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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa
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Impuls der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Cornelia Seibeld, mit der Diözesangruppe Berlin-Brandenburg im Bund Katholischer Unternehmer

13.05.2025 12:30, International Business Club e.V. (ICB), Thüringerallee 5-11, 14052 Berlin

Zuerst einmal möchte ich mich bei Herrn Schütze und Herrn Embser für die Einladung bedanken. Ich bin Ihrer Einladung sehr gerne nachgekommen. Ich war lange Jahre Kirchenpolitische Sprecherin der CDU Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und bin seit etwa 1,5 Jahren Landesvorsitzende des evangelischen Arbeitskreises in der CDU. Gerade in einer Stadt wie Berlin, heterogen, vielfältig, aber nicht unbedingt mehr christlich geprägt – ist es umso wichtiger, dass Christen und christliche Positionen auch oder gerade im Alltag deutlich werden.

Und das gerade vor dem Hintergrund, dass in Berlin sämtliche Weltreligionen vertreten sind. Jedoch überwiegt unter unseren Mitbürgern der Teil, der mit Religion im Allgemeinen und dem Christentum im Speziellen eher fremdelt. Umso wichtiger ist Ihr Engagement, auf der Basis christlicher Werte Wirtschaft und Unternehmertum mitgestalten zu wollen. Soweit ich verstanden habe, wollen wir  miteinander ins Gespräch kommen. Deshalb will ich Ihnen nur 5 Thesen vortragen: Diese sind naturgemäß etwas zugespitzt. Das regt dann hoffentlich unsere Diskussion an.

Erlauben Sie mir bitte eine Vorbemerkung zur neuen Bundesregierung. Die Notwendigkeit eines zweiten Wahlgangs zur Wahl von Friedrich Merz hat sicher viele überrascht. Ich hatte es schon befürchtet. Ja, man konnte ein Stück weit fassungslos sein, wie manche Abgeordnete ihre persönliche Befindlichkeit im ersten Wahlgang über die Interessen des Landes gestellt haben. Und das zu einem Zeitpunkt, in dem eine handlungsfähige Deutsche Bundesregierung vielleicht wichtiger denn je ist. Die Bewertung als „deutsche Staatskrise“ war dennoch maßlos übertrieben. Das Grundgesetz hat genau für diesen Fall eine klare Regelung und die Geschäftsordnung des Bundestages genauso. Da der Fall noch nie eingetreten war, störte auch die skurrile Regelung zu weiteren Wahlgängen nicht. Letztlich hat der gesamte Bundestag deutlich gemacht, dass er Verantwortung übernehmen wollte und konnte. Mit den Stimmen aller Fraktionen wurde die Abweichung von der GO möglich gemacht – auf die Stimmen der AfD kam es nicht an.

Letztlich erscheint mir dieses Novum sinnbildlich dafür, dass wir nicht mehr wie selbstverständlich auf die Fortsetzung bisheriger Traditionen und Verhaltensweisen setzen können – weder in der nationalen noch der internationalen Politik, weder in der Gesellschaft noch in der Wirtschaft. „Expect the unexpected“ heißt das neudeutsch. Der Anspruch auf hundertprozentige Sicherheit und Fehlerfreiheit ist dann falsch:

Wir brauchen stattdessen die Fähigkeit zur Veränderung und die Bereitschaft zur Anpassung. Als Unternehmer können Sie ja auch nicht stur an Ihrem Geschäftsmodell oder ihrer Produktpalette festhalten, egal wie sich die Technik oder die Nachfrage entwickeln. Das hat sich vor noch nicht allzu langer Zeit in der Corona Zeit auch sehr deutlich gezeigt.

1. These

Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie. Das hat schon Ludwig Erhard gesagt. Deshalb ist es die wichtigste Aufgabe der neuen Bundesregierung, Zuversicht zu verbreiten. Das gelingt am besten durch tatkräftiges Regierungshandeln, dadurch dass Entscheidungen gefällt werden. Einfach mal vorangehen. Und der Satz: Tun was man sagt und sagen was man tut, ist für Politiker so richtig wie einfach. Achtung! Veränderungen können auch schmerzhaft sein.

2. These

Für die Unternehmen muss wieder gelten: Konzentration auf ihre Aufgaben und Geschäfte: Innovative Produkte und Dienstleistungen anbieten, Arbeit und Wohlstand schaffen. Dazu braucht es staatlicherseits mehr Vertrauen und weniger Aufsicht und Kontrolle. Konkret bedeutet das, weniger Berichtspflichten und Statistiken und weniger Abgaben auf Beschäftigungsverhältnisse.

3. These

Pragmatismus und Flexibilität statt ideologischer und starrer Vorgaben im Detail. Wir haben für viele Themen eigene Behörden aufgebaut. Emissionsschutz, Datenschutz, Gewässerschutz, Denkmalschutz und manch andere. Diese Behörden haben starke Vetorechte bekommen. Deshalb kommt die allgemeine Verwaltung nicht mehr voran. Veto ist mächtiger als Gestaltung. Wir stecken in einer Blockade. Deshalb müssen wir die ausgeuferten Vetorechte in Form von Beteiligungsformaten, Rechtsinstanzen und aufschiebender Einsprüche wieder zurechtstutzen. Wir brauchen wieder mehr generellere Lösungen als Einzelfallgerechtigkeit. Es wird nur für alle einfacher und übersichtlicher, wenn auch in Maßen Ungleichbehandlung in Kauf genommen wird. Das Große Ganze und die Allgemeinheit müssen im Fokus sein.

4. These

Wir müssen auf grundlegend veränderte internationale Beziehungen reagieren. Das gilt zuallererst für die äußere Sicherheit unseres Staates sowie der Europäischen Union. Bereits jetzt werden wir täglich angegriffen. Man nennt das hybride Kriegsführung, wenn die GPS-Signale für unsere Flughäfen gestört werden, wenn Datenverbindungen und Pipelines zerstört werden, wenn der Bundestag genauso wie viele Unternehmen gehackt wird, wenn Trolle beständig Fake-News verbreiten. Und wenn durch die Androhung oder gar Anwendung von Waffengewalt von uns ein bestimmtes Verhalten erpresst werden soll. Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung sind dann schnell in Gefahr. „In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod“ sagt das Sprichwort. Deshalb war die Aussetzung der Schuldenbremse für Militär- und Verteidigungsausgaben zwingend.

Und für unsere Wirtschaftsbeziehungen gilt: Europa ist unser Heimatmarkt. Andere Staaten verwehren uns durch Zölle und nichttarifäre Handelshindernisse zunehmend den Zugang zu ihren Märkten. Dann müssen wir in der Mitte Europas mit einer intakten Verkehrsinfrastruktur dafür sorgen, dass unser Heimatmarkt funktioniert. Für die Sicherheit wie für den Handel gilt: Nur gemeinsam sind wir als Europäer stark.

5. These

Der Koalitionsvertrag ist kein Aufgabenheft, das buchstabengetreu umgesetzt werden muss. Ich weiß, dass manche Sozialdemokraten daran glauben. Es ist aber völlig abwegig, zu glauben, man könne die Politik für unser Land über vier Jahre hinweg in allen Einzelheiten festschreiben. So ein Versuch muss scheitern. Die Ampel ist dafür ein warnendes Beispiel. Ich hätte mir von der neuen Koalition einen schlanken Koa-Vertrag auf nur wenigen Seiten gewünscht, der schon antizipiert, dass sich die Weltlage so schnell ändert, dass man gar keine verbindlichen Pläne für mehrere Jahre aufstellen kann.

Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die Handelspolitik von Donald Trump, seine Aufkündigung bisheriger Sicherheitszusagen, die Anwendung von KI sowie Naturkatastrophen und Pandemien sind nur einige Beispiele für nicht steuerbare Faktoren. Deshalb ist es richtig, dass alle finanzwirksamen Vorhaben unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt werden.

Große Bewährungsaufgaben stehen an: Ein ausgeglichener Bundeshaushalt muss aufgestellt werden, das Gleiche gilt in den Ländern und Kommunen, die Sozialversicherungen müssen zukunftssicher reformiert werden und die Bedingungen für das Wiederaufleben der Wehrpflicht bzw. eines Gesellschaftsjahres müssen geklärt werden.

Fazit

Im Ergebnis will ich nicht verhehlen, dass vor uns erhebliche Einschnitte und Veränderungen liegen. Wirtschaftliche Erfolge in Zeiten von Fachkräftemangel, demografischen Entwicklungen, Gefährdung von Exportmärkten und rasant steigenden Löhnen verbunden mit Haushaltskrisen im öffentlichen Sektor erfordern von uns allen ein Umdenken, Beweglichkeit und Engagement – letztlich das, was erfolgreiche Unternehmer auszeichnet.

Ich wünsche Ihnen guten Appetit und freue mich auf Ihre Fragen und Beiträge.