Mitteilung – zur Kenntnisnahme –

 

 

Weiterentwicklung des Kulturforums

 

Drucksachen 15/611, 15/1019, 15/1214, 15/1591 und 15/1910 -Schlussbericht -

 

 

 

 

Der Senat legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor:

 

 

Das Abgeordnetenhaus hat in seiner Sitzung am 12.12.2002 Folgendes beschlossen:

 

"Der Senat wird aufgefordert, auf der Grundlage der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses und des städtebaulichen Leitbildes von Hans Scharoun ein Konzept zur Weiterentwicklung des Kulturforums vorzulegen. Dabei sind die durch die Vereinigung der Stadt und die Entwicklung des Potsdamer und Leipziger Platzes neu entstandenen stadträumlichen Beziehungen und künftigen Aufgaben des Ortes zu berücksichtigen. Die am Ort betroffenen Einrichtungen und Institutionen sind durch Interessenbekundungen einzubeziehen. In dem Konzept sind mögliche landeshaushaltswirksame Belastungen dazustellen."

 

 

Hierzu wird berichtet:

 

Das Kulturforum ist als Gegenstand planerischer Überlegungen und als kulturpolitisches Dokument der ehemals geteilten Stadt an der Schnittstelle zum Potsdamer Platz der anspruchsvollste Bereich der innerstädtischen Entwicklung.

Die Erstellung des vorliegenden Konzeptes erforderte eine sorgfältige und umfangreiche Recherche der komplexen Planungs-, Bau- und Eigentumsgeschichte des Ortes, intensive Abstimmungsgespräche mit den ansässigen Institutionen und Nutzern, eine genaue Analyse der vorhandenen Defizite sowie die Überprüfung der bisherigen Konzeptionen.



Auf der Grundlage dieser Vorarbeiten wurden Essentials zur inhaltlichen Weiterentwicklung des Kulturforums formuliert, daraus städtebauliche Grundsätze zur Weiterentwicklung des Kulturforums abgeleitet und schließlich Testentwürfe gezeichnet. Die Essentials und die städtebaulichen Entwürfe verstehen sich als Hypothese, die im weiteren Planungs- und Entscheidungsprozess überprüft werden sollen. Sie bilden in der Tradition des Planwerks „einen ersten Entwurf“, der die Grundlage für das weitere Verfahren bildet, an dessen Ende ein politisch beschlossenes Planwerk stehen soll. Dieses bildet die Voraussetzung für die verbindliche Bauleitplanung, für Grundstücksveräußerungen und Realisierungsverfahren. Aufgrund der Komplexität der Aufgabenstellung und der daraus abgeleiteten Überlegungen liegt dem Bericht eine umfangreiche Begründung und in der Anlage die Dokumentation einiger zum Verständnis notwendiger historischer Pläne und Planungen bei. Teil der Anlage ist schließlich der im Maßstab 1 : 1000 gezeichnete städtebauliche Entwurf „Konzeptplan 2004“ mit Aussagen zum Charakter und zur Qualität der öffentlichen Räume sowie der Baupotentiale.

 

Die aktuelle Situation der öffentlichen und der privaten Freiräume im Kulturforum ist ungeachtet der begonnenen Umgestaltung der öffentlichen Freiräume zwischen Herbert-von-Karajan-Straße und St. Matthäus-Kirche unbefriedigend. Zum einen sind wesentliche Teilbereiche aus dem landschaftsarchitektonischen Konzept des Wettbewerbes von 1998 nicht fertiggestellt worden, zum anderen wirkt der durch eine Rampe erschwerte Zugang zur Gemäldegalerie und zum Kunstgewerbemuseum städtebaulich und funktional wenig einladend. Die räumliche Präsenz der Gemäldegalerie und des Kunstgewerbemuseums steht dadurch geradezu kontradiktorisch zu ihrem Bedeutungsgehalt. Hinzu kommen Defizite im Bereich ergänzender Funktionen (Läden, Restaurants, Cafés etc.).

 

Diese hier nur angedeuteten stadträumlichen Defizite sind zweifelsohne eine wichtige Ursache für den relativen Bedeutungsverlust des Kulturforums zugunsten der Museumsinsel und anderer Museums- und Kulturstandorte im Forum Fridericeanum und im Spreebogen.

Seit Anfang der 90er Jahre haben sich die Besucherzahlen im Kulturforum knapp halbiert. Eine Ursache für diesen Trend ist die schrittweise Renovierung der Museen auf der zum Weltkulturerbe gehörenden Museumsinsel, die Errichtung neuer Häuser, wie des Jüdischen Museums oder des Gebäudes für Wechselausstellungen des Deutschen Historischen Museums (Pei-Bau).

Diese Konkurrenzsituation wird sich mit der Eröffnung der Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums im Altbau Unter den Linden sowie mit der Eröffnung des Bodemuseums (2006), der Eröffnung der modernisierten Staatsbibliothek Unter den Linden und der Einrichtung der Flicksammlung an der Invalidenstraße weiter verschärfen.

Die isolierte Betrachtung des Kulturforums ist daher bei seiner Weiterentwicklung nicht mehr sinnvoll. Das Kulturforum ist mit seinen bedeutenden Kultureinrichtungen seit dem Fall der Mauer nicht mehr kultureller Brückenkopf West-Berlins, sondern Bestandteil einer innerstädtischen Kulturtopographie und eines Stadtraumes zwischen Museumsinsel und Bauhausarchiv.

Bei den städtebaulichen Planungen zur Weiterentwicklung ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) Neubauten für weitere Sammlungen im inneren Bereich des Kulturforums zwischen der Gemäldegalerie und dem Kunstgewerbemuseum einordnen möchte. Die mittel- und langfristige Sicherung dieser und anderer Museumspläne erfordert eine grundsätzliche Auseinandersetzung und daraus abgeleitet, eine Revision mit der bislang im ersten Obergeschoss organisierten disfunktionalen Eingangssituation. Der Abriss der „Piazzetta“ genannten Rampe und die damit möglich werdende Neugestaltung der Eingänge zu den vorhandenen und zukünftig neu zu bauenden Museen ist dafür eine essentielle Voraussetzung. Die für solche Umbaumaßnahmen an dieser und anderer Stelle notwendigen Mittel werden durch Vermögensaktivierung potentieller Baugrundstücke erwirtschaftet. Die dazu erforderlichen Baugrundstücke müssen als Teil der aus städtebaulichen Gründen notwendigen Weiterentwicklung des Kulturforums nachgewiesen werden.

 

Das Land Berlin als Träger der Bauleitplanung und als Grundstückseigner wichtiger Teilflächen im Gebiet muss ebenso wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sorgfältig abwägen, welche Grundstücke für welche Nutzungen kulturell bzw. nicht kulturell ausgewiesen werden sollen. Dabei wird als Ergebnis der bisherigen Gespräche mit den kulturellen und kirchlichen Anrainern davon ausgegangen, dass das Kulturforum zur Erhaltung seines dominanten kulturellen Charakters grundsätzlich ein ungeeigneter Standort für hochrentable Nutzungen ist.

 

Angesichts der außerordentlichen Stellung des Kulturforums im kulturellen und geographischen Gefüge der Stadt beabsichtigt der Senat, das Kulturforum als einen Bereich von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung feststellen zu lassen.

 

Im Ergebnis der bisherigen Überlegungen ergeben sich für die vom Abgeordnetenhaus geforderte Weiterentwicklung des Kulturforums folgende Essentials:

 

1.       Mit den bedeutenden Kultureinrichtungen sowie mit der herausragenden Architektur ihrer Gebäude existiert, gemessen an dem anspruchsvollen Begriff Kultur-Forum, in der Wirklichkeit nur die eine Hälfte dieses kulturpolitischen und städtebaulichen Programms. Was fehlt, ist nicht ein weiteres Gebäude, sondern das Forum als öffentlicher Raum. Weiterentwicklung des Kulturforums bedeutet daher, den vorhandenen qualitätvollen Einrichtungen und Architekturen einen Rahmen öffentlicher Räume zu geben, der ihrer Bedeutung entspricht und gleichermaßen die notwendigen Ergänzungen zulässt. Dabei sollen Eingriffe in die vorhandenen Straßen- und Platzräume auf das Notwendigste beschränkt werden.

 

2.       Die Grundlage bei der Weiterentwicklung des Kulturforums bildet der Respekt und daraus abgeleitet die Inszenierung seiner vier architektonischen Monumente: Philharmonie, Neue Nationalgalerie, Staatsbibliothek und St. Matthäus-Kirche. Diesem Ziel der Respektierung wie auch der Inszenierung der sinnstiftenden Einrichtungen und ihrer Gebäude dienen sowohl die Neuordnung der öffentlichen Räume wie auch die Einordnung weiterer Baukörper.

 

3.       Weiterentwicklung des „Kulturforums auf der Grundlage der Scharounschen Idee“ heißt unter den o. g. Aspekten

- Konzentration auf einen stadtlandschaftlich gestalteten Kernraum,

- Schaffung eines der St. Matthäus-Kirche zugeordneten Stadtplatzes sowie

- eines neuen Museumsplatzes anstelle der „Piazzetta“ genannten Rampe.

Durch diese differenzierte Behandlung der öffentlichen Räume wird die Wirkung der einzelnen Monumente gesteigert und gleichzeitig ein geistiger und räumlicher Kontext hergestellt. Diese Differenzierung der vorhandenen Stadträume ermöglicht die Transformation des derzeitigen unbefriedigenden Zustandes in eine Abfolge untereinander in Beziehung stehender öffentlicher Räume unterschiedlicher Typologien.

 

4.       Zur Aufwertung der drei unterschiedlich gestalteten öffentlichen Räume sind bauliche Ergänzungen notwendig.

 Dies bedeutet für

- den von Hans Scharouns Bauten geprägten Raum zwischen Philharmonie und Staatsbibliothek eine sensible Ergänzung mit Hilfe eigenständiger Baukörper im Sinne der Scharounschen Entwurfslogik im Übergangsbereich zum Potsdamer Platz,

- den Matthäikirchplatz eine bauliche Fassung der beiden Seiten unter Bewahrung des heute noch bestehenden Platzgrundrisses. Hierdurch wird die Position der Stülerkirche als ältestem Gebäude unterstrichen, ohne gleichzeitig die Kirche und den Platz aus dem Gesamtraum auszuklammern. Um die Stellung der St. Matthäus-Kirche zu stärken, soll die Sichtbeziehung zum Tiergarten über die Matthäikirchstraße stärker herausgearbeitet werden.

- den neuen Museumsplatz, den Abbruch der Rampe und den Neubau der Übergangsbauwerke zu dem vorhandenen und dem geplanten Museum, beispielsweise durch eine umlaufende Kolonnade.
Sie erschließt die Gemäldegalerie, das Kunstgewerbemuseum, das Kupferstichkabinett und das Neue Skulpturmuseum in der Nord-Westecke des Platzes. Die Eingänge zu den vier Museen werden ebenerdig angelegt.

 

5.       Die Neue Nationalgalerie entfaltet ihre herausgehobene Position aus ihrer Lage als weithin freigestelltes Gebäude als Abschluss- bzw. Eintrittsgebäude in das Kulturforum. Von der Plattform der Nationalgalerie soll die freie Sichtbeziehung über den Stadtlandschaftsraum zur Philharmonie erhalten bleiben.

 

6.       Um das Kulturforum aus seiner derzeitigen stadträumlichen Isolation zu befreien, wird es mit dem umliegenden Tiergarten und dem Potsdamer Platz fußgängerfreundlich vernetzt. Hierzu dient ein Zugang zur Staatsbibliothek vom Marlene-Dietrich-Platz, die Neugestaltung des Zugangs zur Philharmonie und zum Kammermusiksaal aus Richtung Osten sowie die gartenarchitektonische Verbesserung der Übergänge des Kulturforums zum südlichen Tiergarten.

 

7.       In dem ursprünglich als „Stadt in der Stadt“ geplanten Kulturforum sollen auf einem Teil der Grundstücke des Landes Berlin sowie der Stiftung Preußischer Kulturbesitz andere als kulturelle Nutzungen ermöglicht werden. An dafür geeigneten Stellen sind besondere Wohnformen, kleine Hotels, in geringem Maße Büros sowie erdgeschossig Galerien, Läden, Restaurants und Cafés denkbar. Diese ergänzenden Nutzungen sollen sich in ihrer baulichen Form wie in ihrer Höhenentwicklung den vorhandenen Kulturbauten unterordnen. Wichtiges Thema bleibt es, die Wahrnehmung dieses Ortes mit konkreten Gestaltungselementen vor allem aus östlicher Richtung zu erhöhen.

 

8.       Im Rahmen einer städtebaulichen Kalkulation für das Land Berlin und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist die Haushaltsneutralität aller Umbaumaßnahmen der öffentlichen Straßen und Platzräume nachzuweisen. Die dazu notwendige Ausweisung geeigneter Baugrundstücke ist Teil dieser Konzeption.

9.       Der Senat beabsichtigt, zur Umsetzung der formulierten Essentials und der erforderlichen Maßnahmen sowie für die bevorstehende Erörterung im Parlament und in der Öffentlichkeit als legitimierende Grundlage das Kulturforum als ein Gebiet von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung gemäß § 9 AGBauGB festzulegen. Dadurch würde – nach Zustimmung im Rat der Bürgermeister - die Zuständigkeit auch für die verbindliche Bauleitplanung auf den Senat und das Abgeordnetenhaus von Berlin übergehen.

 

Weiteres Vorgehen:

 

a)       Initiierung eines breit angelegten Diskurses mit der Stadtöffentlichkeit in Form von Architekturgesprächen, Workshops und ggf. Ausstellungen und Internetforen.

 

b)      Im Ergebnis wird ein Masterplan erstellt, der die Grundlage für die Bauleitplanung bildet. Dieser Masterplan wird im Abgeordnetenhaus vor der Einleitung von Bebauungsplanverfahren und vor der Grundstücksvergabe beschlossen. Auf der Grundlage des Masterplans werden die Grundstücke für nichtkulturelle Nutzungen durch den LF bzw. SPK an Dritte veräußert.

 

c)       Zur Sicherung des architektonischen Anspruchs an diesen Ort werden für die einzelnen Bereiche mit den Eigentümern Wettbewerbe durchgeführt.

 

Anlage: Begründung und Material zur Entwicklungsgeschichte des Kulturforums

 

Wir bitten, den Beschluss damit als erledigt zu betrachten

 

Berlin, den 30. März 2004

 

Der Senat von Berlin

 

W o w e r e i t

Regierender Bürgermeister

 

S t r i e d e r

Senator für Stadtentwicklung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ausschuss-Kennung : Kultgcxzqsq