Antrag
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Luftschadstoffe
statt EU-Richtlinien bekämpfen
Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:
Der Senat wird aufgefordert, seinen Widerstand zur Umsetzung der EU-Feinstaubrichtlinie aufzugeben und stattdessen umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um die Emissionen des Hauptverursachers Straßenverkehr zu reduzieren.
Folgende Maßnahmen sind dabei vorrangig zu berücksichtigen:
1.
Ab
1.1. 2007 sollen innerhalb des S-Bahn Ringes nur noch Dieselfahrzeuge mit Dieselrußpartikelfiltern
fahren.
2.
Für
Straßenabschnitte mit Grenzwertüberschreitungen bei den Luftschadstoffen muss
Tempo 30 gelten.
3.
Mit
Routenempfehlungen und Leitsystemen sind schadstoffbelastete Straßen und die
Innenstadt vom LKW-Verkehr möglichst freizuhalten.
4.
Der
öffentliche Personennahverkehr und der Fahrradverkehr sind durch die Schaffung
neuer Busspuren bzw. Radfahrstreifen zu bevorzugen.
5.
Neue
Dieselfahrzeuge für den landeseigenen Fuhrpark müssen generell mit
Rußpartikelfiltern ausgestattet sein. Entsprechend ist auch auf die BVG, BSR
und andere öffentlichen Unternehmen einzuwirken. Sukzessive sollen Altfahrzeuge
nachgerüstet werden. Fahrzeuge mit Erdgasantrieb sind verstärkt zu
berücksichtigen.
6.
Der
Senat muss sich gegenüber den Bundesländern und der Bundesregierung dafür einsetzen,
dass die steuerliche Bevorzugung von Dieselfahrzeugen zukünftig nur in Verbindung
mit einem dem Stand der Technik entsprechenden Rußpartikelfilter gewährt wird.
Begründung
„
Untersuchungen in Berlin haben ergeben, dass die bisher getroffenen Maßnahmen
zur Emissionsminderung im Industrie- und Kraftwerkssektor und die Einführung
schadstoffarmer Fahrzeuge nicht ausreichen werden, um die Grenzwerte für
Feinstaub (PM 10) und Stickstoffdioxid rechtzeitig einhalten zu können. Weitere
Anstrengungen sind notwendig, die sich zumindest in Berlin auf den Hauptverursacher,
den Straßenverkehr, konzentrieren müssen.“
(Reader der Europäischen Akademie für städtische Umwelt in Zusammenarbeit mit
dem Berliner Senat zur Konferenz zur Umsetzung der EU-Richtlinien am 3.-4. November
2003)
Die
Problembeschreibung des Berliner Senates trifft es genau: Der Straßenverkehr
hat sich zum größten Luftverschmutzer in den Städten entwickelt. 80-90% der
Schadstoffe, die direkt in Atemhöhe abgegeben werden, stammen von Kraftfahrzeugen.
Menschen, Tiere, Pflanzen und die Atmosphäre werden mit Stickoxiden (NOx),
Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffen (insb. Benzol), Schwefeldioxid (SO2)
und Feinstaub (insb. Ruß) belastet. Dazu kommt das "Klimagas" Kohlendioxid,
das für den Treibhauseffekt verantwortlich ist.
Seit
über 10 Jahren wird an verschiedenen besonders verkehrsbelasteten Straßen
Berlins die Schadstoffkonzentration u.a. auch für Feinstaub gemessen.
Regelmäßig werden die Grenzwerte überschritten d.h. das Problem ist bekannt und
es besteht akuter Handlungsbedarf. Statt Maßnahmen zu ergreifen, um die
Schadstoffbelastung im Stadtgebiet zu senken, wird der Senat nun im Bundesrat
aktiv, um in einer gemeinsamen Bundesratsinitiative mit der
baden-württembergischen Landesregierung die Heraufsetzung der EU-Grenzwerte zu
erzwingen.
Unabhängig
davon, ob ein Teil der Staubbelastung in Berlin aus Quellen außerhalb der Stadt
stammt und unabhängig davon, ob bis zum vorgesehenen Zeitpunkt 2005 bzw. 2010
die Grenzwerte zu jeder Zeit eingehalten werden können, müssen Maßnahmen zur
Schadstoffreduzierung ergriffen werden.
Aufgrund
seiner hohen toxischen Wirkung und seinem hohen vor Ort erzeugten Anteil ist
der Dieselruß dabei besonders zu berücksichtigen. Mittels Rußfilter könnten bis
zu 99% der Rußpartikel aus der Abgasluft herausgefiltert werden. Die Rußfilter
finden aber zu wenig Anwendung, da ihr Einsatz nicht gesetzlich vorgeschrieben
ist.
Um
die Anwendung von Dieselrußpartikelfiltern zu fördern, stehen dem Senat
vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung. Entsprechend der Forderung der
SPD/CDU-Koalition aus dem "Innenstadtkonzept" von 1998 „Ohne Kat
nicht in die Stadt“ können auch über die Forderung nach einem Dieserußfilter
„Benutzervorteile“ (CDU-Staatssekretär Lutz Wicke) geschaffen werden.
An
hoch belasteten Straßen ist die Reduzierung des Tempos ein wirksames Mittel zur
Schadstoffsenkung. So wird bei langsameren Fahrzeugen die Aufwirbelung der
Stäube deutlich vermindert – was gleichzeitig auch zu einer Lärmreduzierung
führt.
Leitsysteme
und Routenempfehlungen für den LKW-Verkehr sind ebenfalls ein wichtiger Schritt
zur Schadstoffreduzierung in der Innenstadt, da dadurch insbesondere der
Transitverkehr aus der Innenstadt gehalten wird. Hinzu kommt, dass bisher nur
knapp ein Drittel der ca. 25.000 schweren LKWs in Berlin mit einem
Partikelfilter ausgestattet ist.
Busspuren
beschleunigen den öffentlichen Personennahverkehr und die Taxen.
Einen
nicht unwesentlichen Beitrag zur Reduzierung der Luftschadstoffe kann auch das
Land Berlin mit seinem Fuhrpark selbst leisten. Die Hälfte des landeseigenen
Fuhrparks von 4.000 Fahrzeugen besteht aus Dieselfahrzeugen, doch nur 15 (!)
der 581 in den letzten drei Jahren angeschafften Fahrzeuge verfügt über einen
Partikelfilter. BVG und BSR verhalten sich in dieser Hinsicht deutlich
umweltbewusster als der Senat. Mehr als zwei Drittel der 1.500 BVG-Busse sind
schon mit CRT-Filtern gegen Dieselruß ausgestattet.
Der
Senat soll darauf hinwirken, dass die Nachrüstung des vorhandenen Fuhrparks mit
Filtern zügig zu Ende geführt wird. Bei der Neuanschaffung ist vor allem
gegenüber der BVG darauf zu dringen, dass gasbetriebene Fahrzeuge beschafft
werden, weil der Erdgasmotor eine weitaus bessere Umweltbilanz aufweist, als
Dieselmotoren mit Filter und die Geräuschemissionen halbiert werden.
Mit
den Stimmen Berlins hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, die
Einführung von Rußfiltern steuerlich zu begünstigen. Eine steuerliche Begünstigung
ist für eine schnelle Verbreitung des Rußfilters sinnvoll. Allerdings sollte
der Senat sich dafür einsetzen, dass im Gegenzug die nicht gerechtfertigte
Subventionierung des Diesels abgebaut wird bzw. die Dieselsubventionen mit dem
Einbau von Filtern verbunden werden.
Berlin, den 15. Juni 2004
Dr. Klotz Ratzmann
Kubala Hämmerling
und die übrigen Mitglieder
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Ausschuss-Kennung
: StadtUmgcxzqsq