Fünftes Gesetz
zur Änderung der Verfassung von Berlin
vom ...
Das
Abgeordnetenhaus hat unter Beachtung der Vorschrift des Artikel 100 der
Verfassung von Berlin das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel I
Die
Verfassung von Berlin vom 23. November 1995 (GVBl. S. 779), zuletzt geändert
durch Gesetz vom 1. September 2004 (GVBl. S. 367), wird wie folgt geändert:
1. Artikel 3 Absatz 1 erhält folgende Fassung:
„(1)
Die gesetzgebende Gewalt wird durch die
Volksvertretung und im Wege der Volksabstimmung, die vollziehende Gewalt durch
die Regierung und die Verwaltung sowie in den Bezirken im Wege von
Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden ausgeübt. Die richterliche Gewalt liegt in
den Händen unabhängiger Gerichte.“
2. Artikel 72 erhält folgende Fassung:
„Art. 72 (Aufgaben der Bezirksverordnetenversammlung,
Bürgerentscheid)
(1) Die Bezirksverordnetenversammlung ist Organ
der bezirklichen Selbstverwaltung; sie übt die Kontrolle über die Verwaltung
des Bezirkes aus, beschließt den Bezirkshaushaltsplan und entscheidet in den
ihr zugewiesenen Angelegenheiten.
(2) An die Stelle von Beschlüssen der
Bezirksverordnetenversammlung können im
Rahmen der Zuständigkeit der Bezirksverordnetenversammlung Bürgerentscheide der
zur Wahl der Bezirksverordnetenversammlung Wahlberechtigten treten. Das Nähere
wird durch Gesetz geregelt."
Artikel II
Dieses Gesetz tritt am Tage der Verkündung im Gesetz- und
Verordnungsblatt für Berlin in Kraft.
Begründung:
1. Allgemeines
Als
ein Element der unmittelbaren Demokratie hat seit 1978 das Bürgerbegehren
Eingang in das Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) gefunden. Es ist nach §§ 40 -
42 BezVG in allen Angelegenheiten zulässig, in denen die
Bezirksverordnetenversammlung nach den §§ 12f. BezVG Beschlüsse fassen kann. Ausgeschlossen ist es in allen Fällen, in
denen durch Rechtsvorschrift eine formale Bürgerbeteiligung vorgeschrieben ist.
Allerdings begründet ein Bürgerbegehren gegenwärtig lediglich die Pflicht der
Bezirksverordnetenversammlung (BVV), sich mit dem darin angesprochenen Thema zu
befassen. Es ist kein Element der Mitentscheidung der Berlinerinnen und
Berliner.
Mittlerweile
sehen alle Kommunalverfassungen in Deutschland Bürgerentscheide vor. Berlin ist
das einzige Bundesland, das den Bürgerinnen und Bürgern auf der untersten kommunalen
Ebene keine wirklichen Entscheidungsrechte garantiert.
Mit
Blick auf die kommunale Praxis und die Kommunalverfassungen anderer
Bundesländer erscheint eine Erweiterung der Mitwirkungsmöglichkeiten der
Bürgerinnen und Bürger als dringend geboten. Nicht zuletzt hat auch die
Bezirksgebietsreform den Reformbedarf verschärft, da durch die Zusammenlegung
einzelner Bezirke zum 1. Januar 2001 Selbstverwaltungseinheiten zwischen
220.000 und 320.000 Einwohnerinnen und Einwohnern entstanden sind. Aus all dem
ergibt sich die Notwendigkeit der Erweiterung bürgerschaftlicher
Mitwirkungsrechte.
Da
ein erfolgreicher Bürgerentscheid einem
Beschluss der BVV gleichgestellt sein muss, bedarf die Einführung von
Bürgerentscheiden in Berlin einer verfassungsrechtlichen Grundlage.
2. Einzelbegründung:
Artikel I
zu
1.
Gemäß
Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der geltenden VvB liegt die vollziehende Gewalt in den
Händen der Regierung und der Verwaltung. Verwaltung im Sinne dieser Norm ist
auch die Bezirksverwaltung (Art. 3 Abs. 2 VvB).
Die
BVV ist gemäß Art. 72 VvB ein Organ der bezirklichen Selbstverwaltung. Nach
dieser Vorschrift übt sie die Kontrolle über die Verwaltung des Bezirkes aus,
beschließt den Bezirkshaushaltsplan und entscheidet in den ihr zugewiesenen
Angelegenheiten. Mit der Einführung des Bürgerentscheides kann ein
erfolgreicher Bürgerentscheid an die Stelle einer Entscheidung der BVV treten.
Er würde damit rechtlich die Wirkung einer solchen Entscheidung erhalten. Der
Bürgerentscheid stellt somit eine Form des Verwaltungshandelns auf bezirklicher
Ebene dar.
Mit
der Änderung des Artikel 3 Absatz 1 wird klar gestellt, dass mit der Einführung
des Bürgerentscheides die vollziehende Gewalt nicht mehr allein in den Händen
der Regierung und der Verwaltung liegt, sondern in bestimmten Fällen auch durch
Akte der unmittelbaren demokratischen Willensbildung der Bevölkerung erfolgen
kann.
Zu 2.
Die angestrebte Einführung des Bürgerentscheides
macht es erforderlich, in der Verfassung zu regeln, dass ein erfolgreicher
Bürgerentscheid an die Stelle einer Entscheidung der BVV treten kann, vorausgesetzt,
das gesetzlich festgelegte Quorum wird erreicht. Die Verfassung soll in diesem
Zusammenhang bestimmen, dass Bürgerentscheide nur im
Rahmen der sich aus der Verfassung und gesetzlichen Regelungen ergebenden
Zuständigkeit der BVV zulässig sind.
Artikel II
Der Artikel regelt das Inkrafttreten der Verfassungsänderung.
Berlin, 24. Februar 2005
Müller Schimmler
und die übrigen Mitglieder der Fraktion der SPD
Liebich Dr. Zotl
und die übrigen Mitglieder der Fraktion der PDS
Dr. Klotz Ratzmann
und die übrigen Mitglieder der Fraktion
Bündnis 90 /Die Grünen
Dr. Lindner Ritzmann
und die übrigen Mitglieder der
Fraktion der FDP
Ausschuss-Kennung : Rechtgcxzqsq