Der Senat wird aufgefordert, die ehemalige Parteizentrale der SED in den Jahren von 1946 bis 1956, das sog. „Haus der Einheit“, Torstraße 1, in das angekündigte Gedenkstättenkonzept miteinzubeziehen.

 

Mindestens jedoch ist am bzw. vor dem Gebäude eine Gedenktafel anzubringen, die auf die besondere historische Bedeutung des Gebäudes als Sitz des Politbüros hinweist. Hierbei sind insbesondere die Beschlußfassungen des Politbüros zur Vorbereitung der Schauprozesse und die Rolle des Hauses im Aufstand des 17. Juni 1953 zu thematisieren.

 

Begründung:

 

Von 1946 bis 1956 hatte die Parteispitze der SED ihren Sitz im „Haus der Einheit“, dem ehemaligen Kaufhaus Jonas an der Torstraße. Die am 21. April 1946 durch Zwangsvereinigung von SPD mit KPD zur SED hergestellte „Einheit der Arbeiterklasse“ stand dabei Pate für den Namen des Hauses.

 

Nach 1956 wurde das Gebäude als Parteiarchiv der SED und als Sitz des Instituts für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED genutzt. Arbeitszimmer von SED-Größen wie Pieck und Grotewohl wurden als Gedenkzimmer erhalten. 1976 wurde anläßlich seines hundertsten Geburtstages eine Gedenktafel für Wilhelm Pieck an der Hausfassade angebracht. Eine zweite Gedenktafel für Otto Grotewohl findet sich wenige Meter entfernt.

 


Die Kehrseite der euphemistischen „Einheit“ bildete gerade in den Anfangsjahren der SBZ/DDR das harte Vorgehen der Parteiführung gegen „Abweichler“, „westliche Agenten“ und „Staatsfeinde“ – ganz gleich, ob es sich dabei um Ost- oder Westdeutsche handelte. Die diesbezüglichen wesentlichem Beschlüsse und Anweisungen wurden im „Haus der Einheit“ gefaßt bzw. abgesegnet. Das gilt insbesondere für die Vorbereitung der Schau- Prozesse, deren Urteil meist schon vorher feststand. Hierzu wurden dem Politbüro eigens gefertigten Vorlagen mit Beschreibung der „Tat“, des „Täters“ und dem vorgeschlagenen Strafmaß zur Entscheidung vorgelegt. Fälle von Strafverschärfung bis hin zur Festlegung auf die Todesstrafe sind hinreichend dokumentiert.

 

Wie sehr das „Haus der Einheit“ auch in der Öffentlichkeit als Entscheidungszentrale wahrgenommen wurde, bezeugen die Abläufe des Aufstands am 17. Juni 1953. Wegen der bewegenden Bilder von Straßenschlachten und brennenden Häusern am Potsdamer Platz wird heute kaum noch wahrgenommen, daß gerade auch die Parteizentrale der SED einen Kristallisationspunkt für den Protest darstellte. Mehrere Tausend Menschen protestierten unmittelbar vor dem „Haus der Einheit“, was offensichtlich im Haus als ernste Bedrohung wahrgenommen wurde; denn die Parteispitze wurde rasch nach Karlshorst evakuiert.

 

Die historische Bedeutung des Hauses für das erste Jahrzehnt der SED-Herrschaft, in dem – durch stalinistischen Terror gedeckt – die Grundlage für das Funktionieren des späteren systemischen DDR-Unrechtsregimes gelegt wurde, ist bislang nicht ausreichend gewürdigt. Es ist ein Versäumnis des Senats, daß hier bis zum heutigen Tage die Ehrentafeln für Pieck und Grotewohl unkommentiert am Eingang zu sehen sind.

 

Die herausgehobene Rolle des Hauses legt zwingend nahe, daß es bei einem Gedenkstättenkonzept für Mauer und SED-Diktatur berücksichtigt werden muß. Mindestens jedoch – und unverzüglich – muß der historische Kontext der genannten Ehrentafeln an Ort und Stelle hergestellt werden.

 

 

Berlin, den 01.02.2005

 

 

Dr. Lindner               Meister              Hahn

und die übrigen Mitglieder der Fraktion der FDP

 

Ausschuss-Kennung : Kultgcxzqsq