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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa

Begrüßungsansprache der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin Cornelia Seibeld anlässlich der Gedenkstunde zum 85. Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November 1938

16.11.2023 09:00, Abgeordnetenhaus, Plenarsaal

Anlass unserer heutigen Gedenkstunde ist der 85. Jahrestag der Novemberprogrome, auch wenn er nun schon eine Woche zurück liegt.In unserer Erinnerung ist der Holocaust, die Vernichtung des europäischen Judentums, zu Recht der zentrale Bezugspunkt für die nationalsozialistische Herrschaft.

Nicht weniger aufschlussreich sind aber die Schritte auf dem Weg dahin.

  • Der Putschversuch 1923,
  • die komplette Machtübernahme durch eine Kombination formal-legaler Akte mit nackter Gewaltanwendung 1933,
  • das Pogrom am 1. April 1933 an jüdischen Geschäftsleuten,
  • die Nürnberger Rassegesetze 1935 und
  • schließlich die Reichspogromnacht am 9./10. November 1938.

Antisemitismus ist uns in Deutschland - auch nach der Befreiung vom Nazi-Regime durch die Alliierten – leider - erhalten geblieben.

Die Schändung jüdischer Friedhöfe, die Verbreitung von Falschaussagen über Juden, rechtsextreme Anschläge auf Synagogen wie der 2019 in Halle sind Beispiele dafür, was Jüdinnen und Juden bis heute in Deutschland leider begegnet.

Antisemitismus verändert sich allerdings auch ständig und nimmt neue Formen an. Zweifellos haben wir durch die aus dem arabischen Raum stammenden Menschen in unserer Mitte auch einen importierten Antisemitismus. Auch er hat tiefe historische Wurzeln, wie z.B. die Kollaboration des Großmufti von Jerusalem, Amin el Husseini, mit den Nationalsozialisten zeigt.

Gewiss gibt es einen Mangel an Wissen über die Wurzeln und die Entwicklung dessen, was wir den Nahostkonflikt nennen. Aber letztlich muss vor allem das Zusammenleben in Deutschland klar geregelt werden:

Das Existenzrecht Israels gehört nicht nur – wie richtigerweise stets und ständig beteuert – zur deutsche Staatsräson. Diese Beteuerung muss sich vor allem im Zusammenleben wiederfinden. In Toleranz und Akzeptanz anderen Religionen und Ethnien gegenüber.

In Deutschland haben Antisemitismus und Intoleranz keinen Platz. Weder auf unseren Straßen, noch in unseren Schulen oder anderswo in unserer Gesellschaft. Wer hier leben möchte, muss sich an das Grundgesetzt und an unsere freiheitlich demokratischen Werte und Normen halten. Das ist nicht verhandelbar!

Auf dieser nicht verhandelbaren Grundlage kann dann auch aufgeklärt werden. Zum Beispiel darüber,

  • dass Israel kein Apartheids-Staat ist,
  • dass in Israel jüdische - aber auch und selbstverständlich -muslimische Menschen nicht nur nebeneinander sondern  miteinander leben und den Staat Israel tragen
  • und dass der Krieg gegen die Terrororganisation Hamas kein Genozid ist.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns noch einmal bewusst machen:

am 7. Oktober 2023 sind so viele Jüdinnen und Juden wie noch nie seit der Shoa ermordet worden – nur weil sie Juden sind. Menschen in Israel wurden bestialisch ermordet, Jüdinnen und Juden jedweden Alters gezielt misshandelt und gedemütigt und dann verschleppt.

Auf unseren Straßen hat es dazu Freudenfeste von Hamas-Sympatisanten gegeben. Es genügt also nicht mehr, das Existenzrecht Israels als Staatsräson Deutschlands zu propagieren – sofern es jemals genügt haben sollte.

Auch hier wird deutlich, dass mehr und sichtbareres Engagement aus der Zivilgesellschaft wie auch die emotionale Verbundenheit mit Israel öffentlich zu zeigen, zwingend erforderlich ist. Klare Positionierungen zum Beispiel vom Zentralrat der Muslime mehr als wünschenswert sind.

Unser heutiger Redner wurde zwei Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus geboren. Und doch ist er eingebunden in die Geschichte seiner deutschen jüdischen Familie vor, während und nach dem Nationalsozialismus, ja er ist von ihr zutiefst geprägt.

Ich freue mich sehr darüber, dass Prof. Dr. Michael Wolffsohn meiner Einladung gefolgt ist und uns heute an seinen Gedanken zu den historischen wie aktuellen Bezügen des Pogroms vom 9. November 1938 teilhaben lassen wird.

Herzlichen Dank dafür!

Wir sind heute bei einer gemeinsamen Gedenkstunde des Abgeordnetenhauses von Berlin und des Berliner Senats. Ich möchte dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner für seine Entschlossenheit danken, in dieser für Jüdinnen und Juden bedrängenden Zeit genauso klare Worte zu ihrer Unterstützung gefunden wie auch konsequente Handlungen des Senats zu ihrem Schutz veranlasst zu haben.

Herr Regierender Bürgermeister, bitte schön.