Rede der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Cornelia Seibeld, zur Ausstellungseröffnung "Handwerkerinnen: Stolz und Vorurteile"
08.10.2024 17:00, Abgeordnetenhaus, Wandelhalle
Herzlich willkommen zur Ausstellungseröffnung im Abgeordnetenhaus von Berlin. Ich freue mich, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind. Und besonders freue ich mich, dass die Präsidentin der Handwerkskammer, Carola Zarth, gewissermaßen den Inhalt unserer heutigen Ausstellung verkörpert: als Frau an der Spitze der Handwerkskammer. Und noch bei einer weiteren Frau möchte ich mich ausdrücklich bedanken: Beate Roll hat mit Ihrem stetigen Engagement bei mir erst die Sensibilität für das Thema „Frauen im Handwerk“ geweckt.
Häufig schauen wir mit unseren Ausstellungen in die Vergangenheit. Es freut mich daher sehr, eine Ausstellung zu eröffnen, die das Heute betrachtet und dabei auch einen durchaus positiven Blick in die Zukunft wirft. Natürlich kommen wir dennoch nicht darum herum, über die Vergangenheit und in diesem Fall über eine besondere Frau zu sprechen. Die Rede ist von der britischen Schriftstellerin Jane Austen. Auf ihren Romanklassiker „Stolz und Vorurteil“ von 1813 spielt der Titel unserer heutigen Ausstellung an. Jane Austen und ihr Roman stammen aus einer Zeit, in der Rechte für Frauen und der Zugang zu Bildung sehr beschränkt waren. Eine existenzielle und finanzielle Sicherheit gab es für viele Frauen meist nur durch eine Eheschließung, also durch die Abhängigkeit von einem Mann.
Die Situation, wie sie sich für die Schriftstellerin damals darstellte, ist für uns Frauen heute mehr als undenkbar. Können Sie sich vorstellen, nicht arbeiten oder wählen zu dürfen? Ein Leben in Selbstbestimmung, wie es für uns heute selbstverständlich ist, gab es damals nicht. So war es auch ein historischer Moment, als 1918 – 100 Jahre nach dem Wirken von Jane Austen – das Frauenwahlrecht in Deutschland eingeführt wurde. Ein wichtiger Schritt im Kampf um Gleichberechtigung.
Ohne den Mut unserer Vorkämpferinnen und deren Errungenschaften, wäre die Gesellschaft heute eine andere. Aber wie ich eingangs sagte: Lassen Sie uns das Hier und Jetzt betrachten, uns von der Ausstellung inspirieren und positiv in die Zukunft schauen. Natürlich gibt es Bereiche, wo die Emanzipation und die Gleichberechtigung noch nicht so selbstverständlich sind, wie wir das gern hätten.
Heute gibt es zahlreiche Frauen, die finanziell unabhängig sind und für sich selbst sorgen können. Nicht nur unsere Gesellschaft, auch unsere Arbeitswelt ändert sich stetig. Viele Klischees, die früher ganze Berufsfelder bestimmt haben, sind heute überholt. Langsam, aber sicher, werden geschlechterspezifische Zuordnungen aufgebrochen. So auch im Handwerk, das lange Zeit durch männliche Dominanz geprägt wurde.
Eine dynamische und sich ständig verändernde Stadt wie Berlin braucht ein starkes Handwerk. Ob Fleischerei, Tischlerei oder Zahntechnik: Das deutsche Handwerk mit seinen mehr als 130 Ausbildungsberufen folgt einer langen Tradition und bietet ein breites und qualitativ hochwertiges Angebot an Waren und Dienstleistungen. Ich freue mich sehr, dass das Handwerk immer weiblicher wird. Und noch mehr, dass viele Frauen sich auch im Handwerk ihren Platz in Führungspositionen erobert haben.
Laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks werden bereits über ein Viertel der Betriebe von Frauen geführt. Denn eines ist wohl auch inzwischen unbestritten: Frauen führen anders, gründen Unternehmen anders und verändern das Klima in einem Team. Sie sehen, ich habe nicht „besser“ sondern „anders“ gesagt. Das muss jeder oder jede für sich bewerten. Aber im Ergebnis hilft es Unternehmen und der Gesellschaft, wenn es in allen Bereichen eine gleichmäßige Beteiligung von Frauen und Männern gibt.
Die Ausstellung „Handwerkerinnen: Stolz und Vorurteile“, bietet uns mit ihren eindringlichen Beispielen und persönlichen Geschichten einen neuen Blick auf das Handwerk. Im Vordergrund stehen junge Frauen, die das Berufsfeld neu definieren. Ob Mechatronikerin oder Metallbauerin: Nicht selten sehen sie sich mit Skepsis und Vorurteilen konfrontiert. Doch mit Geschick und Talent sowie dem nötigen Selbstvertrauen krempeln diese Frauen ganze Branchen um. Sie sind qualifizierte Fachkräfte, die mit Kreativität und Innovationskraft die Zukunft gestalten.
Diese Handwerkerinnen zeigen uns, wie Selbstbestimmung aussehen kann. Ich möchte all denjenigen Frauen danken, die als Vorbilder im Handwerk vorangehen und mit ihrer Arbeit die Lebensqualität in unserer Stadt aufrechterhalten. Sie zeigen vor allem jungen Schulabgängerinnen, dass sich eine Ausbildung in einem Handwerksberuf lohnen kann. Ebenfalls danke ich der Berliner Handwerkskammer und namentlich Ihnen, Frau Präsidentin Zarth, für diese gelungene Ausstellung.
Ich wünsche uns allen einen schönen Abend sowie einen erfrischenden Perspektivenwechsel und der Ausstellung zahlreiche Besucherinnen und Besucher. Vielen Dank!