Vor Eintritt in die Tagesordnung
Siehe Inhaltsprotokoll.
Punkt 1 der Tagesordnung
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Große Anfrage der Fraktion der FDP Was hat die Berliner Verwaltungsreform bislang erreicht? Drs 15/2880 |
Vors. Dr. Zotl: Ich rufe die Große Anfrage der Fraktion der FDP auf. Dazu liegt bereits eine schriftliche Antwort des Regierenden Bürgermeister vom 20. September 2004 vor. Was die Behandlung der Großen Anfrage betrifft, so erhält zunächst die antragstellende Fraktion eine Redezeit von bis zu fünf Minuten, um ihren Antrag begründen zu können. Danach erfolgt die Beantwortung durch den Regierenden Bürgermeister, und es folgt eine Aussprache in einer festgelegten Reihenfolge mit bis zu 10 Minuten, in der Reihenfolge SPD, CDU, PDS und Grüne. Im Anschluss daran wird es die Gelegenheit zu einer weiteren Aussprache geben, in der auch die Vertreter des Senats Stellung nehmen können. – So viel zum Verfahren. Das Wort zur Begründung dieser Großen Anfrage hat nun Herr Krestel für die Fraktion der FDP. – Bitte sehr!
Abg. Krestel (FDP): Die Fraktion der FDP hat diese Anfrage vor über einem halben Jahr eingebracht, weil wir in Sorge waren und noch immer sind, dass der Verwaltungsreformprozess zwar vielfach beschworen und viel darüber gesprochen wird, man jedoch im bürokratischen Alltag nicht über die Erfindung neuer Begrifflichkeiten, Ankündigungen und Versprechungen hinaus kommt. Gerade auch der kritische Bericht des Landesrechnungshofs über den Stand der Umsetzung des Verwaltungsreform-Grundsätzegesetzes (VGG) in den Bezirken vom 12. Februar d. J. hatte uns in dieser Sorge bestärkt. Dieser Bericht war für uns jedoch nicht der einzige Anlass, diese Anfrage einzubringen. Uns scheint der Verwaltungsreformprozess – kaum dass er begonnen hat – schon wieder zum Erliegen gekommen zu sein, denn er wird nicht mit klaren, verbindlichen politischen Vorgaben gesteuert. Teile der Bürokratie haben diese Agenda Verwaltungsreform quasi als neue Verwaltungsaufgabe entdeckt, so dass sich hier eine Art Parallelbürokratie entwickelt hat, die die Verwaltungsreform wie ein sich drehendes Hamsterrad betreibt, das munter läuft. Es wird also – auch im Hinblick auf die notwendigen Sparmaßnahmen, denen wir bei diesem enormen Haushaltsdruck unterliegen – höchste Zeit, dass dieses Thema einmal kritisch im Parlament beleuchtet wird. – Danke!
Vors. Dr. Zotl: Danke schön, Kollege Krestel! – Das Wort hat nun der Regierende Bürgermeister. – Bitte schön, Herr Wowereit!
RBm Wowereit: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ich entschuldige mich zunächst einmal für mein Zuspätkommen, aber ich war noch einem Schülergespräch, das ich leider abbrechen musste.
Die Verwaltungsreform ist ein wichtiges Thema, und es ist gut, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Die Verwaltungsreform sollte kein Selbstzweck sein, sondern dazu dienen, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger eine Effizienzsteigerung zu erreichen. Auch wenn es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fast wie eine Schikane wirkt, so muss das oberste Ziel sein, bessere, schnellere und effektivere Dienstleistungen für die Bevölkerung zu erreichen. Es war wichtig, den Begriff Verwaltungsreform neu zu definieren und ihn vor allen Dingen aus den formalisierten Verfahren wegzuholen und sich den größeren Projekten zu widmen. Dieses Projekt ist in dieser Legislaturperiode neu aufgestellt worden, wurde am Leitbild der Bürgergesellschaft ausgerichtet, ist deshalb auch mit einer umfassenden Staatsaufgabenkritik gekoppelt und eng verbunden mit der Konsolidierung des Haushalts.
Natürlich schafft man eine umfassende Neuordnung und Modernisierung der Verwaltung nicht über Nacht, aber man kann heute sagen: Die Weichen sind in die richtige Richtung gestellt worden. Ich verstehe, dass speziell dieser Ausschuss, der seit Jahren diesen Prozess verfolgt, ungeduldig ist. Sie können jedoch sicher sein, dass so auch viele Mitglieder des Senats empfinden, denen das alles nicht schnell genug geht. Aber Sie müssen sehen, dass diese Materie kompliziert ist und dass die richtigen Schwerpunkte gesetzt werden müssen. In den letzten Jahren haben wir jedoch viele Projekte umgesetzt, und es sind strukturelle Entscheidungen getroffen worden, die in den Jahren zuvor nicht geschafft wurden. Angeschoben haben wir die Neuordnung am 1. April 2003 mit dem Senatsbeschluss über die Neuordnungsagenda 2006. Nach heutigem Stand umfasst diese Agenda über 50 Projekte und Vorhaben. Sie sind Teil der Finanzplanung 2003 bis 2007 von Berlin und damit ein integraler Bestandteil des Sanierungsprogramms des Landes Berlin nach § 12 Abs. 4 Maßstäbegesetz.
Wir haben uns auf einige übergeordnete Ziele verständigt, an denen sich die Agenda orientiert. Das erste und wichtigste Ziel der Neuordnung ist eine bürgerfreundliche Verwaltung. Mit der Bündelung der Verwaltungsleistung im Sinne der Kundenorientierung haben wir die Bürgernähe gestärkt – Beispiel dafür sind die eingerichteten Bürger- und Ordnungsämter. An 46 Standorten bieten 61 Bürgerämter in den Bezirken 94 IT-gestützte Dienstleistungen aus einer Hand an. Senat und Abgeordnetenhaus haben – wie Sie wissen – die Voraussetzung für die Errichtung bezirklicher Ordnungsämter durch eine weitgehende Aufgabenverlagerung zu den Bezirken geschaffen und dabei insbesondere die Aufgaben der Polizeibehörde, der Straßenverkehrsbehörde und der Bezirke neu geordnet. Damit ist eine seit 10 Jahren in Berlin diskutierte Strukturreform umgesetzt worden – wobei ich einschränkend sage, dass nicht alle Ordnungsämter zurzeit voll funktionsfähig sind, vor allem, was den Bereich der Kiezstreifen anbelangt. Ich bin jedoch der Ansicht, dass sich auch dort innerhalb kürzester Zeit die Sinnhaftigkeit dieser Einrichtung gezeigt hat.
Der zweite Schwerpunkt der Neuordnung ist die Konzentration auf staatliche Kernaufgaben und die konsequente Beschränkung auf die Gewährleistungsverantwortung. Das Prinzip lautet: Der Staat steuert und sorgt für die Festlegung und Einhaltung von Qualitätsstandards, aber er muss nicht alle Aufgaben selbst erledigen. Die Übertragung städtischer Kindertagesstätten an freie Träger sowie der restlichen Kitas an Eigenbetriebe – das ist die Diskussion, die jetzt geführt wird – in der Regie der Bezirke, also neue kommunale Träger, ist ein gutes Beispiel dafür. Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung haben wir ein völlig neues Organisationsmodell geschaffen, in dem sich der Staat künftig auf die Bauherrenfunktion beschränkt. In den bauenden Abteilungen konnten seit dem Doppelhaushalt 2002/2003 damit strukturell knapp 19 Millionen €, über 300 Stellen eingespart werden. Die Neuordnung der bauenden und planenden Bereiche der Bezirke ist das nächste Projekt, das in diese Richtung weist. Gleiches gilt für die Projekte zur Neuausrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes und eine Reihe anderer Großprojekte.
Das dritte übergeordnete Ziel ist die Neuordnung in den Bereichen Personalinformationstechnik, Facilities. Bei den großen Kostenblöcken des Landeshaushalts wie Personal, IT und Facilities sind die Neuordnungsansätze weitgehend realisiert. Erstmals wurde eine gesamtstädtische Personalsteuerung und Abbauplanung in Form des zentralen Personalüberhangmanagements verwirklicht. Dieses von vielen kritisierte Modell hat bereits Erfolge zu verzeichnen. – Ich verweise auf die Verlagerung von Personal zu den bezirklichen Ordnungsämtern und auch auf die Unterstützung durch Personalgestellung bei der Umsetzung von Hartz IV, die ohne den zentralen Stellenpool in dieser kurzen Zeit nicht möglich gewesen wäre. – Weitere Projekte befinden sich in der Planung.
Die Berliner Immobilien-Management-GmbH hat mit dem Startportfolio von ca. 90 Objekten der Berliner Hauptverwaltung im Jahr 2003 ihre Arbeit aufgenommen. Das bisherige Landesamt für Informationstechnik wird als Anstalt des öffentlichen Rechts mit erheblich erweiterten Kompetenzen ausgestattet, und gleichzeitig wird ein neues IT-Regelwerk in Kraft treten, das den Einsatz landesweit einheitlicher, moderner, zukunftsorientierter Technik im Land Berlin ermöglicht. Eine Effizienzsteigerung und Kosteneinsparung in dreistelliger Millionenhöhe werden erwartet.
Mit dem vierten Ziel schließt sich der Kreis. Auch die Vereinfachung landesrechtlicher Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften und die Straffung der öffentlichen Verwaltungsstrukturen dienen in erster Linie der Bürgerfreundlichkeit und dem Abbau administrativer Hemmnisse für all jene, die in Berlin wirtschaftlich aktiv sein wollen oder einfach nur für Privatpersonen, die auf Genehmigung angewiesen sind. Ein erstes vom Senat vorgelegtes Artikelgesetz zur Rechtsvereinfachung und Entbürokratisierung wurde vom Berliner Abgeordnetenhaus im Herbst 2003 beschlossen, und ein zweiter Gesetzentwurf wurde vom Senat im Juni 2004 im ersten Durchgang beschlossen. Dieses Artikelgesetz zielt insbesondere auf die Erleichterung und die Beschleunigung standortrelevanter Rechtsvorschriften, unter anderem auf dem Gebiet der Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes, des Denkmalschutzes sowie des Gaststättenrechts ab.
Lassen Sie mich noch zwei weitere Beispiele für strukturelle Vorhaben der Neuordnungsagenda nennen: Erstens die Umsetzung des neuen Schulgesetzes, unter anderem die Übertragung der Horte an die Schulen und die weitgehende Verwirklichung der eigenverantwortlichen Schule und – zweitens – die Strukturreform bei Gerichten und Staatsanwaltschaften. Die Neuordnung steht kurz vor dem Abschluss, und die Hierarchien werden abgeflacht – beispielsweise entfällt die Mittelbehörde Amtsgerichtspräsident. Die Amtsgerichte werden – wie von der Scholz-Kommission vorgeschlagen – verselbständigt. Die Geschäftsabläufe in den Gerichten und Staatsanwaltschaften werden modernisiert und gestrafft. Durch den im April 2004 unterzeichneten Staatsvertrag mit Brandenburg ist die Errichtung eines gemeinsamen Justizprüfungsamts und die Zusammenlegung von Obergerichten beider Länder erfolgt. – Weitere Beispiele bitte ich der Anlage zur schriftlichen Antwort auf die Große Anfrage zu entnehmen. Das bis heute in Projektplanungen und Potentialschätzungen benannte bzw. bereits realisierte finanzwirtschaftliche Entlastungspotential darf als erheblich bezeichnet werden. Die Reformprojekte und bisherigen Konsolidierungsentscheidungen des Senats bewegen sich, was den Personalsektor betrifft, im mehrstelligen Millionen-Euro-Bereich und stehen insbesondere mit der Personalabsenkung um 20 % in einem engen Zusammenhang.
Lassen Sie mich noch kurz auf das Verwaltungsreform-Grundsätzegesetz eingehen. Berlin hat 1999 mit diesem Verwaltungsreform-Grundsätzegesetz als einziges Bundesland Instrumente, Techniken und Methoden gesetzlich normiert, die für eine moderne Kommunalverwaltung entwickelt worden sind. Das war ein Fortschrift in einer besonderen Weise, aber es steckte von vornherein ein Fehler in der Konstruktion, denn Berlin ist nicht nur Kommune sondern auch Land, und eine Kommunalverwaltung hat andere Aufgaben zu erfüllen als eine Ministerialverwaltung. Nun gibt es fünf Jahre Praxiserfahrung. Das ist Zeit genug, um Stärken und Schwächen realistisch einzuschätzen. In der schriftlichen Antwort auf die Große Anfrage hat die Senatskanzlei auf der Basis einer groß angelegten Umfrage bei Senatsverwaltungen und Bezirken ausführlich dargestellt, inwieweit die im Gesetz formulierten Vorgaben in der Verwaltungspraxis umgesetzt werden, was das Gesetz im Einzelnen bewirkt hat und welcher Bürokratieaufwand entstanden ist. – Ich verweise auf diese Ausführungen. – Zu ähnlichen Ergebnissen hat eine Untersuchung des Landesrechnungshofs in den Berliner Bezirken geführt. – Der Bericht liegt seit dem Sommer dieses Jahres vor.
Es ist richtig, dass wir eine Veränderung der Organisations- und Führungskultur der Verwaltung benötigen. Die traditionellen Methoden einer hierarchischen Steuerung sind nicht mehr zeitgemäß. Qualität, Ergebnisse und Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns sowie Bürgerfreundlichkeit und Kostentransparenz sind die entscheidenden Parameter, auf die es ankommt. Ich denke, dass dieser Ausschuss, der dieses Gesetz und seine Weiterentwicklung diskutiert, zu wesentlichen Erkenntnissen gelangen wird. Ich hoffe, dass wir alle miteinander eine ergebnisoffene Prüfung der einzelnen Paragraphen vornehmen, um nach der kritischen Bestandsaufnahme sehen zu können, ob Veränderungen vorgenommen werden müssen und wenn ja, in welcher Art und Weise. Darin liegt unser aller Interesse, denn aus unserer Sicht macht es wenig Sinn, Vorschriften zu normieren, die in der Praxis entweder nicht umgesetzt werden oder deren Sinnhaftigkeit sich denjenigen, die es umsetzen müssen, wenig erschließt. Ich bin der Ansicht, dass ein kritischer Dialog darüber möglich ist.
Neben den von uns angeschobenen Maßnahmen sind wir dringend darauf angewiesen, hinsichtlich der Verwaltungsreform auch dort nach vorne zu kommen, wo wir teilweise an bundesgesetzlichen Regelungen scheitern. Für uns ist es wichtig, dass in der Föderalismuskommission, die hoffentlich am 17. Dezember d. J. zum Abschluss kommt, auch im Bereich des Besoldungs- und Dienstrechts sowie in Artikel 33 Abs. 5 die Neuregelungen geschaffen werden, die die so genannten hergebrachten Grundsätze des Beamtentums zumindest fortentwickeln können, denn das ist mittlerweile eine Geißel geworden. Wir haben in vielen Beförderungsfällen Konkurrentenklagen, Statusfragen usw., wo heutzutage auch bei Beibehaltung – das stellt niemand in Frage – des Berufsbeamtentums eine Modernisierung schon fast unmöglich gemacht wird, weil man dort immer wieder an Grenzen stößt, die auch das Bundesverfassungsgericht bei der harten Festschreibung der hergebrachten Grundsätze des Beamtentums formuliert. Ich bin zufrieden, nachdem es anfangs kritisch aussah, dass mittlerweile selbst der Bundesinnenminister, aber auch die Länder und Bundestagsfraktionen bereit sind, im Artikel 33 Abs. 5 die Ergänzung vorzunehmen. Berlin und Nordrhein-Westfalen hatten eigentlich weitergehende Vorschläge, aber es soll dann auch aufgenommen werden, dass diese fortzuentwickeln sind. – Aus dem Begriff „fortzuentwickeln“ leiten Verfassungsexperten ab, dass damit auch bestimmte Rechtsprechungen der Oberverwaltungsgerichte oder des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr möglich sind, damit man mehr Flexibilität bekommt. Ich halte das für besonders wichtig, wie auch das, was Bundesinnenminister Schily mit den Chefs von ver.di, Herrn Bsirske und dem Deutschen Beamtenbund, Herrn van Heesen zur Flexibilisierung auch von Gehaltszahlungen ausgearbeitet hat: 80 % Fixgehalt und 20 % flexibel. Das sind Dinge, die in die richtige Richtung gehen, allerdings für den öffentlichen Dienst gewöhnungsbedürftig sind. Sie müssen jedoch insgesamt auch als Instrumentarien zur Verfügung gestellt werden, um im Sinne eines modernen Dienstrechts und einer Modernisierung der Verwaltung voranzukommen, um auch hinsichtlich der eigenen Zuständigkeit in Besoldungsdienstrechts- und Laufbahnfragen sagen zu können: Wir sind für unsere eigenen Landesbeamten zuständig und stellen damit eine Stärkung des Parlaments in der Gesetzgebungsbefugnis dar. Nicht via Bundestag oder Bundesrat, sondern eine direkte originäre Gesetzeszuständigkeit würde damit begründet werden. Nachdem ich heute die Zeitung gelesen haben, muss ich sagen: Bislang haben wir diese Verfassungsrechtsänderungen noch nicht. Auch wenn sie am 17. Dezember beschlossen werden, gehen sie dann erst in das Gesetzgebungsverfahren und würden frühestens Mitte des nächsten Jahres überhaupt Rechtskraft erlangen. Deshalb halte ich es für verfrüht, schon heute von einem prominenten Vertreter dieses Hauses die Forderung nach den Gesetzesvorschlägen zur Veränderung des Berliner Senats zu hören. Wir werden noch genügend Zeit haben, um gemeinsam darüber zu diskutieren, welche Auswirkungen das für unsere eigene Gesetzgebung hat.
Vors. Dr. Zotl: Recht schönen Dank, Herr Regierender Bürgermeister! – Ich eröffne nunmehr die erste Fraktionsrunde. Es steht eine Redezeit von bis zu 10 Minuten pro Fraktion zur Verfügung, und es beginnt die FDP. – Ich darf noch ergänzend mitteilen: Bei der Besprechung einer Großen Anfrage in einem Ausschuss wird automatisch ein Wortprotokoll erstellt. – Bitte, Herr Krestel!
Abg. Krestel (FDP): Danke, Herr Vorsitzender! – Herr Regierender Bürgermeister! Natürlich war Ihre Antwort in sich logisch und stimmig. Aber die Krux der Verwaltungsreform ist: Solange man sich im Bereich der Theorie bewegt, ist alles klasse. Der Erfolg stirbt immer dann, wenn man einen Blick in die Praxis wirft und nicht die großen Brocken aus dem Überbau betrachtet, sondern auch mal in die Amtsstuben geht und sich anschaut, was sich dort abspielt und vielleicht verändert hat.
Sie sprechen in Ihrer schriftlichen Antwort zum Beispiel die Vereinfachung landesrechtlicher Gesetze an. Dabei fällt jedem sofort die Novelle der so genannten Baumschutzverordnung ein, die jetzt zwar das Schlagen von Nadelhölzern gestattet, aber insgesamt länger und komplizierter geworden ist, und man hat dort nicht eine Stelle eingespart. Immerhin sind es in Berlin rd. 30 Kräfte, die sich mit diesen redundanten Vorschriften beschäftigen.
Ferner haben Sie die Neuordnung der Kita-Landschaft angesprochen. Wir begrüßen natürlich die Überführung der Kitas zu den freien Trägern, weil diese in der Regel besser und kostengünstiger arbeiten. Nur, die Praxis ist für viele Kitas so – ich habe einige Beispiele aus Tempelhof und Schöneberg parat –, dass zunächst ein langwieriger Kampf stattfindet, bis die willigen Kitas tatsächlich bei einem freien Träger gelandet sind.
Da wird zunächst einmal Panik gemacht, dass die Kita geschlossen wird. Daraufhin weichen die Eltern dieser Kita aus, die dann plötzlich einen Überhang hat, den der freie Träger nicht übernehmen will, und so lässt sich dieses Spiel fortsetzen. Theoretisch gibt es in der Praxis einen Stolperstein nach dem anderen.
Weil Sie den Vergleich zwischen den Standards und der Suche nach Best-practice-Modellen angesprochen haben: Die gesparten 19 Millionen im Bereich der Stadtentwicklung in den bauenden Abteilungen stellen wir gar nicht einmal in Abrede. Nur, niemand hat bisher logisch erläutern können, warum zum Beispiel in Berlin insgesamt 5 400 Stellen für den Stadtentwicklungsbereich bestehen, und die andere Millionenstadt Hamburg kommt mit 1 900 Mitarbeitern aus. Genauso verhält es sich im Bereich der Stadtplanung. Berlin verfügt über 550 Stellen und die Stadt Köln, die auch ein bisschen größer ist, schafft die gleichen Aufgaben mit 90 Mitarbeitern. So zieht sich diese Krux fort.
Ich möchte auch einmal die von Ihnen erwähnten wesentlichen Instrumente aus dem VGG ansprechen, wie zum Beispiel die Steuerungsdienste. In vielen Bezirken – der Rechnungshof hat das übrigens sehr kritisch dargestellt, aber bei Ihnen klang es so, als wenn die der Verwaltung Recht gegeben hätten – bewältigen die Steuerungsdienste völlig fremde Arbeiten, die eigentlich vom Büro des Bezirksbürgermeisters erledigt werden müssten bzw. arbeiten zu einem großen Rest an der Verwaltung vorbei. Insgesamt haben diese Steuerungsdienste aus Sicht der FDP ihre Leistungen bis dato nicht erbracht, sondern anstatt die in der Verwaltung sprichwörtlich vorhandene Planwirtschaft abzuschaffen oder zu mildern, haben sie sie noch verfeinert, weil auch noch Gruppen mit eingeführt wurden, die eine Planung erstellen, die die Verwaltung in den seltensten Fällen erfüllt.
Viele Dinge ergeben sich auch aus den Zielvereinbarungen. Sie haben geschrieben: „Im Bereich der Verwaltungsreform werden die durch die extreme Haushaltsnotlage notwendigen Eingriffe in den laufenden Haushalt derzeit als Haupthindernis für die mit der Anwendung von Zielvereinbarungen erwarteten Steuerungsvorteile beklagt.“ Dieses System der Zielvereinbarungen ist aber nicht an Ihren Kassen gescheitert, sondern weil es immer nur eine Momentaufnahme darstellt, wo möglichst globale Ziele formuliert werden, nach dem Motto: Wir verpflichten uns, besser und schneller zu arbeiten. Nur, wo tatsächlich konkrete Maßzahlen gefragt wären, sucht man immer wieder vergeblich danach.
Vors. Dr. Zotl: Herr Krestel! Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die 10 Minuten um sind.
Abg. Krestel (FDP): Ja, die Krux ist, dass ich mengenmäßig nicht nachkomme. Aber wir werden diese Diskussion sicherlich im Rahmen der bevorstehenden VGG-Novelle fortsetzen können. Letztlich bleibt unsere Aufforderung: Verlassen Sie den theoretischen Bereich und den Globalismus. Machen Sie die Verwaltung in der Praxis endlich schneller und bürgernäher, und achten Sie auf die Kosten! Ich habe mir gestern Abend noch mal die Personalkosten angeschaut, die bis 2007 nicht sinken sollen. – [RBm Wowereit: Sinken sollen sie schon!] – Ja, aber die Zahl hat sich nicht verändert. Bis 2007 steht immer brav die 7 davor, da sinkt nichts. – Vielen Dank!
Vors. Dr. Zotl: Danke, Herr Krestel! – Das Wort hat nun die Fraktion der SPD. – Bitte, Frau Flesch!
Frau Abg. Flesch (SPD): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Meine Damen und Herren! Der Titel der Großen Anfrage der FDP suggeriert, dass sie einmal wissen möchte, was die Verwaltungsreform den Berlinerinnen und Berliner gebracht hat. Inhaltlich geht die Fragestellung nur wenig darauf ein, was denn die Berlinerinnen und Berliner bislang von der Verwaltungsmodernisierung haben und vielleicht noch haben werden. Das, was Sie immer wieder betonen, zeigt deutlich: Sie sind nicht geneigt, a) Erfolge zur Kenntnis zu nehmen, b) objektive Schwierigkeiten als solche zu werten und diese vielleicht auch einmal konstruktiv mit anzugehen, und – c) – Sie sind nicht geneigt zur Kenntnis zu nehmen, dass gerade Organisationsänderungs-prozesse – aa) 1. das sind nämlich Prozesse – bb) massiv von den handelnden Personen abhängen. Als wir uns gestern Abend über die Bürgerämter und ihre unterschiedliche Qualität unterhielten, haben wir festgestellt, dass es massiv davon abhängt, wer was in einem Bezirk verantwortet, mit welchem Engagement Menschen an das Thema Änderung der Organisationsstruktur, Aufgabenkritik, Geschäftsprozessoptimierung – die Änderung der Organisationsstruktur kommt natürlich nach hinten und nicht nach vorne – herangehen.
Es macht überhaupt keinen Sinn, so zu tun, als würden Reformprozesse in einem Vakuum stattfinden, in dem die Menschen quasi über Nacht neu gebacken werden, damit dann alles so ist, wie wir es uns in der Theorie vorstellen. Ich habe das über die Jahre – ich glaube, ich bin, neben Herrn Dr. Zotl, am längsten in diesem Ausschuss – hinweg erleben müssen, aber da wir es mit Menschen zu tun haben, müssen wir mit derartigen Dingen rechnen.
Der Regierende Bürgermeister hat ja schon etliche Dinge genannt, von denen die Berlinerinnen und Berliner profitiert haben. Nur hat er dabei vergessen, zu erwähnen, dass zum Beispiel die Wartezeiten des LEA in der Kfz-Zulassung drastisch reduziert wurden, und zwar bei einer ebenso drastischen Reduktion des Personals, nämlich von früher drei bis vier Stunden Wartezeit, auf eine durchschnittliche Wartezeit von 30 Minuten. Wenn in einem Bürgeramt die Leute vier Stunden warten müssen, dann hat das vielleicht auch ein bisschen damit zu tun, dass es als innerstädtisches Bürgeramt mehr Fälle zu bearbeiten hat. – Wir alle wissen, dass sich der Rat der Bürgermeister damals bei der Personalaufteilung darauf verständigt hat, nach Einwohnern und nicht nach Fallzahlen zu gehen, was sich inzwischen als Fehler herausgestellt hat. – Das andere Bürgeramt hat wenig Fälle zu bearbeiten, aber das gleiche Personal. Da gibt es Unterschiede, aber generell können wir sagen, dass keine größeren Klagen über die Bürgerämter vorliegen, und selbst die Wissenschaft konstatiert, dass das ein guter Weg ist.
Wir haben relativ geräuschlos das, was bei uns die GröAZ – die größte Amtsgerichtsreform aller Zeiten –genannt wird, in der Theorie hinter uns gebracht. Das Gesetz ist gerade erst von uns beschlossen worden, und gemeinsam mit den Vertretern der Justiz wird es noch eine Menge Arbeit geben. Das wird ein schwieriger Prozess, von dem die Berlinerinnen und Berliner auch etwas haben werden und der eine Effizienzsteigerung der Gerichte herbeiführen wird. Haben die Bürgerinnen und Bürger dann indirekt etwas davon und über das Facility-Management einen Hebel in der Hand? – Jede Menge! Vier Standorte des Finanzamts Neukölln wurden auf einen Standort mit 4 000 qm reduziert, so dass ein paar Mark Euro gespart werden. Damit haben wir einen Hebel in der Hand, um die Steuergelder vielleicht sinnvoller einzusetzen als für die Mieten der Finanzämter. Das sind unzweifelhafte Erfolge, denen unzweifelhafte objektive Schwierigkeiten entgegen stehen. Nehmen wir als Beispiel die Kita-Übertragung: Wir haben nun einmal Bezirke – ich kann Ihnen meinen nennen –, bei denen das Einkommen der Eltern so strukturiert ist, dass nur 8,4 % Elternbeiträge erwirtschaftet werden. Glauben Sie, dass freie Träger sich danach reißen würden, diesem Bezirk die Kitas aus den Händen zu nehmen? Das ist ein Defizitunternehmen, an dem sich weder eine ARWO, eine Diakonie, ein DRK oder sonst wer die Finger verbrennen wollte, abgesehen von den objektiven Schwierigkeiten der maroden Bausubstanz einiger städtischen Kitas und davon, dass bei einem Betreiberwechsel durch rechtliche Vorschriften, die nicht unbedingt auf Berliner Boden gewachsen sind, auch noch bauliche Veränderungen hinzukommen. Sie nutzen die objektiven Schwierigkeiten aus, um die Unfähigkeit der Berliner Verwaltung darzustellen. Das finde ich unlauter.
Jetzt noch zu einigen Punkten, die Sie im Rahmen des VGG angesprochen haben – zu den Zielvereinbarungen: Die Zielvereinbarungen sind ein Instrument, mit dem die einen arbeiten und die anderen nicht. Ich weiß aus dem Bereich der Justiz, dass sie hervorragend damit arbeitet, allerdings nicht so, wie wir es uns in der Theorie vorgestellt haben, nämlich in Form einer zielvereinbarungsbasierten Mittelzuweisung, weil sich die Kostenrechnung als das herausstellt – das ist etwas, das mir etwas im Magen liegt –, was wir schon seit Jahren sagen, nämlich als ein nichttaugliches Mittel zur Steuerung. Deshalb hat dieser Ausschuss nach dem Lenkungsgremium damals gesagt: Wir wollen eine zielwirkungsorientierte Steuerung und keine kostenrechnungsdatenbasierte Steuerung, weil diese nichts taugt. Das scheint noch immer ein weiter Weg zu sein. Wir müssen das dicke Brett weiter bohren, und der Bohrer wird dünner und dünner, aber wir alle bleiben dran.
Steuerungsdienste: Ich kenne aus der Wirtschaft ein paar Controller. Was die erzählen ist schon ziemlich schlimm. Da warnt dann ein Controller seinen Bankvorstand: „Die Bank geht pleite, wenn Sie so weitermachen.“ Der Controller fliegt, und der Vorstand zwei Jahre später, weil die Bank pleite ist. Das heißt auf Deutsch: Steuerungsdienste, Controller werden so gut arbeiten, wie sie von den führenden Personen eingesetzt werden. Wenn die Vertreterinnen und Vertreter der Bezirke dieses Instrument nicht richtig nutzen können, dann sollten sie dringend eine Schulung besuchen. Wir brauchen dieses Instrument, um besser steuern zu können, aber man muss sich auch auf den Steuerungsgedanken einlassen. – Dabei möchte ich es bewenden lassen.
Ich glaube schon, dass das Herauskommen aus der reinen Binnensicht des KGSt-Modells hin zur Kundenorientierung, hin zur stärkeren Bürgerfreundlichkeit der Verwaltung und zur bürgergesellschaftlichen Verwaltung das richtige Ziel ist. Wir befinden uns auf dem Weg, und daran sollten wir weitermachen.
Vors. Dr. Zotl: Danke, Frau Kollegin Flesch! – Für die Fraktion der CDU hat nun Herr Wambach das Wort. – Bitte sehr!
Abg. Wambach (CDU): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Regierender Bürgermeister! Im bisherigen Verlauf sind wir unserem Ruf gerecht geworden, dass wir die parlamentarischen Yogi-Flieger sind, wenn es um die Verwaltungsreform geht. Ich finde es ein bisschen schade, dass wir anlässlich einer Großen Anfrage und der Anwesenheit des Regierenden Bürgermeisters eine kleinteilige und möglicherweise eine etwas technokratisch abgleitende Diskussion führen, denn der Verwaltungsreformprozess ist nicht nur ein technischer, sondern auch ein hoch politischer Prozess. Wir sollten das zum Anlass nehmen, einmal einige grundsätzliche Linien in dieser Hinsicht zu besprechen. Der Regierende Bürgermeister hat in dem abgelesenen Teil seiner Antwort bereits einiges davon angesprochen, nämlich die grundsätzliche Auffassung gegenüber dem Prozess der Verwaltungsmodernisierung und der Umsetzung des Verwaltungsreform-Grundsätzegesetzes. Ich schicke voraus, dass wir im Land Berlin – vor 1999 sind viele daran beteiligt gewesen – durchaus einmal selbstbewusst sagen können, dass wir als eines der wenigen Bundesländer zuallererst ein Verwaltungsreform-Grundsätzegesetz gemacht haben und somit den Prozess der Verwaltungsmodernisierung mit Zielen versehen haben, die auch einen Gesetzescharakter bekamen. Nach nunmehr fünf Jahren ist es legitim, wenn die Fraktion der FDP einmal nachfragt, was daraus geworden ist. Nun sollten wir vielleicht nicht so sehr über Einzelprojekte sprechen, die Sie auch in Ihrer Antwort, Herr Regierender Bürgermeister, aufzählten, denn sie machen nur wenige Teile dessen aus, wovon es noch viele andere gibt. Vielmehr müssen wir darüber reden, welche Erfolge das bisher in der Umsetzung für die gesamte Breite der Berliner Verwaltung gezeitigt hat.
Unsere Kritik, die wir schon mehrfach artikuliert haben, bezieht sich zunächst einmal auf diesen grundsätzlichen Bereich. Wir hatten den Eindruck, dass nach 2001 – insbesondere nach dem Vorliegen der Ergebnisse der Expertenkommission „Staatsaufgabenkritik“, die ein Teil dieses Verwaltungsmodernisierungsprozesses gewesen ist – zunächst einmal ein Stück weit der politische Wille gefehlt hat, diesen Prozess ernsthaft und zielführend weiterzubringen. Kurz nach 2001 hat es einige Abschnitte gegeben, zum Beispiel den, der diesen Ausschuss betraf, nämlich dass der Senatsbeauftragte für Verwaltungsmodernisierung, der direkt beim Regierenden Bürgermeister angesiedelt war, strukturell abgeschafft worden ist. Es hat eine neue Gremienstruktur gegeben, die den Verwaltungsmodernisierungsprozess steuern sollte, nämlich das Tandem aus Senatskanzlei und Senatsverwaltung für Finanzen. Ob es sich nun tatsächlich bewährt hat, diesen neuen Weg zu gehen – das war ja Ihre erste Amtshandlung in Sachen Verwaltungsmodernisierung als Regierungschef – und die bisherige Struktur zu verändern, anstatt eines Senatsbeauftragten ein Tandem zu organisieren, das ist eine Frage, die sich dabei stellt. Auch wenn man nach einer Weile mal eine Zwischenbilanz zieht, muss man fragen, ob das denn so weitergehen soll oder nicht. Es ist zu hören, dass sogar noch ein drittes Element ins Spiel kommen soll: Staatssekretär Justiz. Wir haben Inneres auch noch dabei, so dass wir eigentlich schön längst kein Tandem mehr haben, sondern wir haben schon mehrere in diesem Spiel.
Unsere Frage war auch immer die – damit kommen wir direkt zu der Problematik, wo sich der politische Wille zur Umsetzung der Verwaltungsmodernisierung und eines Gesetzes im Land Berlin letztlich auch in der Verantwortungsstruktur klar macht: Wo ist die politische Verantwortung am Ende tatsächlich für welchen Bestandteil des Gesetzes angesiedelt? – Wir haben für die Novelle des VGG entsprechende Vorschläge unterbreitet, und zum gegebenen Zeitpunkt können wir dann auch noch einmal darüber reden.
Die Aussage, dass sich das VGG in vielen Bereichen als Fehlkonstruktion erwiesen habe und wir deshalb darüber nachdenken müssen, den Verwaltungsreformprozess neu zu definieren, halte ich für falsch. Vielmehr haben ein Umsetzungsproblem – der Kollege Krestel hat es bereits angesprochen – bei den bisher existierenden Dingen im Verwaltungsreformprozess. – Damit meine ich gar nicht die kleinteiligen Fragen, sondern die großen Linien.
Ich möchte noch etwas zu dem 1999 bestandenen Willen des Gesetzgebers sagen, als wir das VGG mit einer parteiübergreifenden Mehrheit im Abgeordnetenhaus beschlossen haben – Sie selbst waren mit dabei: Das eine war die Einführung der betriebswirtschaftlichen Elemente in der Berliner Verwaltung. Dazu gehörte nicht nur die Kosten- und Leistungsrechnung, sondern auch Fragen des Controlling. Wie die Kollegin Flesch bereits sagte, ging es dabei nicht nur um die Kosten, sondern wir haben das auch ein Stück weiterentwickelt. Das ist eine Frage der Organisation dieses betriebswirtschaftlichen Prozesses, bei der Zielvereinbarungen und dergleichen nur ein Umsetzungsbestandteil sind. Wenn wir einmal schauen, wie der Umsetzungsstand nach nunmehr fünf Jahren ist, dann müssen wir eines feststellen – das betrifft ebenfalls die heute mit anwesenden Mitglieder des Hauptausschusses, weil das auch finanzrelevant ist –, dass die Umsetzung dieser betriebswirtschaftlichen Elemente in den Bezirken weitestgehend geklappt hat und eingeführt worden ist. Wir haben inzwischen Budgetierungen und können auf Kostendaten aufbauen, Leistungsvergleiche anstellen und dergleichen mehr. Das hakt jedoch genau an der Stelle, die unmittelbar dazu gehört, nämlich an der Einführung dieser betriebswirtschaftlichen Elemente in den Senatsverwaltungen.
Wenn Sie nun sagen, Herr Regierender Bürgermeister, dass wir an dieser Stelle erkennen müssten, dass das vielleicht eine Fehlkonstruktion gewesen ist, weil sich diese Dinge auf Senatsverwaltungen nicht übertragen lassen, dann muss ich Ihnen entschieden widersprechen. Natürlich lassen sich auch betriebswirtschaftliche Elemente auf Senatsverwaltungen übertragen. Es ist der Wille des Gesetzgebers gewesen, dass das getan wird, damit wir am Ende einen Leistungsstrang abbilden können, wo Kosten für welche Verwaltungsleistung insgesamt entstehen. Es ist schnell absehbar, dass wir das auf der Bezirksebene klar definieren können, aber leider das, was aus der Ministerialveraltung hinzu kommt, nicht abbilden können. Es wäre der völlig falsche Schritt, zu sagen, dass wir genau an dieser Stelle den Prozess abbrechen und eine Neuorientierung vornehmen, damit wir bei der Senatsverwaltung nicht dort hinkommen, zu sagen, dass hier möglicherweise überflüssige Ressourcen vorhanden sind. Meine Vermutung ist die, dass wir die am meisten überflüssigen Ressourcen in der Berliner Verwaltung nicht etwa in den Bezirken haben, sondern auf der Ebene der Senatsverwaltungen. Nun droht das – möglicherweise auch durch Zahlen – offenkundig und transparent zu werden. Aus der Sicht meiner Fraktion darf der Prozess keinesfalls abgebrochen werden.
Das zweite VGG-Ziel ist die Kundenorientierung. Es hat sich dort im Laufe der letzten Jahre sicherlich einiges gebessert, wofür es gute Beispiele gibt – die Kollegin Flesch hat es gesagt –, wie die Kraftfahrzeugzulassungsstelle des LEA und vieles mehr. Aber dass sich die Kundenorientierung in der Berliner Verwaltung schon von der Mentalität her flächendeckend durchgesetzt hat – wir bekommen das gelegentlich durch Presseveröffentlichungen, Behördenumfragen und dergleichen mehr zu hören –, da sind wir noch nicht am Ziel unserer Wünsche angelangt. Dort ist sicherlich noch eine Menge zu machen, wobei auch noch andere Dinge mit hineinspielen, die getan werden müssen, so dass es auch hier nach wie vor etwas zu tun gibt. Das hängt sicherlich auch mit einem Punkt zusammen, der, wenn wir über den Stand der Umsetzung des Verwaltungsmodernisierungsprozesses reden, in der Vergangenheit leider – auch nach den Berichten des Rechnungshofs – etwas zu kurz gekommen ist, nämlich die Mitarbeiterqualifizierung und insbesondere die Qualifizierung von Führungskräften in der mittleren Verwaltungsebene. Wir haben mehrfach – auch bei Berichten des Rechnungshofs und bei früheren Umsetzungsberichten über den Prozess der Verwaltungsmodernisierung – erfahren müssen, dass es in der Verwaltung Hauptwiderstände auf der mittleren Leitungsebene gibt. An dieser Stelle müssen wir konsequent ansetzen und auch vom Senat Personalentwicklungskonzepte – einschließlich der Qualifizierungskonzepte – einfordern, und so weit sind wir noch lange nicht.
Letzter Satz: Insgesamt bin ich der Auffassung, dass wir und der Senat eher einmal darüber nachdenken sollten, wie man zielgerichtet und konsequent die im Gesetz angelegten Verwaltungsreformziele umsetzen könnte, anstatt zu versuchen – möglicherweise auch auf Druck aus den einzelnen Fachressorts –, den Verwaltungsmodernisierungsprozess „neu zu definieren“ oder irgendetwas anderes zu machen und Ministerialebenen auszunehmen.
Vors. Dr. Zotl: Vielen Dank, Herr Wambach! – Jetzt bin ich für die Fraktion der PDS an der Reihe. Ich möchte daran erinnern, dass im August von der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege eine Untersuchung vorgestellt worden ist, deren Präsentation damals die CDU-Fraktion übernahm. Danach befragte die Fachhochschule sämtliche Bundestagsabgeordneten nach ihren Erfahrungen und Einschätzungen mit der Berliner Verwaltung. Die Bundestagsabgeordneten wurden dazu in zwei Gruppen eingeteilt, nämlich in eine Gruppe, die schon immer einmal etwas mit der Berliner Verwaltung zu tun hatte und in eine zweite Gruppe, die die Verwaltung nur vom Hörensagen kannte. Diejenige Gruppe, die sie nur vom Hörensagen kannte, fällte ein einhelliges Urteil: Die Berliner Verwaltung ist grottenschlecht, und diejenigen, die sie auf Grund ihrer persönlichen Erfahrungen kennen, geben ein ganz differenziertes Bild ab, das von schlechten bis hin zu sehr guten Erfahrungen reicht. Wenn wir in diesem kleinen Gremium die Gelegenheit haben, über solche Fragen zu diskutieren, dann nützen uns bestimmte pauschale Urteile – diesen Eindruck hatte ich beim Durchlesen der Großen Anfrage –, das sei alles schlecht und nichts sei erreicht worden, gar nichts, denn diese sind nicht angemessen. Wir müssten dort viel weiter sein und differenzierter herangehen, und nur diese Differenziertheit hilft uns, die tatsächlichen Probleme zu finden.
Ich möchte die Gelegenheit nehmen, zu einigen Punkten, die schon mehrfach genannt worden sind, etwas zu sagen. Dabei greife ich die Kritik von Herrn Wambach auf, man solle Erfolge oder Misserfolge nicht so kleinteilig, sondern mehr konzeptionell darstellen. Eine der großen Hauptfragen im Koalitionsvertrag und in der Regierungserklärung ist – der Regierenden Bürgermeister hat es erwähnt – die Bürgergesellschaft und das Erreichen der zivilgesellschaftlichen Selbstbefreiung – vor allen Dingen, was die Dienstleistungsverwaltung betrifft. Auf diesem Gebiet gibt es nicht nur einzelne Beispiele. Nehmen wir einmal den gesamten Komplex der Bürgerdienstleistung – über die Bürgerämter, die genannt worden sind, hinaus. – Ich erinnere an das mobile Bürgeramt, ein absolutes Erfolgsmodell, für das sich inzwischen die Leute in ganz Deutschland interessieren, wenn die Testphase dieses Projekts abgeschlossen ist.
Letzte Woche hatten wir den 8. Kongress „Moderner Staat“. Wir haben von Anfang an dort teilgenommen. Einer der Höhepunkte war die Vorstellung des Konzepts und des bisherigen Entwicklungsstandes des Berlintelefons in der Pilotphase mit dem Ergebnis, dass sich wesentlich mehr Verwaltungen gemeldet haben, an der Pilotphase teilzunehmen, als es überhaupt möglich ist, sie einzubeziehen.
Ich denke an die zentrale Anlauf- und Koordinierungsstelle für die Wirtschaft und die bezirklichen Einrichtungen. Ich denke an das Internetangebot. Da gibt es immer etwas herumzumäkeln. Da sind wir an der Spitze derer, die die Kundenorientiertheit des Internetangebots überprüft haben. Inzwischen liegen ganz objektive Untersuchungen durch Infratest dimap oder durch ein Netzwerk, welches vor allen Dingen auf Interaktion geht, vor. Berlin hat mit seinem Berlin.de-Angebot und Interaktion unter 50 deutschen Großstädten den ersten Platz gemacht. Das sind doch keine Peanuts. Das große Thema, die Partizipation auf die Haushaltsaufstellung auszuweiten – wir werden vielleicht noch über die Reform-Agenda reden –, ist eines der zentralen Projekte dieser Reform-Agenda. Wir haben zwei große Projekte in zwei Bezirken. Es sind etwa 300 000 Menschen, die in den Bezirken wohnen. Sie werden etwas in Richtung Bürgerhaushalt machen. Da spielen auch die negativen Erfahrungen, die wir aus Frankreich mitgebracht haben, inzwischen eine große Rolle. So will man es nicht machen.
Was die Entbürokratisierung betrifft, hat sich der Regierende Bürgermeister ausschließlich auf die Deregulierung konzentriert. Das ist ein schwieriger Prozess. Dass der nicht nach den Vorschlägen aus den einzelnen Senatsverwaltungen erfolgt ist, liegt nicht am Senat. Das liegt eindeutig an uns. Von den 65 Vorschlägen aus der Innenverwaltung sind 14 oder 15 übrig geblieben, und auch in diesem Ausschuss wurde versucht, von den 15 noch zwei herunterzustreichen. Das ist die Wahrheit, das liegt an uns und nicht am Senat. Wir müssen uns selbst an die Nase fassen. Wir werden am 13. Januar darüber diskutieren.
Am 13. Januar werden wir ebenfalls deutlich zur Sprache bringen, dass Bürokratieabbau sehr stark mit Verfahrensvereinfachung verbunden ist. Da gibt es – dort sitzt Herr Jordan – eine Verwaltung, die Pionierarbeit macht. Verfahrensvereinfachung haben wir auch in anderen Bereichen. – Sie haben Recht, was die Kostenleistungsrechnung in der Hauptverwaltung betrifft. Wir sind uns darüber einig, dass das ein Projekt ist, an das wir herangehen sollen. Ich habe den Regierenden Bürgermeister nicht so verstanden, dass das in der Hauptverwaltung nicht geht. Es gibt die Diskussion, dass es im ministeriellen Verantwortungsbereich Aufgaben gibt, die sich vielleicht nicht so sehr in die Kostenleistungsrechnung setzen lassen, weil es Unikate an Leistungen sind. Ich sage das einmal als These, man muss sie nicht teilen. – [RBm Wowereit: Sie können mich ja gar nicht bezahlen, wenn ich hier sitze!] – Ja! – Aber dieser bezirkliche Kostenvergleich: Ich erinnere an die Anhörung in diesem Ausschuss, wo der Kollege Buschkowski, Vorsitzender des Finanzausschusses des Rates der Bürgermeister – die sind doch ganz kritisch, wenn irgendeine Zahl im Bezirk nicht stimmt – sagte, dass Vergleiche usw. ein ganz wichtiges Arbeitsinstrument für die Bezirke geworden sind.
Bei der Neuordnungsagenda gefällt mir der kurze Überblick und die Aufteilung – grüner, gelber und roter Bereich –, mir gefällt nur nicht, dass das Rot quasi das Stockende an der ganzen Geschichte ist. Wir sehen, wie viel im grünen Bereich eingeschätzt werden kann, und zwar nicht nur die Selbsteinschätzung der Betroffenen, sondern auch Fremdeinschätzung. Damit haben wir Dinge, die auf diese Differenzierung hinweisen. – Wenn wir jetzt über Probleme nachdenken – da schließe ich mich Ihnen an, Herr Wambach –, haben wir das Problem, dass es in unserer Verwaltung, wie in anderen Verwaltungen auch, ein zu wenig effektives und ausgedachtes Qualitätsmanagement gibt. Wie manage und sichere ich Qualität? – Da gibt es Erfahrungen vielfältiger Art. Die Weiter- und Ausbildung spielt eine Rolle, und es spielt eine Rolle, dass in einigen Kommunalverwaltungen – wir haben uns Braunschweig angesehen, weil das mit einem Berliner Bezirk von der Einwohnerzahl her vergleichbar ist – die Verwaltung Qualitätskriterien und Qualitätsversprechen öffentlich macht und Regressangebote macht: Wenn das nicht eingehalten wird, leisten wir folgenden Regress. – Das wäre eine Methode, bei der wir den Ehrgeiz entwickeln sollten, solche Fragen durchzusetzen.
Wir müssen auch offen sein und sagen: In unseren Verwaltungen, im System des öffentlichen Dienstes – wir haben gerade gehört, dass es schrittweise angedacht ist, es zu verändern – spielt Leistung erst einmal keine Rolle. Leistung ist eine individuelle Bereitschaft der Einzelnen, besonders gut die Arbeit auszuführen. Es gibt aber keine Leistungszwänge. Ich halte den Weg mit den 20 % für einen wichtigen ersten Schritt. Diese beiden Dinge sind doch die Hauptursache, dass das output-orientierte Denken, das auch Sie eingefordert haben, was der Kunde von der Dienstleistung erwartet, nach wie vor die Privatangelegenheit der einzelnen Verwaltungen ist. Das wäre so ein Punkt.
Auch der Median hat deutliche Tücken. Wir haben es an der Bürgerämter-Budgetierung erlebt, dass das nicht geht. Der Median setzt auf das Normale, auf den Durchschnitt. Aber wenn jetzt jemand vorangeht, wird er bestraft. Weil der Median so niedrig ist, bekommt er nur den Median zugewiesen. – Ich finde es völlig richtig, dass wir gemeinsam angefangen haben, nach neuen Modellen zu suchen, um gerade im Bereich der Bürgerdienstleistung fortschrittsfördernd zu sein. Was wir im Augenblick gar nicht haben, ist die Tatsache, dass wir auf der einen Seite für die dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung eintreten und auf der anderen Seite jedoch eine wirksame gesamtstädtische Steuerung nicht vorhanden ist. Obwohl Absprachen zwischen dem Senat und den Bezirken getroffen werden, kann am Ende jeder Bezirk machen, was er will. Das ist ein Problem, vor dem wir stehen. Das wird immer wieder von der Wirtschaft, von Bürgern, Bürgerinitiativen und anderen beklagt. Auch das ist eine Frage, die nicht im Versäumnis zu sehen ist, sondern die wir als Problem erkennen müssen, um handeln zu können.
Was die VGG-Novelle betrifft, haben wir seit anderthalb oder zwei Jahren eine übergreifende Arbeitsgruppe, an der die Innenverwaltung, die Personalkommission des Senats, die Bürgermeister usw. beteiligt waren. Wir haben uns bemüht, Herr Regierender Bürgermeister, einen deutlichen Rahmen zu setzen, und solche Erfahrungen, wo völlige Überbürokratisierung herrscht, mit dem Ergebnis, dass das dann gar nicht gemacht wird, abzulockern und aufzuweichen. Wir haben auch den Begriff der dezentralen Verantwortung auf den Begriff der Verantwortung sehr stark betont. Wenn ich also dezentrale Rechte und Kompetenzen habe, muss ich auch die Verantwortung tragen. Wir sind uns sicherlich alle darüber einig, dass wir über die gemachten Vorschläge noch eine Sitzung machen werden und sehen werden, was man davon noch übernehmen kann. Und dann haben wir eine Novelle, die den Gegebenheiten angemessen ist. – Frau Oesterheld!
Frau Abg. Oesterheld (Grüne): Ich fange einmal an zu loben: Erstens fand ich gut, dass die Anfrage kam. Zweitens fand ich die Antwort gut, wenngleich sie mehr die Frage beantwortet hat, was noch nicht erreicht wurde, aber gerade deshalb fand ich die Antwort gut. Drittens ist in der Tat einiges erreicht worden.
Bei dieser Diskussion habe ich das Gefühl, dass man sie auch hätte führen können, ohne die Antwort im Einzelnen zu lesen, weil sich niemand so richtig darauf bezogen hat, welche Probleme auftauchen, was in dieser Beantwortung eigentlich ziemlich deutlich steht, sowohl was die Bezirke, aber auch die Hauptverwaltung betrifft. Da ich immer gerne vorwärts schreite, ist es so, dass ich mich hauptsächlich mit den Problemen beschäftige. Die Probleme der Bezirke kannten wir zum großen Teil aus diesem Rechnungshofbericht, so dass wir da schon wussten, was sie zwar schon alles erreicht haben und wo noch eine Bremse ist. Da interessiert es mich, warum die Bremse da ist.
Nehmen wir einmal das Beispiel, so etwas wie Rotation wird in den Bezirken nicht betrieben. Wir fanden Rotation zur Qualifizierung ein gutes Instrument. Jetzt interessiert mich, warum das nicht gemacht wird. Ich kann mir vorstellen, wenn ich Stellenabbau betrieben habe, dass es schwierig ist, auch noch Rotation zu machen, aber zu wissen, welche Gründe es gibt, interessiert mich. Das ist auch der Punkt, wo man mit dieser Anfrage weiterarbeiten kann.
Neuordnungsagenda: Da gibt es einzelne Projekte. Wir haben Sie schon sehr oft besprochen. Ich möchte gar nicht auf die Einzelnen eingehen, wobei allerdings der neue Bericht, den ich seit gestern im Fach habe, alle möglichen Projekte auflistet und mit Neuordnungsagenda, so wie wir es einmal diskutiert haben, welche gezielten Projekte es sind, nicht mehr allzu viel zu tun hat.
Ich möchte mich hauptsächlich auf die Hauptverwaltung beziehen. Wir haben in der Auseinandersetzung mit einzelnen Hauptverwaltungen das Problem, dass sie sich einfach weigern, dass sie von Verwaltungsreform nichts halten, dass sie nicht einsehen, warum sie das machen sollen und dass sie – ich sage nicht, dass es alle sind – der Meinung sind, auf sie trifft das alles überhaupt nicht zu. Das sind die Punkte, wo wir als Abgeordnetenhaus am entscheidendsten eintreten müssen, dass hier Dinge verändert werden. Wir reden immer gerne über die Bezirke, sind aber für die gar nicht so richtig zuständig, aber bei den Hauptverwaltungen kommen wir auch nicht so richtig weiter. Ich erinnere an Wissenschaft, Forschung und Kultur oder auch an Wirtschaft, die an bestimmten Stellen überhaupt nicht bereit sind, sich auf so etwas wie Verwaltungsreform einzulassen. – Dass hier in dieser Beantwortung mehr darüber geredet wurde, was in den Bezirken nicht vorhanden ist als in der Hauptverwaltung, ist wohl die Frage, wer die beantwortet hat, denn zum Beispiel bei den KLR-Daten sieht es anders aus. Das ist ein kleiner Abschnitt in der Beantwortung der Frage, weil man das nicht so gerne hat, weil da die Hauptverwaltung ganz schlecht aussieht im Gegensatz zu den Bezirken. Deshalb macht man keine Tabellen, man schreibt nur einen Satz hin: Nein, haben sie nicht!
Was mich besonders interessiert, ist das ziel- und wirkungsorientierte Controlling. Das hat mich beeindruckt. Es funktioniert und wäre sinnvoll, wenn es das denn gäbe. Deshalb sind es genau die Punkte, die ich genauer wissen möchte. – Ich habe mir die Zielvereinbarungen genauer angeschaut. Dann habe ich die Zielvereinbarung bei der Senatskanzlei gesehen, dass sie eine Jahresplanung machen. Das finde ich beeindruckend, besonders, wenn es sich um Auslandsangelegenheiten handelt. Dass man eine Jahresplanung macht, finde ich jetzt nicht so außergewöhnlich, deshalb habe ich in den letzten Sitzungen immer wieder darauf bestanden, dass ich die Zielvereinbarungen sehen möchte. Ich möchte sehen, welche Zielvereinbarungen abgeschlossen sind. Das muss sich überhaupt nicht an Personen orientieren, sondern um zu wissen, welche Qualität diese Zielvereinbarungen haben. Sind das irgendwelche netten Briefe, die man sich gegenseitig schreibt? Wie konkret und wie gut sind sie?
Das Landeseinwohneramt hat viele gute Sachen und wird von uns auch viel gelobt, aber hat – wie bei der letzten Ausschusssitzung deutlich wurde – auch noch seine Fehler, siehe Ausländerbehörde. Umgekehrt ist es auch so, dass die Frage der Umstrukturierung – – Was ich bei Ihnen, Herr Wowereit, zu viel herausgehört habe, ist, dass Sie diesen ganzen Verwaltungsreformprozess wohl nur unter finanziellem Aspekt sehen. Sie haben immer wieder davon gesprochen, was man überall einsparen kann. Wir alle wissen, dass man einsparen muss. Das Problem, dass Verwaltungsreform an bestimmten Stellen, wenn sie angeschoben wird, nicht immer gleich das große Geld bringt, müsste klar sein. – Mir ist die Frage der Bürgernähe wichtig. Da darf es dann auch ein bisschen teurer sein, wenn es bürgernäher ist. Diesen Aspekt muss man wesentlich mehr berücksichtigen.
Man kann auch über Bezirke und Hauptverwaltungen so etwas sagen wie Herr Zotl. Ich finde, man muss auch Demokratie aushalten. Es gibt viele Auseinandersetzungen bei einzelnen Projekten, wo die Hauptverwaltung will, aber der Bezirk nicht oder umgekehrt, die politisch motiviert sind. Deswegen muss man diese Art von Demokratie auch ein Stück weit aushalten.
An Herr Wowereit habe ich eine konkrete Frage: Wie viele und welche Zielvereinbarungen haben Sie im letzten Jahr unterschrieben?
Vors. Dr. Zotl: Danke schön! – Ich schlage vor, dass wir jetzt dem Regierenden Bürgermeister Gelegenheit geben, auf bereits aufgeworfene Fragen und Problemstellungen zu antworten, und danach machen wir die Abgeordnetenrunde. – Herr Wowereit, bitte!
RBm Wowereit: Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! – Wir haben die Bandbreite. Herr Krestel hat bemängelt, dass bei der Baumschutzverordnung nicht eine Stelle eingespart worden ist. Es ist aber zu einer Erleichterung für die Bürgerinnen und Bürger gekommen, weil der Aufwand, für jede Fichte eine Genehmigung zu beantragen, die man nicht bekommen hat, jedenfalls nicht auf dem normalen Weg, weggefallen ist.
Verwaltungsreform ist nicht nur Einsparung, aber auch ein Druck der Einsparung setzt interne Kräfte frei. Wir hatten gestern gerade eine Personalversammlung der Senatskanzlei und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben zu Recht gesagt: Wir waren früher einmal 300. Wir werden jetzt knapp 200 sein, und dieser Prozess geht noch weiter. – Die Aufgaben sind aber keine anderen geworden, das heißt, der äußere Druck, wenn man im öffentlichen Dienst ein Verdichtungspotential unterstellt, ist dann irgendwann einmal so weit, dass dann klipp und klar gesagt werden muss: Bestimmte Dinge kann man nicht mehr leisten.
Zur Kostenleistungsrechnung: Ich habe nicht gesagt, dass ich der Meinung bin, die Senats- und Hauptverwaltung sollte man da herausnehmen. Nur, es gibt bestimmte Bereiche, da ist damit ein Verwaltungsaufwand verbunden, der im Ergebnis nichts bringt. Wenn ich anfange, um mündliche Anfragen abzuwehren, Ihnen bei jeder Beantwortung der mündlichen Anfrage aufzuschreiben, was das kostet, dann fühlen Sie sich beleidigt und sagen: Der Schlimme, der will nur wieder nicht die Antworten geben, der will Demokratie verhindern. – Dann mache ich einen riesigen Aufwand. Ich kann meinen Repräsentationsetat nach Häppchen weiblich, männlich aufteilen. – [Abg. Schruoffeneger (Grüne): Hat die Koalition doch beschlossen!] – Das haben wir alles beschlossen, Sie mit, Herr Schruoffeneger! – Das Resultat ist der Haushaltsplan. Wenn Sie sich einmal anschauen, wie der Haushaltsplan einmal aussah, der bestand einmal aus drei Bänden, jetzt ist er so. Wir haben alle miteinander die Frage zu stellen, wie wir einerseits Deregulierung fordern – das ist in jeder Rede zur Verwaltungsreform dabei – und andererseits alle miteinander, genauso die Senatsbehörden, tagtäglich neue Dinge auf den Tisch legen: Sie schaffen eine Vorschrift ab und zehn werden neu geschaffen, weil irgendjemand ein berechtigtes inhaltliches Interesse artikuliert, was man alles einheitlich regeln muss. – Damit geht letzten Endes jede Flexibilität verloren. Das ist immer ein Spagat, der vor allem Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker teilweise auch zerreißt, weil sie bestimmte Dinge so festgeschrieben haben wollen, dass daraus keiner mehr flüchten kann. Das ist ein ganz schwieriger Bereich.
Ich versuche immer, meinen Senatskollegen oder auch dem Bundeswirtschaftsminister bei der Neuorganisation zu Hartz IV klar zu machen, dass zwischen der Beschlussfassung und der Umsetzung Welten liegen. Ich kann einerseits beschließen, das ist ein einfacher Akt, einen Stellenpool zu fordern. Den aber zum Laufen zu bringen, ist ein riesiger Akt. Wir sehen, dass der Stellenpool zwar anfängt zu arbeiten, aber mitnichten voll funktionsfähig ist. Ich sage es ganz offen: Ich ärgere mich jeden Tag darüber. – Es ist nicht einfach, per Knopfdruck zu sagen: Wir haben 3 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Überhang und an der Stelle X ist jetzt ein Bedarf, wie bei den Ordnungsämtern oder den Agenturen, die auch Hartz vorbereiten, sondern es ist ein mühsamer Mitbestimmungs-, Verwaltungs- und Blockadevorgang. Sie können immer davon ausgehen, dass alle, die dafür eine Verantwortung tragen, selber fast irre werden, wie lange so etwas teilweise dauert. An diesen Dingen gemeinsam zu arbeiten, dass sich das verändert und akzeptiert wird, ist ein schwieriger Prozess.
Da bitte ich einfach nur um Verständnis. Ich glaube auch nicht, dass wir, der Ausschuss oder der Senat oder die Bezirke sich in einer Gegnerschaft zueinander befinden, sondern im Gegenteil, wir müssen viele Dinge exemplarisch auch für andere machen. Das war einer der Geburtsfehler der Verwaltungsreform. Man hat mit Handbüchern angefangen, Verwaltungsmanagementvokabular. Nur, wenn man das Vokabular hat, ist man noch kein Manager. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind irre geworden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst haben die „Schnauze“ voll. Es sind Millionen für Gutachteraufträge ausgegeben worden. Wir haben das alles miteinander beschlossen. Sie sind letzten Endes irgendwann einmal überfordert worden, weil jede Maßnahme irgendwo auch eine Sinnhaftigkeit klar machen muss. Auch wenn man alles hat, muss man ein Resultat und eine Möglichkeit der Handlungsoption dafür haben. Das ist vom abstrakten Beschließen bis hin zur Umsetzung der Schritt, der am wichtigsten ist. Deshalb hat Herr Krestel eigentlich richtig argumentiert, indem er sagte: Gut, die Grundsätze können wir alle miteinander definieren, aber wie sieht es im Konkreten aus? – Deshalb habe ich auch versucht, ein paar konkrete Beispiele zu nennen, wo es gewirkt hat. Ich habe mir die Bürgerämter genau angesehen. Sie finden keine objektivierbaren Kriterien, warum der eine vier und der andere zwei Stunden warten muss. – [Abg. Dr. Flemming (SPD): Doch!] – Nein! Wenn es so einfach wäre, wäre es schön. Wenn die mir sagen würden, dass das eine schwierige Klientel ist, dann wäre es verständlich. Aber in Neukölln war es besser als in Spandau. – Was ich erreichen möchte, ist, wenn solche Statistiken und Benchmarks erstellt werden, dass dann einer nachhakt, woran das liegt. Und dann, wenn einer einen objektiven Grund hat, kann man es akzeptieren. Aber wenn er es nicht hat, dann muss man ihn auch zur Verantwortung ziehen. Bei der Verantwortungsstruktur, die wir im Land Berlin haben, gibt es sehr viele Verantwortlichkeiten. Die müssen dann auch benannt und durchgeführt werden. Das ist ganz wichtig.
Meine Kanzlei hat drei Zielvereinbarungen. Das ist aus Ihrer Sicht sicherlich zu wenig. – [Frau Abg. Oesterheld (Grüne): Kommt darauf an, was drin steht!] – Ja, da müssten wir noch einmal nachsehen. Aber das, was ich teilweise als Ziel vorgebe, sage ich der Opposition nicht. – [Abg. Schruoffeneger (Grüne): Das ist genau das Problem mit Ihrer Auffassung!] – Was das Problem mit meiner Auffassung ist, Herr Schruoffeneger, darüber sind wir uns in vielen Diskussionen uneins. – Es muss alles einen Sinn machen. Wir machen bei Beförderungen Assessment-Center. Nur weil ein Kandidat aus formalen Gründen da ist, muss den ganzen Tag ein Assessment-Center gemacht werden. Das sind teilweise schwachsinnige Punkte, und wir müssen dann auch den Mut haben, es zu korrigieren, wenn man in der Praxis gemerkt hat, dass das keinen Sinn macht. Das kostet Geld. Das sieht keiner ein. Es bringt kein besseres Ergebnis und man muss versuchen, solche Punkte im Verwaltungsverfahrensgrundsätzegesetz zu nivellieren, damit man da weiterkommt.
Deshalb abschließend: Wir sind mit vielen Kräften dabei, diesen Prozess voranzubringen. Ich räume ein – ich mache mir da selber nichts vor, auch wenn es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilweise nicht so gerne hören –, dass noch unendlich viel zu tun ist bis wir die Verwaltung so modernisieren, dass wir den Anspruch, den wir in den Leitsätzen formuliert haben – wo wir sicherlich alle miteinander übereinstimmen –, auch umsetzen. Aber ich bitte zu berücksichtigen, dass Reformprozesse auch Zeit brauchen. Es geht nicht auf Knopfdruck. Sie müssen diese verkrusteten Strukturen, die nicht der Einzelne, sondern das Kollektiv, das System verursacht hat, tatsächlich verändern.
Vors. Dr. Zotl: Danke schön! – Frau Meister, bitte!
Frau Abg. Meister (FDP): Vielen Dank! – Ich habe bis jetzt den Eindruck gewonnen, dass Verwaltungsreform etwas ist, in dem alle Fraktionen das gleiche Ziel haben, und sonst ist es im Tempo eine Schnecke, ein Vorgang, der um die Verwaltung herumkriecht und sie anscheinend möglichst wenig berührt, zumindest nicht die, die in der Verwaltung arbeiten. – Ich war etwas erstaunt über das, was Frau Flesch ausgeführt hat, weil es für mich ein bisschen so klingt, als wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung daran Schuld sind, dass es nicht voran geht. Ich bin anderer Meinung. Ich bin überzeugt davon, dass die beste Kundenorientierung immer noch eine vernünftige Mitarbeiterorientierung ist und dass das beste Anreizsystem immer noch ist, wenn die Menschen – so schwer das in der Verwaltung auch sein mag, weil es andere Strukturen sind – möglichst eigenverantwortlich arbeiten können und auf den Veränderungsprozessen mitgenommen werden. Das mag offensichtlich nicht ganz einfach sein, deshalb heißt es wahrscheinlich in der Antwort zu Punkt 1.3:
Gleichzeitig müssen Anreizsysteme geschaffen werden, die leistungs- und serviceorientierte Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter fördern.
Wenn man den umdreht, kommt aber nicht, wie diese Anreizsysteme aussehen sollen, sondern es bleibt etwas leer im Raum stehen.
Ich habe zu der gesamten Antwort noch ein paar einzelne Fragen, die für mich noch unbeantwortet geblieben sind. Es wird immer wieder darauf Bezug genommen, dass ein Vergleich mit anderen Städten und Ballungsregionen gesucht wird. Ich kenne nur Vergleiche mit Hamburg, die sehr schwierig sind, und dann kommt meistens heraus: Die haben mehr Häfen, und wir haben mehr Opern. – Dann sind wir genau so schlau wie zuvor. Mit welchen anderen Städten und Ballungsgebieten wird denn in welchen Bereichen noch verglichen? – Es wäre interessant, wenn man dort in kleineren Einheiten einmal etwas herunterbrechen würde und – Herr Krestel hatte es vorhin schon ausgeführt – zum Beispiel im Bereich Stadtentwicklung schaut, was dort in einer Stadt wie Köln passiert.
Es gibt eine ganze Menge Punkte, wo man noch einmal nach dem zeitlichen Horizont fragen kann: Das ist die Evaluierung der Wirtschaftsprogramme. Bei der Übertragung der Kitas auf freie Träger würde ich jetzt so formulieren: Wie lang muss das Jahr denn noch sein, dass das selbst gesteckte Ziel in diesem Bereich überhaupt erreicht werden kann? – Das wird wohl nicht mehr zum 31. Dezember aufgehen, was Sie sich da vorgenommen haben.
Das Gleiche gilt für den Bereich Stadtentwicklung: Rückzug auf die staatlichen Kernaufgaben, sprich auf die Bauherrenfunktion, spart 300 Stellen ein. Das ist vom Verfahren sicherlich richtig gewesen, aber auch hier wäre interessant, ob es uns eventuell auch gelingt, das auf die Bezirke zu übertragen.
Dann die Budgetierung im Bereich der Bezirke: Das ist etwas, wo wir im Ziel alle einer Meinung sind. Ich halte das auch für ein sinnvolles Verfahren. Es stellt sich allerdings auch die Frage, wie es weitergeht. Wie wird der Haushalt für die Bezirke aussehen? Wird das Kamerale umgerechnet und die haben in den Bezirken den Budgethaushalt vorliegen? – Da gibt es noch viele Unklarheiten.
Wie geht es mit den Hauptverwaltungen in dem Bereich weiter? – Das hatte Herr Wambach schon angesprochen. Es kann nicht richtig sein, dass sich die Hauptverwaltungen daraufhin zurückziehen, dass sie keine vergleichbaren Aufgaben zu leisten haben.
Zu den Produkten habe ich noch eine Frage: Ist denn sicher, dass mittelbar entstandenen Kosten in den Bezirken einheitlich zugerechnet werden, oder haben wir nachher zwar überall vergleichbare Produkte, aber bezirkstypische Erklärungen: Da haben wir das mit eingerechnet. Da haben wir jenes mit eingerechnet. Da haben wir dieses mit eingerechnet?
Dann geht es auf Seite 7 in der Antwort noch einmal um Servicevereinbarungen und Serviceeinheiten. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es in diesen zentralen Serviceeinheiten ein Hort von Doppelarbeiten gibt, zu dem, was sonst so geleistet wird. Auch dort ist die Antwort etwas sehr kurz und knapp geblieben. Vielleicht könnten Sie noch einmal etwas genauer darauf eingehen, wie Ihre Einschätzung ist und ob es nicht eventuell eine ganze Menge an Einsparungspotentialen gibt.
Auf die letzte Frage heißt die Antwort, dass wirtschaftliche Überlegungen bei der Aufgabenverlagerung nicht im Vordergrund standen. Darüber sind wir ziemlich erstaunt, denn wir wissen alle, dass das Geld sehr knapp ist. Es liegt auch sehr stark im Bürgerinteresse, dass wir eine Verwaltung haben, die möglichst effizient und mit möglichst wenig finanziellen Mitteln arbeitet. Für den Bürger ist es dann in Ordnung, wenn er die Verwaltung möglichst wenig in Anspruch nehmen muss, dass es möglichst kurz und schnell für ihn geht und dass es von seinem Geld möglichst wenig kostet, weil dann genau das eintritt, was Frau Flesch vorhin schon ansprach: Es bleibt nachher Geld über, mit dem man nicht Schulden abtragen oder sonst irgendetwas machen, aber mit Sicherheit sinnvoller einsetzen kann. Gibt es denn Überlegungen, wirtschaftliche Ziele wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken?
Vors. Dr. Zotl: Danke schön! – Herr Wambach, bitte!
Abg. Wambach (CDU): Ein paar Fragen, Frau Kollegin – erlauben Sie mir die Bemerkung – würden sich dadurch beantworten, wenn man sich in das Thema hineinarbeitet. – Nicht böse sein!
Die Antwort, Herr Regierender Bürgermeister, zu den ministeriellen Geschäftsfeldern bzw. der Kostenrechnung in der Senatsverwaltung, hören wir auch parteiübergreifend standardmäßig seit mehreren Jahren. Wir sind damals in der Diskussion im Jahr 2000 zu dem Schluss gekommen, dass wir diese so genannten ministeriellen Geschäftsfelder in den Senatsverwaltungen bilden, die nicht in Produkten gebucht werden, wo diese ganzen Dinge, wie Ihre Anfragen, mit drin sind, weil wir gesagt haben: Das ist klar, das ist der Gemeinkostenteil der Verwaltung. – Aber, Herr Regierender Bürgermeister, wenn am Ende die ministerielle Fachaufsicht teurer ist als das Produkt der Leistung, die vor Ort erbracht wird, dann stimmt irgendetwas nicht. Dann müssen wir einmal nachschauen, wo möglicherweise, gerade auch unter dem Aspekt finanzieller Fragen, die Einsparpotentiale sind. Das ist nicht nur eine finanzielle Frage, sondern es ist oft eine Frage der so genannten Geschäftsprozessoptimierung, dass einfach Vorgänge zu lange dauern, dass es möglicherweise Doppelzuständigkeiten gibt und vieles andere mehr. Das bekommen wir am Ende nur heraus, wenn wir uns dieser betriebswirtschaftlichen Instrumente auch in der Hauptverwaltung oder in den Senatsverwaltungen bedienen. Da darf es einfach keinen Schritt zurück geben, sonst laufen wir aus meiner Sicht in die verkehrte Richtung.
Noch einmal zur Erinnerung: Wenn uns der Finanzsenator im letzten Jahr mit der legendären roten Nummer 1888 mitteilt, dass im Laufe des Jahres 2003 4,9 Milliarden € auf der Ebene der Senatsverwaltungen nicht verbucht wurden, dann muss auch der Regierende Bürgermeister einmal darüber nachdenken, ob an der Stelle nicht Gas gegeben werden muss. Eine der Senatsverwaltungen, die „out of area“ ist, ist die Senatsverwaltung für Wissenschaft und Kultur. Auch in der Beantwortung dieser Großen Anfrage finden sich bei den Antwortspalten zu den Anlagen aus Wissenschaft und Kultur aus meiner Sicht höchst unbefriedigende Antworten. Da stellt sich die Frage, ob man das akzeptieren kann.
Was ich überhaupt nicht akzeptieren kann, auch nicht von Seiten des Parlaments, ist, wenn bei einer Aufstellung von zwölf Bezirken aus einem Bezirk durchgängig für alle Fragen der FDP steht: Keine Angaben. – Ich möchte an dieser Stelle gerne wissen, wie es sein kann, dass der Bezirk Hellersdorf-Marzahn zu keiner der hier aufgeworfenen Fragen Angaben gemacht hat, zumal wir diesen Bezirk im Hauptausschuss in anderer Art und Weise unter ständiger wohlwollender Beobachtung haben.
Der dritte Punkt ist, ich habe zwei Fragen im Hinblick auf die Detailbeantwortung: Das eine ist – das ist hier auch geschrieben worden – die Aufgabenkritik, die Konzentration auf Kernaufgaben und die Beschränkung auf Gewährleistungsverantwortung. Der Staatssekretärsausschuss, der nun das Lenkungsgremium für den Verwaltungsmodernisierungsprozess ist, hatte beschlossen, dass ein Verfahren gemacht wird, dass alle Verwaltungen selbst ihren Leistungskatalog überprüfen mögen und dieses dann melden. Das ist das so genannte „Bottom-up-Verfahren“, das uns mehrfach schon beschrieben worden ist. – Meinen Sie, dass das am Ende zielführend ist, zumal die Anzahl der Vorschriften, die uns im Abgeordnetenhaus zur Abschaffung vorgelegt werden, nicht unbedingt die Hundert übersteigt?
Der letzte Punkt spielt ein Stück weit in die Steuerungsfrage hinein, das ist ein Abschnitt zur Frage 3: Kameralistik und Kostenleistungsrechnung. Das sind zwei Rechensysteme, die unterschiedlichen Informationsbedürfnissen dienen. Das ist absolut richtig und klar, und wir wollen nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. – Hat sich inzwischen etwas daran geändert, dass das Querschnittscontrolling für die Kameralistik im Land Berlin ungefähr die zehnfache Ausstattung vom Querschnittscontrolling für die Verwaltungsreform hat?
Vors. Dr. Zotl: Danke schön! – Herr Schruoffeneger, bitte!
Abg. Schruoffeneger (Grüne): Bevor ich zu dem komme, was mich aus der Sicht des Hauptausschusses besonders interessiert, habe ich noch drei Anmerkungen zum Ablauf der Debatte, weil ich das relativ typisch finde.– Herr Wowereit! Ich habe lange nicht mehr einen Senator oder Bürgermeister gesehen, der eine Antwort so heruntergeleiert abgelesen hat, wie Sie Ihre erste. Ich gebe gerne zu, die zweite, nicht vorbereitete, war etwas besser. Aber Sie können es anders. Wenn ich mich an die letzte Woche erinnere, an eine von Humor und Phantasie sprühende 20-minütige Antwort auf eine blödsinnige Frage der Opposition nach Anzügen und Ähnlichem, dann weiß ich, dass Sie mit Engagement auftreten können. Das hat mir in dieser ersten Runde völlig gefehlt. Und wenn die etwas überschäumende Begeisterung des Ausschussvorsitzenden für die Verwaltungsreform zu der Formulierung führt, das sei die zivilgesellschaftliche Selbstbefreiung – den Begriff merke ich mir –, und dann schaue ich mir die Gesichter und die Körpersprache der Senatsmitglieder und Staatssekretäre an, habe ich doch einen großen Zweifel an dieser Selbstbefreiung oder ob das die tragenden Kräfte dieser Selbstbefreiung sind.
Ich sage das nicht, um herumzustänkern, sondern weil ich froh bin, dass das relativ wenig Leute miterlebt haben, denn, wenn das der Eindruck ist, der in der Mitarbeiterschaft vermittelt wird, dann ist er so: Das interessiert die da oben sowieso nicht, dann muss ich mich auch nicht anstrengen. – Sie müssen solche Themen dann schon mit etwas mehr Power und Begeisterung vortragen, als Sie es heute getan haben. Sie haben ja ein gewisses schauspielerisches Talent, deshalb wird es Ihnen im Zweifelsfalle, wenn Sie das wollen, auch gar nicht schwer fallen.
Zweiter Punkt: Meiner Ansicht nach macht die Verklärung diese ganze Debatte schwierig. Mittlerweile ist im Land Berlin alles Verwaltungsreform. Wenn man sich anschaut, was in dieser Neuordnungsagenda steht, was aber auch an einzelnen Vorlagen über Gutachten kommt, dann wird ganz viel politisches Tagesgeschäft mittlerweile unter der Überschrift „Verwaltungsreform“ gefahren, weil man es dann leichter durchsetzen kann als in der politischen Fachdebatte. Ich glaube, das ist falsch, sondern man muss da trennen: Was ist das, was wir sowieso machen müssen, und was ist wirklich Umbau von Verwaltung? – Das würde ich als Verwaltungsreform akzeptieren, Straffen von Abläufen etc.
Der dritte Punkt ist die Verklärung: Man muss realistisch einschätzen, was Verwaltungsreform leisten kann und was nicht. Wenn Sie in Ihrer, nicht im Eifer des Gefechts vorgetragenen Rede, sondern im Manuskript sagen, die Verfahrensveränderung in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung habe eine Einsparung von 19 Millionen € gebracht, dann ist das schlichtweg falsch. Das ist eine Einsparung im Personalbereich. Wir haben aber einen beträchtlichen Teil davon auch wieder als Sachmittel oder Honorare auf Grund der Beauftragung dieser Leistung an Dritte. Das ist eine Verklärung des ganzen Vorgangs, und das macht den ganzen Prozess bei den Mitarbeitern und auch in der Öffentlichkeit unglaubwürdig, weil der Eindruck erweckt wird, dass Verwaltungsreform nur ein Vehikel ist, um finanzielle Erfolgsmeldungen zu produzieren, aber nicht ernst gemeint ist. – Das als Vorbemerkung.
Jetzt zu dem Thema: Wie steuern wir? – Sie haben völlig Recht, dass das Verhalten des Parlaments absolut widersprüchlich ist, also immer weitere Einforderungen von irgendwelchen Verordnungen und Regelungen. Ich würde gerne ein Steuerungs- und Kontrollinstrument haben, das große Ziele festlegt und nicht im Detail die einzelne Bordsteinabsenkung diskutiert. Das heißt aber, wir müssen miteinander über Zielvereinbarungen reden, und Ihre Position im Zwischenruf: Ich werde der Opposition – ich sage dem Parlament –, nicht sagen, was in meinen Zielvereinbarungen steht, hat doch genau diesen Effekt, dass das Parlament dann wieder automatisch in die Details herein muss, weil – –
RBm Wowereit: Das Schlimme bei Ihnen ist, dass man Ihnen die nicht liefern kann, dass Sie es nicht verstehen! Die Zielvereinbarung könnte für die Senatskanzlei auch sein, Herrn Schruoffeneger immer eines auf den Kopf zu hauen. Und das würde ich Ihnen beispielsweise nicht mitteilen.
Vors. Dr. Zotl: Bitte, machen Sie weiter, Herr Schruoffeneger!
Abg. Schruoffeneger (Grüne): Das können Sie gerne machen. – Wenn ich Ihnen einmal vorlesen darf, was Sie uns als Inhalt Ihrer Zielvereinbarung aufgeschrieben haben:
Abteilung IV erarbeitet eine Jahresplanung und Abteilung III legt dem Regierenden Bürgermeister jährlich ein Arbeitsprogramm vor.
Das ist Ihre Berichterstattung gegenüber dem Parlament über den Inhalt Ihrer Zielvereinbarung. Wenn das alles ist, dann schmeißen Sie das Ding in die Tonne, weil man auf der Basis politische Steuerung nicht definieren kann. Unabhängig von Ihrem Zwischenruf ist es im Moment ein dauernder Streit darüber, ob Parlament, und zwar sowohl Bezirk als auch hier, Zugang zu den Zielvereinbarungen erhält, ob diese hier auch diskutiert werden und genauso die Daten aus der Kosten- und Leistungsrechnung. Und wenn wir uns darüber einig sind, dass das die neuen Steuerungsinstrumente sind, dann müssen sie auch im politischen Raum einen Wiederhall finden und sich nicht so aufteilen, wie wir es jetzt haben.
Dann gibt es eine weitere Geschichte: Zuweisung an die Bezirke. Damit komme ich dann auch zum Ende, weil Herr Wambach vieles, was KLR etc. betrifft, schon gesagt hat. Die Zuweisung an die Bezirke, die Budgetierung, erfolgt auf der Basis, wie viele Einrichtungen die Bezirke 1994 hatten, und das wird fortgeschrieben. Das hat nichts mit Fach- und Ressourcenverantwortung und Zusammenführung zu tun, sondern das ist die Fortschreibung von Zufällen. Gleichzeitig gehen wir im Senat und in den Ausschüssen hin und diskutieren Qualitätsstandards, beschließen irgendwelche mehr oder weniger sinnhafte Qualitätsvorgaben, zum Beispiel: Bibliotheksentwicklungsplan, eine Medieneinheit pro Einwohner oder Jugendfreizeitstätten, die man am Umfang des verbauten Betons auf Jugendliche misst. – Diese fachlichen Qualifikationsanforderungen haben überhaupt nichts mit unserer Finanzzumessung zu tun. Wenn wir das ernst meinen, müssen wir hingehen und sagen: Wir haben fachliche Standards diskutiert und gesetzt, die mögen wir schön finden oder nicht, aber wir haben sie so beschlossen, und an diesen Standards muss ich Finanzzumessungen messen lassen, nicht an dem, was 1994 zufällig in irgendeinem Bezirk einmal war. Dann würden wir endlich Ressourcen- und Fachverantwortung zusammenführen. Das, was wir jetzt machen, ist das bei weitem noch nicht.
Letzter Satz: Unabhängig davon, ob Kosten- und Leistungsrechnung und Budgetierung in der Hauptverwaltung geht oder nicht – dazu hat Herr Wambach das Richtige gesagt –, gibt es ein wesentliches Instrument, gegen das Sie sich mit Händen und Füßen wehren, das ist die Ergebnisverantwortung in der Hauptverwaltung. Was in den Bezirken seit fünf Jahren völlig klar ist – es gibt Gewinn- und Verlustvorträge –, findet in der Hauptverwaltung nicht statt. Es ist doch aber eigentlich das Steuerungs- wie auch Repressionsinstrument gegenüber einer Verwaltung zu sagen: Wenn du überziehst, dann musst du es selber im nächsten Jahr ausgleichen. – Das ist unabhängig davon, welche Budgetierungs- und Zumessungsmodelle ich habe. Das ist ein wesentliches Steuerungsinstrument. Sie müssten noch einmal etwas dazu sagen, warum Sie das auf der Ebene der Hauptabteilung partout nicht wollen.
Vors. Dr. Zotl: Danke schön! – Frau Oesterheld, bitte!
Frau Abg. Oesterheld (Grüne): Ich kann das relativ kurz machen. Eine Sache hatte ich nämlich vergessen, und zwar anschließend an das, was auch Herr Wambach gesagt hat, zum Thema Tandem. Er meint, aus dem Tandem sei jetzt eher ein „Konferenz-Bike“ geworden. – Mich interessiert, inwieweit Sie diese Lösung, die Sie entwickelt haben, als funktional sehen. Wir haben öfter das Problem, dass entweder immer nur ein Teil des Tandems da ist, dass immer nur ein Teil des Tandems sich verantwortlich fühlt oder dergleichen. Ich persönlich finde diese Tandem-Lösung nicht gerade sehr gelungen. Deshalb möchte ich von Ihnen wissen, was Sie glauben, an positiven Erfahrungen mit dem Tandem gemacht zu haben.
Der zweite Punkt: Stringentes Fortschrittscontrolling des Staatssekretärsausschusses. Mich interessiert, wie Sie da Ihre Erfahrungen in den letzten Jahren sehen.
Dritter Punkt: Sie schreiben in der Beantwortung zu 4, dass es auch in Zukunft in der Hauptverwaltung nicht gelingen wird, die Kostenleistungsrechnung zur Grundlage von Ressourcenzuweisungen zu machen, sondern dass es da nach wie vor in Zukunft nur den kameralen Haushaltsplan geben kann. Deshalb irritiert mich das etwas. Man kann ja sagen: Wir sind noch nicht so weit, aber das heißt für mich: Ich will da gar nicht hin. – Deshalb hätte ich gerne die Antwort, wie ich diese Beantwortung zu verstehen habe.
Vors. Dr. Zotl: Danke schön, Frau Oesterheld! – Herr Krestel, bitte!
Abg. Krestel (FDP): Ich hatte vorhin vergessen, ein paar positive Beispiele anzuführen. Ich möchte Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister, ausdrücklich bescheinigen, dass es zum Beispiel richtig gewesen ist, den Beauftragten für die Verwaltungsreform abzuschaffen, nicht nur, weil ich den Herrn in den letzten Jahren nicht wirklich vermisst habe, sondern weil die gewählten Vertreter und Staatssekretäre diese Verantwortung auch verantwortlich in allen Bereichen wahrzunehmen haben und dieser „Beauftragte für ...-Unwesen“ ein weiterer Missstand in unserer Verwaltung ist, weil diese meistens nur dazu dienen, die Verantwortung weiterzureichen. Insofern ist das positiv, wenn man die Verantwortung wieder zu sich zurückholt.
Gerade Ihr zweiter Redebeitrag hat sicherlich vielen, die in der Verwaltung nicht so abgehoben agieren, aus dem Herzen und auch aus dem Verstand gesprochen, nur, die Probleme liegen dabei im Zeitfenster. Sie sagten selbst, diese Prozesse brauchen Zeit. Ich verfolge die Verwaltungsreform berufsbedingt seit Ende der 80er Jahre – noch der seelige Senator Kewenig fing damit an –, und ich habe zu Beginn jeder Wahlperiode diese Aufrufe gehört und gelesen: Jetzt geht es los, umdenken, und alles neu machen. – Ich habe auch an diversen so genannten Kick-off-Veranstaltungen teilgenommen. Was ich in diesen rund 17 Jahren vermisse, ist, endlich einmal einen Touchdown in der Verwaltungsreform zu sehen. Aber das kann sich, da bekanntlich alles immer in der Zukunft stattfindet, vielleicht noch ändern.
Die zweite Sorge, die ich habe: Sie haben viel guten Willen bekundet, aber ich habe Zweifel, dass Sie genügend Freunde hinter sich haben, die dieses praktisch umsetzen. Die zwei Grußadressen vorhin aus der Koalition waren ziemlich angetan, diese Zweifel zu begründen und zu verstärken. – Es ist einfach zu dünn, Frau Flesch, auszurufen, da müssten Leute einmal eine Schulung machen. Haben Sie schon einmal zu schätzen versucht, wie viele addierte Dienstjahre in der Berliner Verwaltung schon für Schulung zur Verwaltungsreform regelrecht aufgeraucht wurden und die Kosten, die die Reform, die noch stattfinden muss, schon verursacht hat? – Die möchte ich – gerade im Hinblick auf die Schulungen – erst einmal eingespielt sehen.
Was die Beispiele von Herrn Dr. Zotl angehen: Natürlich gibt es Gutachten, die die Berliner Verwaltung loben. Das ist auch berechtigt. – [Vors. Dr. Zotl: Sind nicht bestellt!] – Es gibt genauso Gutachten, zum Beispiel durchgängig die der Wirtschaftsverbände, die die Berliner Verwaltung als ein riesiges Investitionshemmnis in dieser Stadt und für diese Stadt ansehen. – Wenn Sie mir dieses positive Beispiel von dem sicherlich fleißigen Bezirkspolitiker Herrn Buschkowski entgegenhalten, gibt es mindestens genauso viele Stadträte usw., wo man von einem klaren Führungsversagen sprechen muss. Wenn ich mir zum Beispiel Tempelhof-Schöneberg ansehe, wo immer noch tausende Wohngeldanträge aus dem Jahr 2003 nicht beschieden sind, scheint dort die moderne Verwaltung eine unbekannte Größe zu sein. – Vielen Dank!
Vors. Dr. Zotl: Nach Abschluss der Abgeordnetenrunde hat der Regierende Bürgermeister noch einmal das Wort. Wenn Sie wollen, können Sie zu Einzelfragen auch weitergeben.
RBm Wowereit: Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren! – Einzelne Details kann ich selber auch nicht beantworten. Der Finanzsenator hat mir gesagt, Querschnittscontrolling und Haushalt sind mittlerweile schon zusammengelegt. Da gibt es offensichtlich diese Unterschiede nicht.
Ich will einmal exemplarisch ein paar Dinge herausgreifen: Mit wem machen wir Benchmark? – Ich habe etwas dagegen, wenn sich jede Fachverwaltung immer das Passende heraussucht, im positiven wie im negativen Sinne. Das ist immer das Schwierige. Wenn jetzt einer anfängt und sagt: In Rüsselsheim liegen Sozialhilfezahlungen aber noch 5,00 € unter denen der Berliner, und das geht auch, und im nächsten Fall nimmt man sich Hamburg, Leverkusen usw., ist das immer die Gefahr beim Benchmark. Man muss aufpassen, mit was man das vergleichen kann. Wir können Flächenstaaten kaum mit Berlin vergleichen, deshalb bietet sich immer erst einmal Hamburg an, obwohl es keiner mehr hören kann, wenn man sagt: Hamburg oder Rheinland-Pfalz usw. – Wir müssen objektivierbare Kriterien haben, warum wir welche vergleichbaren Städte oder Bereiche nehmen, um das zu machen. Das kann ganz unterschiedlich sein. Das hängt auch von der Fachmaterie ab. Ich würde nie sagen: Es ist immer Hamburg, es ist immer Köln, es ist immer München oder Rostock usw., sondern man muss sehen, nach welchen Kriterien man geht. – Das Schlimme ist: Benchmark ist immer eine Orientierung. Es ist verfehlt zu glauben, dass sich das automatisch umsetzt, weil das nur eine Selbstkontrolle ist, ob ich denn effektiv oder andere effektiver arbeiten. Dann muss man ganz genau hineinschauen, woran es liegt. Eines ist das Blödeste: Die Statistiken stimmen in sich, aber wenn man nicht verstanden hat, wie sie zusammengesetzt worden sind, sagen sie relativ wenig aus. Wir wissen, wie solche Benchmarks im negativen wie im positiven Sinne benutzt werden. Deshalb muss man da ein wenig aufpassen, aber man muss sie sich anschauen. Man muss auch einmal das Parlament in ein Benchmark setzen: Was fordert das eine Parlament von dem anderen, und wie sieht es da aus? – Ich höre immer wieder von einer Berichtspflicht des Berliner Senats. Das gibt es in keinem anderen Landesparlament. Das kann ja falsch sein und soll auch gar nichts sagen, denn wenn Sie die Entscheidung treffen, dass Sie es wollen, dann interessiert es auch gar nicht, ob das in Baden-Württemberg anders ist. Auch wenn wir Dinge leisten, die im Benchmark im Vergleich zu anderen eine politische Schwerpunktsetzung sind, muss man sich bekennen und sagen: Okay, das kostet mehr als in anderen Bereichen, weil wir es so wollen. – Das ist auch der Punkt bei den vergleichbaren Produkten in den einzelnen Bezirken. Auch die werden in ihrer Gesamtverantwortung die Entscheidung zu treffen haben, ob sie es trotzdem machen. Das ist systemimmanent. Die müssen genauso die Entscheidung treffen, weil Sie sagen: Der Bezirk haftet für seine Plus-Minus-Zahlen, die er am Ende hat, die Senatsressorts nicht. Das heißt aber nicht, dass im einzelnen Bezirk das Ressort dafür aufkommt, was das Minus verursacht hat, sondern das ist eine Gesamthaftung des Bezirks. Ob das nun bei Volksbildung oder Stadtplanung entstanden ist, ist dabei egal. – Und so ist es im Prinzip im Senat auch. Das können wir einführen. Was verändert sich dadurch? – Wenn die Senatsverwaltung für Schule auf Grund von Zuweisungen, die vielleicht nicht ausgereicht haben, ein Minus macht: Soll ich deshalb die Schulen zumachen? Auch da muss der Senat eine Gesamtverantwortung tragen und sagen, wie er es ausgleicht. Das ist natürlich das Grundprinzip beim Finanzsenator, dass er selber immer sagt: Das musst du selber bringen. – Aber bei mir wird in jeder Senatssitzung zu Protokoll gegeben: Ich kann es aber nicht bezahlen, wenn irgendetwas Neues kommt. Und dann sage ich: Das ist schön, dass ihr mir das zu Protokoll gebt, aber vom Himmel kommt es auch nicht. – Dann werden wir es in der Gesamtverantwortung des Senats klären müssen, woher das Geld bei neuen Dingen, die angeleiert werden sollen, kommt. – Mit diesen Protokollnotizen kann ich nichts anfangen. Wenn der Schulsenator sagt, er kann es nicht bezahlen, und der Senat will es trotzdem, und der Finanzsenator sagt, er kann es auch nicht bezahlen, und wir werden es auch nicht übernehmen, sind wir wieder am Anfang der Debatte.
Diese Gesamtverantwortung des Senats, auch für Minus und für zusätzliche Aufgaben im Rahmen des Budgets, das das Parlament zugewiesen hat, ist im Prinzip dieselbe wie im Bezirk. Auch der trägt die Gesamtverantwortung, aber da, wo die Minusbereiche entstanden sind, unabhängig von der Begründung, warum sie entstanden sind, objektiv oder subjektiv. Deshalb sollte man darüber noch einmal nachdenken, ob dieses Plusminusrechnen, das wir im Prinzip auch haben, zu einer veränderten Situation führt. Ich kann es dann auch nicht verantworten, dass einer, der zufällig Minus gemacht hat, darauf hängen bleibt und das nächste Jahr irgendetwas Wichtiges der politischen Schwerpunktsetzung tangiert wird, nur aus dem Prinzip, dass ich sage: Er hat das Minus gemacht, er muss es ausgleichen. – Das ist ein bisschen schwierig.
Kostenleistungsrechnung ist in diesem Ausschuss lange diskutiert worden. Herr Wambach fordert es auch für den Senat. Dieser Prozess geht noch weiter, das muss auch weiter diskutiert werden. Meine Bitte ist, offen an die Diskussion heranzugehen, wenn überzeugend – was überzeugend ist, beurteilt jeder für sich selber – dargestellt wird, dass es für einige Bereiche nicht sinnvoll ist. Ich bitte darum, dann auch diese Offenheit zu haben, und nicht diese Prinzipien zu postulieren, die sich dann nachher nicht umsetzen lassen.
Verlagerungen von Kompetenzen auf die Bezirke sind nicht automatisch Sparmaßnahmen. Wenn eine Zuständigkeit verlagert wird, weil sie inhaltlich dort besser erledigt werden kann, dann heißt das nicht automatisch, dass gespart werden kann oder sogar muss, sondern wir wollen auch eine Effizienzsteigerung haben, das heißt, die Verwaltungsreform hat letzten Endes auch mit einem effizienteren Mitteleinsatz zu tun. Die Verwaltung in Berlin kostet viel Geld und korrespondiert nicht immer mit der damit verbundenen Leistung. Insofern ist das auch immer ein Kosten- aber auch ein Qualitätsgesichtspunkt. – Wenn wir der Auffassung sind, vor Ort, dezentral kann eine Leistung besser gemacht werden, heißt das nicht automatisch, dass Geld eingespart wird. – Das sollte im letzten Absatz auch dieser Hinweis bedeuten.
Wenn eine ministerielle Fachaufsicht teurer ist als ein Produkt – wenn es denn so sein sollte –, wäre etwas falsch. Es kann aber manchmal sein, dass die Fehlentscheidungen vor Ort, die durch die Fachaufsicht korrigiert werden müssen oder Prozesse zu führen, teurer ist. Das muss man sich im Einzelfall ansehen. Auch da ist die Aussage als solche erst einmal nicht belastbar.
Zu der Gesamtstruktur mit dem Staatssekretärsausschuss: Wir haben versucht, das in ein Korsett zu geben. Wenn wir es eingeführt haben, sind wir natürlich auch überzeugt davon, dass es richtig war. Man muss überprüfen, ob die Tandemlösung – irgendjemand hatte gesagt, die Justizverwaltung soll noch daran beteiligt werden, das ist uns nicht bekannt – die richtige ist. Wir haben aber gemeint, dass es gut ist, dass es nicht nur bei der Finanzverwaltung liegt. Wie effektiv das ist, und ob beide oder noch mehr Staatssekretäre in den Ausschüssen sein müssen, darüber kann man sich unterhalten. Das muss man von Themenfeld zu Themenfeld sehen. Auch das ist eine Frage, die man im Einzelfall diskutieren kann. – Wir meinen, dass auch die Verantwortlichkeit bei den Staatssekretären richtig ist. Wir siedeln es relativ hoch an. Meine Erfahrung ist, wenn es nicht top-down geht, dann wird es sehr schwierig werden. Top-down bedeutet allerdings auch bei den politisch Handelnden, also Senatoren plus Staatssekretäre, dass die von ihrer Arbeitssituation her nicht alles selber machen können – damit wären sie völlig überfordert –, und immer wieder auf einer sehr hohen politischen Ebene zu kontrollieren, wie das umgesetzt worden ist, halte ich für ein vernünftiges System.
Wir können die einzelnen Punkte durchdiskutieren. Da werden Sie mir viele Schwachstellen vorhalten können – das bestreite ich hier auch gar nicht. Ich will auch nicht irgendeine Nebelkerze ablassen, dass ich Ihnen hier versuche zu suggerieren: „Also, wir sind hier die Größten!“ Und: „Es ist alles toll!“ – Das ist noch nicht alles toll!
Ich erlebe es immer wieder beim Gesundheitsbereich – da war ich ganz optimistisch, wie mir das alles vorgestellt worden ist. Ich dachte: „Oh Gott, in einem Jahr haben wir hier die Revolution!“ Nach einem Jahr fragte ich nach: „Na, wo ist sie denn?“ – „Ja, das ist ganz schwierig.“ Und dann sind es nur 10 %. – Ich frage: „Warum sind es 10 %, nicht 20 %?“ – „Na ja, irgendwas mussten wir ja bieten“ – und so. – Und wenn es 10 % mehr wären und man mir erklären würde, dass das Sinn macht, effektiver ist und notwendig für eine bessere Dienstleistung, dann bin ich auch bereit, 10 % mehr zu leisten. Nur, es gibt bestimmte Beharrungsmechanismen bei allen – da sind wir alle nicht ausgenommen –, die bestimmte Dinge einfach blockieren. Diese Blockade gilt es aufzubrechen: Dies kann man einerseits durch gesetzliche Vorgaben machen, die kann man andererseits durch parlamentarische Anfragen – dadurch, dass Verwaltungen sich immer rechtfertigen – aufheben. Die muss jeder Behördenleiter für sich selbst mental überwinden inklusive das Weitergeben an die Mitarbeiter. – Und das ist der Prozess, den ich vorhin angesprochen habe: Da ist ein öffentlicher Druck richtig, und da ist auch ein parlamentarischer Druck richtig, denn sonst sind da die Beharrungskräfte zu stark.
Trotzdem werden sie alles tun, um sich weiter zu verschanzen. Ich glaube, es ist gut, dass wir im Rahmen dieses Ausschusses die Möglichkeit haben, das auch zu begleiten – mehr als das heute hier bei der Diskussion über diese Große Anfrage gemacht werden kann. Und da – mit Verlaub, Herr Schruoffeneger – dachte ich nicht, dass es jetzt sinnvoll ist, hier eine publikumswirksame Rede zu halten, sondern eben auf die Fragen einzugehen, sonst hätten wir es im Parlament machen können, nehme ich mal an – das ist auch ein schöner Ort dafür. Aber hier geht es eigentlich bislang – so wie ich den Ausschuss auch aus früherer parlamentarischer Zeit kenne – sehr stark um eine sachliche Debatte und darum – das ist der richtige Weg –, gemeinsam an der Verbesserung der Verwaltungsstrukturen zu arbeiten.
Vors. Dr. Zotl: Danke schön! – Damit hat die Behandlung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP Drucksache 15/2880 ihre Erledigung gefunden. Ich bedanke mich herzlich beim Regierenden Bürgermeister und auch bei den Mitgliedern des Hauptausschusses für Ihr Erscheinen.
Punkt 2 der Tagesordnung
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Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion
der PDS Evaluation der Verwaltungsvorschrift für die
Steuerung des IT-Einsatzes in der Berliner Verwaltung (VV
IT-Steuerung) Drs 15/3391 |
VerwRefKIT |
Siehe Inhaltsprotokoll.
Punkt 3 der Tagesordnung
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Antrag der Fraktion der CDU Parlamentarische Kontrolle des
Verwaltungsreformprozesses – Gesetz zur Änderung des Dritten Gesetzes zur
Reform der Berliner Verwaltung (Verwaltungsreform-Grundsätzegesetz – VGG) Drs 15/475 |
VerwRefKIT |
Siehe Inhaltsprotokoll.
Punkt 4 der Tagesordnung
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Schreiben SenFin – MBV 5 – GR 2002-2/2004 vom
24. 11. 2004 betr.: Kapitel 29 08 – Verwaltungsreform –
2005, Titel 540 01 – Sächliche Ausgaben für die Verwaltungsreform – Antrag
auf Aufhebung eines Teilbetrages des qualifizierten Sperrvermerks
für das Haushaltsjahr 2005 (rote Nr. des HA
1555 13 A) |
VerwRefKIT |
Siehe
Inhaltsprotokoll.
Punkt 5 der Tagesordnung
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Antrag der Fraktion der CDU bezirkliches Kiezprogramm für die gezielte Verbesserung der Lebensverhältnisse Drs 15/131 |
VerwRefKIT(f) +StadtUm* +Hauptausschuss |
Siehe Inhaltsprotokoll.
Punkt 6 der Tagesordnung
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Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs Dritter Bericht zum Stand der Umsetzung der
Projekte der Reformagenda (auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS) |
VerwRefKIT |
Vertagt.
Punkt 7 der Tagesordnung
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Aktuelle Viertelstunde |
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Siehe Beschlussprotokoll.
Punkt 8 der Tagesordnung
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Verschiedenes |
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Siehe Beschlussprotokoll.
Ausschuss-Kennung : VerwRefKITgcxzqsq