Wortprotokoll

 

 

Ausschuss für

Kulturelle Angelegenheiten

 

 

 

 

 

11. Sitzung

23. September 2002

 

 

Beginn:

10.05 Uhr

 

Ende:

12.46 Uhr

 

Vorsitz:

Frau Abg. Ströver (Grüne)

 

 

Punkt 1 der Tagesordnung

 

 

Aktuelle Viertelstunde

 

 

Siehe Inhaltsprotokoll.

 

Punkt 2 der Tagesordnung

 

 

Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs

Staatsbibliothek - Binnenstrukturen der

Stabi an zwei Standorten

(auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)

0017

 

 

Vertagt.

 

Punkt 3 der Tagesordnung

 

 

Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs

Situation der Literatur in Berlin

(auf Antrag der Fraktion der CDU)

0049

 

 

Frau Vors. Ströver: Wir haben vereinbart, zu diesem Tagesordnungspunkt eine Anhörung durchzuführen. Wir haben eingeladen vom Literarischen Colloquium Berlin e. V. Herrn Dr. Janetzki, vom Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur LesArt Frau Mähne, vom Literaturforum im Brecht-Haus Frau Dr. Hörnigk, vom Literaturhaus Herrn Wiesner, von der Literaturwerkstatt Herrn Dr. Wohlfahrt und von der Neuen Gesellschaft für Literatur Herrn Kersting. Es freut uns, dass Sie alle da sind ­ herzlich willkommen! ­ Soll ein Wortprotokoll erstellt werden? ­ Das ist der Fall, dann verfahren wir so. ­ Dann hat die CDU-Fraktion das Wort zu einer kurzen Begründung des Besprechungspunkts ­ bitte, Frau Grütters!

 

Frau Abg. Grütters (CDU): Wir haben uns darauf verständigt, dass wir eine Sparte in der Gesamtschau hier zum Thema machen wollen, und die Literatur, das wissen Sie, ist uns immer ein Anliegen gewesen. Dieser Ausschuss hat das auch schon gelegentlich getan; es gibt aber einen aktuellen Bezug. Weshalb wir es für wichtig erachten, das auch einmal übergreifend von einer Institution auf die Gesamtsparte zu betrachten, ist der Umstand, dass Literatur rein finanziell sehr stiefmütterlich behandelt wird in der Kulturfinanzierung hier in Berlin, obwohl wir immerhin mit mehreren großen Literaturhäusern neben München zu den Literaturhauptstädten in Deutschland gehören. Ich lasse Frankfurt, weil es da ja eher die Verlagssituation, also auch den kommerziellen Betrieb stärker gibt, einmal draußen vor.

 

Wir haben in der aktuellen Debatte um die Haushaltsgespräche im Sommer wieder erneut den Blick auf diese Situation gewandt. Ich erinnere mich vor allen Dingen an die Besprechung im Kuratorium des Literarischen Colloquiums, in dem Ihre Staatssekretärin, Frau Tebbe, Einsparungen beim LCB damit begründet hat, man müsse über die Verwaltungskooperation, die das LCB dem Literaturhaus in der Fasanenstraße angedeihen lassen sollte, gleichzeitig auch noch die Zuschüsse absenken, und zwar möglichst gleich in beiden Häusern, damit die Probleme des einen Hauses in der Solidarität mit den anderen Häusern gemeinsam gelöst würden. Wir fanden das eine etwas bizarre Argumentation, glauben aber, dass uns das spätestens verpflichtet, hier in der Tat einmal den Blick auf alle Häuser zu richten ­ auch im Vergleich ­ und damit auch die Profilsituation zu besprechen. Insofern freue ich mich, dass es gelungen ist, alle Vertreter der Institutionen, die landesseitig gefördert werden, hier zu haben, und ich denke, dass wir in die Details gehen, wenn wir die Anhörung hinter uns haben.

 

Frau Vors. Ströver: Ja, recht schönen Dank! ­ Herzlich Willkommen noch einmal Ihnen allen, wir freuen uns, dass Sie da sind! Wir haben Sie gebeten, eine kurze Stellungnahme zur finanziellen Situation und zu Ihren inhaltlichen Schwerpunkten vorzubereiten. Viele von Ihnen haben uns bereits schriftliche Vorlagen gegeben, und ich hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen diese bereits zur Kenntnis genommen haben. Dennoch sollten Sie kurz Ihre spezifische Situation hier  noch einmal darstellen, damit wir, wie Frau Grütters es sagt, auch in Abgrenzung der Einrichtungen voneinander diskutieren können. ­ Wir beginnen mit Herrn Dr. Janetzki ­ bitte schön!

 

Dr. Janetzki (Literarisches Colloquium Berlin e. V.): Ich zitiere aus der Publikation "Berlin Touristik 1993":

 

Es gibt ermutigende Zeichen für eine beiderseitige Annäherung und auch für ein Zusammenwirken. Das Westberliner Literaturpublikum nimmt langsam die Angebote des Literaturforums im Brecht-Haus und der Literaturwerkstatt Berlin ebenso an wie das Ostberliner Literaturpublikum das Angebot des Literaturhauses Berlin und des LCB.

 

Dieses ist längst kalter Kaffee! ­ Berlin ist lebendig. Die Literatur ist in Berlin längst angekommen. Ich korrigiere, Frau Grütters: Wir sind nicht neben München und nicht neben Frankfurt, wir sind eigentlich   d i e   Metropole, was die Literatur angeht. In dieser Stadt leben so viele Autoren wie in keiner anderen Stadt der Bundesrepublik, und das meint nicht nur Belletristik, das meint Drehbuch, Hörspiel, das meint Kinderbuch, Sachbuch, das meint Übersetzer, also den gesamten Bereich, nicht nur zwischen Buchdeckel geklappt. Peter von Matt hat anläßlich der Schweizer Literaturnacht gesagt, er komme gern nach Berlin, treffe er hier in Berlin doch eher die Schweizer Literaten als in der Schweiz.

 

Es sind die Werkstätten, es sind die Veranstaltungsorte, die Treffpunkte, es ist das Gästehaus, es sind Beratungsorte, Preise, Stipendien. Die literarische Infrastruktur ist vorhanden. Meine Damen und Herren, Sie können eigentlich stolz auf sich sein. Das, was wir alle gemeinsam, die literarischen Institutionen und Sie, geleistet haben, ist so gut, dass die Anziehungskraft Berlins weiter anhält. Berlin ist, das kann man mit Fug und Recht sagen, ein Muss für Autoren, und für alle anderen Städte ist es mittlerweile ein Maß.

 

Nehmen Sie die Bücher, die diskutiert werden ­ sie spielen in Berlin! Und das heißt, die Literatur, die Literaten tragen das Bild von Berlin auch in die Republik und sogar in die Welt. Berlin ist jung, Berlin ist lebendig. Und wenn Kreuzberg ­ ­ Oder anders herum: Prenzlauer Berg, was hat ihn gemacht? Was hat den Ruf des Prenzlauer Bergs begründet, wenn nicht die Literaten? Und wenn morgen die Busse durch Friedrichshain-Kreuzberg fahren, dann vielleicht auch, um Herrn Ströbele zu sehen, aber zuallererst werden es die Literaten gewesen sein, die dieses ­ so begründbar ­ wie auch immer geschaffen haben. Die Lebendigkeit dieser Stadt verdankt sich den gewachsenen Strukturen; wir, die literarischen Häuser, haben sie im Miteinander ­ nie im Gegeneinander ­ geschaffen.

 

Sie haben mitgeholfen, dass die Aufgabe, Berlin auch literarisch zur Metropole werden zu lassen, finanziert wurde. Sie haben mit dazu beigetragen, dass ­ und das ist ein Zitat ­ "Berlin zur Drehscheibe für die literarische deutschsprachige Welt" geworden ist. Die deutschsprachigen Autoren, die momentan die Diskussion bestimmen ­ Georg Klein, Norbert Zähringer, Sherko Fatah, Judith Hermann ­, haben entweder beim Open Mike gewonnen oder waren Teilnehmer der Autorenwerkstatt Prosa oder hatten ein Aufenthaltsstipendium im LCB. Im dritten Jahr hintereinander übrigens hat den begehrten "aspekte"-Literaturpreis, den Debütpreis, eine Autorin gewonnen: Zsusza Bánk. Auch sie war Autorin der Berliner Autorenwerkstatt. Fast kann man sagen: Alle sind hier entdeckt oder hier gefördert worden. Das ist mit Fug und Recht eine Liste, die uns alle stolz machen kann. Und glauben Sie mir, ich könnte diese Liste noch lange fortsetzen. Über die Bachmann-Preisträger in Klagenfurt wäre das überdies auch ganz leicht.

 

Nicht zuletzt findet der literarische Austausch zwischen Deutschland und den Staaten Mittel- und Osteuropas ­ politisch und kulturell wichtig und wegweisend für Europa, das wissen wir ­ hier statt, und das bündelt sich in Berlin. Stichwort: Gästehaus Literatur, Beispiel: Dem Schriftsteller Vladimir Sorokin wird gerade in Moskau der Prozess gemacht. Die kremeltreue Jugendbewegung "Gemeinsamer Weg" macht gegen ihn mobil. Sorokin wollte dringend aus Moskau heraus, hat um einen Aufenthalt im LCB nachgefragt, und er wohnt natürlich im Winter in Berlin. Richard Ford und Michel Houellebecq haben angefragt, ob sie für zwei, drei Monate in dieser Stadt schreiben können. Auch das ist ­ noch, Klammer zu ­ möglich. Sie sind am Wannsee natürlich herzlich willkommen.

 



So etwas gibt es eigentlich nur in Berlin. Es ist ein Beziehungsgeflecht, ein Austausch auf Personen, nicht auf Verwaltungsebene. Die persönlichen Beziehungen, die in unserem Hause Walter Höllerer vor 40 Jahren knüpfte ­ bei der Gründung des Literarischen Colloquiums ­, wirken doch über Rühmkorf und Grass auch heute noch weiter fort. Ein internationales Beziehungsgeflecht von Autoren kommt ganz Berlin zu Gute. Literatur ist zudem in ihrer Vermarktung in der Öffentlichkeit ein Multiplikator, ein Marketingfaktor, ein Marketingartikel für Berlin, und ich denke, kein schlechter.

 

Das Schaufester Berlin ­ das nur in Kürze habe ich Ihnen oder uns wieder in Erinnerung gerufen ­ trägt dazu bei, dieses Bild von Berlin als lebendige Stadt ­ wie mein Kollege Becker immer sagt ­ zu kommunizieren. Dies alles ist doch recht billig zu haben. Da hat Frau Grütters Recht. Mit einem Bruchteil des Kulturetats ist der Gewichtigkeit der Literatur in dieser Stadt eigentlich recht kurios entsprochen. Jede weitere Kürzung würde das literarische Leben, die literarische Geselligkeit in Berlin in der Tat ärmer machen. Berlin wäre dann nur noch eine grellfarbene Bonboniere. Ich denke, das wollen wir alle nicht. Wenn München, Frankfurt, Hamburg oder Köln sich anschicken, literarische Metropole zu werden, ist es eine Frage der Zeit, bis Hamburg oder eine andere Stadt Filmstadt usw. wird. Das ist in der Tat nicht das, was wir anstreben.

 

Folglich darf es eigentlich keine Kürzungen geben. Oder anders: Es muss auch investiert werden, denn alle Erstausstattungen haben sich abgenutzt. Wir müssen auf ein verändertes Leseverhalten reagieren. Stichwort: Neue Medien. Es müssen Gerätschaften vorhanden sein. Ob es Internetzugang oder Literatur ist, die sich auch über das Internet an das Publikum wendet, wir müssen dieses alles sicherlich zukunftsorientiert bedenken. Wir müssen investieren. Autoren, die nach Berlin kommen ­ wir haben nur noch ein einziges Gästehaus ­, müssen auch so wohnen können, dass sie sich wohl fühlen. Auch da muss investiert werden. Wenn bei der Plafondierung seit 1996 die Mittel gleich bleiben, heißt das: Mobile Mittel nehmen, um Mobiliar zu zahlen. Das kann nicht Sinn und Zweck sein.

 

Meine Bitte an Sie - ich bin auch sofort fertig: Bitte schaffen Sie Strukturen, mit denen wir leben können! ­ Oder anders: Meine Bitte an die Verwaltung, meine Bitte an den Senator: Nehmen Sie uns die Fessel der Kameralistik! Machen Sie es möglich, dass ich z. B. mit angespartem Geld jetzt ­ vor der nächsten Ölkrise ­ Öl kaufen kann! Und machen Sie es möglich, dass man überhaupt einsparen kann, damit ich Dinge, von denen ich weiß, dass sie im nächsten Jahr sehr kostenintensiv sind, jetzt im Vorgriff oder aus Angespartem finanzieren kann! Ich denke, das wäre auch eine Entlastung für die Verwaltung. Meine Bitte an Sie: Investieren Sie in die Lebendigkeit, und das heißt: Investieren Sie in die Literatur! ­ Danke schön!

 

Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Herr Dr. Janetzki, dass Sie uns diesen Überblick gegeben haben. Wir kommen jetzt zu einem anderen Zweig der Literaturförderung, der Kinder- und Jugendliteratur. ­ Frau Mähne vom Literaturzentrum LesArt, bitte schön!

 

Frau Mähne (Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur ­ LesArt): Vielen Dank für die Gelegenheit! - Wenn Ulli Janetzki und Frau Grütters von Metropole sprechen, dann gehört sicher dazu, dass Berlin die einzige Stadt in Deutschland ist ­ und ich kann dazu sagen: europaweit ­, die sich ein Literaturhaus, das speziell für Kinder und Jugendliche Programme entwickelt, leistet. Das hört sich gut an und ist auch gut. Es ist auch mit einer Wirkung versehen, die europaweit ausstrahlt. Wir haben nie so viele Anfragen nach Autorenlesungen international gehabt, wie im vergangenen Jahr. Wir können aber diesen Bitten nicht nachkommen, weil wir es schlichtweg nicht finanzieren können. Ich habe Ihnen allen die Konzeption und ein Beispiel für ein Monatsprogramm Oktober/November diesen Jahres zukommen lassen. Ich will mich deshalb wirklich nicht darauf zurückziehen, die Konzeption noch einmal zu erläutern, und möchte heute gerne auf drei Schwerpunkte eingehen, die vor allem das betreffen, wozu Sie uns eingeladen haben.

 

Das Eine ist das Netzwerk oder die Zusammenarbeit unter den fünf literarischen Einrichtungen. Es mag Ihnen nicht so augenfällig scheinen, wie es tatsächlich ist. Es ist so, dass wir ganz selbstverständlich am Literaturexpress mitgearbeitet haben, dass wir beim Berliner Bücherfest dabei sind, dass wir im Literarischen Colloquium zur Adventszeit Veranstaltungen gemacht haben, dass wir planen, mit dem Literaturhaus Berlin eine literarische Familienmatinee ab Dezember zu starten, und dass es selbstverständlich literarische Spaziergänge zu Bertold Brecht gibt, die uns dann auch in die Chausseestraße führen. Das macht deutlich, dass auf der einen Seite ­ und ich glaube, auch nur deshalb, weil es dieses Zentrum gibt ­ solche Möglichkeiten in Berlin da sind. Dieses Netzwerk ist stabil, weil die Leute, die hier am Tisch sitzen, es wollen und es sich auch noch finanziell leisten können.

 

Ein zweites Netzwerk, das für den Bereich der Kinder- und Jugendliteratur sehr wesentlich ist, ist gerade am Wackeln: Das betrifft die Berliner Kinder- und Jugendbibliotheken. Als wir vor neun Jahren angefangen haben miteinander zu arbeiten, gab es Schwerpunkte innerhalb eines Jahres, beginnend mit dem internationalen Kinderbuchtag, der immer am 2. April begangen wird. Das ist der Geburtstag von Hans-Christian Andersen und ist einmal von einer internationalen UNESCO­Organisation so festgelegt worden. In den ersten Jahren haben wir französische, israelische, belgische und niederländische Autoren und Illustratoren nach Berlin geholt und gemeinsam mit ihnen und den Berliner Bibliotheken Veranstaltungen und Ausstellungen in Berlin durchführen können.

 

Seit dem vergangenen Jahr kann das so aus sehr unterschiedlichen Gründen nicht mehr stattfinden. Die finanzielle Last dieses internationalen Kinderbuchtages ist zum Teil aus unserem Haushalt gekommen, zum Teil auch aus den Bezirken und eventuell in manchen Jahren auch aus Projektmitteln und natürlich von dritten Partnern. Die Bibliotheken sind inzwischen in einer personellen und finanziellen Situation, dass sie eigentlich keine Partner mehr sein können. Selbst wenn uns diese Klientel der Bibliothekarinnnen sehr am Herzen liegt und wir dieses Netzwerk nicht aufgeben werden, heißt es aber, dass die finanziellen Ausgaben von unserem Haus allein zu leisten sind, und das werden wir nicht schaffen.

 

Sie haben vielleicht in den Sommerferien wahrgenommen, dass wir eine Aktion mit den Berliner Bibliotheken durchgeführt haben, für die es keinerlei Extragelder gab. Wieder "Lesen im Park" zum siebenten Mal. Wir haben über 3 000 Kinder in einer Ferienwoche an den unterschiedlichsten Plätzen, an denen sie sich in den Sommerferien aufhalten, erreicht. Darunter sind viele, die eigentlich eine Schwellenangst haben, die nicht in die Bibliotheken gehen und die nicht unbedingt einen Kontakt zu Büchern haben. Wenn wir es nicht schaffen, entweder über Projektmittel oder eine Stärkung unseres Haushaltes, mehr Gelder in diesen Bereich zu stecken, müssen wir auch diese Aktion verkleinern oder aufgeben. ­ Darauf will ich an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich aufmerksam machen.

 

Das Dritte, das uns sehr am Herzen liegt, sind die Berliner Schulen. Kinder- und Jugendliche sind in bestimmten Strukturen zu Hause, und unser Programm richtet sich im Vormittagsbereich logischerweise an Schulen. Wir haben inzwischen Signale aus verschiedenen Bezirken, dass Lehrerinnen nicht kommen können, weil das Fahrgeld für die Kinder fehlt. Sie wissen, dass die Veranstaltungen bei uns im Hause kostenlos sind. Da wir aber aus ganz Berlin ­ nachweislich aus allen Bezirken ­ Gäste bei uns im Haus haben, ist es ein wesentlicher Aspekt. Wir werden jetzt mit der BVG über ein Sonderticket verhandeln. Aber irgendwie verschieben sich die Kräfte in die Richtung, zu organisieren, dass Kinder und Jugendliche überhaupt noch in der Lage sind, Programme und Veranstaltungen wahrzunehmen. Ich will Ihr Augenmerk deshalb darauf richten, weil ich denke, dass vor dem Hintergrund von PISA Lesekompetenz, Lesefähigkeit und Lesestrategien stärker entwickelt werden müssen. Es kann nicht nur dabei bleiben, dass wir alle die Ergebnisse als sehr dramatisch beschreiben, aber wenn man genau hinguckt, sind die Programme eigentlich dafür nicht da, etwas dagegen zu tun. ­ Das ist das, was ich Ihnen heute gerne sagen wollte!

 

Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Frau Mähne! Ich denke, das war sehr eindringlich, gerade was die Nachwuchsarbeit und Heranführung an Literatur anbetrifft, und wir kommen jetzt gleich zum Literaturforum im Brecht-Haus. ­ Frau Dr. Hörnigk, bitte schön!

 

Frau Dr. Hörnigk (Literaturforum im Brecht-Haus): Auch ich bedanke mich sehr herzlich für die Möglichkeit, hier sprechen zu können. Es ist ja nicht so oft. Obwohl wir ein sehr gutes Verhältnis zu den Mitarbeitern der Senatskulturverwaltung haben, ist es auch eine große Chance, einmal vor einem größeren Kreis Probleme darstellen zu können. ­ Zunächst aber liegt mir daran ­ nachdem schon Ulli Janetzki und Sabine Mähne einen allgemeinen Rahmen abgesteckt haben hinsichtlich der Wichtigkeit der literarischen Kultur in dieser Stadt ­, zu sagen und zu betonen, dass ich es für einen außerordentlichen Vorzug halte und auch in gewisser Weise ein Privileg, dass in dieser Stadt fünf dieser Kulturliteraturhäuser vom Senat mit öffentlichen Geldern gefördert werden, die nicht ausreichen, die aber als Basis dienen, dass wir durch weitere Einwerbungen von Mitteln in dieser Stadt Tag für Tag ein Programm bieten, das eben wirklich Kontinuität garantiert, das über diese literarischen Großereignisse, wie wir sie immer wieder haben, das Leben dieser Stadt prägt. Das halte ich für einen ganz wichtigen Punkt, und will wirklich den Senat an dieser Stelle nur ermuntern, dieses Privileg, das wir genießen, aufrecht zu erhalten, verbunden mit der Aufgabe, dass wir uns selber natürlich um weitere Mittel kümmern, was wir alle tun, was aber in gewisser Weise immer schwieriger wird ­ das wissen Sie ja auch.

 

Ich denke, es lohnt sich eben, und dieses Problem der literarischen oder kulturellen Präsenz in dieser Stadt ­ ­ Im Falle des Literaturforums haben wir uns entschlossen, diese Basis der literarischen Vermittlung sehr zu erweitern. Wir haben gemäß dem Standpunkt des Hauses den Schwerpunkt auf die Kommunikation mit und über Theater verlagert, neben Lesungen und anderem. Wir haben aber auch ein ganz wichtiges Anliegen darin gesehen, in der Mitte dieser Stadt einen Ort herzustellen ­ und ich glaube, das ist uns gelungen ­, an dem Kommunikation über Literatur oder vermittels Literatur mit wesentlichen Fragen von Geschichte, von Soziologie, von Psychologie, von gesellschaftlichem Diskurs stattfindet. Das ist eine Praxis, die zwischen Ost und West, Süd und Nord glücklicherweise passiert. Es ist nicht mehr so einfach, dass eben das Literaturforum festgenagelt werden kann auf die östliche Klientel, obwohl ich sagen muss: Es ist kein Zufall. Das ist schon ein Programm, dass wir uns sehr intensiv um Autoren, die aus dem Osten kommen, und uns sehr intensiv um die Debatte, um die Diskurse, um gesellschaftliche Probleme vermittels Literatur ­ aber nicht nur ­ kümmern.

 

Es ist ein ganz wesentlicher Punkt, dass wir uns sehr um Kooperationspartner bemühen. Ohne die könnten wir das alles nicht tun. Das sind einmal die großen Universitäten. Also, das Zentrum für Antisemitismusforschung ist z. B. in so einem Programm seit vielen Jahren präsent. Wir versuchen, über Literatur und Kunst neue Wissenschaftsdiskurse zu vermitteln, und sind da sowohl mit der FU als auch mit der Humboldt-Universität und dem Wissenschaftszentrum sehr eng verbunden. Wir publizieren die Ergebnisse von solchen großen Veranstaltungen zum Glück mit "?Theater der Zeit?" und wirken so wieder mit Publikationen in die gesellschaftliche Debatte hinein. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt, den wir dort stellen.

 

Ein wichtiges Anliegen ist uns auch die Arbeit mit jungen Autoren. Wir haben seit Jahren eine Veranstaltungsreihe. Unter dem Titel ?"Vorstellungen"? präsentieren sich junge Autoren, die Stipendien vom Berliner Senat bekommen haben. Das ist eine Veranstaltung, die einen enormen Zuspruch des Publikums hat. Viele Leute kommen und wollen sich informieren: Wie macht man das? Wie kommt man in so eine Lage, ein Stipendium zu bekommen? ­ Das hat natürlich auch wieder Rückwirkungen auf die Besucher des Hauses, die dort das Programm wahrnehmen.

 

Wir beteiligen uns auch an zentralen Projekten und an gemeinsamen Veranstaltungen der Berliner Literaturhäuser. Das letztes Jahr durchgeführte ?"Ortsversetzt-Projekt"? hat uns allen sowohl großen Spaß gemacht und war ein großer Erfolg insgesamt mit der sehr unterschiedlichen Ausrichtung der einzelnen Häuser. Eine wichtige Arbeit leisten wir auch zusammen mit dem PEN - Woiters-in-Exile. Ich will jetzt hier nicht alles aufführen. Ich habe das ja mit eingereicht.

 

Ein riesiges Problem für uns ist es ­ ich will nicht in die Klage über die allgemeine Knappheit der Mittel einstimmen, natürlich könnte es immer mehr sein, dass es wahnsinnig schwierig ist, von den Arbeitsämtern Stellen für zeitweise Beschäftigte zu bekommen und ich weiß nicht, inwieweit oder wo man dort Hilfe bekommen könnte. Wir hatten jetzt ein Jahr lang eine solche Kollegin dort, das war natürlich wunderbar für uns, die wir nur mit vier Mitarbeitern arbeiten. Wir sind wirklich alle am Rande der Belastbarkeit. Aber das ist in Ordnung. Ich sehe das nicht als einen Punkt der Klage. Aber wir müssen uns z. B. mit Studenten behelfen, die den Abenddienst machen, die die Technik erledigen. Und wenn wir zusätzliche Mittel einfordern, wenn wir Werbekampagnen machen müssen, haben wir einfach kaum noch jemanden frei. Und da wäre es wunderbar, wenn man Unterstützung bekäme; denn Praktikanten und Praktikantinnen sind nicht immer ein verlässliches Pfund, mit dem man wuchern kann. Es ist eben sehr schwierig. Warum bekommt man keine ABM-Möglichkeit? ­ Vielleicht ist die Frage naiv, ich weiß es nicht. Warum gibt es für den kulturellen Bereich so wenig Möglichkeiten, Unterstützung zu bekommen?

 

Das wäre für uns, die wir die Besucherzahlen seit 1998 verdoppelt haben und einen nicht unbeträchtlichen Teil an Mitteln auch über Eintrittsgelder wieder einnehmen, ein Punkt, der für mich anfangs einfach nicht denkbar war, weil ich immer dachte, Kultur müsse für alle zugänglich sein und dürfe nur ganz wenig kosten. Es hat sich erwiesen, dass die Leute, wenn es ein gutes Programm gibt, durchaus bereit sind, auch etwas zu bezahlen. Damit können wir wieder wirtschaften, das ist eine gute Sache. Also meine Frage: Inwieweit können wir Unterstützung bekommen, um wenigstens ab und an personelle Verstärkung zu haben? ­ Vielen Dank!

 

Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Frau Dr. Hörnigk! Ich denke, dass ist eine Frage, die wir hier aber nicht nur hier in diesem Kreise diskutieren sollten. ­ Kommen wir zum Literaturhaus Berlin e. V. Herr Wiesner, Sie haben das Wort!

 

Dr. Wiesner (Literaturhaus Berlin e. V.): Danke, Frau Vorsitzende! Herr Senator! Meine Damen und Herren! ­ Es ist schön, dass wir hier sprechen dürfen. Die aufregenden allgemeinen Dinge zur Lage der Literatur hat mein Kollege Ulli Janetzki ja benannt. Ich beschränke mich also auf das Literaturhaus Berlin im Einzelnen.

 

Wir präsentieren ein deutsches und internationales Programm aus Lesungen, Vorträgen, Diskussionen und theatralischen Darbietungen. Was uns dabei ganz besonders wichtig ist, ist, dass wir nicht nur reproduzieren wollen, also aus vorhandenen Büchern vorlesen lassen wollen, sondern dass wir zur Produktion anregen. Ganz viele unserer Veranstaltungen präsentieren Texte oder Vorträge, die es ohne diese Veranstaltungen nicht gäbe. Uns interessiert die kontinuierliche und auch sprunghafte, aus Abbrüchen und Neuanfängen entstehende Entwicklung von Literatur immer auch im Zusammenhang mit Zeitgeschichte, mit politischer Geschichte, die dann natürlich die politische Geschichte des 20. Jahrhunderts ist. Deshalb auch immer wieder die Rückblicke auf das, was man das Projekt der Moderne nennen kann, immer wieder die Anbindung auch an jüngere Literaturgeschichte, damit wir Maßstäbe gewinnen für die neueste Literatur und auch neue Maßstäbe für die Beurteilung älterer Literatur. So strukturieren wir unser Programm.

 

Wesentlich ist es uns, Ausstellungen machen zu können. Das ist natürlich etwas, was man nur mit Drittmitteln machen kann. Wir übernehmen Ausstellungen, auch das ist teuer. Wir produzieren auch Ausstellungen, und wir bringen sie auch in andere deutsche Städte oder ins Ausland ­ z. B. nach Wien, nach Prag, nach Bukarest. Das ist eine sehr erfolgreiche Tätigkeit, darauf beruht auch unsere Buchreihe mit den Katalogen. Die meisten von Ihnen werden diese Kataloge oder Ausstellungsbücher, die auch reich bebildert sind, wahrscheinlich kennen. Das ist der Typus von Forschungsausstellungen, die es in dieser Größenordnung ­ damit will ich sagen: relativ klein, überschaubar bis mittlere Ausstellung ­ sonst in Berlin nicht gäbe. Das ist etwas, was nur bei uns machbar ist, weil es auch der Lage des Hauses entspricht.

 

Die Lage in der Fasanenstraße ist eine, die an das Ensemble gebunden ist, die auch etwas mit dem Käthe-Kollwitz-Museum zu tun hat ­ mit der Villa Griesebach ­ und die im engeren Sinne natürlich ein Ensemble bildet aus Literaturhaus, Buchhandlung und Café im Garten, was ja ­ wie Sie wahrscheinlich auch alle wissen ­ ein zauberhafter Ort ist. Wenn man da eines Tages einmal wieder die Tür schließen sollte, wäre das einen Aufstand wert. Deswegen habe ich eine Anregung: Es wird uns immer wieder gesagt, das Literaturhaus sei nicht so sehr durch die Kürzungen, die in der Luft liegen und die in Berlin auch immer wieder nötig sind, sondern dadurch gefährdet, dass es verkauft werden könnte, dass es ­ wie auch das LCB ­ auf einer Verkaufsliste steht. Meine dringende Bitte in dieser Hinsicht ist, doch einmal zu überlegen, ob man mit dem Überlassungsvertrag, den das Literaturhaus hat, nicht auch eine Zweckbestimmung erreichen kann. Wenn man in den Überlassungsvertrag schreiben könnte: "?Dieses Haus dient der Literatur"?, dann ist das nämlich so gut wie unverkäuflich, oder es könnte egal sein, an wen es verkauft wird, weil es dann ja weiter seinen Zwecken diente.

 

Ich komme noch einmal zu der Ausstellungstätigkeit zurück. Es wir darüber geklagt, dass Literaturausstellungen etwas Langweiliges haben könnten. Wir sind daran, Literaturausstellungen multimedial zu zeigen. Dazu muss man Gelegenheit haben, immer wieder Ausstellungen zu machen. Das kann man nicht nur punktuell einmal machen, sondern man muss Erfahrungen sammeln. Erfahrungen, die wir dann auch an unseren größten Partner weitergeben: das Schiller-Nationalmuseum bzw. das Deutsche Literaturarchiv, wo bisher multimediale Ausstellungen, die auch die Hörwerke und Filmwerke der Zeit zeigen, noch nicht üblich waren. Wir haben das dort hingetragen.

 

Zwischen Kudamm und Fasanenplatz stehen zurzeit zehn Ladengeschäfte leer. Das heißt, diese Luxusmeile, in der wir noch vor ein paar Jahren als eine kleine Keimzelle saßen, die Literatur verbreiten will, schwindet dahin. Und unsere Position in dem eben beschriebenen Ensemble ist ganz wichtig. Die muss sich erhalten. Es darf nicht noch eine neue kulturelle Ausdünnung in dieser Region passieren. Es leben zwischen Savignyplatz und Güntzelstraße ganz viele Intellektuelle, Schriftsteller und Künstler. Das ist unsere unmittelbare Klientel. Die brauchen uns, wie hoffentlich auch die ganze Stadt uns brauchen kann. Das ist mit ein guter Grund, zu verhindern, dass eine solche Immobilie einmal ihre Zweckbestimmung verlieren könnte.

 

Nun zu den Zahlen: Ich will einmal ganz konkret werden. In 2001 hatten wir eine Zuwendung in Höhe von 767 000 DM. Das entspricht in 2002 392 200 Euro?. Das ist im Laufe der Jahre ­ seit ´86, als wir eröffnet wurden ­ immer weniger geworden. Programmmittel betragen von dieser Summe nur noch 157 000. Das ist ein Grund des Vorwurfs, den wir hinnehmen mussten, auch von der Senatsverwaltung. Die Relationen zwischen allgemeinen Kosten, zwischen Personalkosten und Programmmitteln stimmen nicht mehr. Wir versuchen das natürlich zu korrigieren, wie alle Kollegen auch. Wir hatten in 2001 trotz unserer geringen Ansätze immerhin einen Gesamtprogrammumsatz  ­ also Geld, das nur für das Programm diente ­ in Höhe von 1 216 000 DM. Das heißt, wenn wir in der Lage sind, Ausstellungen zu machen, und diese Drittmittel bekommen, wenn wir mit unseren Büchern und den Eintritten Einnahmen machen können, dann können wir diesen Schaden, diese Disproportion zwischen Geld für Personal und Geld für unmittelbare Kultur, für Literatur, für Programm ausgleichen.

 

Nun ist uns aber für 2003, wie auch dem LCB, eine Kürzung in Höhe von 25 000 ? Euro angekündigt worden. Das dient natürlich nicht dem Ausgleich der Disproportion, sondern eher im Gegenteil. Aber wir werden auch dieses ausgleichen können. Wir können das intern ­ und jetzt muss ich persönlich werden ­ dadurch, dass ich, wenn meine Nachfolge, die im nächsten Jahr ansteht, geregelt wird, wenn sie gut geregelt wird, dann sechs Monate vor Ende meines Vertrages aufhöre, und mit diesen sechs Bruttogehältern kann zunächst einmal in 2003 die anstehende Kürzung leicht verkraftet werden.

 

Die Gespräche, zu denen wir aufgefordert sind, über eine Verwaltungskooperation mit dem Literarischen Colloquium werden wir führen. Wir ­ Ulli Janetzki und ich ­ haben auch ein erstes Gespräch darüber geführt, aber wir glauben nur nicht, dass wir durch eine Verwaltungskooperation wirklich insgesamt zusammen dann 50 000 ?Euro einsparen können. Wir müssen uns wirklich anders orientieren. Wir müssen zusätzliche Mittel gewinnen. Das macht das Literaturhaus z. B. dadurch, dass es sich mit den deutschen Literaturhäusern und denen in Basel und Salzburg zu einer Literaturhäuser-Net zusammengeschlossen hat. Und wir werden gemeinsame überregionale Veranstaltungen planen, und wir werden versuchen, damit auch an Bundesmittel heranzukommen.

 

Ich kann zum Abschluss nur sagen: Ich hoffe, dass dieses Haus der Stadt erhalten bleibt, dass dieses Haus seiner unmittelbaren Umgebung, diesem zauberhaften Ensemble erhalten bleibt und dass meine Nachfolge, die ­ wie gesagt ­ im nächsten Jahr ansteht, zur Zufriedenheit geregelt wird. Es sollte jedenfalls à la longue, auch wenn wir jetzt eine Übergangslösung mit einer kommissarischen Leitung finden, wieder eine Ausschreibung stattfinden, und es sollte eine kompetente Person dort das Programm erneuern und fortführen. Beides muss ja immer ineinander greifen. ­ Ich danke Ihnen!

 

Frau Vors. Ströver: Schönen Dank, Herr Wiesner! ­ Wir hoffen das auch, dass es um die Erhaltung des Literaturhauses geht und natürlich wie bei allen anderen Institution auch. Wir kommen gleich zu unserer nächsten institutionell geförderten Einrichtung, nämlich der Literaturwerkstatt Berlin. Herr Dr. Wohlfahrt ist hier und wird uns auch sehr konkret über die Örtlichkeitsfrage und die inhaltliche Perspektive für die Literaturwerkstatt Auskunft geben. ­ Bitte schön, Herr Dr. Wohlfahrt!

 

Dr. Wohlfart (LiteraturWERKstatt Berlin): Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! - Ulli Janetzki und auch Sabine Mähne haben eigentlich im Großen und Ganzen die Rahmenkonditionen für Literatur in dieser Stadt und das, was sie der Stadt bedeuten sollte und bisher auch bei allen abgesenkten Mittel bedeutet hat, erklärt, so dass ich das nicht wiederholen muss. Ich will nur sagen: Ich würde mich da voll anschließen. Man könnte sicherlich noch, wie das allgemein getan wird, mit den Argumenten der verkauften Betten, den Übernachtungen, die darüber in die Stadt kommen, und damit den Steuereinnahmen usw. argumentieren. Ich will das nicht tun, zumal ich das für den Bereich der Kollegen auch gar nicht sagen könnte.

 

 


Ich bleibe bei meiner Einrichtung. Ich hatte Ihnen das Profil oder einige Notizen dazu zukommen lassen und würde noch einmal auf ein paar Punkte und dann natürlich auf Probleme ­ vielleicht sind auch ein paar Vorschläge dabei ­ eingehen wollen.

 

 


 



Die "literaturWERKstatt berlin" gibt es seit nunmehr 11 Jahren. Zu unserem Angebot gehören etwa 100 öffentliche Veranstaltungen pro Jahr und etwa 60 nichtöffentliche Veranstaltungen. Das sind dann Arbeitszusammenkünfte aller möglichen literarischen Gruppierungen, Übersetzergruppen und dergleichen. Neben Einzelveranstaltungen geht es bei uns hauptsächlich um ästhetische und thematische Debatten ­ soweit sich das für Literatur vom Thema her machen lässt. Zu unserem Markenzeichen gehören die  Wochen zur nichtdeutschen Literatur bzw. zu Genre- und Gattungsfragen. Diese machen immerhin ca. 55 % unseres Programms aus. Dabei ist ein starker internationaler Anteil zu verzeichnen; ein Schwerpunkt ist Europa. Aber das ist, bitte, nicht als ein Synergiemoment zu verstehen, so dass man womöglich mit der Schere herangehen könnte. Osteuropa ist ein großes Thema. Aber für den Bereich der Literatur gilt tatsächlich, dass der Autor nur hier oder dort sein kann. Drei "Zauberflöten" zur gleichen Zeit in einer Stadt sind da wirklich nicht möglich. Also, uns interessieren Europa, Osteuropa, aber auch Asien und zunehmend die arabische Welt.

 

Kolloquien zu allgemeinen und wichtigen Fragen der Gesellschaftsentwicklungen gehören ebenfalls zu unserem Profil. Dabei geht es vor allem darum,  dass man ­ von einem Thema ausgehend ­ alle möglichen gesellschaftsrelevanten Diskurskreise versammelt, so dass die verschiedenen Gesichtspunkte auf ein Thema ­ sei es Arbeit, Kunst oder irgendetwas ­ zur Darstellung kommen. Da sollen dann schon Synapsensprünge geschehen sein, weil man plötzlich entdeckt, dass dort wohl eine Brücke im Verstehen des anderen fehlt.

 

Zunehmend beschäftigt uns das, was in den Förderstrukturen ­ sei es in Berlin, aber auch im Bund ­ nicht vorkommt oder völlig unterrepräsentiert ist, nämlich die medien- und künsteübergreifenden Projekte bzw. die Beziehungen aus diesen Medienzusammenhängen hin zum poetischen Text. Ulli Janetzki sagte schon ­ ich kann das nur noch einmal deutlich unterstreichen ­, dass das Buch nach wie vor sicherlich das wichtige Medium oder Format der Literatur ist. Aber längst und zunehmend gibt es dort nicht nur einen Prozess der Ausdifferenzierung, sondern für bestimmte Bereiche der Literatur ist das Buch entweder nicht mehr das Format ­ ich denke an die Lyrik; immer weniger wird verkauft, und somit wird immer weniger produziert, was eine Negativspirale ist ­, oder aber es entwickeln sich Dinge unter ästhetischen Ansprüchen in den Formaten der neuen Medien, und die Produkte sind da. Deutschland hinkt hier international unglaublich hinterher. Längst ist es so, dass Softwarekünstler das Land verlassen und in die USA, nach Australien und Japan gehen oder auch in Südafrika arbeiten, weil die Dinge dort besser sind. Das ist ein bundesdeutsches Problem, aber es ist natürlich ­ ich denke dabei an die Kollegen von der Transmediale ­ auch ein Berliner Problem.

 

Die Nachwuchsförderung ist ein weiterer Schwerpunkt. Wir arbeiten aktiv in der Übersetzungs- und Übersetzerförderung. Das tun wir insbesondere über Übersetzungs-Workshops. Das ist etwas, was die Literatur immer braucht, sei es, dass neue Texte und literarische Tendenzen in den deutschen Sprachraum kommen, sei es, dass wir oftmals im Zusammenhang mit der Goethe-Gesellschaft, aber auch mit anderen Institutionen in verschiedenen Ländern gastieren.

 

Lyrik ist für uns ein großer Schwerpunkt. Wir haben mit der "lyrikline.org" ein international hoch angesehenes Projekt geschaffen, auf das ich noch kurz zu sprechen kommen werde. Wir arbeiten international vernetzt mit Institutionen aus mittlerweile über 60 Ländern, aber auch mit Institutionen aus der Bundesrepublik und Berlin. Wir sind Arbeits- und Gesprächsort für verschiedene literarische Gruppierungen, und wir sind ­ das bitte ich nicht zu unterschätzen, aber das gilt, glaube ich, für alle anderen Häuser auch ­ Ausbildungsstätte für Studenten und Praktikanten, nämlich dann, wenn es um Kulturmanagement geht. Ich will gestehen, dass wir die Studenten und Praktikanten schamlos ausbeuten, weil wir nämlich ohne deren Hilfe gar nicht mehr in der Lage wären, das zu organisieren und zu realisieren, worum es uns eigentlich geht.

 

Damit verlasse ich jetzt die Berliner Landeskassen und komme  zu einigen Projekten, die wir jenseits dieser Kassen haben realisieren können, sowohl mit deutschen als auch mit internationalen Partnern. Der "OpenMaik"-Förderwettbewerb ist mittlerweile der anerkannt ­ das sind nicht meine Worte ­ wichtigste Nachwuchsförderwettbewerb im deutschsprachigen Raum. Mit "lyrikline.org" ist die wichtigste Transformationsplattform für internationale Poesie im Internet geschaffen worden. Es hat uns ein UNO-Prädikat ereilt, und mittlerweile ist dieses Projekt zu einem UNESCO-Projekt geworden. Auf Grund dieses Projekts werden überhaupt wieder deutsche Dichter im internationalen Raum wahrgenommen. Das merken wir daran, dass die Veranstalter ­ seien es Festivals oder Institutionen ­ sich bei uns melden und fragen, wie sie an den Autor herankommen. Damit ist uns, glaube ich, tatsächlich etwas gelungen.

 

Mit dem "LiteraturExpress Europa 2000" konnte ein gesamteuropäisches Netzwerk geschaffen werden, das nachhaltig zusammenarbeitet. Wir kuratieren immer öfter deutsche Beteiligungen oder Festivals in den verschiedenen Ländern. Noch in diesem Herbst stehen Reisen mit Autoren nach Bratislava, Belgrad, Mexiko, Istanbul und im Januar nach Kairo auf dem Plan. Aber was die Literatur betrifft, so sind wir auch Berliner Partner des Goethe-Forums in München und arbeiten an verschiedenen Programmen des Auswärtigen Amts ­ so auch des Staatsministers für Kultur. Wir arbeiten oder kooperieren mit ausländischen Kulturinstituten in dieser Stadt sowie mit den Goethe-Instituten und zunehmend auch mit der Wirtschaft.

 

Mit dem "Berliner Sommerfest der Literaturen" ist seit drei Jahren ein Instrument in Berlin geschaffen worden, das ­ ausgehend von der Literatur ­ künste- und medienübergreifende Bereiche der Literatur auslotet, die vom angestammten Medium, dem Buch ­ wie ich vorhin schon sagte ­, nicht mehr erfasst werden und auch in den Förderstrukturen gar nicht vorhanden sind. Vielleicht ist uns da etwas gelungen. Mit dem ersten Zebra-Poetry-Filmfestival ist also gleich beim ersten Mal eine internationale Plattform geschaffen worden, die diesem neuen Genre im Zwischenbereich Literatur/Film einen Raum offeriert. Mit diesem Projekt sind wir nach Argentinien, in die Schweiz und dergleichen eingeladen worden, und eine große Ausstellung zur digitalen Poesie im Martin-Gropius-Bau befindet sich gerade in Vorbereitung. ­ Wie gesagt: Das Letztgenannte passiert jenseits der Berliner Kassen.     

 

Wichtig ist auch, dass das "Berliner Sommerfest der Literaturen" die gesamte Stadt erfasst. Wir arbeiten mit dem Netz der Bibliotheken zusammen, und die Bibliotheken, die keine eigenen Veranstaltungen mehr machen können, bekommen wenigstens eine oder zwei Veranstaltungen darüber im Jahr offeriert. ­ Über die Notsituation hat Frau Mähne gesprochen.

 

Kurz zu den Zahlen: Auch wir leiden heftig unter der Plafondierung. 25 % der Programmmittel sind darüber abgeschmolzen worden, und auch die Eintritte, die seit 1999 erhoben werden,  haben  sich ­ a) ­ bewährt, aber ­ b) ­ sie sind nicht in der Lage, alles das, was sich verteuert ­ seien es Tarifdinge oder das Leben allgemein ­, aufzufangen. Insgesamt findet ­ wie gesagt ­ eine heftige Abschmelzung statt, auch wenn wir über Drittmittel den Etat des Hauses mehr als verdoppeln. Wir haben in diesem Jahr auch etwas über eine halbe Million a an Drittmitteln zu erwarten. Das geht ins Programm, so dass wir in diesem Jahr eine Relation von 1 a zu über 9 a haben, die eingeworben worden sind. Ich will damit sagen: In dem Moment, wo 1 a gekürzt wird ­ das geht, glaube ich, allen so ­, wird noch einmal die gesamte Summe der Mittel, die akquiriert werden, gekürzt. ­ In unserem Fall wäre das ein Verhältnis von 1 :9, und das wäre ziemlich unwirtschaftlich, wenn man darüber nachdenkt.

 

Gleichzeitig bedeutet das, dass sich der Verwaltungsaufwand unglaublich erhöht hat. Es gibt sogar erste besorgte Anfragen aus der Verwaltung, ob das denn überhaupt noch zu händeln sei und dergleichen Dinge mehr. Tatsächlich ist es so, dass wir bei neuen Projekten immer auch zusätzliche Buchhaltung oder Finanzverwaltung einstellen müssen. Ein Vorschlag ­ darüber sind wir uns wohl einig ­, über den doch dringend nachgedacht werden sollte, wäre: Weg mit der Kameralistik! Es geht wirklich, ob es die Wirtschaft oder auch andere Länder sind, mit denen man Zielvereinbarungen in Form von Verträgen schließt. Es gibt eine Summe, die dafür zur Verfügung steht und danach dargestellt wird. Und dann ist es gut. Wir hätten dann viel Luft für die Dinge, die mit dem Inhalt und unserem eigentlichen Aufgabengebiet zu tun haben.

 

Die Besucheranzahl betrug ­ ähnlich wie bei Frau Mähne ­ im Jahr 1998 16 500, und in diesem Jahr erwarten wir 35 000 Besucher, womit sich die Anzahl mehr als verdoppeln würde. ­ Gleiches gilt dann auch für die Einnahmen.

 

Zu den Problemen ­ ich bleibe noch ein bisschen beim Inhalt: Wir hatten einmal in der Berliner Kulturpolitik ein Handlungsinstrument, das "Fonds für internationalen Kulturaustausch" hieß. Einst waren es 2,5 Millionen; mittlerweile liegt er irgendwo bei 150 000 a und ist quasi nicht vorhanden. Über alle Koalitionszusammensetzungen der letzten Jahre ist dieser Fonds auf dieses Niveau heruntergefahren worden. Er bleibt auch erhalten. Damit wird ein wichtiges Element unseres Arbeitens und des Arbeitens vieler Institutionen in dieser Stadt genommen. Wenn man in Berlin kein Geld hat, dann muss man doch schauen, woher man es bekommen könnte. Da gibt es durchaus diverse Töpfe ­ und sei es in Europa. Wie wäre es denn, diesen Fonds wenigstens klein wieder aufzulegen und erfolgreichen Projekten ­ das heißt, Projekten, die in Europa durch sind ­ den Berliner, nämlich den Eigenanteil aus einem solchen Fonds zur Verfügung zu stellen, so dass man sie auch realisieren kann?  Im Moment ist es so, dass sich keine Institution einen solchen Antrag auch nur leisten kann, weil sie den Eigenanteil gar nicht einbringen kann. Dieser Fonds wäre dann nicht mehr so, wie er vorher gehandhabt wurde, sondern man würde ihn als operatives Element auflegen, damit man arbeiten und sich die Gelder dort holen kann, wo sie sind. ­ Abgesehen davon, dass die deutsche Präsenz in den europäischen Gremien ­ so es um Kultur geht ­ nicht sonderlich ausgeprägt ist. Aber das ist, glaube ich, ein Bundesthema.

 

Zu den Medien: Nicht nur uns geht es so, dass wir der Ansicht sind, dass in dieser Stadt ein Verstehen oder auch eine Verständigung über Medien, Medienpolitik aussteht und dass wir eine mediale Entwicklung brauchen. Dieses meint nicht nur die Rundfunk- und Fernsehanstalten, sondern es meint auch den Bereich der Künste. Machen Sie sich vielleicht auch einmal deutlich: In der Wirtschaft boomt es längst. Diese Computer, Handys und Games ­ grauselig wie sie sind ­ brauchen eine Antwort, aber die kann nur die Kunst geben. Dieser Bereich ist völlig ausgeblendet aus unserem Denken und passt nicht mehr in die Zahlen oder Budgets, die wir zur Verfügung haben. Kulturpolitisch muss in dieser Stadt allmählich ein Schwerpunkt gesetzt werden.

 

Nun zu einem Problem, das das Haus unmittelbar betrifft: Wie Sie wissen, sind wir seit Ende 2001 nicht mehr in der angestammten Grotewohl-Villa in Pankow, sondern im Einvernehmen ­ auch wenn ein Einzug unmittelbar nicht möglich war ­ mit der Verwaltung ausgezogen. Wir befinden  unsjetzt in einer Zwischenphase, die in die zweite Runde geht. Unsere Büros befinden in der Kulturverwaltung, und somit sind wir dicht dran. Den Veranstaltungsort gibt es nicht. Wir waren zunächst untergekommen im Restaurant "Soda" in der Kulturbrauerei und haben uns jetzt ein neues Provisorium erarbeitet ­ wohlgemerkt aus eigenen Mitteln gestemmt ­, so dass der Veranstaltungsbetrieb weitergehen kann.

 

Durch die Veränderung in der Kulturbrauerei ist die Raumsituation insofern kompliziert geworden, als der im Mietvertrag vorgesehene Raum viel zu klein ist. Das konnten wir so nicht einschätzen, denn wir haben ­ wie gesagt ­ mehr als eine Verdoppelung der Besucherzahlen. Aber auch die Bedingungen, unter denen wir dort hineingegangen sind, waren andere. Wir waren damals beinahe Gesellschafter geworden und hätten somit die Option auf Räume gehabt. Das fällt weg. Die neuen Preise in der Kulturbrauerei, von denen ich verstehe, dass man sie nehmen muss, weil deren Finanzbudget sehr klein ist, erlauben es Kultureinrichtungen nicht ­ jedenfalls uns nicht ­, dort hineinzugehen, weil 900 a pro Veranstaltung für einen größeren Raum nicht zu erbringen sind, zumal wir überhaupt keinen Ansatz dafür haben.

 

Wir haben der Verwaltung einen Vorschlag gemacht: Das Land Berlin ist einen Mietvertrag eingegangen, und zwar für einen anderen Ort, der zumindest die Größe des Raums lösen würde. Soweit ich das übersehen kann, gibt es noch keine Entscheidung darüber. Aber ich hielte es für unangenehm und schwierig, diese Odyssee zu verlängern, weil man merkt, dass das vielleicht doch nicht der richtige Ort ist und wir uns einen neuen suchen müssen. Wir befinden uns seit Ende 2001 in der Situation, dass wir keinen Ort haben, und aller Voraussicht nach bleibt uns diese Situation mindestens noch Jahr erhalten. Sie können sich vorstellen, dass das nicht sonderlich erquicklich ist, aber eine Lösung habe ich auch nicht. ­ Es sei denn, dass ich nicht verstanden habe, weshalb man einen Bauträger suchte und dieser nun unbedingt das Bezirksamt sein musste, wenn man vielleicht auch hätte mit einem Architekturbüro arbeiten können, das sicherlich schneller gewesen wäre. ­ Sei es drum, das ist unsere Situation. Ich danke Ihnen erst einmal!

 

Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Herr Dr. Wohlfahrt! ­ Auch keinen Ort ­ [Herr Dr. Wohlfahrt (LiteraturWERKstatt Berlin): Kein Ort nirgends wäre Utopie!] ­ hat die Neue Gesellschaft für Literatur. Deshalb ist sie etwas anders einzuordnen als die Situationen meiner Vorrednerinnen und Vorredner. ­ Herr Kersting, ich heiße Sie herzlich willkommen als Vorsitzenden dieser Gesellschaft! Bitte, geben Sie uns  Ihre Situationsbeschreibung! ­ Sie haben das Wort!

 

Herr Kersting (Neue Gesellschaft für Literatur): Vielen Dank, Frau Ströver! ­ Herr Senator! Meine Damen und Herren! Als Vorsitzender der Neuen Gesellschaft für Literatur bedanke ich mich für die Einladung, heute im Kulturausschuss sprechen zu dürfen. ­ Sie alle können zählen, und Frau Ströver hat schon darauf angespielt: Es ist zweimal von den fünf Einrichtungen gesprochen worden, aber hier sitzen sechs Personen. Wer ist die sechste? ­ Das sind wir. Unter den literarischen Einrichtungen in Berlin gelten wir nämlich als die Kleinen. Das mag an der jährlichen Fördersumme von 110 000 a liegen oder daran, dass wir kein eigenes Haus oder keine eigene Spielstätte haben. Herr Wohlfahrt, wir haben dieses Problem schon seit 30 Jahren, und deshalb lautet unser Motto: "Literatur vor Ort". ­ Nicht, dass ich Ihnen das empfehlen möchte, aber es ist unser Motto geworden. ­ Das bedeutet: Wir organisieren Lesungen, Vorträge, Theateraufführungen, Kolloquien, Ausstellungen, Kinder- und Jugendveranstaltungen, und zwar nicht nur an so genannten traditionellen literarischen Orten wie Bibliotheken, Literatur- und Kulturhäusern, sowie in Schulen oder Jugendclubs, sondern auch an Literatur eher ungewohnten Orten wie Kieztreffpunkten, Cafés, Bars und Bahnhöfen oder ­ wie kommenden Freitag ­ im Stadtbad Oderberger Straße. Der Titel lautet: "Literaturvergnügen statt Badespaß". ­ Sie alle sind herzlich eingeladen.

 

Nächstes Jahr feiern wir unser dreißigjähriges Jubiläum, und dann blicken wir ­ das sage ich voller Stolz ­ auf eine äußerst bemerkenswerte Entwicklung zurück, die Ihnen, die Sie das kulturelle Leben dieser Stadt aufmerksam verfolgen, nicht entgangen sein dürfte. Vor etwa vier Jahren haben wir konsequent das gesamte Personal ausgewechselt und ein neues Profil unserer literarischen Arbeit entwickelt. Dadurch ist es uns gelungen, unsere Projekt- und Programmgestaltung zu professionalisieren. Das damit einhergehende hohe Niveau der Projekte führte zu großer Zustimmung auf Seiten des Senats und wurde durch die finanziellen Zuwendungen zahlreicher Stiftungen und Sponsoren belohnt. Neben unseren vielen Einzel- und Gruppenlesungen organisieren wir vor allem Projekte. Zurzeit sind es vier ­ erstens unsere "Werkstatt für Junge Autoren": In diesem Rahmen fördern wir über 10 Monate hinweg kontinuierlich junge Autoren der Altersgruppe von 18 bis 28 Jahre.

 

Zweites Projekt: Das "Berliner Festival junger Autoren ­ Leserschow" hat bisher immer im "Roten Salon" der Volksbühne stattgefunden. In den drei Tagen dieses Festivals erreichten wir über 1 000 ­ überwiegend junge ­ Zuhörer.

 

Drittens: Nach dem großen Erfolg unseres viertägigen Comic-Festivals im letzten Jahr mit mehreren Tausend Besuchern findet im nächsten Jahr das erste "Internationale Comicfestival" in Berlin statt.

 

Unser viertes und größtes Projekt: Am 14. November d. J. eröffnen wir in der Russischen Botschaft die 13. Berliner Märchentage, das weltweit größte "Internationale Festival der Märchen". 10 Tage lang finden 600 Veranstaltungen an über 200 verschiedenen Orten statt. Obwohl das offizielle Programmheft noch gar nicht erschienen ist, sind die meisten Veranstaltungen bereits ausgebucht. Wie in jedem Jahr bieten wir ­ neben den Veranstaltungen für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Familien ­ auch ein mit internationalen Forschern besetztes wissenschaftliches Kolloquium an. Letztes Jahr zählten wir insgesamt rd. 40 000 Besucher, und in diesem Jahr erwarten wir wesentlich mehr.

 

Nun werden Sie sich fragen: Wie macht die NGL das mit einer institutionellen Förderung von 110 000 a? ­ Das frage ich mich manchmal auch. Die NGL ist ­ gemessen an der jährlichen institutionellen Zuwendung von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur ­ eine im Vergleich zu anderen Literaturhäusern und Institutionen sehr gering geförderte Gesellschaft. Trotz dieser Zuwendungssumme und der Ihnen bekannten ohnehin schwierigen finanziellen Lage Berlins gelingt es der Neuen Gesellschaft für Literatur kontinuierlich zu wachsen, was eine kurze Übersicht verdeutlicht: Im Jahr 2001 betrug die Drittmittelakquise 500 000 a. Im laufenden Jahr 2002 akquirierten wir bis zum heutigen Tag 570 000 a, und für das Jahr 2003 werden ­ zusätzlich zum Haushalt ­ schätzungsweise 700 000 a für unsere Projekte zur Verfügung stehen. Die schriftlichen Förderzusagen der Stiftung Deutsche Klassenlotterie und des Hauptstadtkulturfonds liegen bereits vor, ebenso auch weitere Zusagen von Sponsoren.

 

Das alles hört sich wunderbar an, doch unser Kind, die "Berliner Märchentage", ist längst viel größer geworden als die Mutter. Bis auf eine kleine Förderung durch die Neue Gesellschaft für Literatur und die Senatsverwaltung für Jugend, Schule und Sport gibt es keine regelmäßige Finanzierung zur Deckung der Fixkosten. Von finanzieller Absicherung und Planugssicherheit ist keine Rede. Jedes Jahr stehen wir wieder am Anfang, bei Null, mit der bangen Frage: Wie schaffen wir unsere Projekte, und wie schaffen wir vor allem die nächsten "Berliner Märchentage"? Deshalb mein Wunsch an den Kulturausschuss ­ und jetzt sage ich, was ich meine: Bei all den notwendigen Sparmaßnahmen, Kürzungen und Einschränkungen: Bitte, geben Sie Ihre Zustimmung zu einer jährlichen Basisfinanzierung der "Berliner Märchentage" in Höhe von 300 000 a! Wir sind uns bewusst, dass die finanzielle Situation eine solche Bitte eigentlich nicht zulässt. Doch durch unsere Arbeit haben wir bewiesen, dass eine Investition in unsere Projekte eine Investition in die Zukunft ist. Bisher waren wir in der Lage, eine kleine Fördersumme zu vervielfachen ­ genauer gesagt zu versiebenfachen. Doch mit einer Basisfinanzierung vom Land Berlin wären ­ Dr. Wohlfahrt hat schon Ähnliches ausgeführt ­ erstens eine Festfinanzierung durch den Bund und zweitens eine zusätzliche Finanzierung der internationalen "Berliner Märchentage" im Rahmen der EU möglich.

 

Ich fasse zusammen: Mit unserem Programm bringen wir den vielen Tausend Besuchern aus     Berlin und dem Bundesgebiet, die zu den Veranstaltungen der "Berliner Märchentage" kommen, Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern Literatur und Kultur nahe. Darum bitten wir Sie, dieses internationale Hauptstadtprojekt "Berliner Märchentage" mit einer Basisfinanzierung zu unterstützen. ­ Danke! 

 

Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Herr Kersting! ­ Wir sind damit am Ende des ersten Teils unserer Anhörung, und ich eröffne die Aussprache, denn ich nehme an, dass es noch manches zu diskutieren gibt. ­ Bitte, Frau Dr. Tesch, Sie haben das Wort!

 

Frau Abg. Dr. Tesch (SPD): Danke, Frau Vorsitzende! ­ Diejenigen, die etwas länger dabei sind, erinnern sich, dass wir am 19. 6. 2000 über die Zukunft der Literaturhäuser in diesem Ausschuss gesprochen habe. Ich meine, aus dieser Diskussion entnommen zu haben, dass die Situation damals dramatischer war. Es hat heute Äußerungen gegeben, dass es manchen doch gar nicht so schlecht gehe, und es ist auch von einem Privileg gesprochen worden. Außerdem ist gesagt worden, dass die Literaturhauptstadt Berlin angemessen präsentiert werde, und Sie haben die einzelnen Profile Ihrer Häuser in dieser Anhörung angemessen dargestellt.

 

Ich möchte noch ein paar abschließende Fragen stellen: Die eine mir wichtig erscheinende Frage betrifft die Verzahnung der Literatur mit anderen künstlerischen Bereichen wie der Musik und den Ausstellungen. Herr Wiesner hatte schon angedeutet, dass man für Literatur allein schlecht Sponsoren bekommt, deshalb richtet sich meine Frage an die anderen Häuser: Wie halten Sie es mit der Zusammenarbeit?

 

Was die Vernetzung innerhalb der Häuser betrifft, so haben Sie schon viel dazu gesagt. Und was andere Institutionen angeht, so ist mir besonders der Bericht von Frau Dr. Hörnigk positiv aufgefallen, die sich sehr bemüht, auch mit Universitäten und anderen Einrichtungen zusammenzuarbeiten.

 

Meine nächste Frage bezieht sich auf die Personalausstattung: Leider ist das erst heute als Tischvorlage erschienen, aber ich habe diesen Bericht des Senats eben kurz überflogen. ­ [Zuruf] ­ Der ist nicht erschienen? ­ Gut! Dann frage ich Sie trotzdem nach der Personalausstattung. ­ [Kaczmarek (CDU): Machen Sie einmal eine Kopie, bitte! ­ Heiterkeit] ­ Trotzdem frage ich nach der Personalausstattung des "LesArt": Frau Mähne, wie viele Personen arbeiten in Ihrem Haus?

 

Politisch sollten wir auf alle Fälle eine Schwerpunktsetzung in der Kinder- und Jugendliteratur vornehmen, und zwar nicht nur auf Grund der PISA-Ergebnisse, die sich vor allen Dingen auf das Leseverstehen von Sachtexten bezogen, sondern auch im Hinblick auf das zukünftige Lesepublikum. Wir hatten letzte Woche im Rahmen der Veranstaltung "Literatur im Roten Rathaus" eine gelungene Veranstaltung zur Jugendliteratur.

 

Frau Mähne, Sie haben schon auf die versuchte Kooperation mit Schulen hingewiesen und darauf, dass Sie damit vormittags noch Probleme haben. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit dem BVG-Ticket! Aber ich denke jetzt aber auch bildungspolitisch in die Zukunft. Wie Sie wissen, hat uns unser Kanzler, der ­ Gott sei Dank! ­ der Kanzler der Bundesrepublik geblieben ist, versprochen, Gelder ­ [Apelt (CDU): "Gott sei Dank!" ist falsch!] ­ Ja, Herr Kollege, das ist nur eine Frage der Zeit! ­ für Ganztagsschulen zur Verfügung zu stellen. Können Sie sich vorstellen ­ ich spreche speziell wieder Frau Mähne an ­, auch in Zukunft mit Ganztagsangeboten zu kooperieren? Denn diese Ganztagsschulen sollen keine reinen Verwahranstalten sein, sondern im Verbund mit anderen Jugendeinrichtungen funktionieren.

 

Sie haben das Haus gekauft ­ ich meine "LesArt". Gibt es dort noch andere Nutzer? Wenn Ja: Haben Sie dadurch auch Mieteinnahmen?

 

Meine letzte Frage richtet sich an Herrn Wohlfahrt ­ die Drittmittel betreffend: Sie haben gesagt ­ das habe ich nicht verstanden ­, dass, wenn öffentliche Zuschüsse um 1 a gekürzt würden, dieses weitere 9 a nach sich zöge, weil Sie diese öffentlichen Gelder benötigen, um Drittmittel zu beantragen. Heißt das, dass diese Drittmittel alle mit Eigenbeteiligung sind, oder sind das reine Verwaltungskosten, die Sie zu diesem Schluss kommen lassen? ­ Danke!

 

Frau Vors. Ströver: Bitte, Herr Apelt!

 

Abg. Apelt (CDU): Danke, Frau Vorsitzende! ­ Frau Tesch, meine Zwischenbemerkung auf dieses "Gott sei Dank!" bezog sich eher darauf, dass ich meinte, dass die SPD doch sonst nicht so viel Gottvertrauen hat: Warum sie nun ausgerechnet gestern darauf gesetzt haben sollte ­ das wäre doch ungewöhnlich!

 

Aber zurück zur Literatur: Ich glaube, die Frage, die hier im Raum steht, ist die: Wie können die Rahmenbedingungen für die Literatur in dieser Stadt verbessert werden? Wenn wir denn sagen, dass wir in den Wettstreit der Literaturmetropolen treten wollen ­ wir sind keine Verlagsstadt wie andere größere Verlagsstädte, auch wenn wir einige Verlage in Berlin haben ­, wie können wir dann die Spitze einnehmen oder sie halten? Das, was sich in den letzten Jahren getan hat ­ es gab auch eine Reihe von Festivals in dieser Stadt ­, lässt den Eindruck zu, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, nur, dass die Rahmenbedingungen, die in der Tat vielfach vom Senat vorgegeben werden sollten, nicht die sind, die sich wahrscheinlich die Literaturhäuser und die Leute, die mit Literatur in dieser Stadt zu tun haben, wünschten. Vielmehr ist auch mein Eindruck, dass die Literatur insgesamt und ihre Institutionen stiefmütterlich behandelt werden, auch vor dem Hintergrund, dass kleinere Kürzungen, die vorgesehen sind, mit der lapidaren Bemerkung abgetan werden: "Na, dann macht doch mal Verwaltungszusammenarbeit!" Das trifft diese Institutionen natürlich hart.

 

Wir wissen, dass Summen von 25 000 a bei dem Gesamthaushalt lächerlich sind, aber umso schmerzhafter sind sie für diese Institutionen. Ich glaube, dass es dabei auch um Symbolik geht, wobei wir vom Senat erwarten sollten, dass er verstärkt etwas in diesem Bereich tut. Wir wissen, wie wenig im Gesamthaushalt für Literatur ausgegeben wird, und wir wissen auch, wie groß die Wirkung gerade im Bereich der Literatur ist, gerade weil jeder Mensch hin und wieder ein Buch liest und jeder Mensch dazu angehalten werden sollte, sich mit Literatur zu beschäftigen, weil sie ein Teil unseres Lebens geworden ist.     


 



Umso schmerzlicher ist es dann, zu hören, wie es im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur aussieht. Da richten sich die Fragen weniger an die Einrichtungen als vielmehr an den Senat: Was gedenkt er zukünftig zu tun, um die Rahmenbedingungen für alle Einrichtungen zu verbessern? Was gedenkt der Senat zu tun, um nicht nur beim Schauen auf das Geld dafür zu sorgen, dass Institutionen stärker anerkannt werden und sich auch stärker miteinander verzahnen können? Gibt es dafür eine Konzeption, wie sich der Senat in den nächsten Jahren Literatur in der Hauptstadt vorstellt? Welche Ziele setzt sich der Senat dort, um die Bedingungen zu verbessern, die dringend verbesserungwürdig sind?

 

Und an die Institutionen hätte ich die Frage: Rahmenbedingungen lassen sich einerseits verbessern, indem man sagt: Es gibt mehr Geld. ­ Aber es kann nicht immer nur das Geld sein. Haben Sie darüber hinaus noch andere Vorstellungen, um Ihre Institutionen aufzuwerten? Was müsste noch mehr getan werden? Was erwarten Sie von uns und vom Senat, damit sich diese Situation für Sie verbessert? ­ Abgesehen davon, dass man natürlich sagen kann: Wir brauchen mehr finanzielle Mittel.

 

Frau Vors. Ströver: Herr Brauer, bitte!

 

Abg. Brauer (PDS): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! ­ Vielen Dank, meine Damen und Herren, für Ihre Ausführungen ergänzend zu den Materialien, die Sie uns vorgelegt haben! Herr Apelt, ein Narr wäre, wer nicht sagte, er bräuchte mehr Geld. Ein Narr ist aber auch, wer davon ausgeht, dass ­ "Märchentage" ­, der Goldesel hier im Raum steht. Wir alle wissen, dass das nicht funktioniert. Die Rahmenbedingungen werden seitens des Senats und der Koalition nicht stiefmütterlich gesetzt, sondern die sind so, wie sie sind! ­ Ersparen Sie uns jetzt bitte die Diskussion darüber, warum die so sind! Denn das würde dann doch etwas vom Thema wegführen, und was die Spatzen vom Dach pfeifen, muss nicht ständig nachgepfiffen werden. Ich bin dankbar dafür, dass sich das heutige Gespräch ­ dank Ihrer Ausführungen ­ tatsächlich nicht nur stringent auf die Situation der Literaturhäuser fixiert hat, sondern dass Sie uns auf eine freundliche Art und Weise auf die Komplexität des Themas "Literaturförderung" aufmerksam gemacht haben.

 

Die von Ihnen angedeuteten Kooperations- und sonstigen Zusammenarbeitspotentiale sind, glaube ich, das Mittel, welches wir auch seitens der Berliner Kulturpolitik stärker ausbauen müssen. Ich wäre dankbar, wenn wir das dann ­ das wird sicherlich heute nicht machbar sein ­ perspektivisch in einem konkreten Gespräch tiefer ausloten könnten. Für besonders wichtig halte ich den Hinweis, den Herr Wohlfahrt hinsichtlich des "Fonds für internationalen Kulturaustausch" gegeben hat. Ich teile Ihre Meinung! Der entsprechende Etatposten für diesen Fonds ist so weit ausgeblutet worden, dass das nicht mehr weiter geht. Inwieweit er wieder aufgestockt werden kann, dazu wage ich im Moment keine Aussage. Aber auf jeden Fall darf ein weiterer Abbau nicht mehr passieren. Es muss uns gemeinsam gelingen, hierfür zusätzliche Mittel heranzuschaffen.

 

Für besonders wichtig halte ich die Ausführungen von Frau Mähne und Herrn Kersting, was die Kinder- und Jugendliteraturförderung anbelangt, und zwar weniger die Autorenförderung als vielmehr die Leseförderung, also die Förderung der jungen Menschen, die hoffentlich die späteren Dauerleser bzw. Autoren sein werden. Hierin sehen wir unseren politischen Schwerpunkt, und wir werden versuchen, gemeinsam mit Ihnen Handlungsoptionen einzugehen. Meine konkrete Frage lautet: Können Sie schon irgendwie belegen oder beurteilen, inwieweit sich die doch recht dramatische Situation der Berliner Bibliothekslandschaft auf Ihre Arbeit auswirkt? Ich glaube, es bedarf eines Konzepts, mit dem man gegensteuern muss. Und was die "Berliner Märchentage" anbelangt, Herr Kersting, so kann ich Ihnen nachfühlen. Diesen Wunsch habe ich auch, und ich empfinde großen Respekt vor Ihrem Mut, hier und heute zu sagen, dass Sie 300 000 a mehr haben wollen. ­ Danke!

 

Frau Vors. Ströver: Ich habe mich für unsere Fraktion auf die Redeliste gesetzt und möchte gern einige Anmerkungen machen und etliche Fragen stellen. ­ Man muss, wenn man den Blick auf die Literaturlandschaft in Berlin legt, bestätigen, was Herr Janetzki ausgeführt hat, nämlich dass wir einerseits eine riesige Vielfalt haben und dass Berlin wieder zu einer Literaturstadt geworden ist. Auf der anderen Seite kann ich mich nicht davon freimachen, eine gewisse Unübersichtlichkeit zu verspüren. Das liegt vielleicht daran, dass ich nicht so tief in dieser Materie stecke, aber dem einfachen, kulturell interessierten Menschen geht es vielleicht auch so. Wir haben versucht, noch einmal profilmäßig die Institutionen zu beleuchten. Ich würde gern noch einmal an alle, auch an den Senat, die Frage stellen ­ ich weiß nicht, wer sie beantwortet ­, wie sich das Verhältnis von Institutionen und Festivals darstellt und wie Sie das selbst einschätzen?

 

Das Zweite ist ­ nun haben wir diese Zahlenvergleiche nicht, aber der Senator wird diese anhand der teilweise vorliegenden Papiere noch einmal verifizieren können ­, dass ich auf Grund Ihrer Ausführungen das Gefühl habe, dass Sie einen proportional riesigen Anteil an Akquise zu den Grundfördermitteln leisten. Wahrscheinlich ­ das wäre auch meine Frage an den Senator ­ ist das proportional der höchste Teil von zusätzlich akquirierten Drittmitteln gegenüber der Grundförderung, die wir überhaupt in den Kultursparten haben. Das wäre eine These bzw. eine Frage, zu der ich gern eine Auskunft hätte.

 

Dann würde der Qualitätsbegriff doch noch mal ein anderer werden, denn im Grunde ist klar, dass es sich bei dieser geringen Fördersumme für so viele Institutionen eigentlich verbietet, überhaupt noch von Synergien zu reden. Das hat einen gewissen Grad von Abartigkeit ­ wenn ich das so drastisch sagen darf. Auf der anderen Seite ist es so ­ wie wir auch wissen ­, dass gerade da, wo wenig ist, am schnellsten und liebsten zugegriffen wird. Die rot-rote Mehrheit hat sich auch nicht davon freigemacht, genau diesen Schritt zu gehen. Wo es auf den ersten Blick am einfachsten ist, dort wird herangegangen, und neuerlich an den Titel "Internationaler Kulturaustausch", der schon vorher, unter der Großen Koalition, bis zur Unkenntlichkeit zurückgefahren worden war.

 

Dann habe ich noch eine inhaltliche Frage ­ ich habe es nicht ganz verstanden: Fühlen Sie sich eigentlich mehrheitlich oder jeweils ­ ich bitte Sie, das noch einmal auszuführen ­ ausschließlich der zeitgenössischen Literatur, Produktion, Begleitung, Förderung über die verschiedenen medialen Wege verpflichtet? Und wie ist es mit den klassischen Werken der Literatur, also mit der Literaturpflege und dem Genre bereits verstorbener Autoren? Aus den Darstellungen der jeweiligen Häuser ist mir nicht deutlich geworden, wie Sie in dieser inhaltlichen Abgrenzung verfahren oder ob es diese überhaupt nicht gibt. ­ Wenn Sie uns dazu bitte noch Ausführungen machen würden!

 

Der letzte Punkt: Ich gehe davon aus, dass wir ­ ich blicke jetzt einmal harmonisch in diese Runde ­ als Kulturausschuss das Existenzrecht der einzelnen Häuser relativ unumwunden nachvollziehen und anerkennen können. Aber ich glaube, dass wir uns doch noch ein Stück mit der Frage befassen müssen, ob es aus Ihrer Sicht in irgendeiner Form noch einmal stärkere Vernetzungs-, Bündelungs- oder sonstige Möglichkeiten gibt, die sich unter anderem auch auf die Immobilien beziehen können, also auf die Standorte der Einrichtungen, die eigene Häuser haben. Liefern Sie uns Argumente ­ ich versuche, Sie alle mit ins Boot zu nehmen ­ gegen diejenigen, die die Literaturorte, die festen Häuser immer wieder zur Disposition stellen! Ich glaube, dass wir das noch ein bisschen konkreter haben müssten, damit wir viel besser in die Zukunft hinein argumentieren könnten. ­ Vielen Dank! ­ Bitte, Frau Meister!

 

Frau Abg. Meister (FDP): Vielen Dank! ­ Ich habe mir eine Menge Fragen aufgeschrieben. Aber vorweg zwei Sätze: Herr Janetzki hatte am Anfang sehr schöne Worte zur "Literaturhauptstadt Berlin" gefunden. Genau das halte auch ich für das Problem und erlaube mir, schon einmal darauf hinzuweisen, dass zumindest ich Berlin auch so erlebe, dass ein Großteil des Bereichs "Literatur"  im freien Markt übernommen und dargestellt wird. Wir in Berlin haben ­ im Moment für uns alle sicherlich bedauerlich mit einer sehr großen Delle seit Freitagnachmittag ­ eine ziemlich aktive Buchhandelsszene und eine Verlagsszene, die sicherlich nicht mit Frankfurt oder München zu vergleichen ist, aber durchaus sehr aktiv ist. Das heißt, dass das, was hier an Literatur entsteht und diskutiert wird, seine Basis nicht nur in öffentlichen Geldern findet. ­ So ehrlich müssen wir einmal alle sein. ­ Wenn man sich Institutionen wie das "Kaffee Burger", "Surf Poeten" und Ähnliches anguckt, dann gibt es dort auch ein weites, wachsendes Feld.

 

Nichtsdestotrotz habe ich einige Frage an Sie im Einzelnen: Herr Janetzki hat darauf hingewiesen, wer bei ihnen im LCB an Autoren groß geworden ist, was ich interessant fand. Ich würde auch gern von Herrn Wiesner hören, welche Namen es denn gibt, die ihre literarische Geburtsstunde bei Ihnen in der Fasanenstraße gefunden haben. ­ Vielleicht könnten Sie mir darauf eine Antwort geben. ­ Ich muss gestehen, dass ich erstaunt war ­ wie gesagt, es ist sehr schade, dass wir die einzelnen Zahlen nicht vorliegen haben ­ über diesen ausgesprochen krassen Unterschied zwischen Programm- und Personalmitteln. Wenn ich an manche kleine Buchhandlung mit zwei Mitarbeitern denke, die durchaus auch versuchen, ihren Beitrag zur Literatur zu leisten ­ das nennt man dann allgemein "Selbstausbeutung" ­, dann muss ich bei 500 000 DM Personalkosten im Jahr schon sagen: Das ist schon noch ein schönes Leben. ­ Wenn ich das einmal anmerken darf, ganz am Rande nur!

 

Noch eine Frage an die "großen" Vertreter der Literaturhäuser: Wenn es Verlagen darum geht, neue Autoren vorzustellen und Buchpräsentationen zu veranstalten, dann gewinnt man in Berlin ein wenig den Verdacht, dass die immer weniger ihren Weg ­ zumindest zum Teil ­ in die Literaturhäuser finden. Häufig hat man das Gefühl, dass die ihren Weg an große Orte finden, sei es an das BE oder andere Theater, wo dann entsprechende Buchpräsentationen stattfinden oder Autoren vorgestellt werden. Ich hätte gern eine Antwort auf die Frage: Wie ist die Zusammenarbeit zwischen den großen und namhaften Verlagen wirklich? Seitens der Verlage ist zu hören, dass das nicht immer einfach ist.

 

Dann habe ich noch eine kurze Frage an das Brecht-Haus: Sie haben auf die Situation in den Schulen im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur hingewiesen und gesagt, dass die zu Ihnen kommen. Warum gehen Sie nicht zu den Schulen? Das wäre doch gerade für eine Kinder- und Jugendlesung ein durchaus geeigneter Rahmen ­ auch was die Anzahl der Zuhörer betrifft. Im Normalfall müsste das doch in der Schule durchaus durchführbar sein.

 

An Herrn Kersting habe ich noch eine Frage: Es freut mich für Sie, dass Sie  mit Ihren "Märchentagen" auf eine hohe Resonanz stoßen. Wenn die bereits jetzt ausgebucht sind, befinden Sie sich denn schon auf der Suche nach einem doppelt so großen Veranstaltungsort? ­ [Herr Kersting (Neue Gesellschaft für Literatur): Ja!] ­

 

Zum Schluss würde mich dann schon noch interessieren, ob es denn ein Konzept der Kultursenatsverwaltung gibt, wie wir denn nun mit den einzelnen Literaturhäusern umzugehen gedenken, welche Zukunft wir uns dafür vorstellen und wie das Ganze weitergehen sollte. Denn was den Wunsch nach 300 000 a betrifft, so würde ich doch die Einschätzung von Herrn Brauer teilen. Ich wünsche mir auch vieles, aber wenn wir ein bisschen ehrlich sind, dann wird es das wahrscheinlich für uns alle nicht geben.

 

Frau Vors. Ströver: Ich habe jetzt noch Frau Grütters, Herrn Cramer und Herrn Sayan auf der Redeliste. Wenn es dazu nicht noch weitere Wortmeldungen gibt, würde ich jetzt gern die Redeliste schließen und im Anschluss den Herrn Senator und danach Sie zur Beantwortung der Fragen zu Wort kommen lassen. Sind Sie damit einverstanden, wenn wir so verfahren? ­ Okay! ­ Bitte, Frau Grütters!

 

Frau Abg. Grütters (CDU): Herr Janetzki, es hat mich gefreut, dass Sie zum Thema "Literaturhauptstadt" eindeutig die Entscheidung gefällt haben, dass das Berlin ist. Ich erinnere mich an ein Buch Anfang der 80er Jahre, das auch den Titel "Literaturhauptstadt Berlin" trug. Dieses stammte, glaube ich, aus der Feder von Karin Kiwus und beschrieb die Situation vor der Wende. Ich bin nun die Letzte, die nicht wollte, dass es durch das Zusammenwachsen der beiden Stadthälften  mindestens so bliebe, denn schon damals war die Konkurrenz mit München zu Gunsten von Berlin entschieden. Darin sind wir uns also einig.

 

Ich komme zu meiner Hauptfrage: Wir haben andere Literaturveranstalter wie zum Beispiel die Akademie der Künste gar nicht mit aufgerufen. Es gibt über die Arbeit hinaus, die Sie in Ihren Häusern oder die die NGL auch ohne Haus macht, zum Beispiel noch das "Berliner Literaturfest", das im Sommer stattfindet, oder die "Literaturmeile" in Mitte, aus der einige Veranstaltungen kommen. Und natürlich gibt es auch das, was im Moment so viel Furore macht, nämlich das "Internationale Literaturfest" von Herrn Schreiber. Es gibt jetzt diesen Event-Charakter Literatur, was über die Häuser hinaus geht und zum Teil eine Initiative aus Ihren Häusern ist, im Falle des "Literaturfestivals" aber nicht. Und auch Herr Schreiber bittet immer um Zuschüsse. Wie ist denn Ihre Haltung zu diesen Ereignissen? Besteht ein Wille zur Kooperation? ­ Dabei spreche ich nicht von den finanziellen Möglichkeiten, denn das ist eine Frage, die ich dann an Sie, Herr Senator, richte.

 

Das Zweite ist ­ ganz konkret an Sie, Herr Wiesner, von der Fasanenstraße: Wie bitter sogar in dieser Luxusmeile die kommerzielle Situation aussieht, wissen wir. Aber umso wichtiger ist es, dass der Kulturstandort mit "Griesebach", "Käthe Kollwitz" und Ihnen dort bleibt. Nur, Ihr Wirken ist beinahe buchstäblich zurückgesetzt hinter dem schönen Garten. Das Café fällt auf, das andere wirkt so ein bisschen im Stillen. Die Eröffnungen der Ausstellungen sind immer von großem Publikumsinteresse. Aber für die Dauer der Ereignisse ­ diese Vermutung drängt sich mir manchmal ein wenig auf ­ müssen wir aufpassen, dass das nicht zum Dornröschenschlaf wird ­ ein bisschen hinter der schönen Hecke verbannt. Mir tut das leid, und das ist auch kein Vorwurf, aber ich glaube, dass darüber nachgedacht werden muss, inwieweit man das wiederbeleben kann und wie das wieder mehr in das Interesse der Flaneure gebracht werden kann. Es geht also nicht nur gezielt um die Literaturinteressierten bzw. die Literaturausstellungsinteressierten ­ diese haben wir in der Akademie der Künste auch ­, sondern es geht darum, das Zufallspublikum aufmerksam zu machen, um diesen Ort als Kulturort zu erhalten und ihn nicht am Ende den Finanzleuten zum Fraß vorzuwerfen, was ich nämlich dort eher befürchte.

 

Der Ort "Literaturhaus am Wannsee" hat seine Bestimmung schon allein dadurch, dass es das "Artist-in-Residence"-Gebäude ist, wo man die Möglichkeiten der Unterbringung hat und das auch schlechter zweckentfremdet werden kann. Wohingegen eine Immobilie wie zum Beispiel das "Literaturhaus" in der Fasanenstraße schon eher in das Blickfeld von Immobilienfreaks geraten könnte. Wir erleben das zurzeit auch beim "Metropol", wo ein Immobiliendeal und keine Kultur mehr gemacht wird, und dieser Garstigkeit müssen wir als Kulturleute entgegenwirken.

 

Ich habe noch eine Frage an Sie, Herr Wiesner: Wie ist denn der Stand der personellen Erneuerung? ­ In den vergangenen Monaten haben wir mitbekommen, wie die Ausschreibung gelaufen ist und dass sie dann gebremst wurde. Dabei spielen auch die Vereinsstruktur und die Mitwirkungsrechte eine Rolle. ­ Ich weiß nicht, wer besser geeignet ist, diese Frage zu beantworten, ob nun die Senatsseite oder Sie ­ auch was das Gebilde "Literaturhaus" betrifft.

 

Das waren die Hauptfragen: Wie ist das Verhältnis aller zu diesen großen Events wie dem "Literatur-Festival"? Wie sind die Finanzstrukturen? Wie gehen wir mit den Orten um? Was passiert ­ auch im Wege der Erneuerung ­ konkret mit dem "Literaturhaus" in der Fasanenstraße?

 

Frau Ströver: Herr Cramer!

 

Abg. Cramer (Grüne): Zunächst hat mich gefreut, dass Sie an den Anfang Ihrer Ausführungen immer gestellt haben, wie toll wir sind, wie toll Literatur in Berlin ist. Sie haben für Ihre Arbeit geworben, die Ergebnisse dessen, was Sie alles machen, vorangestellt, und erst dann sind Sie auf die Probleme zu sprechen gekommen. Meistens haben wir es anders herum gehört, und es wurde dramatisch die unzulängliche Situation geschildert. Das ist in Ihrem Fall schon eine schöne Sache gewesen.

 

Ich habe einige Fragen: Es sind Punkte wie zum Beispiel die störende Kameralistik aufgetaucht. Herr Senator, wie stehen Sie dazu? ­ Dann ging es um die Räumlichkeiten in der "Literaturwerkstatt" und auch um die Idee mit der Überlassung für die Fasanenstraße ­ dass man also klarmacht,  dass das ein Haus der Literatur bleiben soll. Haben Sie da schon vorgefühlt? Haben Sie dazu schon irgendwelche Vorstellungen, und würden Sie das unterstützen?

 

Zu den "Märchentagen": Sie wollen eine Basisfinanzierung, weil daraus auch eine Finanzierung des Bundes und der EU erwachsen würde. Vielleicht könnten Sie noch ein wenig konkretisieren, was  das prozentual ausmachen würde. Es müsste auch einmal ökonomisch bewertet werden, welche Auswirkungen z. B. 50 000 aan Basisfinanzierung dann jeweils hätten.

 

Ein Problem tauchte auch schon in Zusammenfassung mit dem Jugend- und Kindertheater auf: Sie schilderten, welche Probleme Sie hätten, dass die Schüler aus den Schulen zu Ihnen kommen können. Da besteht akuter Handlungsbedarf, und das haben die Theaterleute damals auch gesagt. Weil die Kinder in den Schulen das Fahrgeld nicht mehr bekommen, gehen die Lehrer nicht mehr dorthin. Das sind Rahmenbedingungen, die verhindern, dass die Schüler zu Ihnen kommen, und zwar nicht, weil sie kulturell nicht interessiert sind, sondern weil sie es finanziell nicht mehr schaffen. Mir liegt das besonders am Herzen, denn das wäre die Geburtsstunde der zukünftigen und ständigen erwachsenen Nutzer. Wenn wir an dieser Stelle versagen, dann dürfen wir uns nicht darüber beschweren, dass dann die Erwachsenen auch nicht mehr ins Theater, zu Literaturgeschichten usw. gehen, und da besteht Handlungsbedarf, Herr Senator!

 

Wie Sie wissen, beschäftige ich mich auf der anderen Seite mit der Verkehrspolitik. Ab Dezember hat die Deutsche Bahn AG zum Beispiel einen neuen Tarif, mit dem alle Kinder bis 14 Jahre umsonst fahren dürfen. Das heißt, ein Berliner Kind kann umsonst von Berlin nach München fahren, aber wenn es dann von der Hauptschule in Neukölln ins Grips-Theater fahren möchte, dann muss es bezahlen, was es sich nicht leisten kann, so dass hier ein Ungleichverhältnis besteht. An den Universitäten haben wir jetzt endlich das Semesterticket durch. Aber es besteht die Parallelsituation, dass der berühmteste Berliner Student, Herr Lummer, billiger mit der BVG durch die Stadt fährt als ein siebenjähriger Schüler. Das kann doch nicht sein!

 

Es gibt Beispiele aus anderen Städten, wie das dort gelöst wird. So gibt es in Köln ein Solidarticket für alle Schüler, das monatlich 5 a kostet. Diesen Betrag zahlen alle, und weil das alle zahlen, ist das viel Geld. In Leipzig ist die Situation die, dass im gesamten Jahr 130 DM pro Schüler gezahlt werden. Wenn wir diese Solidargedanken der Universitäten auf die Schüler verlagern ­ wir sehen doch, welche Konsequenzen das hat ­, dann besteht dort ein akuter Handlungsbedarf. Denn auf Grund des Personenförderungsgesetzes bekommt die BVG Zuwendungen, und wenn ich diese Zuwendungen zusammen mit einem Eigenanteil der Schüler auf alle übertrage, also den Solidarbeitrag leiste, dann wäre zumindest dieses Problem gelöst. Ich bitte Sie, auch von dieser Seite im Senat darauf einzuwirken, dass wir diesbezüglich zu einer Lösung kommen.

 

Frau Vors. Ströver: Herr Sayan!

 

Abg. Sayan (PDS): Berlin ist eine internationale Stadt, in der viele Autoren und Schriftsteller aus vielen Ländern leben ­ in Diaspora. Berlin ist außerdem eine multikulturelle Stadt. 14 % der Bevölkerung haben eine nichtdeutsche Herkunft und sprechen andere Sprachen. Meine Frage an Sie: Gibt es Angebote für Menschen, die nichtdeutscher Herkunft sind bzw. eine andere Sprache sprechen? Wie sehen diese Angebote aus? Gibt es auch muttersprachliches Personal in diesen Literaturhäusern, und wie ist zum Beispiel der Anteil der Finanzierung für internationale Literatur? Werden solche Bücher angeschafft, und gibt es dafür auch einen Etat, also für die nichtdeutsche Literatur der Menschen, die hier leben und arbeiten?

 

Frau Vors. Ströver: Danke schön! ­ Bitte, Frau Lange!

 

Frau Abg. Lange (SPD): Zunächst einmal empfand ich es als beeindruckend, welche wichtige Arbeit Sie leisten. Gerade angesichts von Millionen Analphabeten in der Bundesrepublik ­ die Dunkelziffer einbezogen ­ glaube ich, dass es unverzichtbar ist, diese Arbeit noch auszuweiten. Aber nichtsdestotrotz ist mir aufgefallen, dass das Literarische Colloquium und das Literaturhaus      Berlin im Jahr 2001 fast 600 000 a Personalkosten hatten. Wenn ich jetzt noch das Literaturforum und die "LiteraturWERKstatt" hinzunehme, dann komme ich auf über eine Million a. Ich bin der Meinung, dass dabei der Gedanke an Kooperation erlaubt sein muss oder sogar sehr dringend ist. Angesichts dieser hohen Summe muss es möglich sein, in der Verwaltung, also außerhalb der künstlerischen Arbeit zusammenzuarbeiten. Gerade dann, wenn wir das Haus in der Fasanenstraße erhalten wollen, darf das kein Tabu sein.

 

Sie haben außerdem viel über Drittmittel gesprochen. So wie ich das bisher verstanden habe, handelt es sich dabei um öffentliche Gelder. Meine Frage lautet: Inwieweit werden Sie von Sponsoren oder Mäzenen unterstützt? Wir alle wissen, dass das heutzutage sehr schwierig ist und immer schwieriger wird. Aber angesichts dessen, dass die Gelder im nächsten Jahr und in 2004 wahrscheinlich noch weniger werden, ist es wichtig, dass man sich auch mit dieser Frage beschäftigt.

 

Frau Vors. Ströver: Danke schön! ­ Ich schlage vor, dass wir zunächst den Senator hören, denn dann können Sie nämlich auch schon ein Stück auf die Ausführungen des Senators und unsere Fragen Stellung nehmen. ­ Bitte, Herr Senator!

 

Sen Dr. Flierl (WissKult): Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar, dass wir heute in dieser Ausführlichkeit über die Situation der Literatur in Berlin diskutieren können. Wir alle haben aber das Problem, dass die Situation der Literatur sehr viel komplexer ist, als es sich nur durch die Arbeit der hier Anzuhörenden darstellt. Dennoch soll Ihre Arbeit im Mittelpunkt stehen, denn wir haben Sie angehört, und Sie sollen ­ im Hinblick auf Ihre Arbeit ­ auf die gestellten Fragen eingehen. Aber es ist richtig ­ da will ich Frau Meister und andere Kolleginnen und Kollegen unterstützen ­, zu sagen, dass Literatur in Berlin mehr ist. Wir müssten die Akademie der Künste, die Medien und auch den privaten Bereich mit einbeziehen. Insofern relativiert sich vielleicht auch die recht dramatische Feststellung, dass Literaturförderung in Berlin nur stiefmütterlich behandelt wird. Seit Jahren haben wir einen konstanten Ansatz von etwa 5,1 Millionen DM ­ jetzt 2,5 Millionen a ­, der von ca. 2 Millionen DM bzw. 1 Million a aus Hauptstadtkulturfonds und Lottomitteln ergänzt wird.

 

Wir kommen wieder auf das alte Problem vom Beginn dieser Sitzung zurück, wie sich die unterschiedlichen Fördersystematiken zukünftig sinnvoll verzahnen. Zur Ehrenrettung der Kulturverwaltung will ich sagen, dass die Kulturverwaltung im Einvernehmen mit den projektstellenden Institutionen seit Jahren diese Projektanträge tatkräftig befördert und unterstützt. Ohne das Votum der Kulturverwaltung hätten diese Gremien keine Unterstützung erlangt ­ einschließlich des letzten Entschlusses zu den "Märchentagen" durch den Lottobeirat.

 

Trotzdem haben Sie Recht ­ [Zuruf der Frau Abg. Grütters (CDU)] ­, wenn hier insbesondere ein weiterer Grund ­ ­ Da stimme ich Ihnen völlig zu, Frau Grütters, Lotto für Kultur zu erhalten, aber umso besser, wenn es auch sinnvoll verzahnt wird. Wie das sinnvoll geht, können wir bei einer anderen Gelegenheit erörtern. ­ Ich will deutlich sagen, dass ich keinerlei Möglichkeit sehe, im Literaturbereit ­ im engeren Sinn der Fördersystematik ­ weitere Einsparungen vorzunehmen. Vielmehr muss es darauf ankommen, die Richtlinien unserer Koalitionsvereinbarung umzusetzen und zu mehrjährigen Zuschüssen zu kommen.

 

Das, was hier fälschlich mit "Kameralistik" bezeichnet worden ist, ist keine Kameralistik, weil Kameralistik hieße, dass der Staat alle Ausgaben trägt und alle Einnahmen erhält, und genau das findet nicht statt. Sie haben nur einen einjährigen Zuschussvertrag, einen Zuwendungsbescheid. Aber wir  müssten zu mehrjährige Zuschussverträgen kommen, die Verpflichtungsermächtigungen zur Folge hätten, mit der Übertragbarkeit und der Aufhebung der Jährlichkeit der Zuwendungen sowie der Bewirtschaftung der Mittel. Das hieße, dass wir im Parlament eine Mehrheit für ein solches Konzept finden, das Verpflichtungsermächtigungen ­ über den geltenden Doppelhaushalt hinaus ­ sicherstellt. Das ist ein relativ dicker Brocken, den wir anpacken müssen. Aber wir haben es uns in der Koalitionsvereinbarung so vorgenommen, und das sollte auch für die Jahre 2004 ff. anvisiert werden. Sie werden natürlich schnell sehen, dass wir dann auch eine harte Diskussion darüber haben werden, ob das nur um den Preis von Einschränkungen möglich ist. Ich sage: Für den Literaturbereich nicht, aber vielleicht für den Kulturbereich insgesamt. Aber dann werden wir auch wieder in diesem Gremium sitzen, um diese Proportionen zu besprechen.

 

Das, was Sie jetzt leider nicht sehen können ­ ­ Das hat jedoch nicht an unserem Haus gelegen, dass Sie, sehr verehrte Frau Vorsitzende, dieses Dokument offiziell noch nicht haben. Es hat unser Haus verlassen ­ ­ [Frau Vors. Ströver: Auch nicht inoffiziell!] ­ Die Frau Vorsitzende bekommt es vielleicht inoffiziell. Es gibt noch keine abgestimmte Liste, und deswegen ist das vielleicht als vorläufig zu betrachten. ­ Tatsächlich gibt es durchaus Differenzen zwischen den Institutionen. Das ist einerseits ihre Stärke. Die Vielfalt ist gewachsen, und es gibt unterschiedliche Ambitionen, Stärken, Orientierungen und Profile, aber es gibt durchaus auch unterschiedliche, gewachsene interne Strukturen. Frau Lange hat ­ in Kenntnis der Zahlen ­ schon darauf hingewiesen, dass sich das Verhältnis von Programmmitteln zu Personalkosten sehr unterschiedlich darstellt. Dabei sollte, Frau Meister, nicht der private Bereich herangezogen werden, sondern es sollte schon eine kompetente und qualifizierte, öffentlich geförderte Literaturvermittlung sein.    


 



Dennoch gibt es da erhebliche Unterschiede. Ich spreche einmal ein Tabu-Thema an: Das Literaturforum im Brecht-Haus ist das einzige Literaturhaus, das sich von den BAT-Verträgen verabschiedet hat und in großer Souveränität und Flexibilität ­ die studentischen Hilfskräfte waren angesprochen, andere sollten verstärkt dazukommen ­ die Möglichkeit nutzt, mit den vorhandenen Mitteln umzugehen und damit proportional das beste Verhältnis zwischen Personalkosten und Programmmitteln zu erreichen. Andere sind sehr viel aktiver in der Akquirierung von so genannten Drittmitteln. Das liegt an ihrer institutionellen Verkoppelung, also etwa das Literarische Colloquium mit seinen traditionell gewachsenen Beziehungen als Ort von Artist-in-Residence oder dem Übersetzungsprogramm, den vielfältigen Kontakten mit dem Auswärtigen Amt, dem DAAD, oder auch das sehr konzeptionell getragene Programm von Thomas Wohlfahrt, das auch ­ er hat das dargestellt ­ viele Drittmittel akquiriert.

 

Diese sehr unterschiedlichen Strukturen müssen wir berücksichtigen. Deswegen haben wir auch diese Verwaltungskooperation zwischen Literarischem Colloquium und Literaturhaus angeregt. Da ist inzwischen einiges in Gang gekommen, und ich hoffe, dass dies auch stärker zu einer inhaltlichen Abstimmung führt. Denn es ist mein ausdrücklicher Wunsch, dass der innerstädtische Literaturort "Literaturhaus" erhalten werden kann.

 

Ich bin Frau Lange dankbar für die Worte, dass es einer wirklich erkennbaren Profilierung bedarf und einer vielleicht besseren Abstimmung auch mit dem Literarischen Colloquium, so dass literarischer Produktionsort am Wannsee und Präsentationsort in der Stadt besser verknüpft werden könnten. Das können wir von Seiten des Senat alles nur anregen. Das Literaturhaus hat einen Trägerverein, in dem viele andere literarische Vereine Träger sind. Das Literaturhaus als gemeinsame Plattform der Träger in der Stadt wird sicherlich nach der Ära Wiesner, wenn ich das so respektvoll sagen darf, auch mit dem Profil in starker Orientierung auf die literarhistorischen Ausstellungen hier zu neuer Profilierung aufgerufen sein. Wir hoffen, dass diese Gespräche, die sie aufgenommen haben, weiterführen.

 

Noch ein Wort zur Kulturbrauerei, weil Frau Grütters das hier anfragte: Thomas Wohlfahrt hat natürlich den Ort der "LiteraturWERKstatt" in der Kulturbrauerei. Wir haben auf Basis Ihres bzw. Eures Antrages insgesamt 580 000 a aus dem Programm "Neue Länder", plus Lotto, freigemacht, um die Ansiedlung der "LiteraturWERKstatt" zu den damals verabredeten Bedingungen auf dem Areal der Kulturbrauerei sicherzustellen. Sicherlich wird die Nutzungsbedingung der anderen Räumlichkeiten zu diskutieren sein. Ich glaube, dass es nicht sinnvoll ist, den Raum selbst wieder zur Disposition zu stellen, und appelliere nachhaltig daran, dass jetzt erst einmal das vorgesehene Raumprogramm realisiert wird. Ich hoffe, dass wir das zusammen mit dem Bezirksamt Pankow auch umsetzen werden.

 

Wenn hier nach einer Konzeption gefragt wird, so bitte ich, das in aller Relativität, aber Berechtigung an uns ­ an mich ­ zu richten, denn wir verwalten hier nicht staatliche Kulturhäuser  ­Literaturhäuser ­, sondern es gibt eine staatsferne Struktur, die auch erhalten bleiben soll und muss, nämlich von Trägervereinen, die öffentlich bezuschusst werden, und zwar u. a. durch das Parlament mit den entsprechenden Erörterungen in den entsprechenden Ausschüssen, hier und im Unterausschuss Theater. Das heißt, was wir vorlegen, können nur Leitlinien und Grundsätze sein, die Sie dann auch mittragen müssen. Das wäre nach meiner Auffassung zunächst, die Vielfalt in Berlin zu erhalten, auch die gewachsene Struktur zu respektieren und fortzuentwickeln und Offenheit für Neues zu zeigen, wie es auch das Festival-Problem beinhaltet, wobei wir uns dann auch sehr klar über Kriterien unterhalten sollten. Ich sehe auch das Problem, dass die kontinuierliche Arbeit von qualifizierten Institutionen durch eine Festivalitis langfristig gefährdet wird, weil jeweils das Neueste das Beste und das Präsenteste zu sein scheint und man damit schon fragen soll, wieviel die Stadt Berlin an Festivalstruktur finanzieren soll. Damit wird man wieder auf das Problem Hauptstadtkulturfonds und vielleicht auch Bundesaußenkulturpolitik in Berlin zurückverwiesen. Nicht jedes internationale Festival muss von der Stadt getragen werden. Aber die städtischen Institutionen Berlins sollen sich international öffnen, und das haben sie in der Arbeit auch durchaus nachhaltig bewiesen.

 

Ein zweiter Gesichtspunkt wäre: Kooperation stärken! ­ Ich sprach schon von den mehrjährigen  Zuschüssen. Ich teile Ihre Auffassung, Herr Cramer, dass Kinder- und Jugendkulturpolitik verstärkte Aufmerksamkeit braucht. Dann brauchen wir aber auch Ihre Unterstützung bei der Kooperation ressortübergreifend. Ich möchte anregen, dass wir dann, wenn wir das Thema tatsächlich bereden wollen, das auch einmal zusammen mit dem Kollegen Böger hier in der Runde erörtern sollten und dann über die Ressorts hinweg. Es macht keinen Sinn, wenn wir über Kinder- und Jugendtheater, Kinder- und Jugendliteraturförderung oder andere Bereiche reden, dieses immer nur anzumahnen. ­ Sie wissen ja, wie Kommunikation in der Spitze abläuft. Besser ist, wenn es breiter gelagert ist. Ich wäre sehr offen dafür, das auch hier mit Ihnen zu bereden.

 

Frau Vors. Ströver: Schönen Dank! ­ Wir nehmen jetzt die umgekehrte Reihenfolge: Herr

Kersting, Sie haben als erstes das Wort!

 

Herr Kersting (Neue Gesellschaft für Literatur): Ich möchte als erstes auf Ihre Frage nach den fremdsprachigen Mitbürgern und Autoren eingehen. Wir haben in der neuen Gesellschaft für Literatur Arbeitsgruppen: Prosa, Lyrik, Kinder- und Jugendliteratur und internationale Autoren. Die treffen sich regelmäßig, besprechen ihre Manuskripte, ihre Werke, tauschen sich aus und veranstalten auch immer im Rahmen dieser AGs regelmäßig Lesungen. Das ist unser kleiner Beitrag für fremdsprachige Autoren und Mitbürger. Es ist auch eine Kontaktzelle. Das ist ganz wichtig für diese Leute, Kontakt auch zu deutschsprachigen Autoren aufzunehmen. ­ Das zu Ihrer Frage.

 

Herr Apelt hat gefragt: Was kann man machen außer "mehr Geld"? ­ Dazu kann ich nur sagen:  "Viel mehr Geld!" Das wäre es, Herr Apelt. ­ Das sollte ein kleiner Scherz sein. Natürlich müssen noch ganz andere Sachen gemacht werden. Wir müssen mit wirtschaftlichen Interessenvertretern noch viel stärker als vorher zusammenarbeiten. Wir versuchen das nach wie vor. Mehr können wir mit unserer kleinen Personalausstattung nicht machen.

 

Es ging vorhin die Frage an Frau Mähne, aber unsere Personalausstattung sieht so aus: Wir haben von unseren 110 000 a die Möglichkeit und die Zusprache vom Senat, 1 1/2 feste Stellen, die nicht BAT-gebunden sind, zu vergeben. Das können wir so machen. Von dem restlichen Geld müssen wir unsere Büromiete zahlen und unser Programm machen. Also, 1 1/2 feste Stellen sind nicht viel.

 

Natürlich sind bei den Riesenprojekten, die wir haben, sehr viel mehr Menschen involviert. Wir machen das mit Kräften vom Arbeitsamt, SAM-Stellen sind dabei. Das ist immer eine etwas mühselige Angelegenheit, wie Sie sicher wissen, und das geht auch immer nur für ein bis zwei Jahre. Wir haben auch Praktikanten. Das Problem wurde vorhin von der Kollegin vom Brecht-Haus auch schon angesprochen. Das ist schwierig, aber wir haben keine andere Wahl.

 

Durch unsere Akquise ist es uns möglich, einige Projektmitarbeiter bezahlen zu können. Aber das ist immer sehr schwierig. Sponsoren geben gerne Sachmittel und sagen: "Da geben wir Euch 10 000 a, und dann macht mal so und so!" Dass wir auch Personal brauchen, ist damit nicht abgesichert. Deshalb auch meine Bitte ­ wie Herr Brauer sagte, etwas verwegene Bitte ­ um die 300 000 a. Das soll dazu dienen, dass wir erst einmal Personal haben, um anfangen zu können. Den Rest, den macht das Personal schon, bei den Leuten, die wir haben, habe ich da überhaupt keine Bedenken.

 

Kooperation zum "Internationalen Literaturfestival" wurde erfragt. Wir haben im letzten Jahr beim ersten Festival im Rahmen dieses Festivals eine deutsch-polnische Werkstatt gemacht. Das war auch in Zusammenarbeit mit unserer "Werkstatt junger Autoren". Dieses Jahr haben wir nur zugeschaut. Wir arbeiten auch selbstverständlich mit der "LiteraturWERKstatt" zusammen ­ natürlich auch mit dem Literaturhaus und mit "LesArt" sowieso. Unter uns ist die Zusammenarbeit auf alle Fälle vorhanden. Das ist gar keine Frage. Wir als ortlose Organisation sind natürlich auch darauf angewiesen, und ich muss sagen, wir finden immer sehr viel Kooperation bei den Kollegen.

 

Als Letztes möchte ich noch darauf eingehen: Es ging um das Verhältnis Basisfinanzierung, Eigenanteil ­ wenn man Fremdmittel anwirbt. Herr Cramer, Sie fragten danach. Es ist so: Wenn ich einen Sponsor anspreche und sage ­ ­ [Cramer (Grüne): Bund und EU?] ­ Bund und EU! Zu dieser Frage möchte ich Ihnen gerne die Projektleiterin, Frau Silke Fischer, vorstellen, die speziell dafür da ist. Wäre es möglich, dass Frau Fischer ­ die Projektleiterin für die Märchentage ­ Ihnen das fachfraulich mitteilt und dazu zwei Sätze sagt?

 

Frau Vors. Ströver: Wenn es ganz kurz geht. Wir sind etwas fortgeschritten in der Zeit, daher müssen Sie es wirklich, Frau Fischer, in zwei Sätzen machen und definitiv nicht mehr.

 

Frau Fischer (Neue Gesellschaft für Literatur): Das mache ich gerne. ­ Noch einmal zu der Zusammenarbeit: "LesArt" ist bei den Märchentagen immer dabei. ­ Wir haben jetzt jeden dritten Freitag eines Monats eine Reihe für Märchen im Literaturhaus. ­ Wir haben auch im Brecht-Haus schon eine Veranstaltung zu Mythen gemacht. ­ Zu der Situation der Bibliotheken, von der Frau Mähne auch ein Lied singen kann: Durch die Zusammenlegung sind die Mittel drastisch gekürzt worden, und mit Hilfe der Berliner Märchentage ist das größte Stück der Bibliotheksveranstaltungen in diesem Jahr finanziert worden ­ durch Stiftungen, die wir angeschrieben haben, und durch Sponsoren, die uns Geld gegeben haben.

 

Eigentlich kann ich sagen, dass alle für dieses Märchenprojekt sehr offen sind. Es sind nicht nur alte Geschichten, die wieder neu erzählt werden, sondern es sind auch immer die zeitgenössischen Autoren, die mit eingebunden werden. Aber die erste Frage, die potentielle Sponsoren immer stellen, ist: Wieviel zahlt denn das Land Berlin dazu? Wir hatten letztens eine "blutige" Diskussion um die 30 000 DM aus dem Sonderprogramm gegen Gewalt, die für die Märchentage kommen. Das ist unser größtes Problem. Wir dachten auch, als ich sozusagen die Führerschaft über die Märchentage übernahm: "klein aber fein". ­ Das war unser Programm.

 

Wir haben in diesem Jahr, da wir russische Märchen und Geschichten vorstellen, natürlich auch mit den Infrastrukturen der russischen Leute, die mittlerweile in Berlin wohnen, gerechnet. Es sind 250 000, wie in den 20er Jahren. Wir haben ein Programm von 600 Veranstaltungen in 10 Tagen, natürlich mit unserem Zutun. Was wir eben auch fördern, sind Aktivitäten von Berliner Institutionen hier in Berlin, die zu uns kommen. Es ist also ein Programm, das wirklich zu diesem Thema die Vielfalt der Geschichten darlegt. Außerdem ist auch immer ein wissenschaftliches Symposium dabei oder eine Märchenfilmretrospektive und vieles mehr.

 

Dann haben wir auch immer zweisprachige Veranstaltungen für die ausländischen Mitbürger, die hier in Berlin leben, dabei. Außerdem haben wir jetzt schon über unseren Internetauftritt Anfragen: "Wir sind eine Schulklasse. Wir kommen zu den Berliner Märchentagen nach Berlin als Klassenausflug. Wo können wir denn hingehen?" Natürlich vermitteln wir das immer auch zu den Veranstaltungen der Institutionen, die sich bei uns am Programm mitbeteiligen.

 

Dass wir ein so großes Programm haben, aber kein Geld, kommt daher, dass die meisten Veranstaltungen, z. B. für die Schulklassen, kostenlos sind, damit die Schulklassen überhaupt noch geschlossen irgendwohin  gehen können. Es ist nicht nur "Heitideiti", sondern wir decken ­ ­ Deswegen danke ich auch dem Senator für die Anregung, dass sich die verschiedenen Senatsverwaltungen zusammensetzen müssen. Wir passen in keine Schublade. Wir passen weder nur zur Kultur, wir passen weder nur zur Wissenschaft, wir passen weder nur zur Schule. Sie sind alle in unserem Programm enthalten, was auch der Vorteil der Berliner Märchentage ist. ­ Das war es eigentlich. ­ [Zurufe] ­

 

Die Frage der Zuwendungen bezogen auf die EU: Im nächsten Jahr stellen wir Italien und Griechenland vor, mit dem schönen Projekt "Märchen, Mythen, Mittelmeer". Es soll sich an den Olympischen Spiele orientieren. Ein Schwerpunkt ist "Wettstreit" in jedweder kultureller Form. Wir arbeiten natürlich auch mit den Kulturinstituten hier in der Stadt zusammen, also mit dem griechischen Kulturinstitut, dem italienischen und auch mit den staatlichen Museen. Wir wollen zum Beispiel am Pergamonaltar beginnen und über Barock und Renaissance dann mit einem venezianischen Karneval im Kulturforum am Potsdamer Platz enden. Dafür werden Mittel bei der EU beantragt. Das geht aber nur in dem Maße, wie wir sie brauchen, wenn die Mittel hier in Berlin vorhanden sind. Wir haben auch schon mit dem Kulturministerium gesprochen.

 

Frau Vors. Ströver: Frau Fischer, bitte wirklich jetzt den letzten Satz! Sonst könnten wir einen eigenen Tagesordnungspunkt "Märchentage" machen, was absolut legitimiert ist. Es ist deutlich geworden: Jugendkulturförderung ist sowieso ein Gut.

 

Frau Fischer (Neue Gesellschaft für Literatur): Was Berlin gibt, das gibt auch der Bund adäquat. Und wenn Berlin nur 30 000 gibt, sagt die EU: "Da zahlen wir nicht 150 000 a." ­ Das war es!

 

Frau Vors. Ströver: Danke schön, Frau Fischer! ­ Herr Dr. Wohlfahrt, bitte schön!

 

Dr. Wohlfahrt (LiteraturWERKstatt Berlin): Ich versuche die Fragen zu sortieren ­ in "inhaltlich" und "strukturell". ­ Herr Senator! Wenn ich vorhin gesagt habe, dass man neu überlegen muss, dann hat das genau damit zu tun, dass wir uns natürlich schon auf dem Gelände der Kulturbrauerei sehen. Nur sehen wir uns auf Grund der veränderten Bedingungen und auf Grund dessen, was wir bisher erlebt haben, nämlich mehr als eine Verdoppelung des Publikums, in der Situation, dass der ursprünglich vorgesehene Raum zu klein ist. Wir sind deshalb an den Vermieter ­ also das Land ­ herangetreten mit dem Vorschlag, einen jetzt noch in dem Zustand "Ruine" befindlichen Raum dafür herzurichten. Dann hätten wir eine stabile Mittellage und kämen nicht bei jeder absehbar größeren Veranstaltung in die Verlegenheit, einen Raum anmieten zu müssen, den wir uns nicht leisten können, oder das Gelände zu verlassen, um die Veranstaltung irgendwo in der Stadt zu machen. Das ist der Hintergrund.

 

Vielleicht ganz kurz zu einigen inhaltlichen Momenten: Frau Dr. Tesch! Ihre Frage: künsteübergreifend? ­ Ja natürlich, bei jedem Festival nicht nur einer nichtdeutschen Literatur ist immer eine Kunst an der Wand, wenn wir denn wieder einen Raum oder einen Veranstaltungsort haben, die noch einmal einen anderen sinnlichen Eindruck aus dieser Kultur mitbringt oder aber Berliner Künstler zu einem solchen Thema zeigt. Wir arbeiten kunstübergreifend und medienübergreifend. Das ist unser grundlegender Ansatz. Wir haben Sachen gemacht wie "Text/Tanz", mit Riesenerfolg, wo sozusagen der Rhythmus von Text Tanz auslöst. Gerade heute wird eine Ausstellung eröffnet, Schirmherrschaft Yoko Tawada. Das haben wir zusammen mit der GTZ gemacht ­ "Imagine". Rings um die Welt haben Kinder und Jugendliche an einem Tag zur gleichen Stunde ihre Welt fotografiert. Das sind tolle Geschichten, die sich da ergeben. Seien Sie herzlich eingeladen: 17 Uhr in der Kulturbrauerei. ­ Die Frau des Bundespräsidenten ist auch zugegen, und zwar ist sie für die UNICEF da.

 

Einige Kollegen von Ihnen hatten mich im Vorfeld auch angerufen. Wir könnten uns jetzt hier eigentlich viele Sachen verkneifen, weil sie bekannt sind, wenn es denn so wäre, dass Sie unsere Veranstaltungen gelegentlich auch besuchen. Diese Anmerkung bitte ich als Anregung zu verstehen. Wir haben im Moment mehr Bundespolitik und Bundesverwaltung bei uns zu Gast als Berliner Kulturausschuss oder Berliner Politik. Ich bitte das wirklich als eine nachdrückliche Einladung zu verstehen. Kommen Sie und schauen Sie! Vielleicht staunen Sie dann auch, oder diskutieren kritisch mit uns.

 

Internationalität: Alles andere führt zur Provinzialisierung. Literatur als Kunst hat es an der Stelle ganz besonders schwer, weil zwischen Sprache und Sprache der Übersetzer benötigt wird. Dass einige Institutionen hier in der Stadt dafür sorgen, dass mehr Internationalität hereinkommt, ist wichtig, weil es in unsere Sprachlandschaft kommt und dann auch zur Verfügung steht und mehr oder weniger erfolgreich zu Literaturzeitschriften, zu Verlagen weitergeleitet wird. Das geht nicht sofort, aber über den steten Tropfen erscheint dann das neue Buch.

 

Zu den strukturellen Angelegenheiten: Frau Meister! Sie haben verschiedene Dinge hinterfragt. Bei der Literatur ist es grundsätzlich nicht anders ­ ­ Sie fragten ja nach Personalkosten und Verhältnis usw. Alle Einrichtungen, die hier sind, sind mehr, in dem was sie tun, als ihr Programm, das nach außen geht, ausweist. Bei der Literatur hat man es grundsätzlich mit nichts anderem zu tun  als bei jeder anderen Kunst auch. Es gibt ganz einfach einen gewissen Humus. Es gibt glücklicherweise auch eine in dieser Stadt stark ausgeprägte freie Szene, die sich in Kellern und in diversen Clubs trifft. Dort werden Texte ausprobiert, vorgestellt, selten gelingt etwas oder häufig gelingt etwas nicht. Aber dass es das gibt ist natürlich ganz wichtig. Ich darf Ihnen berichten, dass ein Autor, der lange in den Kellern gearbeitet hat, zur Chaussee der Enthusiasten gehört, den "Open Mike" vor zwei Jahren gewann und mittlerweile sein zweites Buch vorgelegt hat. Das heißt, wir sind eher Transmissionsstellen.

 

Eines sei dann auch gesagt, und das gilt auch in jeder anderen Kunst: Bei all der Vielfalt und diesem "anything goes", mit dem alle Künste konfrontiert und auch geplagt sind, muss es natürlich irgendwo auch ästhetische Instanzen oder Institutionen geben, die eine Latte in dieses "anything goes" legen und ästhetische Maßstäbe, die sehr schwammig und schwer zu beschreiben, aber wichtig sind, hochhalten. Ich bin sehr froh, dass die Medien das aufgreifen und wahrscheinlich zu ihrem Herbstthema machen werden, was bei uns längst klar ist, nämlich das Ende dieser Popkultur. Und ich sage Ihnen auch: Das ist gut für junge Autoren. Seit Mitte der 90er Jahre waren wir doch häufig damit konfrontiert, dass, wenn ein Autor einen Satz einigermaßen vernünftig zu Ende brachte ­ ich übertreibe maßlos ­, er via Agent möglichst in die Verlage ging, und er wurde über die Öffentlichkeitsabteilung hochgepuscht. Es wurde ein Stern, daraus ein Sternchen, und weg war er, oder sie. Das ist also nicht nur traurig für denjenigen, den es getroffen hat, sondern das ist auch nicht das, worum es eigentlich geht. Dieser Medien-Hype ist, so scheint es mir, zu Ende gekommen. Es wird zusehend schwerer, Junge und Debütanten unterzubekommen. Somit werden wir immer wichtiger.

 

Dasselbe gilt ­ daran sei erinnert ­, dass wir einen unglaublichen Ausdifferenzierungsprozess im Bereich der Literatur haben, der medial gesteuert ist. Das Buch ist, wie gesagt, noch noch ein Format ­ ein wichtiges und wesentliches. Es wird auch bleiben. Aber es gibt längst andere Dinge, die über andere Formate dargestellt werden und nur in diesen Formaten existieren, bis hin zur Medienkunst, um die wir uns bemühen, die aber mit den Budgets nur schwer darstellbar sind. Das ist immer mit zu bedenken, wenn Sie uns die kleine Buchhandlung entgegenhalten.

 

Eines sei bitte auch noch gesagt: Niemand versteht sich hier als die Verlängerung der Öffentlichkeitsabteilung von Verlagen. Das brauchen wir nicht, und dafür gibt es in Berlin ein Instrument, nämlich den Buchhändlerkeller, der sich genau darum kümmert, sondern hier ­ jedenfalls kann ich das für uns sagen ­ geht es sicherlich um Qualität, es geht um Debatten, es geht um die Auseinandersetzung mit Literatur aus aller Welt. 55 % ­ das sei an Herrn Sayan noch gesagt ­ unseres Programms sind internationaler Natur, also nicht deutschsprachig. Wir wenden uns mit diesen speziellen Programmen natürlich an die Ausländerinnen und Ausländer, die in dieser Stadt leben, genauso wie an die Deutschen. Um diese Vermengung geht es.

 

Noch zu einem Punkt, der angesprochen wurde: "Internationales Literaturfestival Berlin" und "Berliner Sommerfest der Literaturen". ­ Das "Berliner Sommerfest der Literaturen" veranstalten wir gemeinsam mit dem Buchhändler- und Verlegerverband, der darüber ein neues Element in die Stadt gebracht hat, nämlich das Bücherfest. Wir machen die Dinge in unserem Teil des "Berliner Sommerfest der Literaturen" nicht, die wir das ganze Jahr über machen, nämlich das Vorstellen deutscher und nichtdeutscher Autorinnen und Autoren, wie auch immer sortiert. Das ist unser Jahresprogramm. Der Festivalanteil geht weit über das hinaus und beschäftigt sich konkret mit diesen Dingen ­ und nur dafür kann man eben auch Mittel akquirieren ­, die im Formatbuch kaum noch dargestellt werden. Wir hatten in diesem Sommer als Schwerpunkt Poesie. Ich habe Ihnen die Pressedokumentation für das "Berliner Sommerfest der Literaturen" mitgebracht, weil ich mit der Frage gerechnet habe und auch weiß, wie schnell man gewisse Medienereignisse vergessen hat. Das ist nur das, was in den Printmedien erschienen ist, die ganzen Hör- und TV-Beiträge sind selbstverständlich nicht dabei. ­ Bei diesem Festival hatten wir elfeinhalb Tausend Besucher für den Schwerpunkt Poesie.

 

Wenn Sie mich nach dem "Internationalen Literaturfestival" fragen, das gerade zu Ende gegangen ist: Es stört nicht. Aber wir werden unser Programm nicht noch einmal wiederholen ­ das, was wir das ganze Jahr über machen. Während der Zeit des "Internationalen Literaturfestival" hatten wir drei Veranstaltungen, international besetzt, im eigenen Haus ­ bestens besucht. Also, es gibt da nichts, was stört, es wird nichts behindert. Ich finde es als eine Verstärkung. Zwei Festivals können nebeneinander durchaus existieren.

 

Die Personalkosten liegen bei uns im Moment im Gesamtetat bei 56 %. Dass sie nach oben gegangen sind, hat damit zu tun, dass die Mittel durch Nicht-Mitsteigerung usw. abgesenkt wurden. ­ Dabei belasse ich es einmal und stehe weiteren Fragen natürlich zur Verfügung.

 

Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Herr Dr. Wohlfahrt! ­ Herr Wiesner!

 

Dr. Wiesner (Literaturhaus Berlin e. V.): Ich greife einmal das Stichwort "Dornröschen" auf, Frau Grütters, und mache darauf aufmerksam, dass unser Haus auf verschiedenen Ebenen genutzt wird. Das heißt, es wird genutzt durch unser eigenes Programm, es wird genutzt durch die Mitglieder des Trägervereins, es wird kommerziell genutzt, und es wird durch freie Gruppen genutzt. Dadurch kommt es zu Stande, dass wir oft zwei bis drei Veranstaltungen pro Tag im Haus haben. Das sieht doch nicht so sehr nach Dornröschen aus.

 

 Zum Inhaltlichen will ich sagen, es tut mir leid, wenn das nicht so angekommen sein sollte: Wir sind nach unserem Selbstverständnis nicht in erster Linie das Haus für die Förderung von Anfängern. Wir entdecken große Literatur, vor allen Dingen aus dem Ausland. Wir laden nach Qualitätsvorstellungen ein. Wir messen dies ­ Frau Ströver, Ihre Frage nach den toten Autoren ­ auch immer an der älteren Literatur. Daher unser Interesse an Ausstellungen. Wir haben zwar im Moment eine Ausstellung über einen lebenden Autor, über Ror Wolf, der auch ein großer bildender Künstler ist, aber im allgemeinen sollte man Literaturausstellungen nicht über lebende Autoren machen ­ aus naheliegenden Gründen, weil man da immer in Konflikte kommt. Man sollte abgeschlossene Werke vorstellen und sich nicht mit dem Autor auseinander setzen müssen, ob man die schlechte Kritik oder seine privaten Briefe auch zeigen darf.

 

Gleichwohl hindert uns das nicht, z. B. mit dem Serner-Preis, den wir zusammen mit

SFB-RadioKultur vergeben, Autoren zu entdecken, wie etwa David Wagner, der plötzlich da war und den man damals, als er den Preis bei uns bekam, noch gar nicht kannte. Dann wurde er plötzlich zum Star der Berliner Seiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Solche Vorgänge gibt es natürlich auch. Oder der von Ulli Janetzki genannte Wladimir Sorokin, der jetzt dankenswerterweise, weil das Literarische Colloquium über solche Möglichkeiten verfügt, dort wohnen kann: Gelesen hat er selbstverständlich ganz früh schon bei uns, als ich der Meinung war: Das ist große Literatur. ­  Und ich freue mich, ihn jetzt als Gast wieder in der Stadt sehen zu können. Wir haben diese Möglichkeiten in unserem Haus nicht. Wir haben nur zwei Appartements, die für die Gäste sind, die ständig sozusagen in unseren Programmen durchlaufen.


 



Die Flaneure ­ falls es sie überhaupt noch gibt ­ holen wir uns natürlich schon von der Straße, denn sonst wären solche Ausstellungen sinnlos. In der Tat kommt die Kerngruppe zur Eröffnung und ist damit bedient. Der Rest heißt Werbung, die wir auch außen am Haus haben, und es gilt, immer wieder die Leute aufmerksam zu machen, die vorbeilaufen ­ das ist der Vorteil unserer Lage ­, dann die großen Plakate sehen und hineinkommen. Aber das heißt auch, dass wir in allen literarischen Bereichen immer noch mehr Geld für Werbung haben müssen. Ich darf wohl für alle Kollegen sagen, dass wir uns sehr anstrengen und vieles möglich machen, aber wir bräuchten immer noch mehr Geld, um das öffentlich zu machen.

 

Ich bin nach der Personalsituation gefragt worden: Dazu muss ich sagen, dass, als wir gegründet wurden, die Personalsituation mit fünf fest Angestellten ­ eingebunden in den BAT ­ von der Kulturverwaltung so gewollt war. Wir werden uns davon verabschieden müssen ­ wir arbeiten daran. Aber das ist nicht ein Hybris gewesen, die das "Literaturhaus" selbst erfunden hat, sondern das ist in glücklicheren Zeiten von der Kulturverwaltung so gewollt gewesen. Wir haben ­ um es konkret zu sagen ­ einen Hausmeister, eine teilzeitbeschäftigte Sekretärin, und wir haben zurzeit keine Sachbearbeiterin und Buchhalterin. Es läuft eine Ausschreibung für eine verminderte Stelle, und wir werden outsourcen.

 

Allerdings haben wir zwei Personen für das Programm, nämlich meinen Stellvertreter, Ernest Wichner, und mich, und davon werden wir uns auf Dauer auch verabschieden müssen. Denn wahrscheinlich wird das mit diesen zwei Stellen nicht mehr gehen. Wenn ich gegangen bin, dann werden wir das Experiment machen und ausprobieren, ob das Ernest Wichner als kommissarischer Leiter in einem Jahr schultern kann, und wir werden sehen, ob das gelingt und ob er das tatsächlich mit Hilfe von Projektmitarbeitern schafft. Aus diesen Erfahrungen müssen dann Schlüsse für die neue Ausschreibung gezogen werden, und man muss sehen, wie es mit einer Leitungsperson und einem Umkreis von Mitarbeitern weitergeht. Dabei muss die Frage einkalkuliert werden, ob das dann tatsächlich auch billiger wird.

 

Die Gespräche über die Kooperation werden geführt, und wir müssen sehen, ob uns das gelingt. Viel leichter zeichnet sich bisher eine inhaltliche Kooperation ab als eine Verwaltungskooperation. Bei allen Überlegungen über Verwaltungskooperationen sollten wir aufpassen, dass wir Programme nicht gleichschalten, sondern dass wir Differenzierungen erhalten. Das ist, glaube ich, in unser aller Sinn.

 

Frau Vors. Ströver : Vielen Dank, Herr Wiesner! ­ Bitte, Frau Hörnigk!

 

Frau Dr. Hörnigk (Literaturforum im Brecht-Haus): Ich freue mich riesig über die Mitteilung, dass keine neuen Einsparungen geplant sind und dass vielleicht sogar mehrjährige Zuwendungsverträge ins Auge gefasst werden. Das verschafft doch eine Sicherheit ­ auch eine Sicherheit in empfundenen Krisenmomenten, nämlich diese Krise als Chance zu nutzen. Die Bewältigung der Situation, vor der wir seit 1998 gestanden haben, ist uns gelungen, allerdings dem Umstand Rechnung tragend, dass die traditionellen Literaturhaus-Veranstaltungsformen wie Lesungen und Buchvorstellungen von Institutionen in dieser Stadt ausgerichtet werden, die viel opulentere finanzielle Möglichkeiten haben als wir. Dadurch sind wir gezwungen worden ­ nicht nur aus eigenem Antrieb, denn man verabschiedet sich nicht so leicht von solchen schönen, traditionellen Dingen ­, neue Säulen der Programme zu erfinden, und das mit einem großen Gewinn. Jede einzelne Institution hat andere Wege beschritten und Lösungen gefunden, was der Stadt außerordentlich gut tut.

 

Die Einbeziehung der anderen Künste findet doch sicherlich überall statt, und zwar bei uns in der Form, dass wir veranstaltungsbegleitende Ausstellungen machen, die alle vier bis sechs Wochen wechseln. Wir finden viele bildende Künstler, die großen Spaß daran haben, für nicht so sehr viel Geld, das wir nur für die technischen Einrichtungen dieser Ausstellungen zur Verfügung stellen können,  dort auszustellen, weil sie durchaus merken, dass bei vielen Besuchern des Hauses und einem vollen Programm viele Leute diese Bilder sehen und dadurch auch Interesse daran haben, in Gespräche zu kommen. Und genauso haben auch Autoren ­ von Judith Hermann bis Christa Wolf, von Ambros Waibel bis Erich Loest oder Rühmkort ­ durchaus ein Interesse ­ nicht nur für Spitzengelder, die wir gar nicht bieten können ­ daran, zu uns in die Häuser zu kommen, weil es sie interessiert, auf Tuchfühlung mit ihren Lesern zu sitzen und zu diskutieren und sich nicht nur in wunderbaren Umgebungen als Autoren oder Dichter zu präsentieren, sondern durchaus das Gespräch mit dem Publikum suchen. Das ist unser Pfund, mit dem wir wuchern können, und das tun wir auch.

 

Die Frage ist gut: Warum gehen wir nicht in die Schulen? ­ Natürlich gehört auch Brecht zu unserem Pfund ­ das habe ich mir jetzt erspart ­, mit all den Dingen, die wir um ihn herum veranstalten, und zwar mit einem großen, auch internationalen Erfolg. Aber wir haben vor zwei Jahren die Brecht-Tage, die jedes Jahr stattfinden, unter das Motto gestellt: "jungle b. ­ 14 Arten mit Brecht umzugehen" ­ das ist ein Eissler-Titel. Wir haben uns explizit an die Schulen, Universitäten und junge Autoren gewandt und wunderbare Ergebnisse erzielt, indem nämlich Schulen Inszenierungen extra gemacht und vorgestellt haben. Das haben wir natürlich nur in Kooperation mit Theatern geschafft, denn wir verfügen gar nicht über die Räume dazu. Das Problem ist jedoch, dass wir vier Leute es nicht schaffen, das als ständige Einrichtung zu prolongieren, sondern wir bieten ein Jour fix an: Jeden dritten Mittwoch im Monat bieten wir unsere Räume an. Das reduziert sich häuptsächlich auf mich: Vorträge über Brecht und um Brecht herum. ­ Das wird von den Schulen ganz gut genutzt. Zu dem, was ich sonst mache, schaffe ich es nicht ­ das ist aber kein Grund zum Stöhnen ­, auch noch in die Schulen zu gehen, sondern das geht ­ leider ­ nur anders herum. Wenn wir einmal Geld übrig haben und noch Leute "anmieten" können, die das mit erledigen, dann werden wir das gern tun.

 

Ich halte es für wichtig, dass wir uns an den Events beteiligen. Das Literaturforum hat das, und zwar in Kooperation mit dem PEN-Zentrum getan, denn allein schaffen wir das nicht, und es ist auch die Idee, dass man sich dort vernetzt. Wir haben mit dem  PEN-Zentrum in den vergangenen beiden Sommern anlässlich des Literaturfestivals "Writers-in-Exile" Veranstaltungen durchgeführt, die sehr gut besucht waren und ein großes Echo fanden. Das ist für uns eine bescheidene Möglichkeit, uns daran zu beteiligen. Das hat auch seine Berechtigung, aber ich finde, dass unsere Arbeit, die wir tagtäglich leisten, und die Kontinuität, die wir bieten, dass Leute genau wissen, dort gibt es das und das, und deshalb gehe ich da und dort hin, sehr wichtig sind.

 

Einer der größten Erfolge, die wir haben, sind unsere Sommerprogramme. Wir führen Ende Juli und Ende August eine jeweils thematisch orientierte "Sommerwoche" durch, die eine ganze Woche dauert. Dabei haben wir das Problem, dass unser Saal dabei ständig aus den Nähten platzt, weil wir ­ wenn wir alles übereinander stellen ­, nur 120 Plätze schaffen können. Aber so etwas wie der 90. Geburtstag von Strittmatter lockt die Leute an, und im Sommer, wenn nicht so viel los ist, dann bildet sich eine Lücke, wo so etwas zu machen ist, und dann findet natürlich auch "Erbe" und alles Mögliche statt. Also, das ist ­ um wieder an den Anfang, nämlich Krise als Chance zu nutzen, zurückzukommen ­ etwas Vernünftiges. ­ Danke!

 

Frau Vors. Ströver: Vielen Dank! ­ Ein Blick auf die Uhr und die strafenden Blicke der Kollegen mahnen mich leider, Sie, Frau Mähne und Herr Janetzki, zu mahnen, sich sehr kurz zu fassen. Aber ich meine, dass wir Ihnen schon noch die Gelegenheit geben müssen, kurz und knapp zu antworten.

 

Frau Mähne (Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur ­ LesArt): Frau Ströver! Herr   Senator! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir sind es gewöhnt, dass es schnell und kurz und klein gehen soll, was die Kinderliteratur betrifft. Deshalb konzentriere ich mich auf das, was mir besonders wichtig ist: Herr Senator, ich möchte Sie ermutigen und Sie alle bitten: Schaffen Sie die Möglichkeit ­ gemeinsam mit den Kollegen und Kolleginnen aus dem Bildungsausschuss ­, das zu tun, worum es uns geht und was Frau Dr. Tesch nachgefragt hat, nämlich sich mit Künstlern und Menschen aus dem Kulturbereich zusammenzusetzen, bevor der Ganztagsbetreuungsbetrieb anfängt, um gemeinsam mit Schule die Ganztagsschule schaffen zu können. Dort liegt nämlich Kompetenz, ansonsten würde es sehr viel mehr kosten, wenn wir das nicht tun. ­ Das war mir am Wichtigsten.

 

Jetzt kann ich noch durchrattern, dass wir dreieinhalb Stellen und eine Fläche von 300 qm haben. Da schließt sich eine Vermietung aus. Unsere Räume sind sehr klein; der größte Raum hat 35 qm. Insofern gibt es keine Vermietung, die eine kommerzielle Größenordnung haben könnte.

 

Wichtig wäre mir noch, an dieser Stelle zu sagen: Wenn wir es schaffen könnten, Bildung und Kultur beratend an einen Tisch zu bringen, dann gilt das auch für die Förderstrukturen. Wir müssen endlich erreichen, dass ich nicht überall bei den Kulturstiftungen "rausfliege", weil "Bildung" nicht in der Satzung steht und die Argumentation dann immer lautet: "Das gehört doch ins Haus Böger." ­ Und gehe ich ins Haus Böger, dann bekomme ich gesagt: "Sie sind doch eine Kultureinrichtung." ­ Ich denke, dass da ein strukturelles Problem besteht, das schwerwiegende inhaltliche Auswirkungen haben kann, wenn wir nicht gemeinsam aufpassen.

 

Frau Vors. Ströver: Danke schön! ­ Bitte, Herr Janetzki!

 

Dr. Janetzki (Literarisches Colloquium Berlin e. V.): Ich fasse mich auch kurz. Aber ich habe noch gar nicht weiter über das LCB gesprochen. Bitte, versprechen Sie mir, dass Sie in das Profilpapier schauen, denn dann kann ich mir das alles ersparen!

 

Aber kurz zu Frau Lange: Der Personaletat ist kein Wert an sich und muss in der Relation den Vergleich mit anderen aushalten. Und was mein Haus betrifft, so sind Mittel in Höhe von 2,2 Millionen ­ umgesetzt 30 % Personaletat ­ in der Tat an der Kante. Nehmen wir einmal die Gelder, die fließen, raus. Nehmen wir einmal die ganzen Angelegenheiten wie Beratung. Wenn Sie zu mir  kommen mit einem Text ­ das kann ein Hörspiel, ein Kinderbuch oder was auch immer sein ­, dann bekommen Sie eine Beratung, die ganz lange dauert. Wir besorgen dieses Geschäft bis hin zur Inverlagnahme. Sicherlich gibt es auch Agenten, und auch da raten wir Ihnen, zu wem Sie gehen können und ob Sie überhaupt zu einem Agenten gehen sollen. Wenn ein Herr Kinkel oder jetzt ein Herr Fischer ich weiß nicht wohin fährt, dann gibt es ein Kulturabkommen, und dann gibt es auch einen Literaturaustausch, und wir werden gebeten, genau den Stand aufzuarbeiten, vorzubereiten und dergleichen mehr. Da ist dann noch kein Geld geflossen, aber sehr viel Arbeitszeit investiert worden. Meine Kollegen lesen nebenher und bekommen alle BAT IVa ­ und das sind Akademiker. Auch da sind wir an der Kante. Eine 50-Stunden-Woche ist kein Witz, sondern das ist die Normalität. Niemand beschwert sich, denn das gehört dazu. Es kommt bei mir nur komisch an, wenn man mir das so vorhält, als seien wir gut bedient und als würde es uns sehr gut gehen. Das ist in der Tat so nicht der Fall. Ich sehe da keine Einsparungsmöglichkeiten.

 

Die andere Sache ­ Festival: Meine Antwort darauf ist: Ich habe zum gleichen Zeitpunkt für 60 000  DM Neues für die Bühne beantragt ­ gemeinsam mit dem Maxim-Gorki-Theater. Das ist nicht gefördert worden. Ein Festival ist gefördertert worden, und das kostet den halben Jahresetat des Literarischen Colloquiums Berlin. In der Tat schadet dies nicht sehr, aber aus meiner Sicht hilft es im Grunde auch nicht.

 

Zu den Drittmitteln, die hier hineinfließen ­ das ist zum Schluss meine Bitte an den Kulturausschuss: Überlegen Sie, in welcher Größenordnung welche Drittmittel fließen und welche Dinge dafür besorgt werden! Das sind in der Regel Angelegenheiten des Bundes; diese Mittel fließen als Sachmittel und nicht als Personalkosten hinein. Das heißt, die Personalkosten, über die Sie auch im Kulturausschuss befinde, besorgen ­ ich schätze mal 2 Millionen DM oder vielleicht auch Euro, man müsste das einmal alles addieren. Das habe ich noch nicht getan. Das ist etwas, was in der Tat zu tun ist.

 

Wir besorgen die Förderung der Belletristik aus den Ländern Mittel- und Osteuropas, und das ist eine Riesensumme, die wir da verwalten. Wir besorgen Verlagsmetropolen, das heißt, die deutsche Literatur, die im Ausland viel zu wenig bekannt ist, gilt als verkopft, langweilig und dergleichen mehr, und dem muss abgeholfen werden. Wir haben eine lustige, tolle Literatur, und die gilt es vor Ort, in den Städten Mittel- und Osteuropas vorzustellen. Auch das ist unser Anliegen und wird in der Tat vom Bund finanziert ­ aber nicht die Personalkosten, die zahlen Sie.

 

Der Deutsche Übersetzerfonds und die Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften, das alles sind Dinge, die im Bundesinteresse in Berlin initiiert und beheimatet sind. Deren Arbeit geschieht in Berlin,und zwar mit Personalkosten, die Sie und nicht der Bund finanzieren. Das wäre eine Möglichkeit und vielleicht auch ein Ausweg aus einer schwierigen Situation, über die wir hier viel zu wenig gesprochen haben. Das nur als Hinweis ­ den dritten Punkt habe ich mir gestrichen. ­ Ich danke Ihnen!

 

Frau Vors. Ströver: Danke sehr! Zu Ihren letzten Ausführungen, Herr Janetzki, gäbe es viel zu sagen, aber das ersparen wir uns erst einmal. ­ Wir warten jetzt auf das offizielle Papier, und dann müssen wir über diese Fragen weiter diskutieren. Ich danke jedenfalls allen Anzuhörenden recht herzlich, dass Sie uns so ausführlich Rede und Antwort gestanden haben. Das war sehr erkenntnisreich, und nun werden wir sehen, wie sich welche Dinge in Zukunft umsetzen lassen. Es wäre gut, wenn Sie alle Zuwendungsverträge bekämen, aber das wünschen wir uns für viele Einrichtungen in dieser Stadt der Kultur.

 

Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunkts. Ich betrachte ihn für heute als durchaus erledigt. Wenn das Papier vorliegt, dann werden wir erneut darüber diskutieren ­ wie in den anderen Gremien auch.

 

Punkt 4 der Tagesordnung

 

 

Verschiedenes

 

 

Siehe Beschlussprotokoll.


 

 

 

Ausschuss-Kennung : Kultgcxzqsq