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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa

Grußwort des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Dennis Buchner zur Veranstaltung "Die Macht der Sprache im Leben von Mädchen und Frauen"

25.11.2022 10:30, Abgeordnetenhaus, Festsaal

Es ist schockierend, was manche Frauen erleben und sich tagtäglich auf den Straßen auch hier bei uns in Berlin anhören müssen.

Nachts auf dem Weg nach Hause: „Schöne Beine haste, hack ich Dir ab.“; ein Professor im Seminarraum: „Eine von Ihnen in der ersten Reihe riecht nach Periode. Das nächste Mal bitte waschen!“; Standardrepertoire von Männern gegenüber lesbischen Frauen: „Bei euch mach ich mit!“.

Nun, ich bin keine Frau und auch kein Linguist. Da blieb mir also gar nicht viel, als im Vorfeld unserer heutigen Veranstaltung einfach mal zuzuhören. Gut, das ist nun mal auch generell meine Aufgabe als Präsident dieses Parlaments. Im Abgeordnetenhaus vertreten wir die Berliner Bevölkerung und diese ist bekanntermaßen zur Hälfte weiblich. Abwertungen, Sprüche und Erlebnisse wie die eben zitierten, spielen im Leben einer jeden Frau eine Rolle. Auch das ist Gewalt, die gleichzeitig fassungslos wie wütend macht. Und ich weiß, dass es Ihnen da genauso geht. Es ist auch die Empörung, die uns heute zusammenführt, der Wille, die Dinge zu ändern. Denn das geht! Wir setzen uns schon seit einigen Jahren mehr und mehr mit Sprache auseinander und führen darüber öffentlichkeitswirksame, oft emotional aufgeladene Debatten. Wir konnten das gerade in der vergangenen Woche wieder bei einer Debatte um einen Antrag der AfD-Fraktion in unserem Plenarsaal erleben. Das Thema „Die Macht der Sprache im Leben von Mädchen und Frauen“ und Ihre heutigen Impulse gehören daher unbedingt in unser Haus. Umso herzlicher heiße ich Sie heute willkommen im Abgeordnetenhaus von Berlin.

Sprache zementiert frauenfeindliche Strukturen, Sprache formt die gesellschaftliche Wirklichkeit. Und Sprache kann gewaltvoll sein. Auch im Parlament müssen wir uns der Tragweite bewusst sein und überlegen, wie wir damit umgehen. Ich denke schon, dass wir als Abgeordnete Vorbilder sein sollten, was den Sprachgebrauch betrifft. Wir sprechen im Plenarsaal, in unseren Social-Media-Kanälen, in Radio oder Fernsehen. Egal, wie bequem und eindeutig es unsere „Mutter“sprache den Männern da über die Jahrhunderte hinweg gemacht hat, lässt sich das generische Maskulinum sehr wohl infrage stellen. Länder mit einer geschlechterneutralen oder geschlechtslosen Sprache stehen ja tatsächlich oft etwas besser dar, wenn es um Gleichberechtigung geht. Ich denke hier beispielsweise an Finnland.

Zudem ist für mich auch das Zuhören ein wichtiger Aspekt. Wenn Frauen im Plenum sprechen, sollte respektvolles Zuhören ohne dumme Sprüche und Spitzen angesagt sein. Das erlebe ich im Plenarsaal nicht immer. Aber es ist meine Aufgabe, durchzusetzen, was selbstverständlich sein sollte.

Wenn wir Vorbilder sein wollen, gehört auch dazu, dass wir Politiker lernen, Schwäche und Gefühle öffentlich einzuräumen. Auch das geht über Sprache, im Grunde reichen wenige Worte. Aktuell sind wir da noch nicht sehr weit. Ich erinnere kaum Männer in der Politik, die gesagt haben, dass ihnen etwas zu viel wird oder dass sie Fehler gemacht haben. In Erinnerung bleiben stattdessen leider oft die Negativ-Beispiele, wie der letzte US-Präsident, der einer aus seiner Sicht unbequemen Journalistin vorwarf, Menstruationsprobleme zu haben. Gewalt durch Sprache!

Zur Wahrheit gehört auch, dass die meiste Gewalt gegen Frauen – gegen Kinder und andere Männer – Gewalt von Männern ist. Sie ist das Ergebnis von einem antiquierten und zudem sehr falschen Verständnis von Männlichkeit, das beinhaltet, Emotionen zu unterdrücken und sich die eigene Verletzlichkeit nicht einzugestehen. Empathie hatte bisher in der männlichen Sozialisation wenig Bedeutung und es ist sehr, sehr gut, dass sich das inzwischen ändert.

Ebenso wenig sind Sprache, sprechen, sprachliches Handeln Naturphänomene, sondern eher gesellschaftlich-historischer Art und insofern auch kritisier- und gestaltbar. Lassen Sie uns also endlich die Realität abbilden! „Traditionelles Frauenbild“ meint in der Regel Unterdrückung; Vergewaltigung bleibt Vergewaltigung und ist kein „Sex Skandal“, es heißt Gleichberechtigung und nicht „Gender-Gaga“. Und was als „Familiendrama“ in der Zeitung steht, ist meist ein eiskalter Mord - in der Regel an Frauen.

Herzlichen Dank!