Mitteilung – zur Kenntnisnahme –
Drucksachen 15/1957, 15/2144, 15/2506, 15/2688 und
15/2907
- Schlussbericht -
Die Senatsverwaltung für
Wissenschaft, Forschung und Kultur legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus
zur Besprechung vor:
Das Abgeordnetenhaus hat in
seiner 40. Sitzung am 13. November 2003 Folgendes beschlossen:
„Das Abgeordnetenhaus von
Berlin begrüßt die leihweise Übernahme der privaten Flick-Sammlung durch die
Stiftung Preußischer Kulturbesitz als
eine wertvolle Ergänzung der Sammlungen moderner Kunst im Hamburger Bahnhof.
Das Abgeordnetenhaus bittet
den Senat, sich gegenüber der Stiftung Preußischer Kulturbesitz dafür einzusetzen, dass sowohl im Vorfeld
als auch im Verlauf der Ausstellung ein Forum für die Intentionen des Stifters
und die Reflexion der gesellschaftlichen Diskussion über diese Sammlung sicher
gestellt wird.“
Hierzu wird berichtet:
Die Sammlung von Friedrich Christian Flick umfasst Werke von über 150
Künstlern des 20. und 21. Jahrhunderts. Vertreten sind alle Kunstgattungen,
Malerei, Skulptur, Fotografie, Video, Installation. Dabei bildet die Kunst der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Ausgangs- und Schwerpunkt der Sammlung
mit bedeutsamen Positionen der klassischen Moderne.
Die Sammlung
schließt mit den rd. 2000 Werken u.a. zur Minimal Art und zur Concept-Art an
das Konzept des Hamburger Bahnhofs an, die Kunst seit 1960, mit Hilfe großer
Privatsammlungen, darzustellen. Dabei ergänzen sich sie Sammlungen Erich Marx,
Egidio Marzona und Friedrich Christian Flick in idealer Weise.
Das Herzstück
der Friedrich Christian Flick Sammlung ist der unvergleichlich reiche
Bestand am Gesamtwerk von Bruce Nauman,
als einem der in seiner existenziellen Fragestellung radikalsten Künstler der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Einen weiteren
Schwerpunkt der Sammlung bildet die breite Darstellung dadaistischer Kunstströmungen
durch das gesamte 20. Jahrhundert hindurch von Schwitters über Marcel
Broodthaers und Dieter Roth bis in die aktuelle Gegenwart.
Diese hochkarätige Kunstsammlung in dieser Stadt ist vor dem Hintergrund der Familiengeschichte ihres Sammlers, Friedrich Christian Flick, in eine kontroverse öffentliche Diskussion geraten. Daher muss die Debatte um ihre Übernahme offen und in angemessener Weise reflektiert werden. Nur so kann die selbst diskursiv angelegte Kunst über ihren eigenen ästhetischen Kontext hinaus Wirkungen entfalten, die das historische Verständnis befördern.
Die Debatte
macht die historischen Brüche der Vergangenheit, mit denen Berlin und die ganze
deutsche Gesellschaft lebt, zum Gegenstand der öffentlichen Auseinandersetzung
und wird zur Unterscheidung zwischen der persönlichen Schuld der Großeltern-
und Elterngeneration und der Verantwortung der Nachgeborenen beitragen.
Dazu hat der
Senat frühzeitig und intensiv mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK)
an der Konzeption einer entsprechenden Spiegelung der gesellschaftlichen
Auseinandersetzung mit der Sammlung und ihren Hintergründen gearbeitet.
Parallel zur
Eröffnung der Ausstellung wird ein Auftaktsymposion unter dem Thema „Die Macht
der Sammler und die Verantwortung der Museen“ stattfinden. An dieser
international besetzten Veranstaltung
werden Vertreter aus der Schweiz, aus Spanien, aus Großbritannien und den USA
teilnehmen. Durch die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der großen Museen
mit ihren Sammlern wird der Versuch unternommen, objektivierbare Maßstäbe für
die Diskussion zu gewinnen.
Daneben wird
das Thema im Rahmen des 175jährigen Bestehens der Staatlichen Museen zu Berlin
durch eine Vortragsreihe in Kooperation mit den Fördervereinen (November 2004-
Juni 2005) vertieft. Hier werden die vielfältigen sozial- und
kulturhistorischen Facetten des Mäzenatentums aus verschiedenen Perspektiven
diskutiert. Einerseits wird der Mäzen als Leitfigur demokratischer Urbanisierung
und die Stadt als exemplarischer Begegnungsraum von Individuum, Gesellschaft
und Kunst betrachtet. Andererseits wird die Rolle des Mäzens bei der Entstehung
der Sammlungen der Staatlichen Museen und der Tradition des Zusammenwirkens
zwischen Bürgersinn und Gemeinsinn, dem staatlichen Interesse und privater
Leidenschaft hinterfragt. Und schließlich erhalten die Mäzene von heute Gelegenheit,
einen Einblick in ein ‚Leben für die Kunst’ zu geben.
Von September
diesen Jahres bis zum Januar 2005 wird von der SPK in Kooperation mit der Bundeszentrale
für politische Bildung eine Veranstaltungsreihe angeboten, die den
Themenkomplex „NS-Vergangenheit und ihre Bewältigung - Unzureichende
Entnazifizierung nach 1945?“ behandelt. Weiterhin werden Themen der Kunst in
der Auseinandersetzung mit existentiellen Fragen mit Künstlern und Personen des
öffentlichen Lebens in direkter Bezugnahme auf die Kunstwerke der Sammlung
diskutiert.
Ein weiterer
Schwerpunkt in der Auseinandersetzung mit den einzelnen Kunstwerken wird mit
den sogenannten „Künstlerreden“ gesetzt. Hier werden die Künstlerinnen und
Künstler der Ausstellung über ihr Werk sprechen. Im gleichen Zeitraum werden
öffentliche Seminare der kunsthistorischen Institute und der Kunsthochschulen
Berlins in der Ausstellung stattfinden.
„Arbeit und
Alltag im 21. Jahrhundert. Ein Kunstwerk“ ist der Titel eines vom 4.-7. November
2005 geplanten Symposions, das in Kooperation mit den Münchner culturalaffairs
geplant ist.
Weitere
Veranstaltungen mit externen Partnern sind in der Planung.
Die
Staatlichen Museen werden darüber hinaus für jede/n Besucherin / Besucher der
Ausstellung im Hamburger Bahnhof eine kostenlose Zeitung bereit halten, die ein
ausführliches Gespräch, geführt von dem Kurator der Ausstellung, Eugen Blume,
mit Friedrich Christian Flick, dokumentiert und die Fragen beantwortet, die die
Diskussion um die Sammlung begleiten: die Sozialisation Flicks, seine
Auseinandersetzung mit der Vergangenheit seines Großvaters, seine Potsdamer
Stiftung. Damit ist sichergestellt, dass sich jeder den Kontext, in dem auch
diese Sammlung zu sehen ist, bewusst machen und sein eigenes Urteil bilden
kann.
Auf
Veranlassung der Stiftung wird das Institut für Zeitgeschichte in München die
Familiengeschichte Flick und deren Rolle im Nationalsozialismus untersuchen.
Friedrich Christian Flick hat seine Bereitschaft erklärt, alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung
zu stellen und die für die Studie anfallenden Kosten zu übernehmen. Das
Ergebnis dieser Forschungsarbeit des eigens für die NS-Aufarbeitung gegründeten
renommierten unabhängigen Instituts wird dem öffentlichen Diskurs zugänglich
gemacht.
Mit den
dargestellten Aktivitäten bzw. Veranstaltungen wird die Stiftung Preußischer
Kulturbesitz aus eigenen Mitteln bzw. in Kooperation mit Dritten die
Präsentation der Friedrich Christian Flick Collection im Kontext der
öffentlichen Diskussion um die Sammlung umfassend reflektieren.
Eine unmittelbare Verknüpfung der Familiengeschichte mit der Kunstausstellung entspricht nicht Auftrag und Profil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Für eine angemessene Aufarbeitung dieses zentralen Kapitels der deutschen Geschichte gibt es berufene Institutionen, wie z.B. das Institut für Zeitgeschichte oder der Stiftung Topographie des Terrors.
Der Senat von
Berlin konzentriert seine weiteren Anstrengungen auf eine nachhaltige
Behandlung dieses Themas mit der Errichtung eines „Dokumentations- und
Begegnungszentrums zur NS-Zwangs-arbeit in Berlin Schöneweide“, als erste
deutsche Einrichtung dieser Art an authentischem Ort, sofern deren Finanzierung
gesichert ist.
Zur Zwangsarbeit speziell in Berlin wird am 16. September 2004 die Ausstellung „Zwangsarbeit in Betrieben des Flick-Konzerns in Berlin und Umland" vom Arbeitskreis Berliner Regionalmuseen in den Räumlichkeiten des Prenzlauer Berg Museums eröffnet.
Ich bitte den
Beschluss damit als erledigt anzusehen.
Berlin, den 4. August 2004
Dr.
Thomas F l i e r l
Senator
für Wissenschaft,
Forschung
und Kultur
Ausschuss-Kennung
: Kultgcxzqsq