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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa
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Rede der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin zum Feierlichen Gelöbnis der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr

22.05.2024 17:00, Vorplatz des Abgeordnetenhauses von Berlin

Als Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses darf ich Sie alle auf einem Platz herzlich begrüßen, auf dem noch nie ein Gelöbnis von Rekruten der Bundeswehr stattgefunden hat. Wir betreten also wortwörtlich heute gemeinsam Neuland. Mit Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde am 23. Mai 1949 - genau morgen vor 75 Jahren - die Grundlage für ein gelungenes deutsches Gemeinwesen gelegt. Vorerst nur in den Besatzungszonen der Westalliierten.

Das Grundgesetz - als zunächst vorläufige Verfassung - hat aufgrund der Erfahrungen aus dem deutschen Kaiserreich, der Weimarer Republik aber natürlich vor allem des Nationalsozialismus versucht, Grundlage für ein neues freiheitlich demokratisch geprägtes Land zu sein. Innerhalb nicht mal eines Jahres gelang es dem parlamentarischen Rat, allgemeingültige Menschenrechte, Rechtsstaat, Föderalismus und Freiheit in knapp 150 Artikeln zu verankern. Und das so erfolgreich, dass uns das Grundgesetz auch heute noch - 75Jahre später - im Wesentlichen unverändert als unsere gemeinsame Basis dient.

Wahrscheinlich erstmals in dieser Intensität steht die Bundesrepublik Deutschland gleichzeitig vor einer immensen Bedrohung im Inneren wie im Äußeren. Das gilt nicht nur hinsichtlich der gewachsenen inneren Bedrohungen unseres demokratischen Rechtsstaats, sondern und vor allem seit dem 24. Februar 2022 hinsichtlich einer äußeren Bedrohung. Die europäische Friedensordnung aus den Abkommen der 90er Jahre ist uns nicht auf Dauer erhalten geblieben. Die Anerkennung der Souveränität und der territorialen Integrität der Länder, die nach dem Zerfall der Sowjetunion zu unabhängigen Staaten wurden, wird von Russland infrage gestellt. Mehr noch, es setzt seinen Anspruch auf Durchsetzung seiner imperialen Ambitionen mit militärischen Mitteln durch. Das Russland des Wladimir Putin ist eine revisionistische Macht, die brutal Krieg führt. Es ist bestrebt, auch geographisch seine Machtausübung überall dahin wieder auszudehnen, wo es schon einmal mit seinem Militär die Oberhoheit ausgeübt hat. Das gilt aktuell in besonders heftiger Form für den Überfall auf die Ukraine und den Versuch, diesem Staat seine demokratische Grundordnung und selbstständige Identität sowie seine Hinwendung zu Europa zu nehmen.

Unser Frieden, aber auch unsere freiheitlich Demokratische Art zu leben, müssen plötzlich verteidigt werden. Aber auch innerhalb unserer Gesellschaft gibt es nicht nur Spaltungstendenzen, sondern wachsende Kräfte, die unser Gemeinwesen von Grund auf ablehnen. Weder eine Rechtfertigung des Hamas Terrors auf unseren Straßen und in unserem Land, noch Linksextremismus, noch rechtsextreme Hetze gegen Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund, gegen unsere diverse vielfältige Gesellschaft, noch Austrittsphantasien aus Nato und EU haben auch nur ansatzweise etwas mit den seit 75 Jahren zusammen in Deutschland gelebten Werten zu tun.

Wer solche Positionen vertritt und Hass und Hetze verbreitet, ist ein Verfassungsfeind und hat nur eines verdient: die gesamte Härte unseres Rechtsstaats. Wer solche Positionen vertritt, bewegt sich weit außerhalb unserer freiheitlichen Gesellschaft und kann deren Solidarität an keiner Stelle mehr erwarten. Und gerade deswegen stehen wir heute hier vor einem Parlament beim Gelöbnis von jungen Soldatinnen und Soldaten. Unsere Soldaten dienen Deutschland unter der Prämisse der Werte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Und genau hier schließt sich auch der Kreis. In unseren Parlamenten - auf Bundes- wie auf Landesebene - sind wir alle als Parlamentarier darauf verpflichtet, unser Gemeinwesen ebenso im Sinne dieser Werte zu gestalten. 

Mit der Aufstellung der Bundeswehr 1955 und ihrer Einbindung in die supranationalen Befehlsstrukturen der NATO war ein wesentlicher Beitrag für die Sicherheit des westlichen Staatenbündnisses gewonnen. Und natürlich wurde der Rechtsrahmen für die Bundeswehr im Grundgesetz verankert. Artikel 87a normiert, dass der Bund Streitkräfte zu Verteidigung aufstellt. Weitergehender noch ist die Festlegung in Art. 26 Abs.1 des Grundgesetzes. Die Vorbereitungen zur Führung eines Angriffskrieges genauso wie alle anderen Handlungen zur Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker sind verfassungswidrig. Das waren und sind Konsequenzen aus den verheerenden Angriffskriegen von Hitler-Deutschland. 

Das deutsche Parlament, der Bundestag, hat im Vergleich zu anderen demokratischen Verfassungsstaaten eine ungewöhnlich starke Stellung hinsichtlich der deutschen Armee. Ausdrücklich obliegen die zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge der Organisation der Bundeswehr der Beschlussfassung des Haushaltsgesetzgebers. Und die Entsendung deutscher Truppen außerhalb des Bündnisgebiets kann die Bundesregierung nicht einfach verfügen. Sie steht unter Parlamentsvorbehalt, bedarf also zwingend der Zustimmung des Deutschen Bundestages.

Um eine Entfernung der Soldaten von der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu verhindern, ist es nicht nur wichtig, sondern unerlässlich, dass die Bundeswehr und ihre Soldatinnen und Soldaten sich unser aller Respekt und Wertschätzung sicher sein können. Und auch das ist ein Signal, dass von dem heutigen Gelöbnis vor dem Berliner Abgeordnetenhaus ausgehen soll: die Bundeswehr ist Teil unserer Gesellschaft, unseres Gemeinwesens, unseres Staates. Sie gehört nicht hinter Mauern in Kasernen, sondern in die Mitte der Gesellschaft und unser aller Wahrnehmung.

Liebe Soldatinnen und Soldaten, zweifellos ist der Schutz unseres Staates vor äußeren Bedrohungen ihre besondere Aufgabe. Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit. Alle Bundeswehrsoldaten tragen dazu in wesentlicher Form durch ihren persönlichen Dienst bei. Den Rekruten des heutigen Gelöbnisses, den Zeitsoldaten und freiwillig Wehrdienstleistenden, gebührt unser aller Dank und vor allem unser aller Unterstützung. Das muss sich sowohl in der Beschaffung der notwendigen Ausrüstung ihres Auftrages zeigen, wie auch in einem angemessenen Personalaufwuchs unserer Streitkräfte. Sparen an der Ausstattung der Bundeswehr bedeutet gleichzeitig sparen am Frieden und der Sicherheit Europas. 

Ja, für eine gute Ausstattung ist der Einsatz von viel Geld notwendig. Und es ist ein neuer Ansatz für einen Zugang für den Dienst in der Bundeswehr nötig. Wenn die Bundeswehr die Gesellschaft widerspiegeln soll, muss ein größerer Anteil der jüngeren Generation sich hier einbringen. Wie auch im Ehrenamt, in Vereinen oder Parteien. Jeweils lebt das Engagement von Vielfalt. Das bedeutet nicht zwingend die Wiederkehr der Wehrpflicht in ihrer früheren Form, aber auch ganz bestimmt nicht das Festhalten an der Unzulänglichkeit des aktuellen Zustands.

Für eine glaubwürdige Abschreckung und damit Verhinderung eines Krieges ist es immer hilfreich, wenn sich ein demokratischer Staat vieler Qualifikationen und Kompetenzen seiner Bürger versichern kann. Mögen Sie, liebe Rekruten, mit ihrem heutigen Versprechen, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, erfolgreiche Vorbilder für zahlreiche neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter werden. 

Ich wünsche Ihnen die gebotene Anerkennung für Ihren Dienst und viel Erfolg bei der Durchführung Ihrer Aufgaben. Herzlichen Dank!