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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa
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Rede der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Cornelia Seibeld, anlässlich der Verleihung der Louise-Schroeder-Medaille 2025

19.06.2025 18:00, Abgeordnetenhaus, Festsaal

Der Name Louise Schroeder steht für Demokratie, für sozialen Frieden, soziale Gerechtigkeit und für die Gleichstellung von Frau und Mann. Als eine der ersten Parlamentarierinnen in Deutschland, zeichneten sich schon zu Beginn ihrer politischen Karriere ihr Mut und ihre Stärke ab. Trotz ihrer großen Verdienste um die Stadt ist sie vielen Berlinerinnen und Berlinern nicht bekannt. Andere Namen aus dieser Zeit sind z. B. im Straßenbild der Stadt wesentlich präsenter. Ich denke da vor allem an den Ernst-Reuter-Platz oder die Clayallee. Der Louise-Schroeder-Platz im Wedding wirkt dagegen eher klein und unscheinbar.

Louise Schroeder wuchs in einer Epoche auf, in der Frauen weder politischen Parteien angehören noch wählen durften. Das änderte sich nach der Niederlage im ersten Weltkrieg. Bei der Wahl zur Nationalversammlung 1919 durften Frauen zum ersten Mal wählen und gewählt werden. Louise Schroeder gehörte fortan zu den 41 weiblichen Abgeordneten von insgesamt 423. 1933 – Louise Schroder hatte mit 93 anderen sozialdemokratischen Abgeordneten gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt – brach mit der Machtergreifung Hitlers auch ihre Welt zusammen. Schlagartig sah sie sich aller Ämter enthoben und zur politischen Untätigkeit gezwungen.

Nach Kriegsende baute sie die Berliner SPD mit auf. Und nach einem Jahr als Dritte Bürgermeisterin wurde sie 1947 – stellvertretend für den von den Sowjets nicht anerkannten Ernst Reuter – amtierende Oberbürgermeisterin von Berlin. Ihre Wahl war ein Signal für die politische Gleichberechtigung: Nie zuvor wurde Berlin von einer Frau regiert. Mit den Wahlen im Dezember 1948 wurde Berlin politisch und administrativ geteilt. Neuer Oberbürgermeister wurde Ernst Reuter, der Louise Schroeder mit folgenden Worten dankte:
„Ich möchte sagen, daß ich […] auch der von uns allen hochverehrten Frau zu danken habe, vor der wir uns alle in Hochachtung und Respekt verneigen, der Frau Bürgermeisterin Louise Schroeder, die während einer langen Zeit unter ungewöhnlich schwierigen Verhältnissen und unter schwerer Beeinträchtigung ihrer Gesundheit das Amt des Oberbürgermeisters geführt hat. Wenn es vorher noch nicht der Fall gewesen sein sollte, so hat Frau Schroeder sich durch die Art, wie sie dieses Amt geführt hat, einen Platz im Herzen aller Berliner, gleich welcher politischen Überzeugung sie sein mögen, erworben.“

Mit der Louise-Schroeder-Medaille erinnern wir alljährlich an die erste Ehrenbürgerin Berlins und ehren eine Persönlichkeit oder eine Institution, die dem politischen und persönlichen Vermächtnis Louise Schroeders in herausragender Weise Rechnung trägt. In diesem Jahr hat sich das Kuratorium der „Louise-Schroeder-Medaille“ einvernehmlich dafür ausgesprochen, die Verdienste und das Engagement von Flotte Lotte – Frauen und Mütter im Berliner Norden e. V. zu ehren. An dieser Stelle darf ich mich auch bei den Mitgliedern des Kuratoriums für ihre geleistete Arbeit herzlich bedanken. Das Frauenzentrum Flotte Lotte gründete sich 1985 in Berlin und begleitet seither Frauen mit verschiedenen Bildungs- und Begegnungsangeboten auf ihrem Lebensweg. Die Unterstützung richtet sich an alle Frauen gleichermaßen, egal in welcher Lebenslage sie sich befinden. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob es sich um private Umstände handelt, die beispielweise eine psychologische Beratung erfordern, oder ob sich die Frauen in beruflichen Umbruchsphasen befinden und neue Perspektiven oder Orientierung suchen. Das Motto des Vereins lautet: Jede Frau hat das Recht auf Hilfe, individuelle Beratung und einen geschützten Raum, um ihren eigenen Weg zu finden.

Im Mittelpunkt steht dabei die Perspektive auf ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben. Durch die besondere Nähe zu den Frauen und ein feines Gespür für ihre Lebensrealitäten kann Flotte Lotte seine Angebote gezielt dort ansetzen, wo Unterstützung gebraucht wird. Das bezieht sich auch auf vermeintlich aussichtslose Situationen. Es fällt schwer, sich vorzustellen, was Frauen erleiden, die von Gewalt betroffen sind. Angst, Scham und Schuldgefühle. Eine enorme emotionale wie psychische Belastung. Ist das überhaupt schon Gewalt? Wie konnte es so weit kommen? Was passiert, wenn ich gehe? Was ist, wenn mir niemand glaubt? Sind Kinder involviert, verschärft sich die Situation für viele Betroffene zusätzlich. Gedanken wie: „Was, wenn den Kindern etwas passiert?“ oder „Wie erkläre ich ihnen das alles?“ „Wer bekommt das Sorgerecht“ lassen sich kaum vermeiden. Auch der innere Druck, Rücksicht auf die Kinder nehmen zu müssen, ist oft überwältigend. Ich bin dankbar, dass Vereine wie Flotte Lotte hier genauer hinschauen und Frauen mit einer unbürokratischen Anti-Gewalt-Beratung zur Seite stehen. Denn: Frauen in solchen Lebenslagen brauchen besondere und niedrigschwellige Hilfe. Viele von ihnen fühlen sich allein, isoliert und überfordert mit der Frage, was die nächsten Schritte sein könnten.

Neben der sogenannten „Beratung ohne Namen“ – einer anonymen Sprechstunde – bietet das Frauenzentrum auch Zufluchtsorte, um Frauen sofortigen Schutz und Sicherheit zu ermöglichen. Es ist mir daher eine große Ehre, den Verein Flotte Lotte heute mit der Louise-Schroeder-Medaille auszuzeichnen und damit seine herausragenden Verdienste um Gleichstellung und Chancengerechtigkeit für Frauen zu würdigen.

Mein besonderer Dank gilt den engagierten und mutigen Mitarbeiterinnen, deren täglicher Einsatz diesen Erfolg möglich macht. In bester Tradition des Wirkens von Louise Schroeder leisten Sie mit Ihrer Arbeit und Ihrem ganzheitlichen Ansatz Großartiges. Sie geben betroffenen Frauen nicht nur Raum für Austausch und persönliche Entwicklung sondern vor allem etwas ganz Wesentliches: Hoffnung und Geborgenheit.
Vielen Dank.