Antrag

der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Vergabe von Orden und Ehrungen reformieren

Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:

 

Der Senat wird beauftragt, die Vorschriften der vom Land Berlin vergebenen Orden und Ehrungen nach folgenden Maßgaben zu verändern:

 

1.        Jede der Auszeichnungen die vom Land Berlin vergeben werden soll eine klare inhaltliche Zuordnung der Vergaberegeln erhalten.

2.        Die Vergabe des Titels „Professor h.c.“ durch den Senat wird gestrichen.

3.        Alle Bürgerinnen und Bürger Berlins sollen das Recht erhalten Anregungen für die Vergabe von allen Orden und Auszeichnungen auszusprechen.

4.        Der Frauenanteil bei den ehrenden Personen ist deutlich zu erhöhen.

5.        Die Unterschiede der Biographien der Berlinerinnen und Berliner aus dem Ost- und dem Westteil der Stadt sind zu beachten.

6.        Die ethnische Bevölkerungsstruktur der Stadt ist stärker zu berücksichtigen.

7.        Bei den Verwaltungsvorschriften ist die weibliche Schreibweise der Titelbezeichnungen einzufügen.

 

 

Begründung

 

Zurzeit werden im Land Berlin Orden und Auszeichnungen verliehen, die in einigen Punkten sowohl inhaltlich als auch formal reformbedürftig sind, vor allem fehlt eine klare Unterscheidung und Eindeutigkeit der Vergabegründe. Hier will die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Veränderungen mit folgender Zielrichtung vorgenommen sehen.



1.     Der Verdienstorden des Landes Berlin wurde als neueste Ehrung im Jahre 1987 vom Berliner Senat ins Leben gerufen um Verdienste um die Stadt Berlin anzuerkennen und zu würdigen. Er wird an Personen verliehen, die sich durch eine würdige, allgemeine Lebensführung auszeich­nen

2.        Die Ernst-Reuter-Plakette wurde 1953 von Hanna Reuter, der Witwe Ernst Reuters, gestiftet und wird für hervorragende Verdienste um Berlin in den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kunst verliehen.

3.        Die Stadtältestenwürde, zusammen mit dem Titel „Ehrenbürger von Berlin“, geht auf die Stein’sche Städteordnung des Jahres 1808 zurück und wird an deutsche Staatsbürger verliehen, die mindestens 20 Jahre in politischen oder ehrenamtlichen Wahlämtern für die Stadt Berlin verdienstvoll tätig waren oder in einem entsprechenden Zeitraum die demokratische Entwicklung des Gemeinwesens besonders gefördert haben.

4.        Der Titel „Ehrenbürger von Berlin“ wird ebenfalls an Personen verliehen (in der Praxis vorwiegend Nicht-BerlinerInnen), die sich in hervorragender Weise um Berlin verdient gemacht haben. Die deutsche Staatsbürgerschaft ist keine Vergabevoraussetzung.

5.        Grundlage für die Verleihung des Ehrentitels „Professor h.c.“ ist das Repräsentationsrecht des Regierenden Bürgermeisters als Spitze der Landesregierung. Das Bedürfnis, die rechtlichen Möglichkeiten einer solchen Ehrung auszuschöpfen, ergab sich für das Bundesland Berlin (West) erst seit dem Jahre 1975. Die Verleihung des Titels ist eine außerakademische Ehrung zur Anerkennung hervorragender Verdienste, die der oder die zu Ehrende sich um Berlin oder während der Zeit des Schaffens in Berlin auf dem Gebiet der Wissenschaft oder der Kunst erworben hat.

6.        Die Louise-Schroeder-Medaille wurde vom Regierenden Bürgermeister anno 1998 zum Andenken an die 1957 verstorbene Oberbürgermeisterin Louise Schroe­der für besondere Verdienste um Demokratie, Frieden, soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung von Mann und Frau gestiftet und wird jährlich vom Berliner Abgeordnetenhaus in Kooperation mit einem Kuratorium verliehen. Die Medaille soll an Persönlichkeiten und Institutionen verliehen werden, die dem politischen und per


sönlichen Vermächtnis Louise Schroeders in hervorragender Weise Rechnung tragen.

 

Sämtliche oben genannten Orden und Auszeichnungen, außer der Louise-Schroeder-Medaille, unterliegen sehr ähnlichen Vergabemodalitäten, was eine eindeutige Unterrepräsentation bestimmter Bevölkerungsgruppen zur Folge hat. So beträgt der durchschnittliche Anteil der bisher geehrten und ausgezeichneten Frauen, bezogen auf die Ernst-Reuter-Plakette, die Stadtältestenwürde, die Ehrenbürgerauszeichnung sowie auf den Ehrentitel „Professor h.c.“, lediglich 10%. Bei der Vergabe des Verdienstordens des Landes Berlin wurden Frauen mit einem Anteil von ca. 30% zwar stärker berücksichtigt, von einer geschlechtergerechten Repräsentation kann allerdings auch hier keine Rede sein. In ebenso wenig angemessener Weise finden sich Berlinerinnen und Berliner nichtdeutscher Herkunft, Berlinerinnen und Berliner, welche im Ostteil der Stadt aufgewachsen sind und nichtprominente, sehr verdienstvolle Berlinerinnen und Berliner bei der Vergabe berücksichtigt.

Die Ursache dieses Missverhältnisses ist vordergründig in den Modalitäten bezüglich der Vergabe von Orden und Auszeichnungen, vor allem aber bei den darin zu allgemein gefassten Weisungen zu suchen. So beziehen sich diese Weisungen bei allen oben angeführten Orden und Auszeichnungen (mit Ausnahme der Louise-Schroeder-Medaille) lediglich auf die Bereiche, aus denen die oder der zu Ehrende ausgewählt werden sollen. Kriterien bezüglich der Personenwahl fehlen dabei völlig.

Der Ehrentitel „Professor h.c.“ ist eine überflüssige Form der Auszeichnung, denn für die jetzt geltendenden Auszeichnungsgründe eigenen sich auch andere Ehrungen, die über das Land Berlin ausgesprochen werden. Aus der Sicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schafft diese Ehrung eine nicht sinnvolle Konkurrenz zu wissenschaftlichen Titeln, die damit womöglich eine Abwertung erfahren, die nicht gewollt sein kann. Als Auszeichnung für ein finanzielles Engagement für Kultur und Wissenschaft eignen sich auch andere Ehrungen, z.B. die Ernst-Reuter-Plakette.

Deshalb ist es uns ein Anliegen, die Vergabe von Ehrungen und Auszeichnungen zu „demokratisieren“ und die Vergabe nachvollziehbarer zu gestalten. Außerdem muss das Anregungsrecht für zu ehrende Personen auf alle Berlinerinnen und Berliner übertragen werden. Des Weiteren müssen Ver­waltungsvorschriften in eine geschlechtergerechte Sprache umformuliert werden.

Berlin, den 16. Dezember 2003

Dr. Klotz   Ratzmann   Ströver

und die übrigen Mitglieder

der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen


 

 

Ausschuss-Kennung : Kultgcxzqsq