Grußwort der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Cornelia Seibeld, zum Neujahrsfest Rosch Haschana
30.09.2024 18:30, Jüdischer Campus, Westfälische Straße 15, 10709 Berlin
Ich freue mich sehr, mit Ihnen gemeinsam das jüdische Neujahrsfest zu feiern und im Namen des Berliner Abgeordnetenhauses die besten Grüße zu überbringen. Rosch Haschana markiert den Tag, an dem der Mensch geschaffen wurde. Das Neujahrsfest bietet uns einen Anlass zur Besinnung, zur Reflektion und zur kritischen Selbstprüfung. Welche Werte haben wir in diesem Jahr gelebt? Welche Erlebnisse sind uns in Erinnerung geblieben? Was haben wir für unsere Mitmenschen getan?
Das vergangene Jahr ist seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober vor allem in Nahost geprägt von Terror und Schrecken. Immer noch bangen die Angehörigen um das Schicksal eines Teils der Menschen, die während des Angriffs der Hamas auf Israel entführt wurden. Der Nahost-Konflikt hat sich mittlerweile auf den Libanon ausgeweitet. Zehntausende Menschen sind auf der Flucht und es droht ein umfassender Krieg. Durch den Terror von Hamas und Hisbollah hat sich auch das Zusammenleben in Deutschland und speziell in Berlin verändert. Auf der einen Seite gibt es viele Solidaritätsbekundungen, Zuspruch und konkrete Unterstützung für Jüdinnen und Juden sowie humanitäre Hilfe für die Opfer des Konflikts. Auf der anderen Seite strahlt der Nahost-Konflikt auf die Universitäten, die Kulturszene und die Straßen der Hauptstadt ab.
Allein im ersten Halbjahr 2024 wurden 1570 Straftaten verzeichnet, die in Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt stehen. 370 Verfahren gegen antisemitische Taten, 66 mehr als im Vorjahr, wurden registriert. Die Angriffe auf Jüdinnen und Juden haben enorm zugenommen. Der Antisemitismus in Berlin hat eine neue Dimension erreicht. Sogar die Grenze des privaten und familiären Umfelds wird überschritten.
Der jüngste Angriff auf das Wohnhaus von Kultursenator Joe Chialo zeigt, dass ein Teil der Berliner Kulturszene ein massives Antisemitismusproblem hat. Natürlich darf man in einer Demokratie gegenüber der israelischen Regierungspolitik kritisch sein. Aber worüber auch immer gestritten wird: Gewalt darf nicht das Mittel der Auseinandersetzung sein. Wer Gewalt rechtfertigt, bewegt sich außerhalb des demokratischen Spektrums.
Das Berliner Abgeordnetenhaus hat es in einer Entschließung im Oktober 2023 sehr deutlich gemacht: Berlin steht an der Seite Israels. Ich zitiere: „Die Sicherheit des Staates Israels ist für uns Verpflichtung und deutsche Staatsräson. Wir sind unseren Partnern und Freunden in Israel nicht nur historisch, sondern auch in einer demokratischen Wertegemeinschaft eng verbunden.“
Und weiter: „Berlin lehnt jede Form von Menschenfeindlichkeit, verfassungsfeindliche Bestrebungen und Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ab. Berlin steht für Freiheit, Vielfalt, Menschenrechte und Toleranz. Wir lassen es nicht zu, dass diese Grundwerte missbraucht werden. Berlin bleibt die Stadt des friedlichen Miteinanders.“ Wir müssen zusammenhalten, standhaft bleiben und dürfen uns von islamistischen Extremisten nicht einschüchtern lassen, sehr geehrte Damen und Herren.
Ich sage es ganz deutlich: Wir weichen nicht vor den Feinden der Demokratie zurück! Rosch Haschana ist nicht nur der Blick zurück auf das vergangene Jahr. Es ist der Anfang des jüdischen Jahres – eine Chance zum Neuanfang. Verbunden mit der Vorfreude auf das neue Jahr stellen sich auch Fragen: Was können wir persönlich tun, um insgesamt dazu beizutragen, die Lage im nächsten Jahre zu verbessern? Was sind unsere Ziele und Wünsche für das kommende Jahr?
Ich bin sehr dankbar für den regelmäßigen Austausch und die vielen Berührungspunkte mit ihrer Gemeinde. Die jüdische Kultur und das jüdische Leben sind in Berlin tief verwurzelt und haben die vergangenen Jahrhunderte in Berlin geprägt. Als Abgeordnetenhaus werden wir weiter daran arbeiten, die jüdische Kultur und das jüdische Leben in Berlin dauerhaft sichtbar zu machen.
Unser Auftrag als Landesparlament ist es auch, Brücken zu bauen und den Dialog zu fördern. Für das kommende Jahr wünsche ich mir mehr Verständnis füreinander und eine Auseinandersetzung ausschließlich auf Basis unser demokratischen Grundwerte. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass Berlin eine Stadt des friedlichen Miteinanders bleibt.
Ich wünsche Ihnen ein süßes Neues Jahr und im Namen des Berliner Abgeordnetenhauses: Schana towa!