Drucksache 15 / 1517

 

 

15. Wahlperiode

 


 

 

 


Antrag

 

der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

 

Standortfaktor Grün stärken (II)

       Rettung der Grünanlagen für eine naturgemäße Erholung der Berliner Bevölkerung

 

 

 


Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:

 

 

Zweites Gesetz

zur Änderung des Gesetzes zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung

der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen

(Grünanlagengesetz – GrünanlG)

Vom ...........

 

Das Abgeordnetenhaus hat folgendes Gesetz beschlossen:

 

Artikel I

 

Das Gesetz zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen (Grünan­lagengesetz – GrünanlG) vom 24. November 1997 (GVBl. S. 612), zuletzt geändert durch Art. XLVIII des Gesetzes vom 16. Juli 2001 (GVBl. 260), wird wie folgt geändert:

 

In § 2 (Widmung und Einziehung) wird Absatz 4 wie folgt geändert:

„(4) Eine öffentliche Grün- und Erholungsanlage kann nur mit Zustimmung der für Naturschutz und Land­schaftspflege zuständigen Senatsverwaltung sowie, falls Belange der Denkmalpflege berührt werden, auch der für die Denkmalpflege zuständigen Senatsverwaltung vollständig oder teilweise eingezogen und in der Nutzungsart verändert werden, innerhalb des S-Bahnringes zusätzlich nur mit Zustimmung des Abgeordnetenhauses, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls dies erfordern und dies mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege sowie der Denkmalpflege vereinbar ist.


 


Zeitgleich sind in den nach dem Landschaftsprogramm gemäß § 4 Gesetz über Naturschutz und Land­schaftspflege in Berlin (Berliner Naturschutzgesetz) vom 10. Juli 1999 (GVBl. S. 390), zu­letzt geändert durch Art. LVIII des Gesetzes vom 16. Juli 2001 (GVBl. 260), defizitären Gebieten, gleichwertige Ersatzflächen in der näheren Umgebung bereitzustellen und als öffentliche Grün- und Erholungsanlage zu widmen.

 

2.         § 4 (Schutz, Pflege und Entwicklung) wird wie folgt gefasst:

 

„§ 4
Schutz, Pflege und Entwicklung

 

(1)     Für Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen öffentlicher Grün- und Erholungsanlagen sind von den Bezirken der Größe und der Bedeutung der Anlage für den Naturschutz und die Landschafts­pflege sowie die Denkmalpflege angemessene Park­pflegewerke nach ihrer Dringlichkeit mit verbindli­chen Zeitvorgaben zur Konkretisierung der in § 1 Absatz 1 genannten Zweckbestimmungen aufzu­stellen und umzusetzen. Sie sind nach Bedarf zu aktualisieren.

 

(2)     Der Anteil der naturgemäß gepflegten Flächen ist kontinuierlich zu erhöhen.

 

3.       § 6 (Benutzung der Anlagen) wird wie folgt geändert:

 

a)       Absatz 5 wird wie folgt gefasst:

 

(5) Eine Benutzung der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen, die über Absatz 1 hinausgeht, bedarf der Genehmigung der zuständigen Behör­de im Einvernehmen mit der Behörde für Natur­schutz und Landschaftspflege. Die Genehmigung kann im Einzelfall erteilt werden, wenn das über­wiegende öffentliche Interesse dies erfordert und sie insbesondere mit den Belangen von Natur­schutz und Landschaftspflege sowie der Denk­malpflege vereinbar ist. Vermeidbare Beein­trächtigungen sind zu unterlassen, unvermeid­bare zeit- und ortsnah sowie gleichwertig auszugleichen. Die Genehmigung kann mit weiteren Auflagen verbunden werden; eine abfallarme und umweltschonende Durchführung ist zu ge­währleisten. Für die Benutzung sind Entgelte zu erheben, deren Bemessung den wirtschaftlichen Vorteil der Benutzung ausreichend abschöpft. Die Einnahmen sind zweckgebunden für Maß­nahmen der Zweckbestimmungen dieses Gesetzes zu verwenden.

 

b)       Nach Absatz 6 werden folgende Absätze 7 und 8 angefügt:

 

(7) Wer öffentliche Grün- und Erholungsanla­gen beeinträchtigt oder unter Missachtung der behördlichen Anordnungen entgegen Absatz 1 benutzt hat, ist verpflichtet, unverzüglich den früheren Zustand wieder herzustellen oder, wenn das nicht möglich ist, die Beeinträchtigungen gleichwertig, zeitnah und ortsnah durch Maß­nahmen des Naturschutzes und der Landschafts­pflege auszugleichen. Absatz 5 gilt entsprechend.

 

(8) Für die Erfüllung der Ausgleichspflicht nach den Absätzen 5 und 7 haften der Verursacher und der Rechtsnachfolger als Gesamtschuldner.

 

4.       Nach § 6 werden folgende § 6a (Mitwirkung von Vereinen sowie Grün- und Erholungsanlagenträ­gern) und § 6b (Rechtsbehelfe von Vereinen) einge­fügt:

 

§ 6a

Mitwirkung von Vereinen und Grün- und Erholungsanlagenträgern

 

(1) Einem rechtsfähigen Verein, der nach § 39 Ge­setz über Naturschutz und Landschaftspflege in Berlin (Berliner Naturschutzgesetz) vom 10. Juli 1999 (GVBl. S. 390), zuletzt geändert durch Art. LVIII des Gesetzes vom 16. Juli 2001 (GVBl. 260), anerkannt ist und durch das Vorhaben in seinem maßgebenden satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird, sowie den betroffenen Träger der jeweiligen Grün- und Erholungsanlage ist Gelegen­heit zur Stellungnahme sowie zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten und die übrigen Unterlagen zu geben, bei der Vorbereitung von Änderungen, der Aufhebung oder Neufassung dieses Gesetzes, sowie Rechtsverordnungen und anderen im Rang unter dem Gesetz stehenden Vor­schriften der für die Grünordnung zuständigen Senatsverwaltung oder Bezirksverwaltung oder einem Verwalter der Grün- und Erholungsanlage.

(2) Die nach Absatz 1 mitwirkungsberechtigten Vereine sowie Grün- und Erholungsanlagenträger sind von den zuständigen Behörden und Verwaltern landeseigener Grün- und Erholungsanlagen über die Vorhaben und Planungen sowie die Einleitung von Verwaltungsverfahren im Sinne des Absatzes 1 rechtzeitig schriftlich zu benachrichtigen.

(3) Eine in anderen Rechtsvorschriften vorgesehene inhaltsgleiche oder weitergehende Form der Mitwir­kung bleibt unberührt.

 

§ 6b
Rechtsbehelfe von Vereinen

 

(1) Ein nach § 39 Berliner Naturschutzgesetz aner­kannter rechtsfähiger Verein kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßga­be der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen, wenn er geltend macht, dass Erlass, Ablehnung oder Un­terlassung eines Verwaltungsaktes den Vorschriften dieses Gesetzes oder auf Grund oder im Rahmen dieses Gesetzes erlassenen oder fortgeltenden Rechtsvorschriften oder anderen Rechts­vorschriften, die auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt und bei diesem Verwaltungsakt zu beachten sind, wider­spricht.

 

(2) Rechtsbehelfe nach Absatz 1 sind zulässig, wenn

1.     der Verein durch die angegriffene Maßnahme in seinen satzungsgemäßen Aufgaben, soweit die Anerkennung darauf beruht, berührt wird und

2.     der Verwaltungsakt nicht auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung in einem verwal­tungsgerichtlichen Streitverfahren er­folgt ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn zu Unrecht anstelle des genannten Verwaltungsaktes ein anderer Verwaltungsakt gesetzt worden ist, für den das Gesetz eine Mitwirkung der anerkannten Vereine nicht vorsieht.

(4) Eine in anderen Rechtsvorschriften vorgesehene inhaltsgleiche oder weitergehende Form der Befug­nis zur Einlegung von Rechtsbehelfen bleibt unberührt.

 

2.     In § 7 (Ordnungswidrigkeiten) wird Absatz 3 wie folgt gefasst:

 

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro geahndet wer­den. Die Bußgelder sind zweckgebunden von der gemäß § 7 Absatz 4 zuständigen Behörde zur Behebung der angerichteten Schäden zeit- und ortsnah sowie gleichwertig bzw. falls dies nicht möglich ist, für naturgemäße Maßnahmen gemäß § 4 Absatz 2 in öffentlichen Grün- und Erho­lungsanlagen zu verwenden.“

 

Artikel II

 

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündigung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft.

 

Begründung:

 

Die grüne Lunge Berlins sind vor allem in den Innen­stadtbezirken die öffentlichen Grün- und Erholungs­anlagen, wo die BürgerInnen der Stadt Entspannung und Inspiration finden und die als sozialer Treffpunkt dienen. Sie haben eine herausragende Bedeutung für den Natur­haushalt, indem sie u. a. durch Versickerung von Regen­wasser klares Trinkwasser produzieren, Lärm und Staub binden sowie das Kleinklima entscheidend positiv für die nähere Umgebung beeinflussen. Oftmals sind sie auch bedeutende und einzigartige kulturhistorische Bei­spiele der Parkanlagenkunst als geschützte Gartendenk­male und bieten nicht zuletzt bei einer naturgemäßen Bewirt­schaftung wichtige Lebensräume für die gefährdeten und typischen Tier- und Pflanzenarten der Großstadt.

 

Vorrangige Aufgabe ist es deshalb, die bestehenden Grün- und Erholungsanlagen zu erhalten und zu schützen sowie diese naturgemäß zu pflegen, zu entwickeln und wieder herzustellen. Das Landschafts- und Artenschutzprogramm zeigt weite Gebiete der Unterversorgung mit Grünflächen in Berlin auf, wo als Handlungsschwerpunkt neue natur­nahe Grün- und Erholungsanlagen geschaffen werden müssen. Das Grünanlagengesetz wird deshalb für eine naturgemäße Bewirtschaftung unter Reduzierung von Pflegekosten und zur Verbesserung der Erholungsnutzung für die Berliner Bevölkerung geändert.

 

Zu 1.:

 

Die Stellung von öffentlichen Grün- und Erholungs­anlagen wird durch die Einführung einer formellen Zustimmungspflicht der für Naturschutz und Land­schaftspflege zuständigen Senatsverwaltung und, falls Belange der Denkmalpflege berührt werden, auch der für die Denkmalpflege zuständigen Senatsverwaltung, vor Be­einträchtigungen gestärkt. Innerhalb des S-Bahn­ringes ist zusätzlich die Zustimmung des Abgeordneten­hauses erforderlich. Auch inhaltlich wird der Maßstab der zwingenden Gründe und Vereinbarkeit erhöht, sowie die Notwendigkeit der zeitgleichen Bereitstellung von gleichwertigen Ersatzflächen eingeführt, wenn die­se in nach Maßgabe des vom Abgeordnetenhaus verabschiedeten Landschaftsprogramms defizitären Ge­bieten liegen.

 

Zu 2.:

 

Die naturgemäße Gestaltung von öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen wird verbindlich eingeführt. Dabei ergeben sich erhebliche Umverteilungspotentiale für Maßnahmen einer naturgemäßen Bewirtschaftung.

 

Zu 3.:

 

Ausnahmen für die Benutzung von öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen sind nur bei Vereinbarkeit mit den Zweckbestimmungen und unter umweltschonenden Auflagen sowie der Vermeidbarkeits- und Ausgleichs­pflicht zuzulassen. Entgelte sind generell im Rahmen des wirtschaftlichen Vorteils der Benutzung zu erheben, um sie zweckgebunden für Maßnahmen der Zweckbe­stimmungen dieses Gesetzes zu verwenden.

 

Sollte gegen die behördlichen Anordnungen zur Benut­zung verstoßen oder öffentliche Grün- und Erholungs­anlagen anderweitig beeinträchtigt worden sein, werden der Verursacher und dessen Rechtsnachfolger als Ver­antwortliche zur unverzüglichen Wiederherstellung des früheren Zustandes verpflichtet bzw. wenn das nicht möglich ist, haben diese die Beeinträchtigungen gleich­wertig, zeitnah und ortsnah auszugleichen. Die „gleich­wertige“ Ausgleichspflicht ist analog den möglichen weitergehenden Regelungen des novellierten Bundes­naturschutzgesetz entnommen und um eine zeit- so­wie ortsnahe Komponente für öffentliche Grün- und Erho­lungsanlagen ergänzt worden.

 

Zu 4.:

 

Für die effektive rechtstaatliche Kontrolle und um die externe fachliche Kompetenz ausreichend nutzen zu können, ist es notwendig, ein Beteiligungsrecht der anerkannten Vereine gemäß § 39 Berliner Naturschutz­gesetz sowie der Grün- und Erholungsanlagenträger einzuführen und den anerkannten Vereinen zur Betei­ligung eine ausreichende gerichtliche Überprüfung des Verwaltungshandelns zu gewährleisten. Das Beteiligungs- und Verbandsklagerecht lehnen sich mit Änderungen zugunsten der Vereine und Grün- und Erholungsanlagen­trägern an die Formulierungen im Berliner Naturschutz­gesetz an.

 

Zu 5.:

 

Die eingenommenen Bußgelder sollen nicht im Landes­haushalt verschwinden und dadurch ggf. sogar für schädigende Vorhaben öffentlicher Grün- und Erholungs­anlagen missbraucht, sondern zur Behebung der angerich­teten Beeinträchtigungen eingesetzt werden. Schäden sind zeit- und ortsnah sowie gleichwertig zu be­heben bzw. falls dies nicht möglich ist, die eingenom­menen Bußgel­der für naturgemäße Maß­nahmen auf die­sen Flächen zu verwenden.

 

Berlin, den 18. März 2003


 

 

Dr. Klotz     Ratzmann         Hämmerling

und die übrigen Mitglieder

der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

 

 

 

 

 

Ausschuss-Kennung : StadtUmgcxzqsq