaus bemüht ist, auch auf die von Ihnen gestellten Fragen, eine Antwort zu finden, und der sich der kulturpolitischen Debatte auch inhaltlich stellt. Ich behaupte also den Anspruch, und ich sehe ihn eigentlich auch von weiten Teilen mitgetragen, dass Kulturpolitik wieder inhaltlich gestaltender wird und nicht nur Vollzugsorgan von Haushaltspolitik und von Haushaltsausschüssen ist. Dazu gehört dann auch, dass Personalentscheidungen inhaltliche Akzente setzen – so wie Herr Wilms, sehr sachgerecht, es sicherlich mit kritischen Forderungen verbunden hat, mit Sachkenntnis und mit Sinn entsprechende Entscheidungen treffen soll.

 

Was meine Ausführungen hier anbelangt, so habe ich mich bemüht, gerade jene Eckpunkte zu schildern und zu diskutieren – die Frau Meister mit der Begründung Ihrer Anfrage, das war auch die eigentlich sinnvolle Ebene, dargestellt hat –, da wir Personaleinzelentscheidungen hier in dem Ausschuss nicht diskutieren können und wollen, also ein Gesamtbild der Theaterlandschaft zu zeigen, die durch unterschiedliche historisch gewachsene, unterschiedliche ästhetische, programmatische, stadtteilorientierte, verschiedene soziale, institutionelle Momente gekennzeichnet sind. Da wiederhole ich noch einmal sehr deutlich und klar – und vielleicht klarer, als ich es vorhin ausgeführt habe – meine Kritik an dem ästhetischen Konzept und an dem kulturellen Konzept des Maxim-Gorki-Theaters: Es gibt zu viele Schnittmengen mit anderen Theatern in der Stadt. Ich denke auch, dass der Ansatz von Herrn Radunski – der bezogen auf Herrn Hesse und dessen Annahme der Aufgabe nachvollziehbar und legitim war –, zu sagen, wir wollen hier vor dem Hintergrund der Züricher Erfahrungen in Berlin ein solches Theater etablieren, vor dem Hintergrund der Existenz von Volksbühne, Schaubühne und HAU auf Dauer keine Chance hat, sich so zu profilieren. Es ist eine immanente Profilierung, es ist eine Entwicklung, diese soll auch vollzogen werden, und wir werden mit Interesse sehen, wie Sie dieses, wie Sie Ihre weitere Zeit auch ausgestalten. Das wird ein wichtiger Beitrag für die Entwicklung der Theaterlandschaft sein. Ich sehe aber keine dauerhafte Perspektive für ein solches Konzept. Ich sehe auch nicht, dass das Maxim-Gorki-Theater im Unterschied zu früheren Projekten, gerade auch in der Verantwortung von Volker Hesse, überregional Bezug gefunden hat. Ich sehe eine zu starke innerstädtische Debatte auf diese Theaterlandschaft. In der Tat ist es die Leistung von Herrn Hesse, dass er ein inneres Konzept entwickelt hat, das in sich schlüssig ist, aber dauerhaft – so meine Überzeugung – für die Berliner Theaterlandschaft und die erheblichen Umbrüche, die auch kulturell in der Stadt stattfinden, nicht ausreichend sein wird. Deswegen haben Sie meine ganze Unterstützung, dies mit Respekt meinerseits zu vollenden, zu zeigen, was in den nächsten zwei Spielzeiten im Rahmen dieses Konzepts für Berlin zu erbringen ist, und dafür danke ich Ihnen auch. Nur aus der Tatsache heraus, dass die Kultursenatoren ständig wechseln, übersehen wir aber die Dynamik dieser Stadt nicht. Es müsste doch darauf ankommen, längerfristig auch neue Entwicklungen zu ermöglichen, die sonst an Berlin vorbeigehen. Deswegen braucht es sowohl den innerstädtischen als auch den überregionalen Blick auf diese Zusammenhänge.

 

Zum Brief des Ensembles, Herr Schruoffeneger: Er hat mich erreicht. Und wenn Sie den Brief zu Ende gelesen haben, dann lesen Sie, dass ich zu einer Unterredung mit dem Ensemble nach dem 11. August eingeladen bin. Selbstverständlich werde ich diese Einladung annehmen und mich gegenüber dem Ensemble erklären. Ich hoffe, dass es dann auch Fortschritte gibt im Hinblick auf die Erklärung zur Zukunft des Theaters, so dass ich selbstverständlich dieser Diskussion nicht ausweichen werde.

 

Sie hatten nach dem Begriff des Stadttheaters gefragt. Ich glaube, dass das wichtig ist, um gerade die spezifische Berliner Situation noch einmal zu vergegenwärtigen. Gerade das Stadttheatersystem in Deutschland ist der elementare Baustein der einmaligen deutschen Theaterlandschaft. Deswegen ist gegen den Begriff des Stadttheaters, noch dazu, wenn er etwa mit mehreren Sparten verbunden ist, überhaupt nichts einzuwenden. Ich habe versucht, in meinen Ausführungen deutlich zu machen, dass ein Theater sich in einer vielfältigen Theaterlandschaft einer Metropole anders präsentieren muss als ein Theater, das die einzige kulturelle Institution in diesem Bereich in einer mittelgroßen oder großen Stadt ist. Ich weiß nicht, ob es überzeichnet ist, wenn Peter von Becker heute vom großstädtischen Kleinstadttheater spricht. Aber klar ist, dass die vielfältigen Bemühungen um die Gewinnung eines Profils im Prozess der Arbeit, mit einem Publikum, natürlich eher dem Charakter einer Bühne in einer mittelgroßen Stadt entspricht als der einer Metropole. Vor dem Hintergrund der Funktion des Maxim-Gorki-Theaters, die es einmal gehabt hat – übrigens: die dramaturgische Profilierung war natürlich in den beiden Polen, und da sind wir durchaus in Kontinuität zu sagen: Kritischer Realismus und komödiantische Weltsicht –, ist das weiter zu fassen. Das Maxim-Gorki-Theater hat in der Struktur – das versuchte ich zu verdeutlichen – zwischen Berliner Ensemble, Deutschem Theater, Schaubühne und Volksbühne einen speziellen Platz, und es sollte sich nicht aus den Auseinandersetzungen herausnehmen, indem es Stadttheater macht an der Stelle.

 

Wenn Sie mich fragen, warum meine Vorstellungen nicht mit dem derzeitigen Intendanten realisiert werden können, dann beantwortet sich dieses in gewisser Weise schon in der Fragerichtung. Ich sehe, dass wir zu bestimmten Punkten tatsächlich inhaltliche Differenzen haben, und ich verspreche mir, dass es eine ästhetische und programmatische Erneuerung an dem Theater gibt, dass das Theater auch ästhetisch überregional in eine Liga führt, die mit den anderen Bühnen konkurriert und natürlich die Publikumsbindung hält, neue erarbeitet, und insofern einen eigenständigen Beitrag liefert.

 

Wenn Sie darauf zu sprechen kommen, Herr Hesse, das Dilemma sei, dass Sie ein Theater vorgefunden haben, das in besonderer Weise – ich hatte das mit dem Zitat auch dargestellt – zwischen den Zeilen zu spielen verstand, und dass es nun gilt, sich in der Unverbindlichkeit westlicher Kultur zu behaupten, dann ist meine feste Überzeugung, dass es bei der Theaterarbeit, ob in Ost oder West, gerade darauf ankommt, diese beiden Erfahrungen miteinander zusammenzuführen. Das heißt, es kann nicht darum gehen, sich der Unverbindlichkeit westlicher Kultur auszuliefern. Es kann nicht darum gehen, das Zwischen-den-Zeilen-Spielen fortzusetzen, weil die Zeilen nicht mehr so eng gesetzt sind und der Text nicht mehr verordnet ist oder nicht mehr als Tradition verfügbar. Aber es geht natürlich auch darum, Tradition zu erneuern. Es geht darum, Gehalt abzuarbeiten. Und es geht natürlich darum, diese Ost-West-Kompetenz als Verständigungskompetenz gerade in den Ensembles zu stärken, die von dieser schwierigen Entwicklung in den 90er Jahren betroffen waren. Ich sage nicht, dass es die Auseinandersetzung der 90er Jahre ist. Es ist eine andere. Sie und Herr Wilms haben ebenso Recht, wenn Sie sagen, dass mit jeder gemeinsamen Inszenierung ein Stück dieser Verständigung gelingt. Dennoch sehe ich zu wenig Versuche, diese anhaltende Differenz auch produktiv zu machen, indem unterschiedliche Sichtweisen, indem eben gerade die Ensembleentwicklung – da sind Ihre Fragen völlig zutreffend – –, dass es darauf ankommt, ein Ensemble an den Theatern zu entwickeln. Wir hatten schon zu beobachten – und da haben wir unterschiedliche Einschätzungen, Herr Hesse –, dass Sie viele Dinge versucht haben, z. B. die Orientierung nach Osteuropa, z. B. auch die Produktion in Russland. Aber daraus folgt dann nichts, es wird nichts fortgesetzt. Es ist sozusagen keine kontinuierliche Linie. Es gibt ein Herumschlingern in den unterschiedlichen Profilen. Insofern denke ich, dass das eine notwendige Entscheidung ist, hier einem wichtigen, dem kleinsten der Sprechtheater eine neue Entwicklung zu ermöglichen.

 

Abgrenzung in der Theaterlandschaft, Frau Ströver, ist das entscheidende Moment, das ich Ihnen jetzt versuchte deutlich zu machen. Ensemblearbeit – gerade darauf kommt es an. Wirkungsästhetik und Publikumsresonanz sind nicht zu unterschätzen, aber nicht alles. Ich denke, dass es eine besondere Nähe Ihrer Auffassung, Frau Ströver, und bestimmter Arbeiten von Herrn Hesse deswegen gibt, weil es eine Art didaktische Zurichtung mancher Produktionen gibt. Ich bin völlig fern von der Vorstellung, dass man nicht politische Themen auf die Bühne bringen sollte. Aber es kommt darauf an, dass sie theatralisch verarbeitet werden, dass sie Beunruhigung stiften und dass sie auch weiterführend sind. Das heißt, es geht auch um Gehalt. Es geht auch um neue Stoffe. Insofern ist gerade der Versuch mit dem „Bankenstück“ als Versuch außerordentlich hoch zu schätzen.

 

Was die finanziellen Möglichkeiten anbelangt und die von Herrn Schruoffeneger nachgefragten strukturellen Veränderungen in den Theatern, so kennen Sie die Debatte um das Carrousel-Theater und den Auftrag des Hauptausschusses, eine Kooperation mit anderen Theatern zu prüfen. Wir haben hierzu unsere Position aufgeschrieben und eine entsprechende Konzeption erarbeitet. Sie befindet sich im Abstimmungsprozess. Über die in diesem Rahmen in Aussicht genommene Erörterung gibt es keine weitergehenden Überlegungen. Es ist richtig, dass es zu Beginn meiner Amtszeit ernsthafte Überlegungen gab, zu prüfen – das haben wir getan, auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Verwaltung –, ob es sinnvoll sei, die staatlichen Bühnen stärker zusammenzufassen. Wir haben uns auf punktuelle, sachbezogene Kooperationen verständigt, wie es im Zusammenhang mit Verwaltung, Deutschem Theater und Carrousel-Theater und auch im Hinblick auf Deutsches Theater und Maxim-Gorki-Theater gehen soll. Und wir haben gerade mit der Hilfe des Strukturfonds versucht, diese Belastungen, die Sie eben geschildert haben, dem Maxim-Gorki-Theater abzunehmen. Diese 400 000 €, die im Etat gekürzt wurden, werden mittelfristig über den Strukturfonds getragen, so dass sie nicht unmittelbar auf die künstlerische Arbeit durchschlagen. – Das war genau das Konzept. Da gibt es noch unterschiedliche Auffassungen, inwiefern sich das umsetzen lässt. Das werden wir noch zu diskutieren haben. Das betrifft aber nicht die hier zu stehende Diskussion.

 

Lassen Sie mich noch etwas zum Thema Berliner Ensemble und Deutsches Theater sagen: In der Tat halte ich von der Tradition, von der Geschichte, vom Ensemble her das Deutsche Theater am ehesten für prädestiniert und mit der öffentlichen Aufgabe bedacht, den im besten Sinne und zeitgemäß zu verstehenden und kritisch zu denkenden, zu rekonstruierenden Begriff von Nationaltheater widerzuspiegeln, und weniger das Berliner Ensemble. Nun kann man sagen, der Peymann hat die falsche Bühne genommen – das unterliegt nicht meiner Beurteilung. Klar ist, dass die gleichzeitige Beschäftigung der gleichen Regisseure mit ähnlichen Stücken, mit ähnlichen Etats für die Theaterstadt Berlin dauerhaft problematisch ist und dass es durchaus Überschneidungen gibt, die beiden Theatern nicht gut tun und die vor allem das Deutsche Theater in starkem Maße bedrängt haben, und dass es mittelfristig darauf ankommt, dass das Deutsche Theater sich eine ganz bestimmte Stellung im Ensemble der deutschsprachigen Bühnen zurückerarbeitet, genau darauf kommt es an. Auf welche Weise wir das bewerkstelligen können, werde ich auch in meinem Gespräch mit Herrn Wilms sondieren.

 

Frau Vors. Ströver: Frau Meister – bitte schön!

 

Frau Abg. Meister (FDP): Vielen Dank! – Es gibt noch einige Punkte, die ich unter Bezugnahme auf meine Vorredner kurz ansprechen möchte. Es sei mir erlaubt, noch einen Satz zu den Ausführungen von Frau Grütters und dem Reflex der Oppositionsparteien zu sagen. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich halte die Einberufung einer Sondersitzung nicht für einen Reflex, und ich verspreche Ihnen, dass ich mich grundsätzlich bemühe, reflexartiges Handeln durch den Prozess des Denkens zu ersetzen – das finde ich sinnvoller, und ich wollte auch nicht, dass wir uns alle hier nun ein bisschen beschäftigen, weil wir uns so lange nicht gesehen haben. Ich denke aber auch, dass acht Wochen Sommerpause nicht implizieren, dass man politisch überhaupt nicht mehr denken darf.

 

Herr Brauer sprach davon, dass Personalentscheidungen mit Profilentscheidungen gar nicht so viel zu tun hätten. Das hat mich überrascht, zumal Herr Flierl jetzt in seinen Ausführungen genau das Gegenteil dargestellt hat. Ich glaube auch, dass das eigentlich so nicht wirklich gemeint gewesen sein kann, weil Personalentscheidungen natürlich die Positionierung des Hauses beeinflussen – darüber sind wir uns wohl alle einig. Und dass ein Herr Castorf sein Haus prägt und nicht morgen einen „Musikantenstadl“ veranstalten würde, darüber sind wir uns, glaube ich, auch alle einig. Natürlich prägt der Intendant mit seiner Persönlichkeit auch sein Haus.

 

Noch einmal drei Kommentare zu dem, was Herr Flierl noch ausführte: Der Vorwurf darüber, dass über das Carrousel-Theater und dessen Positionierung hier im Parlament nicht diskutiert worden ist, geht an der Sache vorbei. Es wurde über keinen Haushaltstitel so ausführlich, in allen Fassetten diskutiert wie über das Carrousel-Theater. Zum Teil haben wir Nachts schon davon geträumt.

 

Es wurde auch immer wieder darauf hingewiesen, dass wir uns auch bei der Besetzung der Deutschen Oper sehr gewünscht hätten, entweder eine Positionierung zu finden, die man der Person zuordnen kann, oder eine Person, die man der Positionierung zuordnen kann. Auch dort ist es sehr schwierig, weil wir eben die Positionierung nicht so richtig kennen im Konzept der drei Opern.

 

Sie haben dann versucht zu erklären, warum Herr Hesse nicht mehr der Mann für die Zukunft ist. Das war wieder nicht ganz einfach zu verstehen. Da sollten nun Traditionen erneuert werden. Und es gibt es eine Verständigungskompetenz zwischen Ost und West aus den 90er Jahren. Da bin ich dann irgendwann einmal hängen geblieben und habe mich gefragt: Das ist ja alles sehr schön, aber suchen wir nicht vielleicht ein Theater, das auch nach dem Jahr 2000 Bestand hat? – Das heißt – langer Rede kurzer Sinn: Mir ist eigentlich immer noch nicht ganz klar geworden, warum die Positionierung des Maxim-Gorki-Theaters, die Sie anstreben – über die man nun denken mag, wie immer man will –, mit Herrn Hesse nicht gangbar ist. Ich verstehe nicht, warum der „Mehrwert“ ist, ein durchaus in allen Zahlen „sattelfestes“ Haus einem Zustand der Gefährdung auszusetzen, um damit eine neue Positionierung zu finden, die sich nicht so sehr oder nur zum Teil unterscheidet. Warum rütteln wir hier an einer Stelle, gefährden womöglich Erfolge, und schließen im Moment an anderer Stelle Vakanzen nicht?

 

Frau Vors. Ströver: Ich hätte eigentlich ganz gern gewusst – um auch die Sinnfrage dieses Ausschusses zu stellen, Herr Brauer, Frau Fugmann-Heesing –, welches Selbstverständnis eigentlich die Koalitionsfraktionen im Zusammenhang mit der Frage der konzeptionellen Positionierung von Häusern haben. Und ich hätte auch gern über das, was wir in Zeitung lesen konnten, hinaus gewusst, welche Position Sie zu den Personalentscheidungen Wilms und Hesse einnehmen. Ich finde es schade, wenn sich Parlamentspolitik einfach nur im Nachvollzug von Politik der Exekutive definiert und beschränkt. – [Zuruf] – Das ist so meine Wahrnehmung. – Diese Frage würde ich gern für meine Fraktion noch einmal hier an linke Seite richten. Aber Sie müssen das nicht beantworten. – Außer der von Herrn Hesse liegen jetzt keine Wortmeldungen mehr vor. – Herr Hesse, Sie haben das Wort – bitte schön!

 

Herr Hesse (Intendant des Maxim-Gorki-Theaters): Ich möchte eigentlich nur noch eine kurze Bemerkung zu Herrn Flierl machen. Herr Flierl, ich finde mein Theater in dem, was Sie eben gesagt haben, nicht wieder. Die Fragestellungen oder die Stichworte, die Sie eben aufgezählt haben, sind nicht meine. Wir sind weder ein Stadttheater im üblichen Sinne – dazu haben wir eine ganz andere Programmatik als ein übliches Theater, das das klassische Repertoire abspielt. Wir sind auch nicht so arm an überregionaler Ausstrahlung, wie Sie das im Moment schildern. Zum Beispiel das eben schon erwähnte „Bankenstück“ ist in allen Zeitungen, in allen Zeitschriften Deutschlands x-fach diskutiert worden. Ich erlebe es überall, dass man sagt: Ach ja, da war doch dieses „Bankenstück“. Wir haben es sehr wohl geschafft, dass weit über die lokale Szene hinaus über dieses Theater gesprochen wird. Ich verstehe auch nicht, warum Sie die Auseinandersetzung mit Osteuropa als immer wieder abbrechend bezeichnen. Wir haben gerade am Ende dieser Spielzeit eine Reihe von Tourneen durch Russland gemacht, nach Nowosibirsk und Omsk. Wir haben in Novi Sad in Serbien auf einem großen Festival unsere „Amerika“-Aufführung von Kafka gezeigt – alles mit großer Resonanz, mit großem Jubel, mit außerordentlich spannenden Auseinandersetzungen. Natürlich sind wir im Vergleich zur Schaubühne, im Vergleich auch zum Deutschen Theater viel kleiner in unseren Möglichkeiten und stehen nicht sofort auf dem Spielplan des Festivals von Avignon. Aber für dieses kleine Haus bewegen wir uns immer kräftiger, auch in die Gesamtöffentlichkeit. Es scheint mir eine pure Behauptung zu sein, wenn Sie sagen, dieses Haus ist halt nur ein Lokalphänomen.

 

Ich könnte eine ganze Reihe von anderen Punkten aufgreifen. Sie sprechen von der Verständigungskompetenz zwischen Ost und West. Wenn Sie wüssten, wie sehr uns dieses Thema immer wieder beschäftigt! Glauben Sie denn, dass ein Alexander Lang, der einer meiner zentralen Figuren im Team ist, dass der keine Ost-West-Kompetenz hat? Wissen Sie genügend von meiner eigenen Geschichte, wie sehr ich mich durch Familie, durch alle möglichen Arbeitsschritte auch immer wieder mit der Ost-West-Verständigungsfrage befasst habe? – Ich stelle in den paar kurzen Bemerkungen, die Sie jetzt eben wieder gemacht haben, fest, dass Sie meine Arbeit und das, was bei uns gelaufen ist, wirklich nicht genügend kennen. Das ist bedauerlich, aber wir werden sicher auch in diesem Ausschuss nicht grundlegend etwas daran ändern können.

 

Ich freue mich immerhin, dass Sie der Aufforderung des Gorki-Ensembles zu einer Auseinandersetzung zusagen. Vielleicht wird es in der Debatte ein wenig anschaubarer, wo unsere Differenzen liegen. – Vielen Dank!

 

Frau Vors. Ströver: Recht vielen Dank, Herr Hesse! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich kann diesen Tagesordnungspunkt gar nicht für erledigt erklären. Ich hoffe, ich spreche für alle, wenn ich sage, es war ausgesprochen wichtig, dass wir diesen Diskurs gepflegt haben. Man kann nicht zu jedem Thema so lange sprechen wie heute, das ist vielleicht auch unser Problem, weil es sehr viele „Baustellen“ gibt, die kulturpolitisch hier aufgemacht sind. Ich wünsche Ihnen, Herr Hesse, mit unserer Unterstützung für die letzten beiden Spielzeiten alles, alles Gute – trotz der Rahmenbedingungen; denn ich habe nicht gehört, dass der Senator oder vielleicht auch Sie Ihre Entscheidung revidieren. Vielen Dank für Ihr offenes Wort, dem Senator für seine Auskünfte und Ihnen allen eine verbleibende gute Sommerpause!

 

Frau Abg. Dr. Fugmann-Heesing (SPD): Jetzt bin ich ein bisschen irritiert. Wir haben doch einen Tagesordnungspunkt mit einer Anhörung, und eine Anhörung müssen wir auswerten. – [Zuruf: Das machen wir auch!] – Nein! – Ich habe eben hier in der Debatte, gerade auch vor dem Hintergrund der Beiträge, die von Ihnen und anderen in Bezug auf eine Gesamtkonzeption der Theaterlandschaft gekommen sind, gesagt, eine Beschränkung nur auf das Maxim-Gorki-Theater und auf das Deutsche Theater ist ja nur ein Teilausschnitt der Problematik, mit der wir uns beschäftigen wollen. Vor dem Hintergrund meine ich, dass Sie den Tagesordnungspunkt hier nicht für erledigt betrachten können, sondern – – – [Zuruf] – Dann habe ich das eben nicht mitbekommen. – Also, er ist nicht erledigt, sondern wir werden ihn wieder auf die Tagesordnung setzen und dann eben auch mit einer Betrachtung der Gesamttheater.

 

Frau Vors. Ströver: Natürlich, das machen wir, sonst macht es ja gar keinen Sinn. – Danke schön, ich wünsche Ihnen noch einen guten Tag!

 

Punkt 2 der Tagesordnung

Verschiedenes

 

 

Keine Wortmeldungen.

 

 

 

Ausschuss-Kennung : Kultgcxzqsq