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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa
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Rede der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin Cornelia Seibeld zur Entzündung des ersten Lichts am Chanukka-Leuchter vor dem Abgeordnetenhaus

07.12.2023 17:30, Abgeordnetenhaus, Vorplatz

Vor wenigen Wochen hat Michael Wolffsohn bei der Gedenkrede zum 85ten Jahrestag der Reichspogromnacht bei uns im Abgeordnetenhaus davon gesprochen, dass die jüdische Existenz immer eine Existenz auf Widerruf sei. Immer wieder hat die pure Existenz von Jüdinnen und Juden und der jüdischen Religionsausübung vermeintlich zur Disposition gestanden. Das gilt nicht nur für die Shoa, das gilt auch für andere Abschnitte jüdischer Geschichte.

Auf ein solches Ereignis bezieht sich das jüdische Lichterfest Chanukka. Das Fest hat seine historische Wurzel in der Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem, nach christlicher Zeitrechnung im Jahre 164 vor Christus.

Gerade auch in diesen Tagen der Anfechtungen und Anfeindungen jüdischen Lebens, ja der Androhung seiner Auslöschung ist Chanukka ein Fest mit der gegenteiligen Botschaft. Juden, in diesem Fall die Makkabäer, waren siegreiche Kämpfer, keine bloßen Opfer. Und die spirituelle Verbindung des Glaubens an Gott wurde bestätigt. Chanukka erinnert daran, dass Gott das Judentum vor der Gefahr der Vernichtung gerettet hat. Deshalb ist Chanukka ein Fest der Selbstbehauptung, des Standhaltens, der Freude.

Wir alle können die Wiederkehr jüdischen Lebens nach Berlin heute und an den nächsten sieben Tagen gemeinsam feiern. Ich bin sehr froh, dass wir heute die von meinem Amtsvorgänger begründete Tradition des Entzündens der ersten Kerze des Chanukka Leuchters vor dem Berliner Abgeordnetenhaus fortsetzen können.

Aber wenn ich die Lage mit der vor einem Jahr vergleiche, dann hat sich doch nach dem 7. Oktober leider vieles – uns zwar nicht zum Guten – verändert. Wir sind der Berliner Polizei sehr dankbar, dass sie die Durchführung dieser und anderer vergleichbarer Veranstaltungen ermöglicht. Aber ich schäme mich dafür, wenn die Eltern des Kinderchors, den wir heute hören, an einem solchen Abend um die Sicherheit ihrer Kinder bangen müssen. Ich schäme mich dafür, dass es in Deutschland eben nicht gelingt, dass jüdisches Leben sicher und selbstverständlich ist. Und gerade dafür bin ich auch Rabbiner Teichtal so dankbar: dass er – wie vielleicht kein anderer – jüdisches Leben in Berlin immer wieder sichtbar und deutlich macht und in die Mitte unserer freiheitlichen Gesellschaft holt. Denn genau da gehört es hin!

Wenn wir jetzt den Chanukka-Leuchter und den Weihnachtsbaum nebeneinander betrachten, so drängt es sich auf, dass für beide das Entzünden von Kerzen von zentraler Bedeutung ist. Das Chanukka-Kerzenentzünden ist allerdings rund 2000 Jahre alt, das Entzünden der Kerzen am Weihnachtsbaum noch keine 200 Jahre.

Wir dürfen uns aber alle, ob Jude oder Christ, ob gläubig oder nicht, an beider Anblick und als Symbol der Hoffnung in der Dunkelheit erfreuen. So darf ich mich bei Rabbiner Teichtal und seiner Gemeinde nicht nur für die Bereitstellung des neunarmigen Leuchters und  der Zeremonie am heutigen Abend bedanken. Jeden Morgen an den nächsten sieben Tagen wird unsere Verbundenheit durch ein weiteres, brennendes Licht deutlich werden. Mögen wir alle seine Botschaft in unserem Alltag weitertragen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!