1. G e s e t z
zur Begrenzung von
Subventionen
und Direktvergaben
Berlins
(Subventionsgesetz
Berlin - SubGBln)
Vom …
Das Abgeordnetenhaus hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel I
Der Artikel 22 der Verfassung von Berlin vom 23. November 1995 (GVBl. S. 779) erhält folgende Fassung:
„Artikel 22
(1) Subventionen dürfen nur für Zwecke gewährt werden, die im besonderen öffentlichen Interesse liegen und ohne Subventionen nicht erreicht werden können.“
Artikel II
Die Landeshaushaltsordnung (LHO) vom 5. Oktober 1978 (GVBl. S. 1961) in der Fassung vom 20. November 1995 (GVBL. S. 805) wird wie folgt geändert:
1. Der § 23 erhält folgende Fassung:
„§ 23
(1) Die Gewährung von Finanzhilfen und sonstigen Beihilfen des Landes sowie von Steuervergünstigungen an Stellen außerhalb der unmittelbaren Landesverwaltung (Subventionen) ist nur zulässig zur Erreichung von Zwecken, die in besonderem öffentlichen Interesse liegen und die ohne Subventionen nicht erreicht werden können. Dies ist insbesondere der Fall, wenn private Dritte die angestrebten Zwecke nicht oder nicht ebenso gut und wirtschaftlich erfüllen können.
(2) Subventionen dürfen den freien Wettbewerb nicht beeinträchtigen und keine ungerechtfertigte Besserstellung der Begünstigten gegenüber vergleichbaren potenziellen Zuwendungsempfängern beinhalten. Die Gewährung von Landesmitteln zur Unterstützung oder Erhaltung von Einkommen oder für Maßnahmen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Stabilitätsgesetzes ist unzulässig.
(3) Subventionen sind zu befristen. Der Subventionsbetrag muss insgesamt und beim einzelnen Empfänger im Zeitablauf abnehmen (Degressivität), sofern nicht im begründeten Einzelfall eine anderweitige Regelung erforderlich ist.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß für die Kofinanzierung von Fördermaßnahmen des Bundes oder der Europäischen Union, die Absätze 1 und 2 für die Veräusserung oder Verpachtung landeseigener Grundstücke unter Wert und für Landesbürgschaften. Sie gelten nicht für Leistungspflichten des Landes auf Grund von Vereinbarungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes wirksam sind. Die Einzelheiten werden durch Rechtsverordnung bestimmt.
(5) Subventionen können nur dann in Form von Steuervergünstigungen gewährt werden, wenn die Gewährung als Finanzhilfe nicht möglich ist.
(6) Höhe und Empfänger einer Subvention, deren Zulässigkeit, Befristung und Degressivität sind unverzüglich vor Gewährung genau zu benennen und - soweit es sich nicht um ein Gesetzgebungsverfahren handelt - im Amtsblatt von Berlin zu veröffentlichen. Das Gleiche gilt für jede Erhöhung eines Subventionsbetrages, jede Erweiterung des Empfängerkreises, jede Verlängerung einer Befristung und jede Veränderung der Degressivität“
2. Nach dem § 24 wird folgender § 24a eingefügt:
„§24a
Vergabe an landeseigene Unternehmen
(1) Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und die Beschaffung von Waren und Leistungen (einschließlich Lieferungen) ist auch dann öffentlich auszuschreiben, wenn der Auftrag an ein landeseigenes Unternehmen vergeben werden kann. Wird ein landeseigenes Unternehmen mit den Ausschreibungen beauftragt, darf sich dieses nicht an den Ausschreibungen beteiligen.
(2) Dem Abs. 1 entgegen stehende Regelungen und Vereinbarungen sind zum frühest möglichen Zeitpunkt zu ändern, aufzuheben oder aufzulösen.“
3. Nach dem § 119 wird folgender § 119a eingefügt:
„§ 119a
Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig handelt, wer
vorsätzlich oder fahrlässig entgegen den §§ 23 und 24a handelt.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann
mit einer Geldbuße bis zu 100.000 Euro geahndet werden.“
Artikel III
In § 5 des Gesetzes über die Errichtung der Investitionsbank Berlin vom 25. November 1992 (GVBl. S. 345), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Oktober 2000 (GVBl. S. 444) wird folgender Satz 2 angefügt:
„§ 23 Abs. 1 bis 4 der Landeshaushaltsordnung (LHO) vom 5. Oktober 1978 (GVBl. S. 1961) gilt sinngemäß.“
Artikel IV
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft.
2. Der Senat wird aufgefordert, in den Ausführungsvorschriften zu § 44 LHO zu bestimmen, dass
a) Subventionen nur gewährt werden dürfen, wenn der Empfänger nachweislich der Förderung bedarf und nicht in seiner eigenverantwortlichen Aufgaben-wahrnehmung und Lebensgestaltung beeinträchtigt wird,
b) Subventionen nicht in den Aufgabenbereich öffentlicher Stellen oder Dritter eingreifen dürfen,
c) Subventionen unverzüglich einzustellen sind, wenn abzusehen ist, dass der angestrebte Zweck nicht erreichen werden kann und dies auch durch einen Wechsel der eingesetzten Mittel nicht möglich ist,
d) Finanzhilfen grundsätzlich nur für einen Zeitraum von bis zu 3 Jahren und für einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren nur gewährt werden können, wenn das Abgeordnetenhaus dem zustimmt,
e) jede Anschlussförderung der Evaluation bedarf, die mit einem Votum des Landesrechnungshofes zu versehen ist,
f) Subventionen auch durch Zurverfügungstellung von Personal aus dem Stellenpool des Landes erfolgen sollen, sofern dies mit den jeweiligen Zwecken vereinbar ist.
3. Der
Senat wird aufgefordert, dem Abgeordnetenhaus bis zum 30. November 2004 ein
Programm zum haushaltswirksamen Abbau der Finanzhilfen des Landes nach Maßgabe
der Antragspunkte 1 und 2 vorzulegen. Er soll auch darlegen, inwieweit dies
noch im Rahmen des Haushaltsgesetzes für die Jahre 2004/2005 geschehen kann.
Die Entscheidung des Landesverfassungsgerichtshofes zum Doppelhaushalt
2002/2003 ist zu beachten.
Begründung
Die unter dem Begriff „Subventionen“ zusammengeführten staatlichen Finanzhilfen, Beihilfen und Steuervergünstigungen haben untragbare Ausmaße angenommen und sind weitgehend für die zunehmende Staatsverschuldung und Fehllenkung volkswirtschaftlicher Mittel verantwortlich. Allein das hochverschuldete Land Berlin gewährt jährlich Subventionen in Höhe von weit über 3 Milliarden Euro. Vor dem Hintergrund der Klage des Landes vor dem Bundesverfassungsgericht auf Feststellung des Vorliegens einer extremen Haushaltsnotlage ist Berlin gut beraten, seine Subventionen deutlich abzubauen. Hierzu sind entsprechende Festlegungen im § 23 der Landeshaushaltsordnung (LHO) und in den Ausführungsbestimmungen zum § 44 der LHO erforderlich.
Zu 1.
Artikel I
Angesichts der teilweise verheerenden volkswirtschaftlichen und haushalterischen Auswirkungen von Subventionen muss deren Einschränkung und Abbau in Zukunft Verfassungsrang haben. Der Begriff der Subventionen in § 23 LHO entspricht den Regelungen des § 12 Stabilitäts-gesetz. Er beinhaltet insbesondere Geldleistungen an öffentliche und private Unternehmen gleich welcher Rechtsform und an Träger von Einrichtungen und Projekten gleich welcher Aufgaben- oder Zielstellung.
Artikel II
Gegenüber der geltenden Fassung des § 23 werden nicht nur die Zuwendungen, ein Unterfall der Finanzhilfen, sondern der gesamte Bereich der öffentlichen Subventionen erfasst. Dazu gehören auch die staatlichen Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag und Steuervergünstigungen. Die Anforderungen an die Gewährung von Subventionen werden deutlich verschärft:
Absatz 1 stellt klar, dass Subventionen nur bei Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses gewährt werden dürfen. Es werden Leistungsbegründungen verlangt, die eine nachvollziehbare Abwägung zwischen dem angestrebten Zweck und den sonstigen öffentlichen Interessen beinhalten. Hinzu kommt die ordnungspolitisch unverzichtbare Subsidiaritätsklausel, derzufolge Subventionen nur dann in Frage kommen, wenn der angestrebte Zweck ohne sie nicht erreichbar ist, was vor allem der Fall ist, wenn private Dritte diesen nicht oder nicht ebenso wirtschaftlich und gut erfüllen können. Zu den Leistungen Dritter zählt auch das Sponsoring oder die Übernahme von Hilfen durch Dritte. Entsprechend dem Ziel und Zweck der einschlägigen EU-Bestimmungen ist auch eine Bezuschussung öffentlicher Unternehmen im Rahmen von „Daseinsvorsorgeaufgaben“ des Staates nicht mehr vorgesehen, sofern die Subsidiaritätsklausel greift. Die Regelung kann zwar einen Verwaltungsmehraufwand verursachen, der jedoch in Anbetracht ihrer haushaltsentlastenden Wirkung mehr als begründet ist.
Der Absatz 2 dient der Abwehr staatlicher Eingriffe in die Funktionsfähigkeit der Märkte, insbesondere durch Beeinträchtigung der freien Preisbildung. Es werden Subventionen ausgeschlossen, die in einseitiger Weise einzelne Personengruppen, Projekte und Einrichtungen begünstigen. Finanzhilfen des Landes, die der Erhaltung von Betrieben oder Wirtschaftszweigen dienen (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 des Stabilitätsgesetzes) werden ausgeschlossen, da sie nachweislich nicht strukturfördernd, sondern eher strukturschwächend wirken.
Der Absatz 3 legt die obligatorische Befristung von Finanzhilfen und ihre degressive Bemessung fest.
Der Absatz 4 bezieht die Kofinanzierungen des Landes. in die Regelungen der Absätze 1 bis 3 ein. Das Vorhandensein von Förderprogrammen des Bundes und der EU reicht für ihre tatsächliche Inanspruchnahme nicht aus. Der gewollte politische Ordnungsrahmen und die fach- und haushaltspolitischen Ziele müssen letztlich für die Inanspruchnahme von Fördermitteln maßgebend sein. Der Satz 3 dehnt die Regelungen der Absätze 1 bis 3 auf die Veräusserung oder Verpachtung landeseigener Grundstücke unter Wert und auf Landesbürgschaften aus. Letztere beinhalten wegen der zumeist riskanten Rahmenbedingungen für den Landeshaushalt erhebliche Risiken (siehe u.a. Tempodrom, Spreepark).
Der Absatz 5 legt den Vorrang von Finanzhilfen gegenüber Steuervergünstigungen fest, die die öffentlichen Haushalte besonders nachhaltig belasten. Der Absatz 6 verpflichtet den Senat zur Offenlegung sämtlicher Subventionen, einschließlich der Veränderung bestehender Subventionen, im Amtsblatt.
Zu § 24a: Die Direktvergabe öffentlicher Aufträge an öffentliche Unternehmen, d.h. ohne vorherige öffentliche Ausschreibung, ist nach EU-Recht unter bestimmten Voraussetzungen zwar zulässig, soll jedoch im Interesse der nachhaltigen Entlastung des Landeshaushalts und der Stärkung der Marktfunktionen in Zukunft nicht mehr stattfinden. Davon ausgenommen sind landeseigene Unternehmen, die zur Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe die öffentlichen Ausschreibungen ihrerseits durchführen (z.B. landeseigene Betriebsgesellschaften für das ÖPNV-Schienennetz oder die öffentlichen Grün- und Sportanlagen).
Artikel III
Gemäß § 2 Abs. 1 des IBB-Gesetzes unterstützt die IBB das Land Berlin bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Infolgedessen ist es sachgerecht und angemessen, die Grundsätze des § 23 Abs. 1 bis 4 sinngemäß auch auf die Mittelvergabe der IBB anzuwenden. Die Vorgänge um die Subventionierung des Tempodrom legen dies mit Nachdruck nahe.
Zu 2.
Der 2. Antragspunkt enthält ergänzende Anforderungen und Einschränkungen bezüglich der Gewährung von Finanzhilfen. In Zukunft sind Bestimmungen zur Unterbindung von Subventionen, die die Eigenverantwortlichkeit der Zuwendungsempfänger oder Begünstigten beeinträchtigen oder Eingriffe in die Aufgaben öffentlicher Stellen und Dritter beinhalten (a, b), zur kurzfristigen Einstellung und zeitlichen Befristung von Subventionen (c, d), zur Evaluation von Subventionen (e) und zum prioritären Einsatz von Personal aus dem Stellenpool des Landes (f) zwingend erforderlich und durchzusetzen.
Zu 3.
Vor dem Hintergrund der Haushaltslage Berlins und der Entscheidung des Landesverfassungsgerichtshofes zum Doppelhaushalt 2002/2003 muss der Senat jetzt ein umfassendes Programm zum nachhaltigen Subventionsabbau im Land Berlin erarbeiten und dem Abgeordnetenhaus vorlegen.
Berlin, den 23. März 2004
Dr. Lindner v. Lüdeke Thiel
und die übrigen Mitglieder der Fraktion der FDP
Ausschuss-Kennung
: WiBetrTechgcxzqsq