Das
Schulgesetz für Berlin vom 26. Januar 2004 (GVBl S. 26) wird wie folgt
geändert:
1. Der bisherige § 1 wird § 1 Absatz 1.
2. Nach Absatz 1 werden in § 1 folgende Absätze 2 bis 4 eingefügt:
„(2) Lehrkräfte an öffentlichen Schulen nach § 67 Abs. 1 dürfen in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche, äußeren Bekundungen abgeben, die geeignet sind, den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören. Insbesondere ist ein äußeres Verhalten unzulässig, welches bei Schülern oder Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrkraft gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung der Menschen nach Art. 3 GG, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt. Die Bekundung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen entspricht dem Bildungsauftrag der Schule.
(3) Die Ernennung eines Bewerbers für ein Amt an öffentlichen Schulen nach § 6 Abs. 1 setzt als persönliches Eignungsmerkmal voraus, dass er Gewähr für die Einhaltung des § 1 Abs. 2 in seiner gesamten, voraussichtlichen Dienstzeit bietet.
(4) Für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst können auf Antrag Ausnahmen von den Absätzen 2 und 3 im Einzelfall vorgesehen werden, soweit die Ausübung ihrer Grundrechte es zwingend erfordert und zwingende öffentliche Interessen an der Wahrung der amtlichen Neutralität und des Schulfriedens nicht entgegenstehen.
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft.
Begründung:
Trotz diverser
Ankündigungen hat der Senat von Berlin immer noch keinen Gesetzentwurf
vorgelegt, der politische, religiöse und weltanschauliche Bekundungen (z.B.
das Tragen eines Kopftuchs) Lehrkräften an Berliner Schulen untersagt. Der
vorliegende Gesetzentwurf beendet diesen Zustand der Untätigkeit der Politik.
Der Entwurf orientiert sich dabei in weiten Teilen an der für das Land
Baden-Württemberg angestrebten Regelung.
Zu Artikel I:
Zu Nr.1
Der bisherige § 1 enthält keine Absätze und wird daher Absatz 1 der Vorschrift.
Zu Nr. 2
Das Verbot gilt nur für
staatliche, nicht für private Schulen. Es erfasst äußere Bekundungen, also
z.B. verbale Äußerungen, Kleidungsstücke, Plaketten und sonstige Formen des
Auftretens, die von Dritten als Ausdruck politischer, religiöser,
weltanschaulicher oder ähnlicher individueller Überzeugung wahrgenommen werden
können. Sie werden nur ausgeschlossen, soweit sie bei Schülern oder Eltern
den Eindruck erwecken können, die Lehrkraft identifiziere sich in Ausübung
ihres Amtes, also in staatlicher Funktion, mit einer bestimmten politischen,
religiösen, weltanschaulichen oder ähnlichen Überzeugung und dadurch geeignet
sind, die staatliche Neutralität zu bedrohen oder sie zu stören. Gleiches gilt
bei einer Eignung zur Gefährdung oder Störung des politischen, religiösen oder
weltanschaulichen Schulfriedens.
Absatz 2 Satz 2 verhindert, dass aus Anlass oder gar unter dem Vorwand religiöser oder ähnlicher Motivation den Grundwerten der Verfassung widersprechende Haltungen Schülern oder Eltern als empfehlenswert nahe gebracht werden. Auf dieser Grundlage ist z.B. das Tragen eines Kopftuchs unzulässig, weil zumindest ein Teil seiner Befürworter mit ihm sowohl eine mindere Stellung der Frau in Gesellschaft, Staat und Familie, die mit Art. 1 und Art 3 Abs. 2 und 3 GG unvereinbar ist, als auch eine fundamentalistische, kämpferische Stellungnahme für ein theokratisches Staatswesen entgegen den Grundwerten des Art. 20 GG verbindet. Absatz 2 Satz 3 stellt klar, dass die Bekundung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen dem Bildungsauftrag der Schule entspricht und daher in der Regel zulässig bleibt. Schon § 1 des Schulgesetzes alter Fassung bezieht sich auf das Christentum. Das Bundesverfassungsgericht hat anerkannt, dass bei der Gestaltung einer Verhaltensregelung Schultraditionen und die konfessionelle bzw. religiöse Zusammensetzung und Verwurzelung der Bevölkerung berücksichtigt werden darf. Im christlich geprägten Deutschland kann es dabei keine aus der Verfassung abgeleitete Verpflichtung geben, alle Religionen gleich zu behandeln. Eine Privilegierung christlicher Bildungs- und Kulturwerte ist daher durchaus zulässig.
Absatz 3 enthält eine Erweiterung der Regelung für das tägliche Verhalten von Lehrkräften auf die Prognose der Eignung bei ihrer Einstellung. Damit wird einer Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts entsprochen, die für eine Ablehnung wegen Eignungsmangels eine landesgesetzliche Regelung einfordert.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können aus Gründen der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) im Vorbereitungsdienst Ausnahmen zugelassen werden. Der Vorbereitungsdienst dient nicht nur der Lehre, sondern insbesondere der Ausbildung. Im begründeten Ausnahmefall wird daher Art. 12 Abs. 1 GG der Vorrang eingeräumt, da die Schule in diesem Fall nicht nur Bildungsfunktion für die Schüler, sondern Ausbildungsfunktion für die Lehrkräfte in einem Vorbereitungsdienst hat, für den es nur staatliche Ausbildungsplätze gibt.
Berlin, den 5. Februar 2004
Zimmer
Braun Henkel
und die übrigen Mitglieder der Fraktion der CDU
Ausschuss-Kennung
: Rechtgcxzqsq