Feierliche Preisverleihung der Obermayer Awards 2020
Auszeichnung für herausragendes Engagement zur Bewahrung jüdischer Geschichte und zur Bekämpfung von Vorurteilen in der heutigen Zeit
Am Montag, dem 27. Januar 2020 wurden im Berliner Abgeordnetenhaus die Obermayer Awards 2020 verliehen. Die Preisverleihung fand im Rahmen des Internationalen Holocaust-Gedenktags statt und würdigt Menschen, die sich ausgehend von den Lehren aus der NS-Zeit der Bekämpfung von Vorurteilen in der heutigen Zeit widmen und sich für die Erinnerung an die einst lebendigen jüdischen Gemeinden einsetzen.
Seit dem Jahr 2000 werden die Obermayer Awards an deutsche Bürger verliehen, die dazu beigetragen haben, das Gedenken an die jüdische Vergangenheit zu bewahren, sie zu dokumentieren und die von den Nationalsozialisten zerstörte jüdische Kultur in ihren Gemeinden mit neuem Leben zu erfüllen. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums werden die Obermayer Awards erweitert: Die „Jubiläums-Auszeichnungen“ gehen an Menschen, die kreative Wege gefunden haben, um ausgehend von den Lehren aus der Geschichte Intoleranz in der heutigen Zeit entgegenzuwirken und die Verständigung zwischen den Kulturen und Religionen zu fördern.
„Mit ihrem unermüdlichen Einsatz zeigen die diesjährigen Preisträger uns, was wir aus der Vergangenheit lernen können und welche Gefahr von Vorurteilen und Rassismus in der heutigen Zeit ausgeht“, sagt Joel Obermayer, Geschäftsführer von „Widen the Circle“, einer Abteilung der Obermayer-Stiftung, die sich um Programme zur Förderung von Toleranz, Versöhnung und interkultureller Verständigung kümmert und auch die Obermayer Awards verwaltet.
Die Preisträger in der neuen Kategorie "Jubiläums-Auszeichnungen" sind:
- Fanprojekt der Sportjugend Berlin und Hertha BSC (Berlin): Aus der eigenen Geschichte lernen ist eine Veranstaltungsreihe, bei der sich Fans des Fußballvereins Hertha BSC mit einem unbequemen Aspekt des Mannschaftssports auseinandersetzen: Vorurteile und Antisemitismus gestern und heute. Gemeinsame Träger sind das Fanprojekt der Sportjugend Berlin und Hertha BSC. Die beteiligten Hertha-Fans haben unter anderem zur Geschichte und Rolle von Hertha BSC während der NS-Diktatur und zu den Lebenswegen und Schicksalen vergessener jüdischer Vereinsmitglieder recherchiert, die Biographie eines Mannschaftsarztes geschrieben, der in Auschwitz ermordet wurde, und eine Ausstellung im Berliner Stadtmuseum mit gestaltet. Außerdem setzen sie sich aktiv für ein klares Bekenntnis aller Hertha-BSC-Fans gegen Antisemitismus, Diskriminierung und Intoleranz ein.
- Netzwerk für Demokratische Kultur (NDK) (Sachsen): Das 1999 in der ostdeutschen Stadt Wurzen gegründete Netzwerk für Demokratische Kultur engagiert sich für Demokratie und Akzeptanz, um anhaltender neonazistischer Gewalt etwas entgegenzusetzen. Das Angebot reicht von der Unterstützung lokaler Projekte zur Demokratieförderung über Initiativen für Menschen mit Migrations- oder Fluchthintergrund, Vermittlung von geschichtlichem Wissen zur Verfolgung der Juden in der NS-Zeit und Schulprojekten bis hin zu öffentlichen Veranstaltungen, bei denen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Hintergründe zusammenkommen. Mit seinen zehn Mitarbeitenden sowie Dutzenden Freiwilligen führt das NDK jedes Jahr 40 bis 50 Projekte und Veranstaltungen durch, bei denen es 5.000 bis 6.000 Menschen aller Alters- und Bevölkerungsgruppen erreicht.
- Geschichtomat (Hamburg): Der Geschichtomat ist ein Geschichtsprojekt in Hamburg, das Teenagern im Rahmen intensiver Projektwochen jüdische Geschichte und Kultur vermittelt. Dabei erkunden die Schülerinnen und Schüler ihre Nachbarschaft, um sich mit historischen Persönlichkeiten, Orten und Ereignissen vertraut zu machen. Mit fachlicher und medienpädagogischer Begleitung recherchieren sie, führen Interviews mit Experten und Zeitzeugen, besuchen Museen und Archive, drehen und schneiden ihre eigenen Filme und schreiben begleitende Texte. Ziel ist es, den Jugendlichen ein Verständnis von jüdischem Leben und jüdischer Kultur zu vermitteln, das über Holocaust und Verfolgung hinausgeht. Die fertigen Beiträge werden auf die Website geschichtomat.de hochgeladen. Seit 2013 haben mehr als 800 Schülerinnen teilgenommen, und es wurden 200 Videos produziert.
Die Preisträger in der Kategorie "German Jewish History Awards" sind:
- Karl-Heinz Nieren (Nordrhein-Westfalen): Im Jahr 1976 begann Karl-Heinz Nieren in seiner nordrheinwestfälischen Heimatstadt Geilenkirchen, Besuche auf dem jüdischen Friedhof für seine Schulklassen zu organisieren. Die Schülerinnen und Schüler waren schockiert, als sie erfuhren, dass ihre Stadt früher ein Zentrum jüdischer Kultur gewesen war, das von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Seit dieser Zeit engagiert Nieren sich dafür, diesen Teil der Geschichte wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rufen. Er hat zwei akribisch recherchierte Publikationen zur jüdischen Bevölkerung Geilenkirchens herausgebracht und mit seinen Recherchen die Grundlage für die Verlegung von fast 100 Stolpersteinen geschaffen. Nieren ist Mitgründer der Initiative Erinnern Geilenkirchen, die sich für religiöse und kulturelle Toleranz und gegen Diskriminierung engagiert, und betätigt sich häufig als Gästeführer für ehemalige jüdische Bürger Geilenkirchens und ihre Nachfahren.
- Roland Müller (Sachsen): Das Interesse an jüdischer Geschichte und Kultur wurde bei Roland Müller, geboren im südbrandenburgischen Elsterwerda, im Alter von 12 Jahren geweckt, nachdem er eine Brieffreundschaft mit einem jüdischen Mädchen in Warschau begonnen hatte. Zu seinem Hauptthema entwickelte sich die Geschichte der Stadt Breslau (heute das polnische Wrocław). In seinen zahlreichen Artikeln und Büchern liegt der Fokus stets darauf, herauszuarbeiten, welch wichtige Rolle die jüdische Bevölkerung für das gesellschaftliche Gefüge der Stadt gespielt hatte – und dass Vielfalt und Toleranz die Welt für alle Menschen lebenswerter machen.
- Norbert Giovannini (Baden-Württemberg): In den vier Büchern und zahlreichen Artikeln, die Norbert Giovannini im Laufe seiner 30-jährigen Tätigkeit geschrieben hat, widmet er sich unermüdlich der Erforschung, Rekonstruktion und öffentlichen Vermittlung der jüdischen Vergangenheit Heidelberg. Er hat die Geschichte des jüdischen Lebens in der Stadt dokumentiert und von 1996 bis 2016 Besuche von ehemaligen jüdischen Bürgern und ihren Nachfahren mit gestaltet. Darüber hinaus hat er Ausstellungen im Heidelberger Rathaus organisiert und an der Erstellung von Gedenktafeln am Standort der alten Synagoge mitgewirkt, auf denen die Namen Hunderter Heidelberger Juden eingraviert sind, die in Konzentrations- und Todeslager deportiert wurden. Sein neuestes Buch Stille Helfer, das im August erschienen ist, handelt von den vielen Heidelberger Bürgern, die jüdischen Mitbürgern während der NS-Zeit aktiv und nachhaltig geholfen haben.
Impressionen
Zwei zusätzliche Auszeichnungen für herausragende Leistungen wurden in diesem Jahr verliehen an:
- Sabeth Schmidthals (Berlin): Sabeth Schmidthals engagiert sich mit kreativen Lehrmethoden und viel Sensibilität und Empathie, um ihre Schülerinnen und Schüler für Hass und Antisemitismus zu sensibilisieren und sie dagegen aktiv werden zu lassen. Die Jugendlichen an der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule in Berlin haben überwiegend einen Migrationshintergrund und stammen häufig aus muslimischen Familien. Sie ist davon überzeugt, dass man Jugendlichen und ihren persönlichen Konflikten mit Empathie begegnen muss, bevor sie selbst ein Gefühl für das Leid anderer entwickeln können, und ermutigt sie, die Migrationsgeschichten ihrer Familien zu erzählen. Ihre Lernprojekte sind partizipativ und interaktiv. Schmidthals ist mit ihren Schülerinnen und Schülern schon nach Israel und zu Gedenkstätten in Polen, Frankreich und Spanien gereist. Dafür leistet sie nicht nur Überzeugungsarbeit in den Familien und stellt sich dem Kampf mit der deutschen Bürokratie, sondern bemüht sich auch um eine über die Schule hinausreichende Vernetzung mit anderen Organisationen und Institutionen.
- Michael Batz (Hamburg): Ein Gespür für Geschichte(n) gepaart mit akribischem Forschungsdrang: Mit dieser Kombination hat der gefeierte Dramaturg und Künstler Michael Batz inzwischen mehr als 20 Dokumentarstücke zu Facetten der NS-Vergangenheit seiner Heimatstadt Hamburg entwickelt. In seinen Produktionen lässt er historische Personen mit ihren eigenen Worten aus Originalprotokollen auftreten. Themen sind beispielsweise die Versteigerung jüdischen Eigentums in Hamburg, die Ermordung von Kindern auf Hamburger Krankenstationen oder der Einsatz von Frauen aus Auschwitz als Zwangsarbeiterinnen in der Stadt. Die stets gut besuchten Aufführungen finden alljährlich anlässlich des Holocaust-Gedenktags am 27. Januar statt. Sondervorstellungen für Schulklassen ziehen regelmäßig um die 800 junge Menschen an.
Die Obermayer Awards wurden im Jahr 2000 von Dr. Arthur S. Obermayer (1931-2016), einem vielfältig engagierten amerikanischen Unternehmer und Philanthropen, und seiner Frau, Dr. Judith H. Obermayer, ins Leben gerufen. Die Verwaltung erfolgt durch Widen the Circle, eine Abteilung der Obermayer-Stiftung. Die Preisverleihung in Berlin wird durch das Abgeordnetenhaus von Berlin finanziell und organisatorisch unterstützt. Co-Sponsor ist das Leo Baeck Institut (New York).
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