Impuls der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Cornelia Seibeld, zum Frühjahrsempfang der Berliner Stadtmission
15.05.2025 18:00, Lehrter Straße 68, 10557 Berlin
Ich freue mich sehr, heute hier beim Frühjahrsempfang der Berliner Stadtmission sprechen zu dürfen. In Zeiten gesellschaftlicher Spaltung, wachsenden Misstrauens und globaler Krisen wird immer deutlicher: Unsere Demokratie lebt nicht allein von politischen Institutionen oder Wahlen. Sie lebt vor allem davon, dass Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – füreinander, für die Gemeinschaft und für die Werte, die uns zusammenhalten. Das führt uns zum Kern dessen, worüber wir heute sprechen: „Haltung zeigen“. Eine Maxime, die so einfach klingt und doch so herausfordernd ist. „Haltung zeigen“ heißt, sich klar zu positionieren – auch und gerade dann, wenn es unbequem wird. „Haltung zeigen“ bedeutet, nicht zu schweigen, wenn wir Ausgrenzung und Ungerechtigkeit sehen.
Haltung wurzelt in einem festen Wertefundament, das uns Orientierung gibt – gerade in schwierigen und unsicheren Zeiten. Für viele von uns ist dieses Fundament das christliche Menschenbild: die tiefe Überzeugung, dass jeder Mensch wertvoll ist. Um es in den Worten von Artikel 1 des Grundgesetzes zu sagen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Diese Überzeugung ist nicht nur eine schöne Idee, sondern ein Auftrag. Und die Berliner Stadtmission ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie dieser Auftrag Tag für Tag in die Tat umgesetzt wird.
Die Stadtmission ist für Menschen da, die oft am Rand unserer Gesellschaft stehen: für Obdachlose, für Menschen in akuter Not, für Geflüchtete und für diejenigen, die unsere Unterstützung brauchen. Mit ihrer Arbeit schenkt die Stadtmission Hoffnung, Würde und ein Stück Heimat in einer Stadt, die für viele nicht immer ein sicherer Ort ist. Ihr Leitbild – „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn“ – bringt auf den Punkt, was diese Arbeit ausmacht. Es erinnert uns daran, dass es unsere gemeinsame Aufgabe ist, das Wohl unserer Stadt im Blick zu behalten – nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret im Dienst am Nächsten. Die Stadtmission tut das mit beeindruckender Konsequenz. Sie setzt sich dafür ein, dass niemand übersehen wird. Sie baut Brücken zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen und trägt dazu bei, dass Berlin eine Stadt bleibt, die für Vielfalt und Solidarität steht.
Auch – und vor allem – die Politik ist hier in der Pflicht. Die Berlinerinnen und Berliner sollen sich darauf verlassen können, dass die Gemeinschaft sie trägt, wenn sie wirklich Hilfe benötigen. Im Abgeordnetenhaus ringen wir um die besten Lösungen für Berlin und setzen den Rahmen für die soziale Teilhabe in unserer Stadt. Aber: Politik kann und muss mehr tun. Auch wir, die demokratisch gewählten Abgeordneten, müssen Haltung zeigen. Das heißt auch, Missstände beim Namen zu nennen und entschlossen zu handeln, wenn gesellschaftliche Spaltungen drohen. Wir Politikerinnen und Politiker müssen uns wieder mehr anstrengen, das Auseinanderdriften in unserer Gesellschaft aufzuhalten, Brücken zu bauen und den Zusammenhalt zu fördern. Gleichzeitig wissen wir: Staat und Politik allein können die Herausforderungen nicht bewältigen. Eine starke Zivilgesellschaft ist unverzichtbar. Hier kommt das Ehrenamt ins Spiel – eine tragende Säule unserer Demokratie.
Ohne die vielen Freiwilligen, die ihre Zeit und Kraft einbringen, wäre die Arbeit der Berliner Stadtmission und der vielen anderen vom Ehrenamt getragenen Vereine und Initiativen nicht denkbar. Alle ehrenamtlich engagierten Menschen in Berlin helfen nicht nur ganz praktisch, sondern sie setzen ein starkes Zeichen: dass Zusammenhalt mehr ist als ein schönes Wort, dass Solidarität gelebt werden muss. Ich möchte an dieser Stelle betonen, wie wertvoll diese Arbeit auch für unsere Demokratie ist. Wo Menschen sich engagieren, entsteht Vertrauen – und Vertrauen ist das Fundament jeder lebendigen Demokratie. Gerade in einer Zeit, in der sich viele Menschen von der Politik entfremdet fühlen, ist dieses Engagement ein wichtiges Gegengewicht. Wir alle können etwas bewegen. Wir alle tragen Verantwortung für das Miteinander in unserer Stadt.
Die Berliner Stadtmission zeigt uns eindrucksvoll, wie Haltung konkret aussieht: In den Notübernachtungen der Kältehilfe, die jedes Jahr unzähligen Menschen das Leben retten; in den Beratungsstellen, die neue Perspektiven eröffnen; in der Bahnhofsmission, die für viele ein Ort der Zuflucht ist. All das sind nicht nur Angebote der Nächstenliebe, sondern auch Zeichen gelebter Demokratie und Humanität. Die wertvolle Arbeit, die hier durch Sie geleistet wird, durfte ich schon häufiger vor Ort erleben. Und es ist nicht nur mir, sondern dem gesamten Parlament sehr wichtig, einen kleinen Beitrag zu leisten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sammeln jährlich Kleidung, Kaffee oder Tee und es bedeutet mir sehr viel, diese Spenden in gute Hände zu geben. Sehr wichtig ist mir auch der Dialog mit Obdach- und Wohnungslosen, zu dem wir einmal im Jahr in das Landesparlament einladen. Für die Kooperation mit der Berliner Stadtmission bei diesem Projekt sind wir sehr dankbar.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Engagierte,
ich danke Ihnen allen von Herzen für Ihren Einsatz. Ihr Dienst am Menschen ist großartig. Sie zeigen damit, dass Barmherzigkeit nach wie vor eine wichtige Stütze in unserer Gesellschaft ist. Mich berührt es sehr, dass Sie aus dem Glauben an Gott heraus die Kraft schöpfen, um etwas Würdevolles für andere Menschen zu tun. Dass Sie nicht gleichgültig bleiben, sondern kraftvoll helfen – gerade auch denjenigen, die diese Unterstützung woanders nicht erhalten. Sie zeigen uns allen, was es heißt, der Stadt Bestes zu suchen.
Herzlichen Dank.