Gesetz
über die Wahrnehmung der bezirklichen
Ordnungsaufgaben in Berlin

(Berliner Ordnungsämtergesetz – BOÄG)

Vom ...

 

Erster Abschnitt

 

Organisation der Wahrnehmung der bezirklichen Ordnungsaufga­ben

 

§ 1

Wahrnehmung bezirklicher Ordnungsaufgaben

 

(1)     Die bezirklichen Ordnungsaufgaben werden von folgenden Ämtern wahrgenommen:

 

1.        Die Aufgaben der Bauaufsicht vom Bauaufsichtsamt.

2.        Die Aufgaben der Wohnungsaufsicht und die Aufgaben nach dem Wohnungsbindungsgesetz vom Woh­nungsaufsichtsamt.

3.        Die Aufgaben des Gesundheitswesens vom Gesund­heitsamt.

4.        Die Aufgaben in Gewerbeangelegenheiten vom Gewerbeauf­sichts­amt.

5.        Die Aufgaben des Einwohnerwesens vom Einwohneramt.

6.        Alle übrigen Ordnungsaufgaben vom Ordnungsamt.

 

      Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt aus eigener Zuständigkeit oder im Auftrag anderer Dienststellen.

 

(2)     Die Ämter nach Absatz 1 können innerhalb eines Bezirks oder mit entsprechenden Ämtern anderer Bezirke fusioniert werden.

 

(3)     Die Organisation der Ämter ist so auszurichten, dass eine bürger­nahe und bürgerorientierte Aufgabenwahrnehmung jederzeit gewährleis­tet ist; insbeson­dere sind die Schnittstellen zu den Bürgerämtern entspre­chend auszugestalten.



(4)     Für die Ämter können bezirksübergreifende Zent­rale Service-Einheiten (z. B. Justitiariat; Rechnungswe­sen usw.) gebildet werden, soweit dies wirtschaftlich ist. Für die Zusammenlegung von Service-Einheiten gilt Absatz 2 entsprechend. Die Service-Einheiten arbei­ten unabhängig und erbringen ihre Leistungen auf Anforde­rung gegen Verrechnungsentgelt.

 

(5)     Die Einnahmen und Ausgaben der Service-Einhei­ten werden in einem besonderen Einzelplan für bezirksübergreifende Angelegenheiten nachgewiesen.

 

 

Zweiter Abschnitt

 

Rechnungswesen und der Finanzierung Ordnungs­äm­ter

 

§ 2

Produktkatalog der Ordnungsämter

 

Die sich aus dem Zuständigkeitskatalog abzuleiten-den Arbeitsergebnisse der Ordnungsämter werden mit einer Bezugsgröße (z. B. Anzahl der Fälle) versehen und den Aufgaben zugeordnet (Produktkatalog). Der Produktka­talog ist die Grundlage für Planung und Kontrolle der Tätigkeit der Ämter und deren Budge-tierung.

 

§ 3

Kosten- und Leistungsrechnung

 

Die Ordnungsämter führen eine Kosten- und Leistungs­rechnung (Kostenträgerrechnung) durch.

 

§ 4

Bußgeldkatalog

 

Soweit eine landesrechtliche Ermächtigung besteht, sind bei der Festsetzung von Bußgeldern auch die Kosten der Wahrnehmung der Ordnungsaufgaben zu berücksichti­gen.

 

§ 5

Nachweis der Einnahmen und Ausgaben, Budgetierung

 

(1)     Alle Einnahmen aus der Tätigkeit der Ordnungs­ämter wie Gebühren, Verwarnungsgelder und sonstige Verwaltungseinnahmen, alle Ausgaben einschließlich der Verrechnungsbeträge und Verpflichtungsermäch­tigungen werden vollständig in den Kapiteln der Ämter nachgewiesen. Mehreinnahmen ermächtigen zur Leis­tung von Mehrausgaben, soweit nicht Fehl­beträge der Vorjahre auszugleichen sind.

 

(2)     Das Abschlussergebnis der laufenden Geschäftstä­tig­keit der Ordnungsämter wird so auf das folgende Haushaltsjahr übertragen, dass ein besseres Ergebnis gegenüber der Planung gutgeschrieben, ein schlechte­res Ergebnis gegenüber der Planung in Abzug ge­bracht wird.

 

(3)     Die Budgetierung der Ämter bemisst sich nach den durchschnittlichen Vollkosten und dem Umfang der zu erbringenden Leistungen; eine pauschale Kürzung der Budgets ist nicht zulässig. Die Ämter stellen im Zusammenhang mit der Aufstellung des Haushalts­plans einen Produkthaushaltsplan auf, in dem die Produkte, deren Mengen und die zuzuordnenden Vollkosten und Erträge ausgewiesen sind.

 

 

Dritter Abschnitt

 

Übergangs- und Schlussvorschriften

 

§ 6

Übergangsvorschrift

 

Soweit bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits Service-Einheiten bestehen, werden sie dem neuen Einzelplan für bezirksübergreifende Angelegenheiten zugeordnet.

 

§ 7

Rangfolge der Rechtsvorschriften, Rechtsbereinigung

 

Diesem Gesetz entgegenstehende oder gleich lautende Rechtsvorschriften des Landes Berlin sind nachrangig. Der Senat legt dem Abgeordnetenhaus von Berlin spä­tes­tens ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes einen diesbezüglichen Entwurf zur Berei-nigung des Berliner Landesrechts vor.

 

§ 8

Inkrafttreten, Außerkrafttreten

 

(1)     Der Dritte Abschnitt tritt sechs Monate nach der Ver­kündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft, im übrigen tritt dieses Gesetz am Tage nach der Verkündung im Gesetz- und Verord­nungsblatt für Berlin in Kraft.

 

Begründung:

 

I. Allgemeines

 

Die Stadt Berlin verwahrlost zunehmend. Verbote werden nicht mehr beachtet, das öffentliche Eigentum wird nicht mehr geachtet. Vandalismus und Rück­sichtslosigkeit breiten sich aus. Sogar das wertvollste Gut der aufgeklär­ten Gesellschaft, die Bildung, wird nicht mehr als Kapital begriffen: Viele Eltern achten nicht mehr auf den regel­mäßigen Schulbesuch ihrer Kinder.

 

Die zersplitterten Zuständigkeiten des Ordnungs­rechts führen dazu, dass sich niemand in der Verwal­tung zustän­dig fühlt. Verstöße bleiben weitgehend unbeachtet, Sank­tionen werden nicht in ausreichendem Umfang durchge­setzt. Zudem verschlechtert sich die Ausstattung der Ordnungsbehörden vor dem Hinter­grund der Haushalts­situation Berlins immer mehr.

Ein Gemeinwesen, das nicht in der Lage ist, das öf­fentli­che Eigentum zu schützen und die Einhaltung der gesetz­ten Normen durchzusetzen, hat keine Daseinsbe­rechti­gung. Eine Bürokratie, die zum Selbstzweck verkommen ist, hat keinen Anspruch, vom Geld der Steuerzahler fi­nanziert zu werden.

 

Deshalb legt die CDU-Fraktion des Abgeordneten­hauses von Berlin mit diesem Antrag einen Gesetzes­entwurf vor, der für die Wahrnehmung der bezirklichen Ordnungsauf­gaben die klare Zuordnung von Aufgaben und Ressourcen vorsieht. Im Mittelpunkt steht die Kon­zentration der Auf­gabenwahrnehmung durch höchstens sechs bezirkliche Ordnungsbehörden und die Schaffung bezirklicher Ord­nungsämter und deren Finanzierung. Damit stellt der Entwurf auch einen Beitrag zur struktu­rellen, aufgaben­kritischen Restrukturierung und Konso­lidierung des Lan­deshaushalts dar.

 

II. Einzelbegründungen

 

Zu § 1:

 

Der Gesetzesentwurf hat die Aufbauorganisation der bezirklichen Ordnungsbehörden im weiteren Sinne, deren Finanzierung und Rechnungswesen sowie die Beziehun­gen zwischen den Behörden zum Gegenstand.

 

Die Wahrnehmung der bezirklichen Ordnungsauf­gaben wird auf höchstens sechs Behörden konzentriert. Ord­nungsaufgaben, die keiner speziellen Stelle zuge­wiesen sind, werden von einem neu zu schaffenden zentralen Ordnungsamt in jedem Bezirk wahrgenom­men. Die Ord­nungsbehörden können insbesondere zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und zur Verbesserung der Bürger­freundlichkeit fusioniert werden. 

 

Die Zuordnung der Ordnungsaufgaben bezieht sich auf die Anlage zum ASOG vom 14. April 1992 (GVBl. S. 119), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Juli 2001 (GVBl. S. 305), den Zuständigkeitskatalog Ord­nungsauf­gaben (ZustKat Ord), und ist als dynamische Verweisung anzusehen.

 

Die Schnittstellen der Ordnungsbehörden zu den Bürgerämtern müssen so gestaltet sein, dass eine größtmögliche Bürgerfreundlichkeit hergestellt wird. Dies gilt sowohl für Bürger, die Betroffene eines Ver­fahrens sind (z. B. Einle­gen von Widersprüchen, Be­zahlen eines Verwarnungs­geldes usw.), als auch für Beschwerdeführer, die auf Missstände aufmerksam machen wollen und deren Infor­mationen für ein prob­lemorientiertes Handeln der Ord­nungsbehörde schnell und unbürokratisch an die richtige Stelle zu leiten ist.

 

Querschnittsaufgaben, die für alle Ordnungsbehör­den gleichermaßen wahrzunehmen sind („Back-Office-Berei­che“) können von bezirksübergreifenden Service-Einhei­ten wahrgenommen werden. Damit besteht für die Be­zirke die Möglichkeit, das operative Geschäft zu entlasten und eine über Bezirksgrenzen hinweg einheit­liche Be­handlung von Vorgängen sicherzustellen. Entsprechend dem Konzept der Kosten- und Leistungs­rechnung erbrin­gen die Service-Einheiten ihre Leistun­gen gegen Ver­rechnung. So kann über das Rechnungs­wesen im Rahmen des Controlling die Wirtschaftlich­keit der Service-Ein­heiten verfolgt, ggf. können organi­satorische Konsequen­zen gezogen werden.

 

Da die Service-Einheiten bezirksübergreifend ar­beiten, soll der haushaltsmäßige Nachweis in einem besonderen Einzelplan erfolgen. Dies bietet sich deshalb an, weil die Koordinierung der bezirklichen Aktivitäten (Controlling, Budgetierung) mit der Verwaltungsreform ohnehin be­zirksübergreifend erfolgen muss. Diese „zentralen Dienste" könnten direkt dem Rat der Bürgermeister zugeordnet und z. B. in einem neuen Einzelplan 03 – Rat der Bürgermeister – nachgewiesen werden.

 

Zu § 2:

 

Entsprechend dem Konzept der Verwaltungsreform kon­kretisiert der Paragraph aus der Aufgabenstellung und der Ablauforganisation heraus die Methodik der Produktbil­dung auf gesetzlicher Grundlage.

 

Zu § 3:

 

Entsprechend dem Konzept der Verwaltungsreform wird hier für die Ordnungsbehörden die zwingende Notwen­digkeit zur Durchführung der Kosten- und Leistungsrech­nung als Kostenträgerrechnung auf ge­setzlicher Grund­lage fixiert.

 

Zu § 4:

 

Die primäre Ursache für die unzureichende Wahrneh­mung der Ordnungsaufgaben besteht darin, dass die Res­sourcen der betreffenden Behörden nicht ausreichen bzw. vor dem Hintergrund der Haushalts­problematik in die Leistungsbereiche verlagert werden müssen, um den zahl­reichen gesetzlichen Ansprüchen gerecht werden zu kön­nen. Die Arbeitsfähigkeit der Ordnungsbehörden kann dagegen verhältnismäßig problemlos herabgesetzt wer­den, da die potentiellen Störer kaum auf einer konse­quenteren Durchsetzung bestehender Normen durch die Ordnungsbehörden be­stehen werden. Dies führt in der Konsequenz dazu, dass staatliche Normen verhältnismä­ßig folgenlos verletzt werden können und der Staat zu einem „Popanz“ ver­kommt.

 

Bei der Bemessung der Bußgelder soll deshalb im Grund­satz künftig der Aufwand der Verwaltung stärker berück­sichtigt werden. Damit soll verhindert werden, dass be­stimmte Ordnungsaufgaben von den Behörden nicht wahrgenommen werden können, weil das Budget für den entstehenden Aufwand nicht ausreicht.

 

Wer durch sein Fehlverhalten aufwendige Ord­nungsmaßnahmen auslöst, soll letztlich über die Sank­tion so getroffen werden, dass Fehlverhalten und Sank­tion zum der Aufwand der Ahndung in angemessenem Verhältnis ste­hen. Über die detaillierte Ausgestaltung muss natürlich jeweils im Einzelfall, auch vor dem Hintergrund überge­ordneter Normen, entschieden wer­den.

 

Zu § 5:

 

Die Einnahmen aus der Tätigkeit der Ordnungsbe­hörden sollen diesen in vollem Umfang zufließen. Da­mit soll erreicht werden, dass die Ordnungsbehörden zu einer höheren Aktivität und damit Wirksamkeit stimu­liert wer­den. Gerade vor dem Hintergrund immer knap­per wer­dender Budgets muss allein aus ordnungspoliti­schen Gründen sichergestellt bleiben, dass die Ord­nungsaufga­ben weiterhin uneingeschränkt finanziert werden. Damit verbietet es sich, dass die von den Ord­nungsämtern er­zielten Einnahmen als allgemeine De­ckungsmittel in den Haushalt fließen. Folgerichtig be­gründet § 5 den Intentio­nen des § 7a LHO folgend eine auf die Kapitel bezogene Zweckbindung der Einnahmen entsprechend § 8 Satz LHO. Mehreinnahmen sollen den Ordnungsämtern zu­sätzlich zur Verfügung stehen; ein erwirtschafteter Über­schuss kommt den Ämtern im Folgejahr zu Gute. Insofern ist hier auch ein Anreizsys­tem zu höherer Produktivität und mehr Wirtschaftlich­keit gegeben.

 

Das Budget soll nicht willkürlich gekürzt werden können. Durch ein „Rasenmäherprinzip“ würde der durch die Kosten- und Leistungsrechnung belegte Fi­nanzbedarf zwangsläufig unterschritten werden, womit die aus­kömmliche Finanzierung nicht mehr sicherge­stellt wäre. Eingriffe in die Budgets sollen also nur – entsprechend dem von der KPMG als Grundlage für die Verwaltungsre­form entwickelten Steuerungskonzept – durch aufgaben­kritische Überlegungen oder Prozessop­timierungen möglich sein.

 

Zu § 6:

 

Die Regelung bezieht sich insbesondere auf den Nachweis der Einnahmen und Ausgaben im Zusam­menhang mit der Überwachung des ruhenden Verkehrs und bezieht auch alle darüber hinaus zu subsumierenden Sachverhalte ein.

 

Zu § 7:

 

Da es sich bei diesem Entwurf um eine Gesetzesini­tiative aus der Mitte des Abgeordnetenhauses handelt, ist eine umfangreiche Prüfung, inwieweit andere Rechtsvor­schriften konkurrieren, nicht leistbar. Insoweit wird nur die Rangfolge der anzuwendenden Rechtsvor­schriften festgelegt und die Rechtsbereinigung dem Senat aufgege­ben.

 

Zu § 8:

 

Der Zeitpunkt des Inkrafttretens berücksichtigt den orga­nisatorischen Aufwand zur Vorbereitung der prakti­schen Umsetzung dieses Gesetzes.

 

 

Berlin, den 12. Juni 2003


 

 

 

Zimmer   Wambach    Henkel

und die übrigen Mitglieder

der Fraktion der CDU

 

Ausschuss-Kennung : VerwRefKITgcxzqsq