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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa

Grußwort des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Dennis Buchner zum Neujahrsfest Rosch Haschana

21.09.2022 19:00, Jüdische Gemeinde, Münstersche Straße 6, 10709 Berlin

Ich möchte mich recht herzlich bei Ihnen, Rabbiner Teichtal, für die Einladung bedanken. Es ist mir eine große Ehre und wirkliche Freude, heute Abend bei Ihnen sein zu dürfen und die Grüße des gesamten Berliner Abgeordnetenhauses zum jüdischen Neujahrsfest Rosch Haschana zu überbringen.

An Rosch Haschana beginnen die „Tage der Ehrfurcht“. Sie bieten Anlass, den Blick zurück in die vergangene Zeit zu werfen, aber auch auf die Vorzeichen des neuen Jahres zu schauen. Es ist daher eine gute Gelegenheit, dass auch wir uns mit unseren Zielen und Wünschen für das kommende Jahr beschäftigen und uns rückblickend fragen, was gut und was weniger gut war.

Blicken wir auf die vergangenen Monate, dann hat wohl kaum ein anderes Ereignis unsere Leben so geprägt wie der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.

Unser Bundeskanzler Olaf Scholz spricht zurecht von einer Zeitenwende. Eine lang anhaltende Zeit des Friedens in Europa ist zu Ende gegangen.

Die Auswirkungen des Kriegs sind auch bei uns in Deutschland mittlerweile deutlich spürbar. Doch viel bedrückender: Unzählige Menschen sind diesem sinnlosen Krieg bereits zum Opfer gefallen, täglich werden es mehr. Es wurden und werden ungeheuerliche Verbrechen gegen Zivilistinnen und Zivilisten begangen wie wir zuletzt in Isjum sehen mussten. Viele Menschen aus der Ukraine mussten ihre Heimat verlassen und haben weit von ihrem zuhause entfernt Zuflucht gesucht - auch bei uns in Berlin.

Ihre Gemeinde hat hier ein großes Herz gezeigt. Sie haben von Beginn an vielen jüdischen Flüchtlingen - gerade Kindern - geholfen und die Menschen in ihrer Not nicht allein gelassen. Zum Anfang des Krieges haben Sie beispielsweise die kurzfristige Unterbringung von mehr als 100 Kindern aus einem Kinderheim organisiert. Erst kürzlich haben Sie den Erweiterungsbau des Kindergartens „Gan Israel“ für geflüchtete Kinder eröffnet. Und viele von Ihnen haben Geflüchtete auch zu Hause aufgenommen.

Diese Solidarität ist ein Hoffnungsschimmer, der mich auch in diesen schweren Zeiten nach vorne schauen lässt. Ich bin dankbar für dieses außergewöhnliche Engagement, dass Sie und viele andere Berlinerinnen und Berliner geleistet haben.

Es macht deutlich: Wir in Berlin halten zusammen und stehen auch in der Not füreinander ein - über die Grenzen von Staaten, Kultur und Religion hinweg.

Diese Solidarität aus der Bevölkerung wünsche ich mir jedoch auch noch verstärkt in Bezug auf die immer wieder auftretenden antisemitischen Vorfälle in unserer Stadt. Wir müssen klar benennen, dass wir in Berlin ein Antisemitismus-Problem haben. Das verdeutlichen nicht nur die steigenden Zahlen judenfeindlicher Vorfälle, die beispielsweise durch die Daten der RIAS dokumentiert werden, sondern zeigen leider auch die Vorfälle der vergangenen Wochen. So wurde erst kürzlich etwa der Potsdamer Rabbiner Kirzon beleidigt und angerempelt, kurz darauf wurde ein junger Mann jüdischen Glaubens in der S-Bahn beschimpft und geschlagen. Dieser Hass ist mir unbegreiflich, er macht mich gleichermaßen fassungslos wie wütend! Judenfeindlichkeit greift immer auch uns als freie Gesellschaft an. Das dürfen wir nicht dulden.

Es muss daher noch selbstverständlicher werden, dass sich Mitmenschen solidarisieren, das Wort erheben, dazwischen gehen und aktiv gegen jede Form des Antisemitismus einstehen. Nicht zuletzt ist es aber auch der Auftrag unseres Parlaments, alles dafür zu tun, den Antisemitismus in unserer Stadt wirksam zu bekämpfen.

Als Präsident des Abgeordnetenhauses kann ich Ihnen versichern: Wir wollen sichtbares jüdisches Leben in der Stadt. Und wir wollen, dass Sie dieses Leben in Sicherheit und ohne Angst vor Angriffen führen können.

In Berlin sind wir stolz auf die Vielfalt in unserer Stadt. Und in der Tat: Wer mit offenen Augen durch Berlin spaziert, sieht Synagogen, jüdische Sportvereine, Kindergärten, Schulen und Friedhöfe, koschere Cafés oder Restaurants. Weitaus mehr als in den anderen Städten des Landes. Ich bin froh, dass sich dieses aktive und selbstbewusste jüdische Leben nach all den Schrecken der Vergangenheit wieder in unserer Stadt etabliert hat.

Dennoch wissen viele nichtjüdische Berlinerinnen und Berliner nur wenig über das Judentum.

Im Abgeordnetenhaus versuchen wir daher nicht nur einen Beitrag gegen das Vergessen zu leisten, sondern auch Wissen zur jüdischen Kultur und zum jüdischen Leben im heutigen Berlin zu vermitteln. Immer wieder zeigen wir daher in der Wandelhalle des Abgeordnetenhauses - direkt vor dem Plenarsaal als der Herzkammer der Berliner Demokratie - Ausstellungen, die sich mit dem jüdischen Leben in Deutschland auseinandersetzen.

In diesem Jahr rückte die Ausstellung „WIR! SIND! HIER!“ Überlebende des Nationalsozialismus und ihre Nachfahren in den Fokus. Kurz darauf unterstrich die Ausstellung „Shared History“, dass die jüdische und die deutsche Geschichte seit vielen Jahrhunderten eng verwoben sind. Und ab November blicken wir in die Zukunft und werden die Pläne zum Wiederaufbau der Synagoge am Fraenkelufer in unserem Haus ausstellen.

Auch die Verleihung der Obermayer Awards in unserem Hause fördert die Verständigung für das jüdische Leben und die jüdische Kultur. Genau in diesem Moment tagt die Jury der Obermayer Awards und wählt die Preisträgerinnen und Preisträger für das kommende Jahr aus.

Ich freue mich, auch im nächsten Januar wieder Auszeichnungen für herausragendes Engagement zur Bewahrung jüdischer Geschichte und zur Bekämpfung von Vorurteilen in der heutigen Zeit im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses vornehmen zu können.

Ich selbst bin zudem sehr dankbar, dass ich in meiner Amtszeit schon vielfältige Berührungspunkte mit Ihrer Gemeinde hatte, lieber Rabbiner Teichtal. Einer meiner ersten offiziellen Termine als Parlamentspräsident war der Besuch des Jüdischen Campus, zu dem Sie mich so herzlich empfangen haben.

Das war auch ein schöner Termin für den Blick nach vorn, denn ich bin überzeugt, dass der Campus ein Gewinn für unsere Stadt ist. Sie, lieber Rabbiner Teichtal haben uns auch anlässlich des Pessach-Festes die handgemachte Mazze Schemura ins Abgeordnetenhaus überreicht. Sie haben mich immer wieder eingeladen und so konnte ich die jüdische Gemeinde, ihren Alltag, ihre Traditionen und Bräuche kennen und verstehen lernen. Dafür danke ich Ihnen sehr und hoffe, dass wir auch zukünftig auf diesem Wege im Austausch bleiben.

Ich wünsche Ihnen ein süßes Neues Jahr und im Namen des Berliner Abgeordnetenhauses: Schana towa!

Vielen Dank!