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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa
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Grußwort der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Cornelia Seibeld, zum Queerpolitischen Frühstück

08.07.2025 08:30, Abgeordnetenhaus, Casino

Berlin ist bunt, Berlin ist vielfältig, Berlin ist laut. Berlin kann manchmal auch hartnäckig und unbequem sein. Passend dazu lautet auch der Leitsatz des diesjährigen Berliner CSD: „Wir hören nicht auf, bis alle gehört werden!“. Er reiht sich ein in das bundesweite Motto „Nie wieder still!“, unter dem wieder zahlreiche Veranstaltungen und Kundgebungen stattfinden. Erst vor wenigen Tagen wurde hier in unserer Stadt der Pride Month eröffnet. Seinen Höhepunkt erreicht er in den Demonstrationen zum Christopher Street Day mit einer Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor. Bereits zum vierten Mal positioniert sich unsere Stadt einen Monat lang stark und sichtbar für die Rechte der queeren Community in Berlin. Die Treffen, Workshops und Panels bieten Raum für Austausch, Vernetzung und neue Impulse.

Wir erleben derzeit mit Sorge, dass in einigen Teilen Europas – und auch darüber hinaus – die Rechte queerer Menschen zunehmend in Frage gestellt werden. Das zeigt sich nicht nur in gewalttätigen Angriffen auf die Community. Es zeigt sich auch in politischen Entscheidungen, die klar queerfeindlich sind. Ein Beispiel: In Ungarn versuchte die Regierung unter Viktor Orban, die diesjährigen Prideparaden in Budapest zu verbieten.

Aber die queere Community hat sich lautstark gewehrt – mit friedlichen Protesten, mit Haltung, mit Kraft. Und sie wurde gehört. Zahlreiche Abgeordnete zeigten sich solidarisch und standen an der Seite der Community. Für eine Hauptstadt wie Budapest, die 1997 als eine der ersten in Mittel- und Osteuropa eine Prideparade veranstaltete, wäre ein anderes Ergebnis auch kaum vorstellbar gewesen. Dieses Beispiel zeigt auf erschreckende Weise, wie gefährlich die aktuellen Entwicklungen für Schwule, Lesben, Transsexuelle und Transgender, Inter- und Bisexuelle sind. Es verdeutlicht, wie schnell Fortschritt wieder zurückgedreht werden kann und warum der friedliche und laute Protest unverzichtbar ist.

Auch hier zeigt sich, dass unsere Werte wie Freiheit, Demokratie, Rechtsstatt, Toleranz nicht selbstverständlich sind. Nicht in Berlin, nicht in Deutschland oder Europa. Sie müssen immer wieder verteidigt werden. Berlin darf dabei nicht schweigen. Unsere Stadt muss Haltung zeigen. Wir als Gesellschaft dürfen den extremistischen Kräften nicht das Feld überlassen, wenn sie mit allen Mitteln versuchen, die queere Community verstummen zu lassen.

Der Berliner CSD ist deshalb unerlässlich, wenn es darum geht, für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt Flagge zu zeigen. Er steht für Freude, Widerstand und Sichtbarkeit. Als Abgeordnetenhaus von Berlin stehen wir fest an Ihrer Seite. Hass, Diskriminierung und Gewalt haben hier keinen Platz. Wie kann queeres Leben in Berlin geschützt werden? Und wie können Zivilgesellschaft und Politik dahingehend noch besser zusammenarbeiten? Ich bin sehr froh, dass wir mit unserem heutigen Format diese und weitere Fragen diskutieren werden. Queeren Menschen hier im Landesparlament – dem zentralen Ort der Berliner Demokratie – Raum für Austausch zu geben, hat natürlich einen großen symbolischen Wert. Doch es geht ausdrücklich nicht um bloße Symbolik. Es geht um konkrete Veränderung. Wir wollen deutlich machen: Wir nehmen die Anliegen von Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten ernst.

Vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen müssen wir als Gesellschaft bestimmte Themen immer wieder hinterfragen. Dabei sind wir uns nicht immer einig – weder zwischen Politik und Zivilgesellschaft, noch wir Abgeordnete hier im Parlament untereinander. Aber genau das macht eine lebendige Demokratie aus: Konflikt, Debatte, Abwägung – und am Ende auch Konsens. Als Präsidentin ist es meine Aufgabe, Brücken zu bauen und den Dialog zu fördern. Für ein friedliches Miteinander brauchen wir schließlich gemeinsame Lösungen. Und die entstehen nur im Gespräch – im ehrlichen und offenen Austausch.

Ich danke Ihnen allen, dass Sie die heutige Gelegenheit dafür nutzen. Und ich freue mich auf die Diskussion mit meinen Kolleginnen und Kollegen – den queerpolitischen Sprecherinnen und Sprechern aus dem Abgeordnetenhaus – sowie mit Herrn Marcel Voges vom CSD e. V. Vielen Dank!