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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa

Gedenkworte des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Ralf Wieland anlässlich des Todes des Berliner Ehrenbürgers Egon Bahr

10.09.2015 11:00, Abgeordnetenhaus

Ein großer Berliner, der eigentlich aus Thüringen stammte, ist von uns gegangen. Am 19. August starb der Berliner Ehrenbürger Egon Bahr im Alter von 93 Jahren. Wo stünde Berlin, wo stünde Deutschland und wo stünde Europa ohne diesen Sicherheitspolitiker, der die Macht und den Geist so virtuos und zielgerichtet für den Frieden in Europa einsetzte? Die von ihm konzipierte neue Deutschland- und Ostpolitik bildete seit den sechziger Jahren die Basis für die Entspannungspolitik in Europa. Schlussendlich hat seine Politik des „Wandels durch Annäherung“ dazu geführt, dass auch die Berliner Mauer durchlässiger wurde. Das war eine Voraussetzung für die friedliche Revolution im November1989. Deutschland konnte sich wieder friedlich vereinigen. Ursprünglich wollte Egon Bahr Musiker werden. Doch nach dem Krieg wurde er Journalist. Bekannt wurde Bahr als Chefkommentator beim RIAS Berlin von 1950 bis 1960. Der Regierende Bürgermeister Willy Brandt wurde auf ihn aufmerksam und machte ihn 1960 zu seinem Senatssprecher.  Der Bau der Mauer 1961 war der Auslöser für eine lebenslange Freundschaft zwischen Willy Brandt und Egon Bahr. Aber der Bau der Mauer war ebenso der Auslöser für Gedanken über eine neue Ostpolitik, die den Kalten Krieg überwinden sollte. Grenzen sollten zunächst akzeptiert werden, um sie später abschaffen  zu können. Willy Brandt und Egon Bahr verfolgten diese neue Ostpolitik nicht nur in Berlin, sondern später auch auf der Ebene der Bundesregierung. Zunächst im Außenministerium von 1966 bis 1969, dann im Bundeskanzleramt seit 1969.  Als Staatssekretär im Bundeskanzleramt führte Bahr Verhandlungen über einen Gewaltverzichtsvertrag mit der UDSSR, die als Grundlage für den 1970 abgeschlossenen „Moskauer Vertrag“ dienten. Als Willy Brandt 1974 als Bundeskanzler zurücktrat, da hatte Egon Bahr bereits ganze Arbeit geleistet und die neue Ostpolitik vertraglich fixiert: das Viermächteabkommen über Berlin, der Grundlagenvertrag mit der DDR, die Ostverträge mit Polen und der Tschechoslowakei waren unter Dach und Fach. Nun konnte konkret mit der DDR über Verbesserungen im deutsch-deutschen Verhältnis gesprochen werden, um die absurde Situation der deutschen Teilung für die Menschen beiderseits der Grenze abzumildern. Die politische Arbeit Egon Bahrs wird dauerhaft mit Berlin verbunden bleiben. Bis zuletzt ist er zu uns ins Abgeordnetenhaus gekommen, um über die Ostpolitik im geteilten Deutschland zu referieren. Und auch sein persönliches Verhältnis zu Willy Brandt sprach er gerne immer wieder an. Egon Bahr wird für uns in Berlin unvergesslich bleiben. Unsere Anteilnahme gilt seiner Ehefrau und den erwachsenen Kindern.