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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa

Begrüßung der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin zur "Yad Vashem-Ehrung für einen 'Gerechten der Völker'"

11.07.2023 14:45, Abgeordnetenhaus, Plenarsaal

Es lässt sich nicht anders sagen: Heute ist ein wirklich besonderer Tag für das Berliner Abgeordnetenhaus. Dass eine Yad Vashem-Ehrung des Staates Israel in diesem Plenarsaal stattfindet, das hat es so hier noch nicht gegeben. Und dafür möchte ich Ihnen, Herr Botschafter Prosor, ganz herzlich danken. Sie haben es möglich gemacht – und deshalb fühlen auch wir uns geehrt an diesem Tag.

Es waren dunkle Zeiten, die in Deutschland zwischen 1933 und 1945 herrschten. Es gab nur wenig Licht in dieser Epoche. Und doch - es gab diese besonderen vereinzelten Lichter: Es waren neben den aktiven Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern gegen das NS-Regime, von denen viele auch mit ihrem Leben bezahlten, ganz normale Menschen, die den Mut hatten und die Zivilcourage aufbrachten, jüdische Menschen zu verstecken, um sie vor dem eigentlich sicheren Tod zu retten. Sie empfanden es als eigene moralische Verpflichtung.

Wir wissen heute: Es waren stille Helden, die sich damals selbst durch ihre Hilfe in Gefahr brachten. Sie riskierten alles, vor allem ihr eigenes Leben, aber natürlich auch das ihrer Familien. Und sie taten es trotzdem. Was für eine menschliche Größe, was für ein Edelmut kam da zum Vorschein, was für eine Ablehnung der barbarischen Rassenlehre und des Antisemitismus. Denn beides gehörte längst im Deutschland der NS-Zeit zum praktizierten traurigen Alltag.

Natürlich, es waren in Deutschland nur wenige Menschen, die diese Zivilcourage aufbrachten. Aber es gab sie. Einer von diesen Menschen wird heute posthum geehrt. Es ist Karl Steineke, der ab heute zu den „Gerechten der Völker“ gehören wird, weil er nachweislich Juden versteckte. Und ich freue mich, dass viele seiner später geborenen Familienmitglieder heute nach Berlin gekommen sind, hier anwesend sind, damit sie stellvertretend für den Geehrten die  höchste Auszeichnung des Staates Israel für Nichtjuden entgegennehmen können.

Nochmals: Seien Sie herzlich willkommen. Karl Steineke wird nun seinen Platz in der jüdischen Gedenkstätte Yad Vashem haben. Darauf können Sie stolz sein, liebe Familienmitglieder. Menschen wie Karl Steineke haben auch mit den Weg geebnet, dass wir Deutsche inzwischen Teil der zivilisierten europäischen Gesellschaften sind, die sich der Demokratie, dem Pluralismus und der Freiheit verpflichtet fühlen.

Das entbindet uns nicht von der historischen Verantwortung für die Shoah, dem größten Menschheitsverbrechen überhaupt. Keineswegs. Aber gerade die Geschichte der Diktaturen, auch der NS-Diktatur, zeigt uns eindringlich, dass es ohne humane Werte, ohne Freiheit in keinem Land eine wegweisende Zukunft gibt, sondern nur Zerstörung und Zersetzung. Gerade wir in Deutschland haben allen Anlass, diese Einsicht zu beherzigen.

Und deshalb sollten wir Menschen wie Karl Steineke sehr, sehr dankbar sein und ihn ebenfalls in Ehren halten. Herr Botschafter Prosor, die Bühne gehört nun Ihnen.