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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa

Grußwort der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin Cornelia Seibeld anlässlich der Tagung der Kommandeure des Territorialen Führungskommandos der Bundewehr

05.12.2023 14:00, Abgeordnetenhaus, Raum 304

Haben Sie bereits den Film „Napoleon“ von Ridley Scott im Kino gesehen? Ich will diesen Film in seinem künstlerischen Wert gar nicht beurteilen. Das überlasse ich gerne jedem Zuschauer. Aus historischer, politischer und militärischer Sicht lohnt eine Beschäftigung mit Napoleon immer.

Ein Mann eint ein durch große Umwälzungen und Verwerfungen durchgeschütteltes Land. Er errichtet eine autoritäre Herrschaft, die ganz auf seine Person zugeschnitten ist. Er hat imperiale Ambitionen und strebt die Hegemonie über Europa an. Er bricht skrupellos internationale Verträge. Er führt Krieg zur Erreichung seiner Ziele. Die Parallelen zu Wladimir Putin sind wahrlich nicht an den Haaren herbeigezogen. Interessant ist dabei nicht nur das Agieren des Aggressors. Die Unvermeidlichkeit der Ausweitung des Krieges auf ständig neue Gebiete und Gegner, weil nur das die bisherigen Gewinne absichert. Noch mehr sollte uns interessieren, wie seine Gegner auf ihn reagiert haben.

Bevor Sie heute das Abgeordnetenhaus betreten haben, sind Sie an zwei Denkmälern vorbei gekommen. Rechts das Denkmal Karl August von Hardenbergs und links das Denkmal des Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein. Das sind die beiden zentralen Protagonisten der „Zeitenwende“ in Preußen nach den militärischen Niederlagen in Jena und Auerstädt. Beide haben nicht nur Konzepte zur Modernisierung von Staat und Gesellschaft entwickelt, sie haben als Leitende Minister auch die Verantwortung zu deren Durchsetzung übernommen. Dabei waren sie von der Aufklärung geprägt und ihre Reformen drängten den Paternalismus des Monarchen und des Adels zugunsten einer rationalen Verwaltung und effizienten Erhebung der Steuern nach Leistungsfähigkeit zurück. Auch die Emanzipation der Juden sowie die Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung mit gewählten Räten geht auf sie zurück.

Beide hatten als zentrales Ziel die Eigenständigkeit Preußens und insbesondere die Unabhängigkeit von napoleonischen Vorgaben. Hardenberg war mit dem Entfachen des deutschen Nationalgefühls etwas vorsichtiger, Stein befürwortete stärker eine nationalstaatliche Mission Preußens. Diese politischen Reformer hatten das große Glück, ihrerseits mit Scharnhorst, Gneisenau und Clausewitz kongeniale militärische Vordenker und handelnde Reformer an ihrer Seite zu haben. Seine Begegnung mit Napoleon und dessen Argumentation 1806 nach der preußischen Niederlage hat Clausewitz wie folgt zusammen gefasst:

„Der Eroberer ist immer friedliebend, er zöge ganz gerne ruhig in unseren Staat ein.“ Wer denkt da nicht sofort an die Rechtfertigung für den Überfall auf die Ukraine. Jeder Krieg ist nach Clausewitz ein Akt der Gewalt mit dem Zweck, den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen. Der Zweck des Krieges, sprich der zu erfüllende Wille, wird dabei von der Politik bestimmt. Das Ziel ist somit, zur Erfüllung des Zwecks den Gegner wehrlos zu machen. Dabei kann man sich verschiedenster Mittel sowohl militärischer wie nichtmilitärischer Art bedienen. Daraus ergibt sich die Bedeutung des bekanntesten Zitates von Clausewitz:

„Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“

Das ist eine fundamentale Erkenntnis, die Sie alle gewiss nicht zum ersten Mal hören. Und doch ist diese Erkenntnis rund dreißig Jahre lang verdrängt worden. Das vermeintliche „Ende der Geschichte“ und mit ihm das der kriegerischen Auseinandersetzungen war einfach zu verlockend. Und selbst als mit der Besetzung der Krim und Teilen des Donbass alle Elemente der Putin´schen Politik zur Erreichung seiner Ziele offenbar wurden, hat die deutsche Politik, hat die deutsche Öffentlichkeit überwiegend die Einsicht in die Analyse von Clausewitz verweigert.

Ihre Aufgabe als Territoriales Führungskommando ist der Heimatschutz, die Amtshilfe im Katastrophen- und Pandemiefall sowie die Unterstützung alliierter und befreundeter Streitkräfte insbesondere in der Marschbewegung zur Ostflanke der NATO. Darin erschöpft sich ihre Aufgabe nicht. Da es das Ziel der demokratisch und rechtsstaatlich legitimierten Führung dieser Republik ist, die Unabhängigkeit und die Souveränität Deutschlands sowie die Unverletzlichkeit des Bündnisterritoriums zu bewahren, hat die Bundeswehr den Zweck der Abschreckung zu erfüllen und das Funktionieren der dafür notwendigen militärischen Mittel zu gewährleisten. Und wenn diese militärischen Mittel nach Ihrer Fachexpertise nicht ausreichen, das politische Ziel zu erreichen, dann sind Sie genau an der Schnittstelle zu den politischen Verantwortungsträgern in unserem föderalen Staatswesen, um auf die notwendigen Mittel zur Zielerreichung hinzuweisen und nicht einfach nur den Mangel zu verwalten.

Insofern war es mehr als beachtenswert, als am 24. Februar 2022, der Inspekteur des Deutschen Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, öffentlich konstatierte: „Die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da. Die Optionen, die wir der Politik zur Unterstützung des Bündnisses anbieten können, sind extrem limitiert.“ Mittlerweile hat sich als Konsequenz aus dieser Erkenntnis der Verteidigungsminister dazu bekannt, dass wir als Staat, Gesellschaft und Wirtschaft „kriegstüchtig“ werden müssen. Ich wünsche Ihnen allen bei der Gestaltung Ihres Beitrags zu diesem Ziel viel Erfolg und der Tagung einen guten Verlauf. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.