1. zur Suche
  2. zur Hauptnavigation
  3. zum Inhalt
  4. zum Bereichsmenü
Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa
Nach unten

Grußwort der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Cornelia Seibeld, zur Kooperationsveranstaltung mit der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen e.V.

25.11.2025 10:15, Abgeordnetenhaus, Festsaal

Heute weht die Anti-Gewalt-Flagge als sichtbares Zeichen vor dem Abgeordnetenhaus von Berlin. Und doch ist sie nur ein kleiner Ausdruck dessen, was uns heute hierherführt. Denn Gewalt gegen Frauen ist eine der häufigsten Verletzungen der Menschenrechte in unserer Zeit.

Sie betrifft Frauen aller Altersgruppen, aller Lebensrealitäten und aller Herkunft. Häufig sehen Frauen sich sogar in ihren intimsten Lebensräumen mit Gewalt konfrontiert – viel zu oft im engsten Kreis, in ihren eigenen vier Wänden. Also genau dort, wo Frauen eigentlich Schutz erwarten.

Das macht diese Vorfälle aber keineswegs zu einer privaten Angelegenheit. Denn die Taten passieren ebenfalls im öffentlichen Raum: auf unseren Straßen, Wegen und Plätzen – mitten in Berlin.

Jede Frau, die Gewalt erlebt, verliert mehr als ihre Sicherheit. Sie verliert Vertrauen: in Partnerschaften, in Institutionen, manchmal in die Welt. Jeder überhörte Hilferuf hinterlässt Spuren, die ein ganzes Leben prägen können.

Die Statistiken für das Jahr 2024 sind erschreckend: Allein in Berlin gab es insgesamt 42.751 Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Darunter häusliche und sexualisierte Gewalt, schwere Körperverletzung, Menschenhandel und sogar Mord. Wir erleben also ein weiterhin hohes Maß an Gewalt gegen Frauen – mit steigender Tendenz.

Besonders deutlich ist der Anstieg bei Sexualdelikten: Im Jahr 2024 gab es 4.661 weibliche Opfer. Die Berliner Polizei kommt in ihrer Polizeilichen Kriminalstatistik sogar zu dem Ergebnis, dass die Gefährdung von unter 21-Jährigen deutlich über der Gefährdung von Erwachsenen liegt.

Stellen Sie sich das einmal vor: Ihre Tochter, Nichte oder Enkeltochter würde Opfer eines solchen Delikts! Junge, heranwachsende Mädchen und Frauen, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben und sich womöglich nie wieder vollständig von den Folgen erholen können. Das macht mich zutiefst betroffen.

Es ist nicht nur Sache der Polizei und der Justiz, diese furchtbaren Straftaten aufzuklären und für Gerechtigkeit in unserer Stadt zu sorgen. Als Gesellschaft tragen wir ebenfalls große Verantwortung – wir sind verpflichtet, diese Frauen nicht im Stich zu lassen.

Ich nehme hier die Politik keinesfalls außen vor: Frauenrechte sind Menschenrechte. Ihre Verletzung betrifft sowohl die körperliche Unversehrtheit als auch die Freiheit und Würde.  Deshalb ist ihr Schutz Aufgabe des gesamten demokratischen Gemeinwesens und sie ist politisch relevant.

Es gibt keine einfache Lösung, um Gewalt gegen Frauen zu beenden. Wie so häufig ist es ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Strafverfolgung, Prävention und Opferschutz müssen Hand in Hand gehen.

Anfang dieses Jahres hat der Bundestag das sogenannte Gewalthilfegesetz verabschiedet. Ziel ist es, ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt zu errichten und zu finanzieren. Das ist ein klares Bekenntnis zur Istanbul-Konvention sowie zur Umsetzung der EU-Richtlinie für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Das Gewalthilfegesetz verankert unsere staatliche und gesetzliche Verantwortung, Frauen und Kindern vor Gewalt zu schützen.

Erstmals wird sichergestellt, dass von Gewalt betroffene Frauen ab dem 1. Januar 2032 einen individuellen und kostenfreien Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung haben. Hier sind auch die Länder gefragt: Der Rechtsanspruch greift erst 2032, um den Ländern ausreichend Zeit für den Ausbau der entsprechenden Hilfesysteme zu geben. Der Bund beteiligt sich bis 2036 mit 2,6 Milliarden Euro, damit die notwendigen Strukturen geschaffen werden können.

Dazu gehören zukünftige Bestandsanalysen und Entwicklungsplanungen, um zum Beispiel den Bedarf an entsprechenden Schutzplätzen zu ermitteln. Oder die verbindliche Einführung von Mindeststandards für alle Hilfseinrichtungen, damit Frauen direkt die bestmögliche Unterstützung bekommen.

Persönlich begrüße ich dieses Gesetz sehr, markiert es doch einen historischen und wichtigen Schritt, damit geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt wirksam bekämpft werden kann. Eines der zentralen Ziele ist es, die bisherige Versorgung im Hilfesystem zu erweitern und einen flächendeckenden sowie niedrigschwelligen Zugang zu Unterstützungsangeboten zu ermöglichen.

Ich möchte an dieser Stelle auch Ihnen, der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin, herzlich für Ihr Engagement danken. Ohne Ihren täglichen und über drei Jahrzehnte kontinuierlichen Einsatz würde es nicht gehen: Sie sind der Kitt zwischen Politik, Wissenschaft, Verwaltung, Medien und Zivilgesellschaft.

Die heutige Veranstaltung steht ganz im Zeichen des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Wir wollen nicht nur mahnen, sondern konkret hinschauen, wo wir in Berlin handeln müssen. Wir wollen Strukturen identifizieren, die Betroffene schwächen statt schützen.

Ein Schwerpunkt liegt daher auf den Umgangsverfahren und Sorgerechtsentscheidungen, wenn es um häusliche Gewalt geht. Die aktuelle Forschung zeigt deutlich, dass Veränderungen nötig sind, um Schutz und Sicherheit auch innerhalb familiengerichtlicher Verfahren konsequent in den Mittelpunkt zu stellen.

Mein Kollege Florian Dörstelmann wird als Ausschussvorsitzender für Inneres, Sicherheit und Ordnung später noch besonders auf die aktuellen Probleme in Berlin und den daraus resultierenden Handlungsbedarf eingehen. Das Ziel: betroffene Frauen und ihre Kinder wirksamer zu schützen und strukturell besser zu unterstützen.

Schließlich ist es unsere politische Verantwortung, Missstände offen anzusprechen und gezielt zu beheben.

Vielen Dank!