Grußwort der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Cornelia Seibeld, zur Fachkonferenz Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin
12.09.2025 12:30, Abgeordnetenhaus, Festsaal
Inzwischen können wir schon von einer Tradition sprechen. Umso mehr freue ich mich, dass die Fachtagung des Bündnisses für ein weltoffenes und tolerantes Berlin auch in diesem Jahr wieder im Abgeordnetenhaus stattfindet. Zunächst möchte ich mich bei Ihnen bedanken – für Ihr anhaltendes Engagement und das entschlossene Eintreten gegen Antisemitismus, Rassismus und jede Form von Diskriminierung. Damit zeigen Sie eine klare Haltung. Ihr Einsatz ist alles andere als selbstverständlich. Wir erleben derzeit verstärkt, wie gesellschaftliche Spannungen zunehmen und demokratische Grundwerte unter massiven Druck geraten. Das gilt weltweit – aber eben auch für Berlin. Das Zusammenleben in unserer Stadt steht spürbar stärker unter Druck. Der gesellschaftliche Zusammenhalt wird immer wieder auf die Probe gestellt.
Besonders deutlich sieht man das an den Auswirkungen des Nahostkonflikts – er spiegelt sich längst auch auf den Straßen Berlins wider: in Demonstrationen, in Anfeindungen und leider auch in Gewalt. Diese Spannungen machen nicht an den Straßen halt, sondern setzen sich auch im Netz fort. In sozialen Medien erleben wir eine zunehmende Verrohung der Debatte, Polarisierung und gezielte Desinformation. Der Nahostkonflikt wird auch dort oft in zugespitzter, emotional aufgeladener Weise ausgetragen – nicht selten verbunden mit antisemitischen oder rassistischen Narrativen. Auch hier zeigt sich: Unsere Demokratie wird herausgefordert – online wie offline. Die Demokratie zu verteidigen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Jede Berlinerin und jeder Berliner ist gefordert, Verantwortung zu übernehmen und die eigene Stimme einzubringen.
Dabei kommt es nicht auf das an, was uns unterscheidet – welche kulturellen Hintergründe, sozialen Erfahrungen wir mitbringen oder welcher Generation wir angehören. Entscheidend ist vielmehr, was uns verbindet: das gemeinsame Ziel eines friedlichen und respektvollen Miteinanders. Demokratie darf deshalb keine abstrakte Theorie bleiben, sondern muss lebendig und erfahrbar sein. Dafür brauchen wir persönliche Orte der Begegnung ebenso wie digitale Räume für den Austausch. Wir brauchen Medien, die kritisch und unabhängig berichten. Und wir müssen auf junge Menschen zugehen, damit sie erfahren, dass ihre Stimme Gewicht hat. Denn demokratische Teilhabe beginnt nicht erst mit dem Wahlrecht, sondern bereits im Klassenzimmer.
Für die heutige Veranstaltung sind zahlreiche Akteure aus der Zivilgesellschaft anwesend: aus Vereinen, Initiativen, der Verwaltung und den Kirchen. Sie alle eint, dass Sie sich tagtäglich mit den Themen Rassismus, Diskriminierung und Rechtsextremismus auseinandersetzen. Sie haben erkannt, dass eine gerechte, tolerante und offene Gesellschaft der Schlüssel für eine starke und wehrhafte Demokratie ist. Die Vielfalt unserer Gesellschaft ist dabei eine Bereicherung und Chance. Denn sie bietet uns neue Perspektiven und erinnert uns daran, dass eine lebendige Demokratie vom Mitmachen, vom Respekt und von der Anerkennung unterschiedlicher Lebensrealitäten lebt. Zusammenhalt wächst nicht von selbst. Er verlangt Einsatz von allen Seiten: Mut, Vertrauen und die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen. Gerade in einer vielfältigen Stadt wie Berlin ist das kein Selbstläufer – aber eine Aufgabe, der wir uns gemeinsam stellen können.
Ihr Programm für die Fachtagung zeigt eindrücklich, dass heute Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven, Erfahrungen und fachlichen Hintergründen zusammenkommen – aus der Praxis, aus der Wissenschaft, aus Politik und Zivilgesellschaft. Das ist nicht nur Ausdruck von Engagement, sondern auch ein Zeichen lebendiger demokratischer Auseinandersetzung. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass Berlin eine weltoffene und tolerante Stadt bleibt.
Ich wünsche Ihnen spannende Gespräche, neue Impulse und vor allem Freude an der gemeinsamen Diskussion. Vielen Dank