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Gedenkworte der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Cornelia Seibeld, anlässlich der Gedenkveranstaltung am Mahnmal auf dem Gelände des ehemaligen Außenlagers des Konzentrationslagers Sachsenhausen

27.01.2025 14:00, Wismarer Straße / Eugen-Kleine-Brücke

Im Jahr 2025 jährt sich die Befreiung des KZ Auschwitz zum 80. Mal. Auschwitz ist das Synonym des Massenmordes der Nationalsozialisten zuvörderst an Jüdinnen und Juden sowie an vielen weiteren Verfolgten des NS-Regimes. Ausschwitz ist somit Ausdruck des unfassbaren Rassenwahns der Nationalsozialisten.

Der 27. Januar, der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz, ist daher kein Gedenk- oder gar Feiertag im üblichen Sinn. Er ist ein „DenkTag“. Gedenken und Nachdenken über die Vergangenheit schaffen Orientierung für Gegenwart und Zukunft.

Erinnern fällt insbesondere mit dem zunehmenden großen zeitlichen Abstand nicht leicht. Denn sich vor Augen zu führen, was während der NS-Herrschaft und im Zweiten Weltkrieg von Deutschen und in deutschem Namen verübt wurde, löst tiefe Trauer und Beschämung aus. Die Inkarnation des Unrechts, der Willkür und der Menschenverachtung sind zweifelsohne die Konzentrationslager. Diese Lager wurden zu einem konstitutiven Element des Nationalsozialismus, um jedwede Form von Opposition jenseits rechtsstaatlicher Verfahren unterdrücken zu können. Und zur Absonderung all derer, denen die NS-Ideologie das bloße Existenzrecht absprach wie Juden, Sinti und Roma, Homosexuellen und vermeintlichen Asozialen und vielen anderen.

Die Einrichtung der Konzentrationslager diente den Parallelstrukturen des „SS-Staats“. Mit der Einrichtung sollte der absolute Machtanspruch gesichert werden und die Strukturen der SS und des Sicherheitsapparates wirtschaftlich durch unbegrenzte Ausbeutung unterstützt werden. Dies geschah keineswegs in aller Heimlichkeit. Über die Zeit der zwölf Jahre nationalsozialistischer Herrschaft wurde die Zahl der Lager immer größer, ihre Bedeutung für die Kriegswirtschaft war kaum zu ermessen.

Wir sind hier an dem historischen Ort eines Außenlagers des Konzentrationslagers Sachsenhausen. Das KZ Sachsenhausen wurde bereits 1936 errichtet. Als Modell- und Schulungslager sowie als Konzentrationslager in unmittelbarer Nähe der Reichshauptstadt nahm es eine besondere Stellung ein. Diese wurde dadurch unterstrichen, dass die „Inspektion der Konzentrationslager“ als zentrale Verwaltungsinstanz ebenfalls in Oranienburg angesiedelt wurde.

Waren die Häftlinge zunächst überwiegend deutsche Staatsbürger, wurden nach Beginn des Zweiten Weltkrieges zehntausende Menschen aus den besetzten Ländern in das KZ Sachsenhausen verschleppt, darunter politische Gegner des Besatzungsregimes, ausländische Zwangsarbeiter sowie alliierte Kriegsgefangene. Im Zuge des massenhaften Einsatzes von KZ-Häftlingen als Zwangsarbeitern in der Rüstungsindustrie und für die NS-Bauvorhaben in der Reichshauptstadt entstanden ab 1942 mehr als 100 Außenkommandos und Außenlager des KZ Sachsenhausen.

Das Außenlager hier in Lichterfelde am Teltowkanal verdankte seine Lage nicht zuletzt den vielen Einrichtungen der SS, die in Berlin angesiedelt waren. Dafür wurde hier die Bauleitung „Groß-Berlin der Waffen-SS und Polizei“ eingerichtet und der dazugehörige SS-Bauhof. Die Bauvorhaben der SS im Raum Berlin, die Arbeitseinsätze in kriegswichtigen Betrieben und später die Trümmerbeseitigung nach Luftangriffen waren die Aufgaben für die Lagerhäftlinge.

Rund 1300 Häftlinge waren zwischen Juni 1942 und April 1945 in vier viel zu kleinen Baracken eingepfercht. Der Einsatz für Bauvorhaben der SS und damit die Überstellung in das Außenlager an der Wismarer Straße setzte gute Facharbeiterkenntnisse voraus. Die Fachkompetenzen sowie eine körperliche Mindesteinsatzfähigkeit der Häftlinge wurden gebraucht.

Es war eine bitterböse Ironie, dass deshalb die Haftbedingungen im Lichterfelder Lager in manchen Aspekten etwas weniger brutal waren, als im Stammlager Sachsenhausen. Aber natürlich waren auch hier die Häftlinge der Willkür der SS-Wachmannschaft ausgeliefert und es gab die üblichen Lagerstrafen wie extensives Prügeln, Strafstehen, Essensentzug und Hinrichtungen. Als am 27. Januar 1945 die Rote Armee Ausschwitz einnahm, da dauerte es fast noch drei weitere Monate bis am 21. April 1945 das Außenlager Berlin-Lichterfelde von der SS endgültig aufgegeben wurde. Die Häftlinge waren vorher ins Stammlager Sachsenhausen verbracht worden und mussten sich gemeinsam mit den dortigen Leidensgenossen auf die Todesmärsche Richtung Norden begeben.

Die Erinnerung an – und die aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte sind eine notwendige Vorsorge gegen Menschenverachtung, Antisemitismus und schrankenlose Machtgier. Auch 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz beobachten wir ein Widererstarken des Antisemitismus in Deutschland und Berlin. Schlimmer noch, es gibt eine Zunahme antisemitischer Gewalttaten.

Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass die Entstehung dieses Gedenkorts vor allem bürgerschaftlichem Engagement zu verdanken ist und gemeinsam mit Bezirksamt und Bezirksverordnetenversammlung eine lebendige Erinnerungskultur insbesondere durch die Mitglieder der Initiative KZ-Außenlager Lichterfelde e.V. begründet wurde. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken und wünsche auch in der Zukunft gutes Gelingen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.