Mitteilung – zur Kenntnisnahme –

 

 

 

50. Jahrestag des 17. Juni 1953

 

 

Drucksachen 15/1069 und 15/1358

 

 

 

 

 

 

Der Senat legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor:

 

 

Das Abgeordnetenhaus hat in seiner Sitzung am 20. Februar 2003 folgenden Beschluss gefasst:

 

„Der Senat wird aufgefordert, anlässlich des diesjährigen fünf­zigsten Jubiläums den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in Berlin gebührend zu würdigen und die Erinnerung daran so zu verankern, dass dieses Ereignis für die heranwachsenden Generationen als wichtiges Datum jüngster deutscher und europäischer Geschichte begriffen wird.

 

Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 31.03.2003 zu berichten.“

 

Hierzu wird berichtet:

 

 

1.        Zum Hintergrund

 

In weiten Teilen der DDR kam es zwischen dem 17. und dem 21. Juni 1953 zu Streiks, Demonstrationen, Protesten und zur Verhängung des Ausnahmezustandes durch die Besatzungs­macht.

 

 

 


 


Im Sommer 2003 jährt sich der Aufstand vom 17. Juni zum fünfzigsten Mal. Er war eine der wenigen demokratischen Volksbewegungen der deutschen Geschichte und die erste Mas­senerhebung im Einflussbereich der Sowjet­union überhaupt. Der Aufstand vom 17. Juni 1953 steht am Anfang einer ganzen Reihe von Oppositions- und Freiheitsbewegungen in Mittel- und Osteuropa: Ungarnaufstand 1956, Prager Frühling 1968 über die Solidarnosc-Bewegung 1980/81 bis hin zur Friedlichen Re­volution in der DDR 1989/90 und dem Fall der Mauer, dem symbolischen Schlusspunkt.

 

Die Erhebung war Ausdruck der Sehnsucht nach besseren Arbeits- und Lebensbedingun­gen, nach Demokratie und freien Wahlen. Rasch entwickelte sich aus einem Lohnkampf, aus dem Aufstand von Berliner Bauarbeitern ein Volksaufstand.

 

Der 17. Juni – als Schlüsselereignis der Frei­heits- und Bürgerrechtsbewegungen – war so­mit ein wichtiger Baustein für die politisch-de­mokratischen und sozialen Grundlagen im heu­tigen Europa. Er hatte im Umfeld des Todes von Stalin und der daraus folgenden Transformati­onsprozesse weit reichende Folgen, wenngleich sich die im Verlauf der Ereignisse ausbildenden politischen Forderungen der Beteiligten erst mit der Wende im Jahr 1989 erfüllen sollten.

 

2.        Ziel des Senats

 

Es ist das Anliegen dieses Senats, zum 50. Jah­restag des 17. Juni 1953 nicht nur – wie in den vergangenen Jahren – der Opfer und ihrer An­liegen und Wirkungen würdig zu gedenken, sondern vor allem auch diesen Tag dem schlei­chenden Vergessen zu entreißen. Mit dem Fall der Mauer war das Hauptziel der Demonstran­ten von 1953 erreicht: Die Einheit der Deut­schen in Freiheit. Mit dem folgenden Wegfall des „Feiertages zum 17. Juni“ hat auch seine Wahrnehmung in der Bevölkerung abgenom­men. Insbesondere die jüngere Generation hat bei spontanen Umfragen Schwierigkeiten, An­lass, Inhalt und Auswirkungen dieses Tages zu beschreiben. Daraus folgt ein besonderer Auf­trag an die Träger der politischen Bildung, aber auch an die Politik und die Öffentlichkeit all­gemein.

 

So wird es denn zu den diesjährigen Feierlich­keiten zum 17. Juni neben dem politischen Fest­akt zum Gedenken der Opfer, einen umfängli­chen Katalog an Veranstaltungen in den unter­schiedlichsten zeitgeschichtlichen Institutionen geben. Diese Veranstaltungen werden begleitet von besonderen schul- und jugendspezifischen Projekten.

 

Selbstverständlich kann und wird der Senat nicht selbst Veranstalter all dieser Vorhaben sein. Die Erforschung und die Darstellung der Ereignisse und der Schlussfolgerungen ist Auf­gabe der hierfür gegründeten Institutionen und der freien Träger.

 

3.        Anregung und Koordinierung Berliner Aktivitä­ten zum Gedenken an den 17. Juni

 

Der Senat sah und sieht es aber als seine Auf­gabe an, zur Auseinandersetzung mit den Ereig­nissen vor 50 Jahren anzuregen und zu ermuti­gen. Der Senat hat sich frühzeitig dafür einge­setzt, dass die infrage kommenden Einrichtun­gen und Initiativen, die zum großen Teil auch für die Bearbeitung dieses Themas vom Land Berlin finanziert werden, den Anlass entspre­chend aufgreifen und thematisch besetzen. Um die Planungen zu koordinieren und den Projek­ten eine möglichst breite Wirkung zu verleihen, wurde von vorn herein eine enge Kooperation mit in Berlin ansässigen anderen, auch bundes­finanzierten Einrichtungen gesucht. Dies wurde im Rahmen regelmäßiger Besprechungen im so genannten AK II (ein von der Kulturverwaltung initiierter Arbeitskreis der Leiter zeitgeschicht­licher Einrichtungen zur Abstimmung von Ar­beits- und Projektschwerpunkten unter der Lei­tung des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR) seit September 2002 umgesetzt.

 

4.        Veranstaltungen zum 50. Jahrestag des 17. Juni

 

Bei den geplanten Veranstaltungen handelt es sich um drei verschiedene Typen:

 

Erstens geht es um die politisch protokollari­schen Akte auf Bundes- und Landesebene, an denen der Senat teilnimmt und die der Senat in Abstimmung mit den Organen des Bundes am Jahrestag selbst plant.

 

Der Schwerpunkt des Aufstandes am 16. und 17. Juni 1953 lag in Berlin. Der Senat sieht sich daher in einer besonderen Verantwortung, dem Gedenken an die Erhebung Ausdruck zu verlei­hen.

 

Vertreten durch den Regierenden Bürgermeister wird der Senat am 17. Juni 2003 an der von der Bundesregierung organisierten Kranzniederle­gung am Friedhof Seestraße sowie an der ge­meinsamen Gedenkveranstaltung des Bundesta­ges und des Bundesrates im Plenarsaal des Deutschen Bundestages teilnehmen, bei welcher der Bundespräsident die Hauptrede halten wird.

 

Der Regierende Bürgermeister lädt für den
Abend des 16. Juni 2003 zu einer öffentlichen Gedenkveranstaltung mit dem Titel „50 Jahre 17. Juni 1953 – Berlin erinnert sich“ ins Rote Rathaus ein. Mit der Dialogveranstaltung soll dem Gedenken eine zeitgemäße Form verliehen und die direkte Begegnung zwischen Akteuren des Aufstandes und Jugendlichen ermöglicht werden. Berliner Schülerinnen und Schüler werden Zeitzeugen, Journalisten und Historiker zum 17. Juni 1953 befragen und ihre eigene heutige Sicht auf den Aufstand der Bauarbeiter, der sich zu einer politischen Bewegung und zu einem Volksaufstand ausweitete, präsentieren. Mit Tonbandaufnahmen und Bildmaterial wird die Dramatik des Geschehens in Berlin vor 50 Jahren illustriert.

 

Zweitens geht es um Vorhaben, die für die Re­flektion der Ereignisse in der breiten Öffent­lichkeit von verschiedenen Veranstaltern vorbe­reitet werden.

 

Einige Beispiele dazu:

 

·         Gedenkmarsch und Kundgebung der Union der Opferverbände kommunistischer Ge­waltherrschaft e. V.

 

·         Tagungen und Ausstellungen der politi­schen Stiftungen

 

·         Theaterprojekt zur Langen Nacht des 17. Juni in der Gedenkstätte Berlin-Hohen­schönhausen

 

·         Lehrerfortbildungsveranstaltungen des Lan­desbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (LstU) und des Landesinstituts für Schule und Medien (LISUM)

 

·         Filmvorführungen (veranstaltet z. B. vom Deutschen Historischen Museum oder der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Dikta­tur)

 

·         Vorträge (z. B. „Der Aufstand des 17. Juni und die anschließende Strafverfolgung“ am 16. Juni 2003, veranstaltet von der Präsi­dentin des Kammergerichts und dem Präsi­denten des Oberverwaltungsgerichts)

 

·         Publikationen der Landeszentrale für politi­sche Bildungsarbeit, der Bundesbeauftrag­ten für die Unterlagen des Staatssicher­heitsdienstes der ehemaligen DDR (BstU), des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemali­gen DDR (LstU)

 

·         Herausgabe einer Gedenkbriefmarke zum 17. Juni, deren Präsentation am 16. Juni im Bundesfinanzministerium erfolgen soll.

 

Detailliertere Angaben finden sich in der Veran­staltungsübersicht für Berlin und Brandenburg (siehe Anlage).

 

Schließlich geht es drittens um solche Projekte, die speziell junge Menschen ansprechen sollen – sei es im Rahmen schulischer Veranstaltun­gen, der politischen Bildung oder von Angebo­ten zeitgeschichtlicher Einrichtungen und Insti­tutionen der Jugendbildung.

 

Ein zentrales Projekt ist der vom Senator für Bildung, Jugend und Sport ausgelobte landes­weite Schülerwettbewerb zum Thema „Der 17. Juni 1953 – Spuren suchen“, mit dem junge Menschen dazu angeregt werden, sich mit den Hintergründen des 17. Juni, dem Ereignis selbst und den Folgen auseinander zu setzen.

 

Das Thema 17. Juni wurde verbindlich in die Rahmenpläne aufgenommen und wird im Rah­men des regulären Unterrichts sowie in Einzel­vorhaben und Projektwochen behandelt. Eine Handreichung für die Berliner Schulen zum Thema 17. Juni hat das Landesinstitut für Schule und Medien in Kooperation mit dem Landesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit der ehemaligen DDR bereit ge­stellt. Die Landeszentrale für politische Bil­dungsarbeit hat im Zusammenhang mit dem Jahrestag des Volksaufstandes eine Publikation herausgege­ben (Thomas Flemming: „Der 17. Juni 1953“). Im Übrigen wird auf die Publika­tion der Landeszentrale zur Deutschen Einheit verwiesen, die ebenfalls der Auseinanderset­zung mit Hin­tergründen, Ereignissen und Fol­gen des 17. Juni dient.

 

5.        Weitere Hinweise zum Gedenken an den 17. Juni 1953 in Berlin

 

Außerdem finden in Berlin in den nächsten Mo­naten einige Veranstaltungen an Orten statt, die in besonderer Weise die Nachkriegsgeschichte und die besondere Lage Berlins an der Naht­stelle zwischen Ost und West während des Kalten Krieges reflektieren.

 

 


50 Jahre Notaufnahmelager Marienfelde

 

Die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Not­aufnahmelagers Marienfelde stehen in einem engen Zusammenhang mit den Veranstaltungen zum 17. Juni 1953 selbst. Die Veranstaltungen in Marienfelde, die durch Mittel des Landes und des Bundes finanziert werden, sind nicht nur auf den Jahrestag der Gründung des Notaufnahme­lagers bezogen. Sie würdigen auch die u. a. von den Wirkungen des 17. Junis ausgehende bzw. durch die Ereignisse verstärkte Fluchtbewegung aus der DDR und legen zugleich den Grund­stock für eine Institutionalisierung und Qualifi­zierung der Gedenkstättenarbeit des Trägerver­eins.

 

„Haus der Ministerien“: Denkmal und Aus­stellung

 

Einer der wichtigsten Orte des Geschehens am 17. Juni 1953 war die Leipziger Straße vor dem ehemaligen Haus der Ministerien (heute Bun­desministerium für Finanzen). Der Senat wird mit Hilfe von Informationstafeln die Geschichte des Denkmals zum 17. Juni 1953 vor dem ehe­maligen Haus der Ministerien erläutern.


Es wird angestrebt, die Ausstellung hierzu im Ministe­rium selbst wieder vom Denkmal aus zugäng­lich zu machen. Hierüber befindet sich der Se­nat in Gesprächen mit dem Bundesminister für Finanzen.

 

Darüber hinaus soll eine weitere Informationsta­fel in der Wilhelmstraße die wechselhafte Ge­schichte dieses Hauses, das u. a. auch einen zen­tralen Brennpunkt der Ereignisse um den 17. Juni 1953 darstellt, selbst dokumentieren.

 

Eine Gesamtübersicht aller Projekte und Veranstaltungen in der Bundesrepublik – nach Bun­des­ländern und Datum geordnet – hat die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur erstellt. Die Gesamtübersicht wird in Kürze unentgeltlich sowohl als Broschüre bei der Stiftung erhältlich sein (Otto-Braun-Str. 70-72, 10178 Berlin), als auch im Inter­net unter www.stiftung-aufarbeitung.de abrufbar sein.

 

Der Anlage ist die Zusammenstellung der Veranstaltungen für die Länder Berlin und Branden­burg zu entnehmen (Bearbeitungsstand: 14. März 2003).

 

Wir bitten, den Beschluss damit als erledigt an­zusehen.

 

Berlin, den 1. April 2003

 

Der Senat von Berlin

 

Klaus   Wowereit

Regierender Bürgermeister

 


 

 

 

Ausschuss-Kennung : Kultgcxzqsq