Grußwort der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Cornelia Seibeld, zur Übergabe des MANEO-Jahresreports und "KISS Kiss Berlin-Regenbogenkuchen"
05.05.2025 11:30, Abgeordnetenhaus, Foyer
Ich freue mich sehr, dass wir heute wieder gemeinsam mit Maneo die Regenbogentorte anschneiden und damit die queere Community Berlins auch hier im Landesparlament sichtbar machen können. Wir hören oft, dass unsere Stadt bunt, tolerant und vielfältig ist. Und ja: In Berlin hat man die Freiheit, so zu sein wie man ist. Als queere Person muss man sich hier nicht verstecken. Da sollte es auch selbstverständlich sein, dass niemand Angst vor Übergriffen haben muss. Schauen wir uns die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik in Berlin aus dem Jahr 2024 an, zeigt sich leider eine andere Realität. Sie ist düster und längst nicht so bunt und offen, wie wir es uns wünschen.
Im Zusammenhang mit queerfeindlicher Kriminalität wurden im Jahr 2024 579 Fälle in Berlin registriert. Das entspricht zwar einem Rückgang von 16,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, ist aber noch lange kein Grund zum Feiern. Es ist anzunehmen, dass die Dunkelziffer in diesem Bereich weiterhin bedrohlich hoch ist. Grundsätzlich gilt: Jeder Vorfall, jedes hasserfüllte Wort, jeder verletzende Kommentar im Netz und jeder gewalttätige Übergriff ist einer zu viel! Schließlich sprechen wir hier nicht über bloße Zahlen, sondern über Menschen. Über Menschen mit ganz eigenen Geschichten, die – wie alle anderen auch – einen friedlichen Alltag leben möchten. Wenn ich auf diese Zahlen blicke oder von Vorfällen lese, stelle ich mir immer wieder die Fragen: Was für eine Gesellschaft wollen wir sein? Wofür wollen wir als Stadt stehen?
Besonders betroffen macht mich ein Vorfall, der sich im Sommer vergangenen Jahres im Volkspark Friedrichshain ereignet hat. Zwei Männer sitzen auf einer Wiese und küssen sich, als sich ihnen plötzlich drei weitere Männer nähern. Diese fordern sie auf, ihre Zuneigung zu unterlassen und den Park zu verlassen. Zeugenaussagen zufolge schlugen und traten die Männer anschließend auf das sitzende schwule Paar ein und versuchten, sie gewaltsam vom Ort zu vertreiben. Glücklicherweise gelang es dem Paar, sich aus der Situation zu befreien und bei einer nahe gelegenen Personengruppe Zuflucht zu finden.
Mit großer Sorge beobachte ich auch, dass in einigen Teilen Europas und darüber hinaus die Rechte queerer Menschen zunehmend eingeschränkt werden - und damit die strukturelle Benachteiligung der queeren Community bewusst in Kauf genommen wird. Ich möchte, dass Berlin in Zukunft weiterhin für Toleranz und Vielfalt steht. Als Landesparlament sehe ich uns in der Verantwortung, Haltung zu zeigen. Hier soll niemand auf offener Straße Angst vor Gewalt haben müssen.
Alle Menschen, also auch Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen sollen einen Alltag ohne Ausgrenzung und Diskriminierung führen können. Eine kontinuierliche Präventionsarbeit ist daher essenziell. Maneo leistet mit seinem vielschichtigen Angebot einen wichtigen Beitrag für unsere Stadtgesellschaft. Dafür möchte ich an dieser Stelle – auch im Namen des Abgeordnetenhauses – meinen herzlichen Dank aussprechen. Ob als Anlaufstelle für Menschen, die Opfer von Gewalt geworden sind, oder in der Aufklärungsarbeit zu Homophobie und Hassgewalt: Maneo unterstützt Betroffene darin, für sich einzustehen. Damit steht das Projekt für Werte, für die die queere Community lange und hart gekämpft hat.
Viele queere Menschen haben sich – aus Sorge oder aufgrund früherer Erfahrungen – mit dieser Realität arrangiert, indem sie sich in der Öffentlichkeit einschränken, verstellen oder unsichtbar machen. Der Bericht macht aber auch deutlich, dass die kontinuierliche Arbeit von Maneo wirkt. Denn die Bereitschaft, Übergriffe zu melden und zur Anzeige zu bringen, steigt. Wir als Landesparlament stehen allen homo-, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen in Berlin zur Seite.
Für Homophobie und Hassgewalt haben wir in unserer Stadt keinen Platz. Genau das müssen wir immer wieder klar und unmissverständlich deutlich machen. Dabei nehme ich auch die Politik – und ganz konkret uns Abgeordnete – in die Pflicht. Toleranz ist ein hohes Gut, das wir als gewählte Volksvertreterinnen und Volksvertreter für alle Menschen dieser Stadt aktiv vorleben sollten. Schließlich ist es unsere Aufgabe, Berlin so zu gestalten, dass unsere Straßen für alle sicher sind.
Lieber Herr Finke, dafür ist es auch wichtig, dass Sie uns mit dem Maneo-Bericht jedes Jahr aufs Neue die Augen öffnen und auf Missstände hinweisen. Und genauso unverzichtbar ist der gemeinsame Anschnitt der Regenbogentorte hier im Landesparlament – als Zeichen der Sichtbarkeit und Solidarität mit der queeren Community. Vielen Dank.