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Rede zur Eröffnung der Ausstellung "Das Massaker vom 7. Oktober und seine Folgen - Fotos von Ziv Koren"

20.02.2024 17:30, Abgeordnetenhaus, Wandelhalle

Warum zeigt das Abgeordnetenhaus diese Fotos des Fotografen Ziv Koren über die Orte des terroristischen Überfalls der Hamas und die davon betroffenen Angehörigen der Opfer? Dafür gibt es mehrere Gründe.

Beginnen will ich damit, dass es notwendig ist, immer wieder auf den Ausgangspunkt all der Ereignisse hinzuweisen, die uns tagesaktuell beschäftigen. Es war der lange geplante und mit äußerster Brutalität und Bestialität durchgeführte Überfall auf Menschen jedweden Alters vom Kleinkind bis zum Greis, Männer und Frauen, unterschiedlichster Herkunft und unabhängig von ihrer persönlichen Position zum Palästina-Konflikt. Terror bedeutet Schrecken. Und nichts anderes war die Absicht und der Sinn dieses Abschlachtens von fast 1200 Menschen, als grenzenlosen Schrecken zu verbreiten. Und immer noch bangen die Angehörigen um das Schicksal eines Teils der Menschen, die am 7. Oktober entführt wurden. Immer in der schrecklichen Ungewissheit, ob und wann dem Martyrium der Geiseln durch Ermordung bereits ein Ende gesetzt wurde.

Und doch werden die Verbrechen bestritten, ja sogar verleugnet. Über Posts in den sogenannten Sozialen Medien, ja sogar auf Demonstrationen in dieser Stadt. Es ist also eine Aufgabe, den Unwahrheiten entgegenzutreten, die Geschehnisse und die Belege dafür zu zeigen. Dabei dient diese Ausstellung auch als Kristallisationspunkt für die notwendige Auseinandersetzung mit angeblichen Rechtfertigungsgründen.

Sogar vermeintlich seriöse internationale Organisationen sprechen hinsichtlich des Gaza-Streifens von der Besatzungsmacht Israel. Widerstand gegen eine Besatzungsmacht sei legitim. Allerdings wären die Ermordung von Babys, die massenweise Vergewaltigung von Frauen und das qualvolle Hinrichten von Zivilisten auch im Kampf gegen eine Besatzungsmacht keine erlaubten Mittel. Solche Taten sind niemals gerechtfertigt. Nicht weniger wichtig: Es gab seit 2005 keine Besetzung des Gaza-Streifens durch Israel mehr. Kein israelischer Soldat war seitdem bis zum Hamas-Überfall auf dem Territorium des Gaza-Streifens stationiert und kein jüdischer Siedler lebte dort mehr. Mit dem Abzug der Armee verschwanden auch 22 jüdische Siedlungen und Ihre Bewohner aus dem Gaza-Streifen.

Sehr geehrter Herr Botschafter, lieber Ron Prosor, Sie waren als Staatssekretär in der Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon unmittelbar an dieser Rückzugsentscheidung beteiligt. Die Lage im Westjordanland ist fundamental anders. Umso bemerkenswerter, dass der Ausgangspunkt des größten Massakers an Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust gerade der selbstbestimmte Teil der palästinensischen Gebiete war, in dem keine israelischen Soldaten wie in der Westbank die Kontrolle ausübten. Das Ausmaß des Terrors hat zu einer fast einhelligen Erklärung der Solidarität mit Israel durch die politisch Verantwortlichen in Deutschland geführt.

Besonders eindrucksvoll und eindeutig sind die Resolutionen des Bundestages und des Berliner Abgeordnetenhauses. Sie greifen das gemeinsame Verständnis davon auf, dass die Existenz Israels und die Sicherheit der in diesem Staat lebenden Jüdinnen und Juden Teil der deutschen Staatsräson sind, so wie Angela Merkel es vor der Knesset erklärt hat. Als Reaktion auf diese deutsche Position ist aus propalästinensischer Sicht die Forderung erhoben worden, zur besseren Wahrnehmung des Leids der Bevölkerung im Gaza-Streifen sollte die deutsche Argumentation endlich von der historischen deutschen Schuld gegenüber den Juden befreit werden.

Meine Damen und Herren, solch eine Forderung hat fatale Ähnlichkeit mit der Forderung nach einem Schlussstrich, wie sie jahrzehntelang von Alt- und Neo-Nazis nach dem II. Weltkrieg erhoben wurde. In der Zeit des Nationalsozialismus war es deutsche Staatsräson, das europäische Judentum, möglichst sogar weltweit alle Jüdinnen und Juden, auszurotten. Das ist und bleibt ein deutsches Alleinstellungmerkmal. Daher die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, dass die Existenz des Staates Israel als Hort der Sicherheit für Jüdinnen und Juden Teil der Staatsräson Deutschlands ist.

Über diese spezifische Ausprägung des deutsch-israelischen Verhältnisses hinaus sind wir Israel auch deshalb verbunden, weil Israel in seiner Nachbarschaft der einzige demokratische Rechtsstaat ist. In Israel gibt es freie und faire Wahlen und es gibt den Schutz der Gerichte für die individuellen Rechte der Menschen wie auch gegenüber einer möglichen Übergriffigkeit des Staates. Zu allen denkbaren Kontroversen über die staatliche Ordnung wie auch gerade zum Umgang mit den Palästinensern gibt es eine lebhafte politische Debatte in Israel, an der alle Elemente des politischen Spektrums sich kritisch, gegebenenfalls auch sehr kontrovers beteiligen.

Natürlich kann all die Kritik, auch die Ablehnung einzelner politscher Maßnahmen, die in Israel zum Ausdruck kommt, auch von außen, auch aus Deutschland geäußert werden. Einem guten Freund sagt man, wenn er dabei ist, auch zu seinen eigenen Lasten einen Fehler zu machen. Solche Fehler können wir z.B. leider im Verhalten israelischer Siedler und Soldaten gegenüber den palästinensischen Bewohnern des Westjordanlandes immer wieder feststellen.

Aber eine rote Linie ist immer dann überschritten, wenn der Staat Israel – vom Fluß bis zur See – von der Landkarte getilgt werden soll und seine jüdischen Einwohner ins Meer getrieben, sprich vernichtet werden sollen. Wenn bei einem Ereignis wie am 7.Oktober dieser Vernichtungswille zum Ausdruck kommt, wenn unterstützt von autoritären Systemen und Diktatoren Terrorristen ihre Menschenverachtung dokumentieren:

Dann erfordert das unseren solidarischen Beistand und innerhalb unseres Landes die Härte des Strafrechts im Falle der Befürwortung dieser Taten. Wir müssen genau hinsehen. Und wir dürfen keine Teile der Wirklichkeit ausblenden. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, hat festgestellt, dass der Rechtsextremismus mit hoher Wahrscheinlichkeit die größte aktuelle Gefahr für die demokratische Vielfalt der Menschen, auch für jüdische Menschen in unserem Land ist. Die Morde des NSU haben über ein Jahrzehnt lang eine blutige Spur durch Deutschland gezogen.

Gestern war der vierte Jahrestag des Anschlags vom 19. Februar 2020, an welchem ein rechtsextremer Attentäter neun Menschen mit ausländischen Wurzeln in Hanau ermordete. 2019 wollte ein rechtsextremer Täter in Halle an der Saale an Jom Kippur einen Massenmord an der versammelten jüdischen Gemeinde vornehmen. Nur einige wenige Beispiele für die Gefahr und die Attentate, die von solchen Tätern ausgehen.

Als es in den 70er und 80er Jahren bereits einmal eine weltweite Welle gab, durch Terrorakte die Ziele der Palästinenser, das hieß damals vor allem der Fatah von Jassir Arafat und der PFLP von George Habbasch durchzusetzen, hatte das auch eminente Konsequenzen für die innere Sicherheit Deutschlands.

Alle linksextremen Organisationen der damaligen Bundesrepublik, seien es die Tupamores der Stadtguerilla, die Bewegung 2. Juni in West-Berlin, die Revolutionären Zellen und auch die Rote Armee Fraktion konnten ihre Anschläge und Morde nur dank der Waffen und der militärischen Ausbildung ihrer palästinensischen Waffenbrüder im antiimperialistischen Kampf durchführen.

Beim Olympiaattentat 1972, bei der Flugzeugentführung nach Entebbe und der Entführung der Lufthansamaschine Landshut nach Mogadischu, immer handelte es sich um eine Kooperation zwischen palästinensischen und deutschen Terroristen. Und immer war eine der Kernforderungen die Freilassung ihrer Gesinnungsgenossen aus deutschen wie aus israelischen Gefängnissen. Schon bereits 1969 war ein Brandanschlag auf das jüdische Gemeindehaus in West-Berlin durch Linksextreme nur aus technischen Gründen gescheitert und 1970 wurde das Altenheim der jüdischen Gemeinde in München in Brand gesetzt. Es starben sieben jüdische Bewohner, darunter mehrere Überlebende des Holocaust. In Zeiten der neuen Leitideologie des „Postkolonialismus“ der sich so definierenden Befreiungsorganisationen, müssen wir die Vorkommnisse in dieser Stadt nach dem 7. Oktober 2023 sehr ernst nehmen.

Anschläge auf Synagogen, Kennzeichnung von Wohnungen mit dem Davidstern, Sprengung von künstlerischen Veranstaltungen, Ausgrenzung von jüdischen Kommilitonen an hiesigen Universitäten, das in Brandstecken von Firmenfahrzeugen mit Israelbeziehungen bis hin zur schweren Körperverletzung eines jüdischen Studenten sollten wir als Warnzeichen ernst nehmen.

Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit. Wo anders als in diesem Haus mit seiner Geschichte wäre der richtige Platz für eine Ausstellung, die uns allen dafür eine Mahnung sein sollte.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.