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Ein Stapel Zeitungen

Anordnung des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 8. Oktober 2020

Auf der Grundlage von Artikel 41 Absatz 4 Satz 1 der Verfassung von Berlin wird zur
Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 (COVID-19) folgende Anordnung
erlassen:

1.  Anwendungsbereich

Die folgenden Bestimmungen gelten für alle Personen, die sich in den Räumlichkeiten
des Abgeordnetenhauses von Berlin aufhalten.

2.  Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung

a) Allgemeine Verpflichtung

Im Gebäude des Abgeordnetenhauses ist eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
Dies gilt für alle Räume, einschließlich des Plenarsaals, der Sitzungssäle und Besprechungsräume,
sowie für alle Verkehrsflächen und Aufzugsanlagen des Gebäudes.

Den Fraktionen und fraktionslosen Abgeordneten wird dringend empfohlen, entsprechende
Regelungen für die Räume zu erlassen, die ihnen zur alleinigen Nutzung
überlassen sind.

b) Ausnahmen

In den Sitzungssälen, einschließlich des Plenarsaals, und den Besprechungsräumen
kann die Mund-Nasen-Bedeckung am Platz abgelegt werden, wenn ein Mindestabstand
zu anderen Personen von mindestens 1,50 Metern eingehalten wird oder eine
geeignete Abtrennung zu anderen Plätzen vorhanden ist. Die Rednerinnen und Redner
im Plenarsaal dürfen die Mund-Nasen-Bedeckung zudem am Rednerpult und an
den Saalmikrophonen ablegen. Die amtierenden Präsidentinnen und Präsidenten sowie
die amtierenden Beisitzerinnen und Beisitzer können die Mund-Nasen-Bedeckung
im Sitzungsvorstand ablegen, ebenso die amtierenden Ausschussvorsitzenden
während einer Ausschusssitzung.

In den Büroräumen und am Arbeitsplatz kann die Mund-Nasen-Bedeckung abgelegt
werden, sofern der Raum alleine genutzt oder der Mindestabstand von 1,50 Metern
zu anderen Personen eingehalten werden kann oder eine geeignete Abtrennung zu
anderen Plätzen vorhanden ist.
In der Kantine, dem Casino sowie in den Sozialräumen kann die Mund-Nasen-
Bedeckung am Tisch abgenommen werden.


    Die Mund-Nasen-Bedeckung darf zeitweilig abgelegt werden,

  • soweit und solange es zu Identifikationszwecken erforderlich ist
    oder
  • es notwendig ist, um sich einer hörgeschädigten Person verständlich zu machen,
    oder
  • sonstige zwingende Gründe (wie etwa die Gelegenheit eines Interviews) dies erfordern
    und ein Mindestabstand von 1,50 Metern zu anderen Personen eingehalten wird.


3.  Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung

Personen, die glaubhaft machen können, dass es ihnen nicht zumutbar oder nicht möglich
ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, dürfen sich auf ein sogenanntes Visier (Face
Shield) beschränken; ist auch das Tragen eines Visiers nicht zumutbar, kann ausnahmsweise
auch hierauf verzichtet werden. Zur Glaubhaftmachung ist ein ärztliches Attest vorzulegen.

Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres sind von der Pflicht, eine Mund-
Nasen-Bedeckung zu tragen, befreit.

Personen, die von der Pflicht, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, befreit sind, haben
einen Mindestabstand von 1,50 Metern zu anderen Personen einzuhalten, sofern nicht
bauliche oder technische Maßnahmen den Schutz vor Infektionen gewährleisten.


4.  Zutritt zum Gebäude des Abgeordnetenhauses

Gästen und Besuchern, die keine Mund-Nasen-Bedeckung oder den gemäß Nummer 3 gestatteten
Ersatz tragen, kann der Einlass verweigert werden.


5.  Anordnung der sofortigen Vollziehung

Für diese Anordnung wird gemäß § 80 Absatz 2 Nummer 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
die sofortige Vollziehung angeordnet, das heißt, eine Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung.


6.  Weitere Hinweise

Werden die Anordnungen in dieser Verfügung nicht beachtet, können sie mit den Mitteln
des Verwaltungszwangs nach dem Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) durchgesetzt
werden. Zu den Mitteln des Verwaltungszwangs gehört insbesondere das Zwangsgeld, das
nach § 11 Absatz 3 VwVG i.V.m § 8 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung
auf einen Betrag von bis zu 50.000 Euro festgesetzt werden kann.

Gegen eine Person, die gegen diese Anordnung verstößt, kann vorbehaltlich des § 112
Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) eine Geldbuße verhängt werden.
Für die Geldbuße sieht das Gesetz (§ 112 Absatz 2 OWiG) eine Höhe von bis zu
5.000 Euro vor.

Auf der Grundlage des Hausrechts des Präsidenten kann eine Person, die gegen diese
Anordnung verstößt, des Hauses verwiesen und ihr gegebenenfalls auch verboten werden,
das Haus zu betreten (Hausverbot).

Die Anordnung wird durch Veröffentlichung im Internet unter www.parlament-berlin.de
auf der Startseite unter der der Rubrik “Aktuelles und Presse“ und durch Aushang bekannt
gemacht. Sie ist am Haupteingang des Gebäudes des Abgeordnetenhauses von Berlin einsehbar.


7.  Inkrafttreten

Diese Anordnung tritt am 9. Oktober 2020 in Kraft; am 31. Dezember 2020 tritt sie außer Kraft.

Die Anordnung ergänzt meine bisherigen Anordnungen betreffend die Eindämmung der
Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 (COVID-19), insbesondere die mit Datum vom
18. August 2020 angeordneten Beschlüsse des Krisenstabs Pandemie des Abgeordnetenhauses
vom 17.8.2020.

 


Begründung

 

1.  Allgemeines

Die Covid-19-Pandemie entwickelt sich weltweit sowie in Deutschland und Berlin sehr
dynamisch. Das Robert Koch-Institut (RKI) schätzt die Gefährdung für die Gesundheit
der Bevölkerung in Deutschland derzeit weiterhin insgesamt als hoch, für Risikogruppen
als sehr hoch ein.

Nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist der Hauptübertragungsweg für
SARS-CoV-2 die respiratorische Aufnahme virushaltiger Flüssigkeitspartikel, die beim
Atmen, Husten, Niesen und Sprechen entstehen. Die Übertragung durch SARS-CoV-2
Aerosolpartikel spielt eine mindestens ebenso große Rolle wie die Tröpfcheninfektion.
Die Wahrscheinlichkeit, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, ist nach wissenschaftlichen
Erkenntnissen in geschlossenen Räumen erheblich höher als im Freien.

Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung trägt laut RKI dazu bei, andere Personen vor
Tröpfchen und Partikeln die man z.B. beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstößt, zu
schützen. Der Einsatz von Mund-Nasen-Bedeckungen kann andere zentrale Schutzmaßnahmen,
wie die (Selbst-)Isolation von lnfizierten, die Einhaltung der physischen Distanz
von mindestens 1,5 m und von Hustenregeln und Händehygiene, sowie die Notwendigkeit
des Lüftens wirksam ergänzen. Das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen ist damit
ein weiterer Baustein, um Übertragungen zu reduzieren.


2.  Rechtliche Würdigung

Rechtsgrundlage der Anordnung ist das Hausrecht und die Polizeigewalt des Präsidenten
des Abgeordnetenhauses von Berlin, Artikel 41 Absatz 4 Satz l der Verfassung von Berlin.
Danach übt der Präsident das Hausrecht und die Polizeigewalt im Gebäude des
Abgeordnetenhauses aus.

 

2.1  Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung

 

In Nr. 1 wird das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für alle Räume, Verkehrsflächen
und Aufzugsanlagen des Gebäude des Abgeordnetenhauses angeordnet. Die Situation
am Arbeitsplatz ist mit der Bestimmung der Abstandsregelungen und den damit
einhergehenden Regelungen zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung beschrieben
und ermöglicht ein situationsangemessenes Handeln der dort Beschäftigten.
Dies gilt auch für die Regelungen im Rahmen von parlamentarischen Sitzungen.


Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ist nach Aussage der zuständigen Behörde
(siehe die Ausführungen unter 1.) geeignet, die Gefahr einer Übertragung des Virus
durch Aerosol-Partikel zu verringern.


Die Maßnahme ist auch erforderlich, weil ohne diese Maßnahme die Infektionsgefahr
steigen würde. Es könnte vermehrt zu Ansteckungen einer unbestimmten Zahl von
Personen mit daraus folgenden Infektionsketten kommen, wodurch die Funktionsfähigkeit
des Abgeordnetenhauses von Berlin stark beeinträchtigt oder ggf. zum Erliegen
gebracht werden könnte. Das Land Berlin hat mit Wirkung vom 3. Oktober 2020
aus diesem Grund eine Pflicht zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen für
Beschäftigte und Besucherinnen und Besucher in Büro- und Verwaltungsgebäuden
angeordnet, sofern sie sich nicht auf einem festen Platz aufhalten und der
Mindestabstand nicht sicher eingehalten werden kann.


Derzeit ist kein milderes Mittel bekannt, um im Zusammenwirken mit den genannten
anderen Maßnahmen, z.B. dem fachgerechten Lüften, andere Personen vor feinen
Tröpfchen und Partikeln, die man z.B. beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstößt,
zu schützen.


Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ist angesichts des Ziels, die Funktionsfähigkeit
des Abgeordnetenhauses von Berlin und die Gesundheit der sich im Gebäude des
Abgeordnetenhauses von Berlin aufhaltenden Personen zu erhalten, auch
angemessen, denn der Eingriff ist in Verbindung mit den festgelegten Ausnahmen
(unten 2.2.) von geringer Intensität. Dies gilt auch mit Blick auf die besonderen Rechte von
Mandatsträgern.


Erforderlichkeit und Angemessenheit unterliegen einer ständigen Überprüfung. Deshalb
ist diese Anordnung zunächst bis zum 31. Dezember 2020 befristet, um anhand der
dann vorliegenden aktuellen Erkenntnisse ggf. neue Entscheidungen zu treffen.


2.2  Ausnahmen

 

Die Anordnung regelt Ausnahmen von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-
Nasen-Bedeckung und trägt insoweit individuellen Merkmalen, die an einer Verpflichtung
zum Mund-Nasen-Schutz hindern, durch alternative Mittel und Abstandsregelungen
hinreichend Rechnung.


2.3  Sofortige Vollziehbarkeit


Zur Gewährleistung des mit der Anordnung verbundenen Zwecks wird die sofortige
Vollziehung angeordnet, § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Durch die hohen und derzeit
kontinuierlich steigenden Infektionszahlen, insbesondere auch in Berlin, können die
Funktionsfähigkeit des Abgeordnetenhauses und die Gesundheit der sich im Gebäude
des Abgeordnetenhauses aufhaltenden Personen durch Infektionsketten ernsthaft
gefährdet werden. Daher müssen alle geeigneten, erforderlichen und verhältnismäßigen
Maßnahmen zur Verminderung des Infektionsrisikos so schnell wie möglich getroffen werden.


Da durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Anordnung zum Tragen einer
Mund-Nasen-Bedeckung ein wichtiges Element aus den Infektionsschutzmaßnahmen
des Abgeordnetenhauses bis auf weiteres herausgelöst würde, ist die Anordnung der
sofortigen Vollziehung erforderlich und angemessen. Das öffentliche Interesse der
Funktionsfähigkeit des Parlaments und das Interesse des Gesundheitsschutzes der
Personen, die sich in den Gebäuden des Abgeordnetenhauses aufhalten, überwiegt
hier das Rechtsschutzinteresse einzelner Betroffener.


Der Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin

 

Ralf Wieland