Der Senat von Berlin wird aufgefordert, den vom Land Baden-Württemberg eingebrachten Gesetzentwurf über „Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat“ (Zwangsheirat-Bekämpfungsgesetz)“ im Bundesrat zu unterstützen und  einen Änderungsantrag einzubringen, um den Gesetzentwurf um folgenden Artikel zu ergänzen:

 

Artikel

 

Änderung des Aufenthaltsgesetzes

 

Das Aufenthaltsgesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) wird wie folgt geändert:

 

1. § 31 wird wie folgt geändert:

 

      In Absatz 2 Satz 2 wird das Wort "oder" durch ein Komma ersetzt; nach dem Wort "ist" werden die Wörter "oder ein Ehegatte durch List, Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe gezwungen wurde" eingefügt.

 

2. § 37 Absatz 1 wird wie folgt geändert:

 

Nach Satz 1 ist folgender Satz einzufügen:

 

      "Ein Anspruch besteht auch, wenn der Ausländer durch List, Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung einer Ehe außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes verbracht oder an der Rückkehr in den Geltungsbereich gehindert wurde."

 


3. § 51 Abs. 3 wird wie folgt gefasst:

 

"(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht

 

      1. nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist,

      2. nach Absatz 1 Nr. 1, 6 und 7, wenn der Ausländer durch List, Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung einer Ehe außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes verbracht oder an der Rückkehr in den Geltungsbereich gehindert wurde."

 

Begründung:

 

      Der Antrag der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus – Drucksache 15/3274 – zur Unterstützung der Bundesratsinitiative von Baden-Württemberg – unterlegt das Bestreben einer deutlichen Sanktionierung  von Zwangsehen, welche die fundamentalen Menschenrechte verletzen. Die Sachverständigenanhörung im Rahmen der Ausschussberatung hat deutlich gemacht, dass es dazu vielerlei rechtlicher und tatsächlicher Regelungen bedarf.

 

      Nach überwiegender Expertenmeinung greift der Gesetzentwurf Baden-Württembergs in einem Punkt zu kurz. Es fehlt eine Regelung zur Änderung des Aufenthaltsgesetztes, die Opfer von Zwangsheirat vor Ausweisungen aufgrund der Auflösung einer Zwangsehe schützt.

 

      Mit seinen Änderungen im Bereich des Ausländerrechts will der vorliegende Antrag die notwendigen Schutzregelungen treffen. Er sieht insoweit eine Ergänzung des vorliegenden BR-Gesetzentwurfes um einen Artikel zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes vor.

 

      Durch eine Änderung des § 51 AufenthG wird erreicht, dass der Aufenthaltstitel des Opfers einer Zwangsheirat bei einem fremdbestimmten Verlassen des Bundesgebietes nicht mehr erlischt.

 

      Im Zuge einer Folgenänderung wird in § 37 AufenthG aufgenommen, dass Opfern von Zwangsheirat grundsätzlich ein Recht auf Wiederkehr zusteht.

 

      Außerdem wird klar gestellt, dass eine Zwangsheirat grundsätzlich einen besonderen Härtefall im Sinne von § 31 Abs. 2 AufenthG begründet.

 

Im Einzelnen:

 

1. Zu Nr. 1 (§ 31)

      Nach § 31 Abs. 2 wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten als eigenständiges Aufenthaltsrecht auch ohne den zweijährigen Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft verlängert, wenn es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist. Eine besondere Härte kann nach allgemeiner Auffassung nur anerkannt werden, wenn der Ehegatte durch die Ausreisepflicht ungleich härter getroffen wird als andere Ausländer in vergleichbaren Situationen. Hierbei sind insbesondere auch die zu befürchtenden Folgen der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Heimat zu berücksichtigen.

 

      Gerade in den Fällen der Zwangsheirat – speziell bei den so genannten "Importbräuten" - ist eine Rückkehr in den Heimatort, in dem regelmäßig patriarchalische Strukturen und soziale Kontrolle herrschen, regelmäßig undenkbar:

 

      Durch die von der "Importbraut" betriebene Auflösung der Ehe – gegen den Willen der beteiligten Familien - gilt sie als ehrlos, geächtet und ausgestoßen. Sie wäre bei einer Rückkehr erheblichen Diskriminierungen und gravierenden Anfeindungen ausgesetzt – bis hin zur Bedrohung von Leib und Leben.

 

      Auch eine Ausreise in andere Gebiete des Heimatlandes scheidet regelmäßig aus, da die Betroffene dort überhaupt keinen familiären Rückhalt besitzt und als alleinstehende – aber verheiratet gewesene - Frau erst recht keinen Fuß fassen wird.

 

      Es ist deshalb zur Vermeidung einer besonderen Härte sachgerecht und erforderlich, dass die Zwangsheirat als Regelbeispiel explizit einen besonderen Härtefall begründet, da die Opfer von Zwangsheiraten Opfer stets eine spezifische Fallkonstellation darstellen und von einer Ausreise regelmäßig ungleich härter als andere Ausländer betroffen sind. Diese Anerkennung kann auch zu der gewünschten Folge führen, dass Betroffene leichter und früher den Schritt wagen, sich aus einer Zwangsheirat zu lösen, da sie hinsichtlich ihres weiteren Verbleibs im Bundesgebiet sicher sein können.

 

2. Zu Nr. 2 (§ 37)

      § 37 regelt das Recht auf Wiederkehr von Ausländern, die als Minderjährige rechtmäßig ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatten. Diese Regelung berücksichtigt nicht das Schicksal derer, die als Minderjährige ins Ausland zwangsverheiratet werden ("Heiratsverschleppung"). Diesen Betroffenen sind oft unverschuldet nicht in der Lage, die Voraussetzungen der Wiederkehr (u.a. achtjähriger, rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet, Sicherung des Lebensunterhalts) zu erfüllen. Die Zwangsverheirateten haben dann keine Möglichkeit mehr, in das Bundesgebiet zurückzukehren. Diese Rechtsfolge ist nicht hinnehmbar.

 

      Als neuer Satz 2 wird daher in Absatz 1 geregelt, dass Opfer von Zwangsheirat ein grundsätzlicher Anspruch auf Wiederkehr – außerhalb der Voraussetzungen der Nummern 1 bis 3 - zusteht.

 

3.  Zu Nr. 3 (§ 51)

      § 51 enthält Bestimmungen über die Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts. Nach § 51 Absatz 1 Nr. 6 erlischt der Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer aus einem der Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist; nach § 51 Absatz 1 Nr. 7 erlischt der Titel, wenn der Ausländer ausreist und nicht innerhalb von sechs Monaten wieder ins Bundesgebiet einreist.

 

      Der Absatz 3 der gültigen Fassung des Aufenthaltsgesetztes sieht insoweit eine Ausnahme zwecks Erfüllung der Wehrpflicht im Heimatland vor. Dieser Absatz wird nunmehr ergänzt, weshalb es seiner Nummerierung, also der Kennzeichnung mit der Ziffer 1 bedarf.

 

      Es sind viele Fälle bekannt, in denen Opfer von Zwangsheirat, die zur Heirat ins Ausland verschleppt wurden, nicht in das Bundesgebiet zurückkehren konnten, da ihr Aufenthaltstitel zwischenzeitig erloschen war. Dies ist in den Fällen der fremdbestimmten Ausreise im Rahmen einer Heiratsverschleppung nicht sachgerecht.

 

      Durch die Einfügung der neuen Nummer 2 in § 51 Absatz 3 wird künftig sichergestellt, dass der Aufenthaltstitel von Opfern der Zwangsheirat, die das Bundesgebiet eben gerade nicht freiwillig verlassen haben oder zumindest an der Rückkehr gehindert werden, nicht verfallen kann. Bei Zwangsverheirateten, die bei der Ausreise noch minderjährig waren, richtet sich die Verlängerung des dann noch bestehenden Aufenthaltstitels nach § 34 Absatz 1 in Verbindung mit § 37 n. F.

 

Berlin, den 11.01.2005

 

 

Dr. Lindner           Senftleben            Ritzmann

und die übrigen Mitglieder der Fraktion der FDP

 

Ausschuss-Kennung : Rechtgcxzqsq